Bibelenergie
Die wichtigsten Bibeltexte - von damals, aber so gar
nicht von gestern - dazu geistvolle Gedanken zum Starkbleiben, dargeboten als
Bibelrolle zum Scrollen
Zuvor
Die Bibel kann niemand auslesen; sie gleicht einer
Quelle, die immer frisches Wasser gibt. Sie beschreibt die Anfänge der
Menschheitssehnsucht vom großen Gott und seiner Liebesgeschichte, die immer
noch im Gange ist. Die Bibel ist zu Recht das “Buch der Bücher“ genannt, es ist
das notwendige Buch überhaupt.
Doch es gibt in ihm vermauerte Türen - abgelaufene
Geschichts- und Gesetzestexte etwa. Und es gibt einladende Zugänge: Erleuchtete
Gebete oder hinreißende Erzählungen.
Die Bibel ist ja erst spät zu einem Buch
zusammengewachsen. Eigentlich ist sie eine
vierzehnhundert Jahre umfassende Bibliothek aus (mehr oder weniger) 66 Büchern und einem
Anhang von 15 Schriften. Ein Wegkundiger ist da hilfreich, um die dringendsten
Texte und schönsten Bibelstellen zu finden.
Aus dem „Kontinent Heilige Schrift“ ist Bibelenergie
für den Tag zu schürfen:
Ein Stück Text, dazu ein paar Ideen von TG, erwachsen aus 39 Jahren Pastordasein und
einem langen Leben; Viel Angelesenes und Erfahrenes ist beigemischt.
Es ist doch so: Gott schafft noch und schreibt seine
Bibel weiter mit uns; Schreiben wir sie mit. Der Luthertext (revidierte Fassung
1984) der Deutschen Bibelgesellschaft in
Auswahl und sehr gerafft und persönlich bearbeitet, liegt dieser Rolle, dieser
Mappe zu Grunde. Die Reihenfolge der
Evangelientexte lehnt sich an „Die Synopse der vier Evangelien“ an,
ebenfalls aus dem Verlag Deutsche Bibelgesellschaft.
B. Brecht lässt einen Weisen sagen: „Ich lehre es,
weil es alt ist, d.h. weil es vergessen werden und als nur für vergangene
Zeiten gültig betrachtet werden kann. Gibt es nicht ungeheuer viele, für die es
ganz neu ist?“
Die meisten Zeitgenossen
wissen nicht mehr, wer Kain und Abel waren und
sie feiern an Weihnachten
christliche Folklore, aber finden die Geburtsgeschichte nicht, auch wenn
man ihnen die Bibel gäbe. Dabei ist die
Bibel doch voll Bilder, die uns Zusammenhalt
einprägen, Bilder als Baken, die uns die uns den Weg weisen.
Ja, „bei der Lektüre der Bibel wieder in eine Art
Goldgräberstimmung verfallen“ (Kardinal Lehmann), das wäre was. Jeder nehme vom großer Schatz, ob als
Offenbarung gelesen oder „nur“ als
Weltliteratur. Diese Auswahl hier hat
ihren Sinn erfüllt, wenn man selbst zur „richtigen“ Bibel greift.
Die Texte des Alten Testamentes erscheinen fortlaufend.
Die Texte des Neuen Testamentes sind gruppiert um
A
Jesus Christus-
1 Jesu Geburt, 2 Jesu Worte und Taten, 3
Jesu Passion- Kreuzigung- Auferstehung.
B
Apostelgeschichte, Briefe, Offenbarung
Die Schöpfung
Am Anfang schuf
Gott Himmel und Erde.
1.Mose 1,1
Vorher war nur Er.
Von Gott her ist alles geworden. Alles erwächst aus ihm, dem Ursprung; alles
ist Erweiterung, Entwicklung, Erfüllung und Vollendung des Angefangenen. So sind wir auch nicht „Früchte des Zorns“,
nicht Treibgut auf dem Fluss Nirgends. Sondern wir sind von Gott Gewollte, erschaffen durch seinen
Willen. Das hebräische Wort, das da für „schaffen“ steht, ist Gott vorbehalten,
und meint „aus dem Nichts ins Sein gerufen“.
Gott schuf,
schafft, schuf, weil er Gegenüber will, Abdruck und Erfindung und Ausgeburt seiner
Selbst.
Tohuwabohu
Und die Erde war
wüst und leer.
1.Mose 1,2
Schuf Gott auch das Wüste, die Leere? Alles Sein ist
Seins. Auch was wenig Wesen hat, schreit nach mehr, will Fülle werden; Wüste
will blühen, Leere will gefüllt sein. Das kommt davon, daß nichts ohne
Erwartung, nichts ohne Gott ist.
Im hebräischen Urtext steht: „tohuwabohu“: wüst und
leer. Ich nehme es als Versprechen,
alles Verquere ist auf Heilwerden ausgestreckt. Es ist eine Heilkraft in der
Welt. Ich will ihr nicht entgegen sein, will einigermaßen in Schrittrichtung
mit ihr im Gang sein. Ich glaube, dass auch mein Chaos heil wird.
Und es war
finster auf der Tiefe
und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.
Das Schweben des Geistes kann man eigentlich nur
musikalisch ausdrücken.- Am Anfang ist geballte Energie, die schon schwanger
geht mit Licht und Wandel.
Immer wieder,
immer noch ist es uns finster. Und wir werden wieder in Dunkles tauchen.
Eingesogen werden wir von Muttermundhaftem- dann ist Ruhe; alles Grelle,
Schreiende, Fordernde wird abgetan sein. Und die Schöpfung geht weiter mit uns.
Und Gott sprach:
1.Mose 1,3
Das ist die Erlösung. Wenn wir verkracht sind und
einer bricht das Schweigen, ist das befreiend. Um Welten größer das Glück, dass
Gott sich endlich äußert, sich kenntlich macht als sprechender Gott. Er hätte
anonym und unpersönlich bleiben können,
nur gewaltig eben, Naturkraft pur, Schöpfer eines Universums ohne Menschen,
ohne Gegenüber und ohne
Zwiesprache. Aber endlich- nachdem Gott
schon einige Milliarden Jahre Entwicklung hat laufen lassen, spricht er. Und fängt
an, sich zu offenbaren. Er ist dabei, ein Sein zu schaffen, das vernehmbar ist;
Klang ist; ja, das Antwort ist. Alles Sein ist Sein-Nehmen., sein Wesen ist Gewolltsein. Er aber ist Sein
gebend. Er gebietet dem Sein zu sein.
„Es werde Licht!“
Und es ward Licht.
1.Mose 1,3b
Gottes erstes
Wort ruft eine Schöpfung herauf, die
Erleuchtung bringt. Die Idee „Licht“ ist
das erste aller Werke. Erst die Idee, später dann das physikalische Material.
Die Lichtkörper sind einer späteren Entwicklungsstufe vorbehalten; sie treten erst
nach und nach in Erscheinung. Sicher schwingt in der Hochschätzung des Lichtes
als erste Schöpfung die Dankbarkeit für die Sonne mit. Ihr Auggehen lässt die
Nacht weichen und richtet uns Menschen zum Tagwerk auf.
Aber vor dem Inswerksetzen muss
Gott auf die Idee kommen.
Hier werden die
Weichen gestellt: Erst der Geist, dann die Materie. Erst auch die Idee zu diesem und jenem bestimmten
Menschen, dann das Mischen der
Chromosomen. So geht dem Leuchtstoff voraus die Idee und der Wille: Licht soll
werden.
Von diesem Willen
lebt das Universum. Wir werden nicht verglühen sondern werden in einem „Licht von
unerschöpftem Lichte“ stehen.
Der erste Tag
Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott
das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht.
Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.
1.Mose 1,4.5
Auf das Qualitätssiegel Gottes kommt es wohl an. Dass
er Vorhandenes gut findet, gibt Dauer und rechte Zuordnung. Finsternis und
Helle tun uns gut, sie stehen uns bei, sie geben uns den Rhythmus des
Gedeihens.
Die Nacht soll für den Schlaf sein- eine der
menschenfreundlichsten Erfindungen ist doch dies kleine alltägliche Sterben,
dann die Auferweckung zum neuen Tag. Ich
darf wieder ich sein, hier sein auf eigenen Beinen und mit tätigen Händen. Jeder
Tag - eine neue Berufung; auch das ist gut.
Das Himmelsgewölbe, die Erde, das Grün
Und Gott schuf im
zweiten Schritt das Himmelsgewölbe, darunter das Wasser für die Erde. Im dritten
Schritt trennte er auf der Erde das Meer und das Land. Und sprach die Erde an,
sie solle Gras und Kraut, das Samen bringe, aufgehen lassen und
fruchttragende Bäume Und Gott sah, dass es gut war.
1.Mose 1,6-13
Die Früheren dachten, es gäbe einen Himmels-Ozean, der
von der irdischen Atmosphäre wie durch eine gläserne Glocke getrennt sei.
Trennen war und ist überhaupt ein besonders wichtiger Akt: Dem Meer ist eine Grenze gesetzt. Das schafft der
Erde Raum für Anwachs. Herrlich, wie die Erde mit schöpferischer Kraft
ausgestattet ist: Gott macht, dass sich die Dinge selber machen (Martin
Luther). Jeder neue Baum und jede neue Sorte
ist aus Gottes Schatz und Willen ohne dass es eine gezielte Entscheidung Gottes braucht. Sein
Ansehen, sein Gutfinden lässt die Schöpfung gelingen.
Die Lichter
Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des
Himmels, die da scheiden Tag und Nacht und bilden Zeiten, Tage, Monate und
Jahre- das war am vierten Schöpfungstag. Und Gott sah, dass es gut war.
Gelehrte des Gottesglaubens brachten
vor wohl 2500 Jahren das Schöpfungswerk
in diese Worte und diese Abfolge. Ihnen war es dramatisch wichtig, die
Gestirn-Götter der Nachbarvölker, Sonne und Mond, klein zu machen. Sie
erniedrigten Sonne und Mond zu
„Lampen“. Leuchtkörper haben zu dienen,
haben keinen eigenen Willen und sind keine Verehrung wert.
So sollen wir auch nicht der Sonne danken sondern für
die Sonne. Und die Sterne sind Leuchten aber keine Schicksalsmächte.
Und Gott sprach am fünften Welttag: Es wimmle das
Wasser von lebendigem Getier, und Vögel sollen fliegen auf Erden unter der
Feste des Himmels. Und im sechsten Abschnitt sprach Gott: Die Erde bringe
hervor lebendiges Getier, ein jedes nach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere des
Feldes. Und Gott sah, dass es gut war; und er segnete sie und sprach: Seid
fruchtbar und mehret euch und erfüllet das Wasser, die Luft, die Erde.
1.Mose 1,20-25
Es muss uns begeistern, dass schon vor
zweieinhalbtausend Jahren die Frommen das Schöpfungswerk als ein „work in
progress“, als in Arbeit, ansahen, in Entwicklung (eben wollen Forscher
entdeckt haben, daß die Phönix-Galaxie täglich zwei neue Sonnen ausspuckt). Eins fußt auf dem anderen, geht aus dem
andern hervor: Das Wasser als Wiege; nach den Fischen, aus den Fischen die
Vögel, dann die Landtiere. „Die Erde bringe hervor!“- heißt auch: Die Erde
nutze das Vorhandene für neue Arten.
Nicht „Schöpfung oder Entwicklung“, sondern Schöpfung
als Entwicklung, mittels Entwicklung; nicht die Entwicklung ist das Schöpferische,
„die Entwicklung ist kein denkendes Wesen“ (I. Kant) wie auch das Kochen nicht
das Essen macht. Was setzt das Werden in Gang, hält es in Gang? Wer setzt die
Naturgesetze? Der Koch der Schöpfung entwickelt das Werden in Schritten und
Gängen. Und zielt auf das Ihm Ähnliche.
Zum Bilde Gottes
Und Gott sprach:
Lasst uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über
die Tiere. Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf
er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.
Das alte Israel dachte sich Gott als die Summe vieler
Gottheiten und als Person. Damit war ein gewaltiger Schritt in der Entwicklung
des menschlichen Denkens getan- die uralten Gottheiten des Krieges und der
Liebe, des Regens und der Ernte, der Künste
und des Todes, des Meeres und der verschiedenen Stämme waren zusammengefasst.
In dem Einen klingen die vielen noch nach-„lasset uns Menschen machen“ –spricht
Gott, der Viele, ja, der Alles ist.
Die dunklen Kräfte wurden früher einem Teufel, einem
Gegengott zugeschrieben. Aber Israels Glaube ist auch darum groß, weil er an
einen Großen, an Einen, den Einen, den Ganzen glaubt. Der umfasst auch das
Schattenhafte, Dunkle, Böse.
Gott ist mehr als nur der Gute, er ist der Ganze. Der
schafft sich ein Wesen, das er mit der Sehnsucht ausstattet, vollständig zu
werden und Vollkommenes zu bauen, und einmal im Ganzen aufzugehen. Alle Lust
strebt darum über das hier notgedrungen Bruchstückhafte hinaus und will Ewigkeit (Friedrich Nietzsche). Der Menschensinn strebt in Kunst und Wissenschaft
und noch im Schrebergärtlein Abbild von Ganzheit an.
Das Wesen Mensch ist nicht wie das Tier eins und einig
mit der Natur. Der Mensch sucht sein Gegenüber, mit dem er ein Ganzes bilden
kann. Die Ellipse mit den zwei Brennpunkten, die mal weit auseinander treiben,
mal zusammenfallen in einem Punkt und eine Kugel bilden, sind das Traum- Bild
für das Menschenpaar.
Doch der Mensch ist so plastisch veranlagt, daß er nicht
auf eine einzige Ergänzung festgeschweißt
ist. Er kann sich weitläufig befreunden und kann einen Reigen mit den
Menschengeschwistern bilden. Weil Gott in keiner Weise monoman ist, hat er uns
so spannend in uns selbst gemacht. Gott ist nicht autark, nicht glücklich in
sich selbst. Darum will er Wesen, mit denen er sprechen und schaffen kann;
Wesen, denen Selbsterkenntnis möglich ist, weil sie ein Gegenüber haben, in dem dieses Selbst sich
erkennen kann.
Segen für Tier und Mensch
Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid
fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und macht sie euch untertan.
Tiere und Menschen bekommen den Segen, der beauftragt
und Geleit zusagt. Allem Menschenrecht und Tierschutz geht als Begründung voraus: Mensch und Tier
unterstehen Gottes Segen und dem Befehl, sich zu mehren.
Dass der Zeugungsauftrag des Menschen höchste Pflicht sei,
ist nicht gesagt. Die jetzige Überfülle der Erde bewirkt Leid aus Mangel und
Krankheit und Enge, was nicht von Gott gewollt ist. Nicht Zeugen und Gebären ist höchstes Gebot
sondern mütterlich, väterlich alle Kinder an den Gütern des Lebens zu
beteiligen.
Dem auf Gott hörenden Menschen ist geboten, die Natur sich untertan zu machen. Dieser Auftrag
hat zu Wissenschaft und Technik angeleitet mit all den Wohltaten und
Schattenseiten der Moderne Der Mensch
hat sich Mittel zur Umwälzung der Natur zugelegt. Verliert er sich als
Mitarbeiter Gottes aus den Augen und
weiß nicht mehr die höchste
Instanz, der er verantwortlich ist, dann wird der Mensch sich und der Natur und
der Mutter allen Seins zum Feind. Weil der Mensch geneigt ist, selbstherrlich die Natur auszubeuten, muss der Segen Gottes
uns immer wieder neu anleiten zu geistvollem Handinhand mit der Natur.
Von der Natur könnten wir Modernen die Strategie
lernen, „zu wachsen und dabei immer komplexer und reicher zu werden, ohne
pleite zu gehen“ (Michael Succow). Aber
blind gegen unsere Natureinbettung und ertaubt gegen Gottes Auftrag zur pfleglichen
Mitgestaltung lebt der Mensch sein
„Untertanmachen“ als „Prinzip Ausnutzen“
bis zur Zerstörung. Ob Gott diesen möglichen Niedergang mit bedacht hat, als er
den Menschen so hoch begabte? Gott hat in der Entwicklung der Arten nicht Halt
gemacht beim Menschenaffen sondern er
schritt weiter zum Affenmenschen und
darüber hinaus zum Homo sapiens. Diese Schöpfung ist noch im Gang und zielt auf
eine heile Welt mit uns und gegen uns aber immer für uns katastrophenhafte,
wunderbare Menschen. Auch in einer Pfütze kann sich der Himmel spiegeln. Wir
sind noch zu retten mit Heiligem Geist.
Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und es
war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.
Uns beginnt der Tag am Morgen und geht abends zur
Neige. Wir gehen vom Hellen ins Dunkle. Für Israel hebt der neue Tag am Abend
an. Israel geht vom Dunkel ins Helle. Das ist ein starkes Bild für die
Werdewelt, die erst noch licht wird.
Dass Gott alles Gemachte für sehr gut hält, meint
nicht, dass die Welt schon perfekt sei. Sondern sie ist sehr gut für Weiteres;
ihr Rahmen, ihre „Naturkonstanten“ sind sehr gut.
Der alte Bibel-Text hat noch das Weltbild seiner Zeit:
Was gut wird, ist am Anfang gut gewesen, darum hat es eine Chance. Der Baum
muss aus guten Samen stammen. Das Goldene Zeitalter ist der Ursprung, dann
kommt der Abfall, dann das Gericht und neuer Anfang auf höherer Ebene. Wir denken heute anders: Sicher muss der
Anfang gut sein, aber wir sind auf dem Weg, wir sind in einer guten Geschichte,
die auf den Frieden Gottes mit aller Kreatur zugeht. Wir dürfen sagen: Gott
segnet die Anfänge und den Weg und treibt das Werden zum Ziel.
Gott wird feiern
Und am siebenten
Tage ruhte er von allen seinen Werken. Und segnete diesen Tag besonders.
1.Mose 2,1-3
Die sieben Tage
meinen nicht 168 Stunden sondern Weltzeiten, Epochen. Die Woche gehört zu den
ganz wenigen Zeitabschnitten, die im Bewusstsein der Menschen schon früh verankert waren. Die sieben
Schöpfungstagen meinen sieben Phasen.
Es ist hier auch das Wissen von damals mitgeteilt,
aber es ist dargeboten als Lobgesang, als große Liturgie der Anbetung. Es geht
den Verfassern um den unbedingten Willen, den es zu preisen gilt. Goethe sagt
es spielerisch: „In wenigen Stunden hat Gott das Rechte gefunden“.
Natürlich ist diese Poesie dem naturwissenschaftlichen
Denken zu ungenau. Es lässt nur Objektives –also in Wiederholung Zählbares,
Messbares- gelten. Dieses Weltbild ist
nicht falsch aber eng, es kann auch von der Liebe nur ihre chemischen und
physikalischen Ausläufer erfassen.
Das Wiegbare, Messbare ist nur eine von
mehreren Sprachen Gottes, wie auch Sternkunde
und Mathematik neben der Bibel
den Willen Gottes ausdrücken.
Der siebte Tag wird keinen Abend haben. Es ist die
Feierzeit Gottes mit aller Kreatur, „da Fried und Freude lacht“. Noch sind wir
auf dem steinigen Weg zur Vollendung, sind noch am sechsten Tag, sind noch in Arbeit,
auch Gott ist noch in Aktion. Doch der Anfang ist gemacht.
„Der siebte Tag siebt das Schaffen der sechs durch das
Sieb der Ruhe“ (Ludwig Strauss). Als Anbruch von ewigem Glück, als messianische
Insel im Meer der unerlösten Zeit hat
Gott den Sabbat bzw. den Sonntag
gestiftet. Da soll der Mensch ruhen, und die Nutztiere auch.
Der Ruhetag nach sechs Arbeitstagen ist eine der
frühesten sozialen Errungenschaften der Menschheit. Israel zählte ihn unter die
drei Gaben, die der Mensch aus dem Paradies mitnehmen durfte: Die Sonne, den Sabbat
und die Liebesumarmung.
*
Als Gott der Herr Erde und Himmel machte, waren alle
die Sträucher noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch
nicht gewachsen; denn Gott der Herr hatte noch nicht regnen lassen auf Erden,
und kein Mensch war da, der das Land bebaute; aber ein Nebel stieg auf von der
Erde und feuchtete alles Land.
1.Mose 2,4-6
Das ist eine andere, ältere Darstellung vom Anfang. Sie unterscheidet sich stark von der schon wissenschaftlich zu nennende
Reihung im ersten Kapitel. Dieser Bericht ist
wohl geschrieben 950 Jahre vor Christi Geburt. Die Bilder reichen in
graue Vorzeit zurück. Da konnte man sich dem Nichts gedanklich nur nähern,
indem man aufzählte, was alles noch nicht da war. Vor allem war anfangs der
Mensch noch nicht da, durch dessen Feldarbeit recht eigentlich die Schöpfung
anfängt, jedenfalls für ein Bauernvolk.
Gott verehren und das Land bebauen sind die zwei
Seiten der einen Medaille, und haben im Lateinischen nur ein Wort: colere-
wovon Kultur kommt. Der Mensch ist Gottes einziger Zeuge.
Der Boden ist schon da, aber der ist so gut wie
Nichts, ist Wüste, die eigentliche Schöpfung
beginnt mit der Feuchtung. Für die Menschen im Norden ist der Anfang gleichbedeutend
mit dem (Wieder)kommen der Sonne. Die Menschen am Rande der Wüste finden das immer wieder sich erneuernde
Schöpfungswunder im Aufblühen des Landes
nach dem großen Frühjahrsregen.
Für uns fängt die Schöpfung damit an, dass eine
absichtsvolle Intelligenz die Welt
irgendwann ins Sein ruft und die Startbedingungen unfassbar genau einstellt,
die Naturkonstanten, die Schwerkraft etwa und dann die koordinierte Mutation.
Die Welt mit ihrer Geschichte von Zufall und Notwendigkeit ist selbst etwas uns
Zufallendes, uns Zugeworfenes, ein Einfall, ein freies Geschenk Gottes, nicht
der Natur, die ja selbst Geschenk ist.
Da machte Gott den Menschen aus Erde vom Acker und
blies ihm den Atem des Lebens in seine Nase. Und so wurde der Mensch ein lebendiges
Wesen.
Töpfe und Schmuck waren die ersten Herstellungen des
Menschen. Darum lag es für die Früheren nahe, sich Gott als Töpfermeister und
Künstler vorzustellen, der liebevoll die
Körper des ersten Menschenpaares formt. Als Material (Mater = Mutter) bot sich
Erde an- schon aus der Erfahrung, dass der Leib ja wieder zu Erde zerfällt. Aber zum Körper muss hinzukommen der Atem,
der auch für uns noch viel mit Seele zu tun hat.- Hier wieder ein liebevolle
Zeichen: Gott gibt von seinem Atem dem Menschen ab.
Wir wissen heute, dass der Schöpfer statt Erdmaterial
eine schon entwickelte Sorte Natur genutzt hat. Ob Erde oder Menschenaffe- ob
aus Erde geformt oder aus einer Affenherde liebevoll hochgezüchtet, das kann
Christen gleich recht sein. Der Sprung
vom Menschenaffen zum Affenmenschen ist ein Quantensprung an Qualität: Etwas
von Gottes Inwendigem muss dem Menschen implantiert sein, dass er gedeihen
kann.
Man kann naturwissenschaftlich wohl keinen Sinn
beweisen, kein Ziel, um dessen Willen die Welt entstand. Das spricht nicht
gegen die Existenz von Gott und Sinn. Die meisten Menschen sprechen ihrem
Dasein einen Sinn zu. Wer sich aber beschränkt auf das zwar nicht falsche aber
enge Weltbild aus rein physikalischen,
chemischen, biologischen Erkenntnissen, der kann wenigstens erwägen: “Möglicherweise
wurde der Mensch so selektiert, dass er seinem Leben einen Sinn geben muss“ (S.
Hibbeler). Das nackte „Selektieren“ –also „heraussuchen“ oder auch „züchten“
schreit für weiterdenkende Menschen geradezu nach einem „Treiber des Werdens“.
Martin Luther sagt „Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat samt allen
Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen und Ohren, Vernunft und alle Sinne gegeben
hat und noch erhält.“ Nimm dies als
Spitzensatz auch deines Glaubens. Man kann das so denken: Beweis für die
Existenz Gottes sei dir dein Existieren.
Garten Eden
Und Gott pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin
und setzte den Menschen hinein, dass er den Garten bebaue und bewahre.
Der Mensch inmitten gartenhafter Schöpfung, Gott
selbst als Der Große Gärtner!- Noch der Stolz
von Hobbygärtnern über die schönste Rose, den dicksten Kürbis erinnert
von Ferne an die Leidenschaft Gottes, dass das Lebendige ihm gut gedeihe.
Wieder ist die Wüstenerfahrung Hintergrund für das alte
Weltbild, in dem die Oase Wunder und Glück ist. Ähnlich wir Modernen: Die
Astronauten berichten von ihrem Dank, ihrer
Bewunderung für den blauen
Planeten inmitten von Schwärze und funkelnder Kälte.
Die Erde zu bebauen und zu bewahren ist schon vor 3000
Jahren dem Menschen aufgegeben. Diese Weisung muss mitklingen, wenn wir den
Auftrag, die Erde uns untertan zu machen, hören: Nicht zerstörerisches
Ausbeuten sondern das bewahrende Nutzen ist Menschheitsberuf.
Aufs Du
angelegt
Und Gott sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch
allein sei; ich will ihm einen Gefährten machen, der mit ihn lebt. Und Gott schuf
aus Erde alle die Tiere auf dem Felde und alle die Vögel unter dem Himmel und
brachte sie zu dem Menschen, dass er sähe, wie er sie nenne; denn wie der
Mensch jedes Tier nennen würde, so sollten sie heißen. Und der Mensch gab einem
jeden Vieh und Vogel unter dem Himmel und Tier auf dem Felde seinen Namen.
Aber der erste Mensch war zunächst allein.
Das ist ein Urwissen von uns allen und auch Gott erklärt es ausdrücklich für ein
Defizit und nicht als eine Leistung, allein klar kommen zu wollen. „Wer einsam
ist, der hat es gut, weil keiner ist, der ihm was tut“ (W. Busch), ist eine
wehmütige Erkenntnis. Sie wird behoben dadurch, dass wir wieder und wieder uns
als beziehungsfähig erweisen. Wir sind für andere brauchbar und nötig und
liebenswert geschaffen. Weil es nicht gut ist, allein zu sein, sollen wir auch
nicht allein lassen.
Damals dachte man, Gott habe erst einen geschaffen-
dann den anderen. In Israel war der erste Mensch als Mann gedacht, in andern
Kulturkreisen ist die Frau zuerst da. Jedenfalls begründet die Geschichte von Adam und Eva keinen Vorrang
für den Mann.
Schon die Vorfahren wussten, dass Mensch und Tier aus
gleichem Stoff sind. Der Mensch aber hat den Auftrag, die Tiere zu benennen,
also sie sich zuzuordnen. Früher war der Abstand zu den Tieren noch klein, es
war ein langer Kampf, bis sich die Vorherrschaft des Menschen erwiesen hat und
die Gefahr gebannt war, von den wilden
Tieren ausgerottet zu werden. Die Vorstellung, dass der Mensch seine Ergänzung
im Tier finden könne, ist in den Märchen noch bewahrt. Aber der Mensch braucht
den Menschen.
Ein Fleisch
Da ließ Gott einen tiefen Schlaf fallen auf den
Menschen, und er schlief ein. Und er nahm eine seiner Rippen und schloss die
Stelle mit Fleisch. Und Gott baute eine Frau aus der Rippe, die er von dem
Manne nahm, und brachte sie zu ihm. Da sprach der Mann: Das ist doch Bein von
meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch. Und
darum wird wieder und wieder der Mensch Vater und Mutter verlassen und
seinem Gefährten anhangen, und sie werden ein Gutesganzes (ein Fleisch) werden.
Und sie waren beide nackt, der Mann und seine Frau,
und sie schämten sich nicht.
Die Ur- Schöpfung wiederholt sich in jeder Biographie.
Auf dem Weg zum Erwachsenwerden ziehen wir
mehrfach uns in uns selbst zurück.
Die Mädchen wollen zu den Pferden, die Jungen zieht es zu Kampfspielen
untereinander. Bevor wir offen werden fürs andere Geschlecht, müssen wir im
Tiefschlaf aus dem Unbewussten schöpfen. Da tut sich die Erkenntnis auf, wir
müssen von uns abgeben, um doppelt zurückzubekommen.
Das Bild von der verloren gegangenen Rippe kann von
einer der uralten Geschichte herrühren: Die Männer am Feuer erzählen sich von den Kämpfen der
Vorfahren mit den wilden Tieren, und wie dem Urvater die Wahl gelassen war
zwischen Unverwundbarkeit und Frau. So
gab er die Hälfte seines Körperpanzers, der ehemals auch den Bauch
geschützt hat, für die Erschaffung seiner Eva. –Dieses Märchen bebildert ideal
die Erfahrung der Liebe: Das plötzliche Erwachen aus dem Schlaf des
Alleinseins, es fällt einem wie Schuppen
von den Augen: „Das ist ja Fleisch von meinem Fleisch“, das bin ich selber noch
einmal anders: Du, meine bessere Hälfte!
Diese Geschichte erzählt nicht, wie, sondern dass Gott
den Menschen gemacht hat, ergänzungsbedürftig und beziehungsfähig. Irgendwann wird aus dem Kind der Eltern die Frau oder der Mann zu dem
Menschen, dem er dann zugehört und anvertraut und zugemutet ist, oder den er
auch verfehlt.
Obwohl zu jeder Trauung ganz zu Recht dieser Bibeltext
gelesen wird, ist dieser nicht die Gründungsakte unseres mitteleuropäischen
Eheverständnisses, geschweige denn das Einsetzungswort für ein „Ehesakrament“.
Es gibt nicht die Ehe, es gibt
viele Formen, einander Gehilfe und liebender Mensch zu sein.
Erkenntnis
Und Gott ließ
aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen,
und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten
und Bösen. Und Gott gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen
Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst
du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes
sterben.
Mindestens zwei Geheimnisse treiben den Menschen um:
Warum können wir nicht ewig leben? Und: Kann ich das Gute tun und das Böse
lassen? Auf beide Fragen antwortete je eine Erzählung aus uralten Zeiten. Der Mensch
aß verbotenerweise vom Baum des ewigen Lebens; Und er aß vom Baum der
Erkenntnis des Guten und des Bösen, beides konnte er nicht lassen. Die ganz früher getrennten Erzählungen
handelten von zwei Bäumen im Paradies. Aber die Probleme, die mit
den Bäumen (Baum = Leben) kamen, gehören
zusammen und die Strafe ist eine. So
konnte man gut die beiden Bäume als Lebensbaum ineins sehen. Der Mensch ist sterblich, weil er erkennt,
dass er sterblich ist. Er gewinnt Erkenntnis; damit verliert er das den Tieren
ähnliche ewige Kindsein. Er wird „Hirnhund“(G. Benn), er muss denken, sich
mühen, sich größer machen, er muss das Paradies des Nichtdenkenmüssens
verlassen. Und er will versuchen, will
alles ausprobieren. Erst war er veranlagt, eben wie ein Tier nur zu müssen.
Jetzt ist ihm Spielraum gewährt, zu wollen, zu entscheiden.
Sollte Gott gesagt haben
Aber die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem
Felde, die Gott gemacht hatte, und die sprach zu der Frau: Ja, sollte Gott
gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?
Der wohl abgründigste Dialog der Menschheitsgeschichte
steht in diesen knappen Zeilen. Die Schlange ist uraltes Symbol für Kommen aus
dem Urgrund, für Erstickenmachen durch
(Jagd)List, aber auch für Häutung und Wandlung, Heilung. Und für ein Denken,
das nicht weiter kommt: Die Schlange
beißt sich in den Schwanz. – So ist die Schlange auch Symbol der ewigen
Wiederkehr des Gleichen- ohne Fortschritt und Erweiterung.
Die Schlange spricht, was der Mensch auch in sich
selbst sprechen hört: Ja, sollte Gott
das wirklich gesagt haben? Sollte mein geliebter Vater seiner geliebten Tochter
schönste Früchte vorenthalten- das kann doch nicht wahr sein: genießt alleine,
ohne mit seiner Tochter zu teilen?
Die Schlange ist Bild für das menschliche Argwöhnen
gegen Gottes Güte. Dies Argwöhnen haben die Alten durch das Auftreten der Schlange
als von außen kommend beschrieben. Und tatsächlich ist der Argwohn gegen Gott,
dass er uns quälen könnte, indem er uns
Glück willentlich vorenthielte und Unglück uns zufügte, himmelschreiend. Ist
der Mensch zu diesem Argwohn fähig, ist er dazu fähig gemacht. Keiner hat sich
selbst geschaffen. Diese Erkenntnis oder Ausrede schiebt die Schuld für unser
Schuldigwerden in Richtung Gott. Durch
Auftritt der Schlange, die ja Gottes Geschöpf auch ist, zeigen die
Alten: Gott befähigt und verurteilt uns zum
schuldig werden können und -müssen.
Wer handelt, muss auch Versäumnisse und Fehler und
Schuld auf sich laden. Damit, daß Gott uns das Wissen um Gut und Böse einräumt,
räumt er uns auch das Recht auf Schuld ein. Wir dürfen, was wir nicht dürfen:
gegen das Wissen des Guten gegen an handeln.
Da sprach die Frau zu der Schlange: Wir essen von den
Früchten der Bäume im Garten; aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten
hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht
sterbet!“
Da sprach die Schlange zur Frau: Ihr werdet keineswegs
des Todes sterben, sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esst, werden
eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse
ist.
Wissen, was gut und böse ist, ist eine Gottesqualität.
Diese Begabung hat uns Gott von immer her zugedacht. Tatsächlich kommen wir
irgendwann im Kindesalter dazu, unsere Eltern zu belügen und zu bestehlen. Und
fühlen in dem Augenblick uns stärker als sie. Jedenfalls fühlen wir unser
Gewissen- wir wissen: Das darfst du nicht. Und doch schmeckt es gut. Unsere
Augen werden uns aufgetan für die Ahnung, wie schwer das Leben ist, wir lieben
die Eltern und verletzen sie doch.
Diese Erfahrung von uns allen, haben unsere biblischen
Vorfahren übertragen auf Gott und in
einer Szene vom Garten und den verbotenen Früchten nachgestellt. Immer wünschen
wir, es gut zu haben und doch nicht schuldig zu sein.- Aber im Angesicht der
Hungernden dieser Welt ist keine
schuldlose Nische zu haben: Mein
Vergeuden macht die Welt mit krank. Und mein Erfolg ist oft mit dem Scheitern Anderer
erkauft. Wir wissen um uns, wissen daß wir verantwortlich sind- letztlich Gott,
dem wir Rede und Antwort stehen müssen, schon jetzt. Denn unser Gewissen ist im
Dialog mit ihm.
Sehen, was klug
macht
Und die Frau sah,
dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre
und verlockend, weil er klug machte.
1. Mose 3,6
Da ist ein Verbot von dem aufgestellt, dem alles
gehört. Aber Frau Mensch sah. Ihre Lebensbereitschaft neigt dazu, die Verhältnisse zu ihren Gunsten zu
nutzen. Sie lässt sich die Dinge zum
Besten dienen. Sie geht davon aus, dass Gott gut ist. Der wird nicht einen Baum in die Mitte des Gartens
stellen, dessen Früchte Glück verheißen aber vergiftet sind. Auch wird mein geliebter Vater –so Eva- keine
Versuchsanordnung aufbauen, nur um mich zu testen. Er weiß doch. Also will er
mich klug machen. Darum macht er, daß Lust mir in die Augen springt.
Als die Menschheit noch in den Kinderschuhen steckte,
gab es eine Entwicklungsstufe ohne Gebote, ohne Gut und Böse, ohne Wahl. Die
Schöpferkraft musste entscheiden, ob es beim Menschenaffen sein Bewenden haben
sollte. Oder ob Gott sich ein Partnerwesen heranerziehe. Dann muss dies vor
allem Spielraum haben, selbst zu wählen, was es für Gut und Böse hält. Gott
kann ihm zwar seine Sicht der Dinge sagen. Aber erst wenn der Mensch aus freiem
Willen das göttliche Maß für sich gelten lässt- und nicht etwa aus Angst vor
Strafe- lebt er ebenbildlich mit Gott.
Die Menschen vor uns legten für sich fest: Gott ließ
den Erdling mitentscheiden, ob er mit Gewissen gekrönt und beladen sein will.
So viel Schmerz und Hass und Gewalt kommt dadurch in die Welt, dass der Erdling
Mensch wird- also nicht nur „das Findigste aller Tiere“ bleibt, sondern
„Invalide höherer Kräfte“ (Helmuth Plessner) ist.
Auch wollte Gott die Entscheidung, welche auch Bitternis
mitbringt, nicht alleine treffen.
Natürlich leidet die Mutter des Lebens, wenn ihre Kinder ihr ins Angesicht
widerstehen und sich gegenseitig Böses antun. Hätte Gott uns schonen wollen,
hätte er uns unwissend, hätte unsere Vorfahren Menschenaffen bleiben lassen.
Aber der Blitz des Heiligen Geistes
half ersten Affenmenschen zur
Welt. Sie lernten, aufrecht zu gehen und
Gebote des Herrn zu vernehmen.
Und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann
auch davon, und er aß.
Das sollen wir uns so vorstellen: Lange steht Eva da,
allein, wortlos, es arbeitet in ihr. Was die Schlange sagte, ist ja eine Stimme
in ihr. Ob sie vielleicht Gott näher kommt, wenn sie das Gebot überspringt? Ob
sie nicht vertraut werden soll mit dem Wissen von Allem? Ob sie vielleicht Gott
besser versteht, wenn sie ihn nicht wörtlich nimmt? Soll ich meine Fähigkeiten
auszuweiten?
Aber dann liegt Schuld und Unschuld glasklar offen,
frei scheint sie wählen zu können, ob sie den Apfel greift oder es sein lässt.
Eva vor dem verlockenden Baum- wir spüren das Gefälle
hin zum selbstverständlichen Tun des
Verbotenen: Köstlich ist die Augenweide, und dazu noch das Versprechen, dadurch
klug zu werden. Da darf man doch nicht ablehnen. Sie nimmt. Und die Verführte
wird zur Verführenden. Sie nimmt, isst, gibt. Und er isst.-
Dass die Frau den ersten Griff tut, ist kein Zeichen
von Mehrschuldsein und Zweitrangigkeit, die der Frau so lange aufgedrückt
wurde. Im Gegenteil scheint sie mehr Partner Gottes zu sein, schöpferischer und
intelligenter, aktiver als der vor sich hinarbeitende Mann. Für ihn ist ja
typisch, nichts verlieren zu wollen, während die Frau auf Gewinnen setzt. Die
Frau scheint immer über das Geheimnis des Lebens zu walten. „Durch Männer lernt
man höchstens, wie die Welt ist, durch Frauen jedoch, was sie ist“ (Cees
Nooteboom). Die lange Geschichte männlicher Herrschaft geht Hand in Hand mit der Dummheit des Adam.
Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie
wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und
machten sich Schurze.
Ihnen wurden wahrlich die Augen geöffnet. Aber sie
fanden kein selbstbewusst erblühtes Ich. Die Unschuld war entzaubert, die
Kindheit verloren. Es kommen auf sie die Mühen des Wissens: Sie lernen sich als
Mängelwesen kennen, die geschlechtliche Stelle
legt die Ergänzungsbedürftigkeit bloß. Durch Verdecken schaffen sie die
Angewiesenheit nicht aus der Welt, es
bleibt bei ihnen die Scham- eine innere Entherrlichung, ein Erschrecken, nicht
leuchtend wie Gott für einander zu sein sondern zerrissen, argwöhnisch,
selbstsüchtig, hungrig nach Liebe. In der Umarmung werden sie für Augenblicke von
ihrer Eigensucht zu einem Ganzsein erlöst.
Mensch, wer bist Du
Adam und Eva
hörten Gott, der sich im Garten erging, als der Tag kühl geworden war. Und sie
versteckten sich vor dem Angesicht Gottes unter den Bäumen im Garten. Und Gott
rief: Adam, wo bist du? Und er sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete
mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich.
Und Gott sprach:
Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Du hast
gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon
essen. Da sprach Adam: Die Frau, die du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum
und ich aß.
Da sprach Gott
zur Frau: Warum hast du das getan? Die Frau sprach: Die Schlange betrog mich,
sodass ich aß.
Da sprach Gott zu
der Schlange: Weil du das getan hast, sollst du auf deinem Bauche kriechen dein
Leben lang; Feindschaft soll sein zwischen deiner Brut und den Menschenkindern.
Und zur Frau sprach er: Unter Mühen sollst du Kinder gebären und Verlangen
sollst haben nach dem Mann. Und zum Mann
sprach er: Unter Mühen sollst du den Acker bestellen, im Schweiße deines
Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zur Erde zurückkehrst,
davon du genommen bist.
Und Adam nannte
seine Frau Eva, Mutter des Lebendigen.
„Adam, Mensch, wo bist du, wer bist du“?- ist der Ruf
nach mir selbst. Was ist mit mir los; ist es ein Glück, dass ich bin? So müssen
wir fragen. Es ist damit ein Horchen auf Antwort in uns eingegeben, ein Streben
hin, bestätigt zu werden. Es ist der, die Andere, das Gegenüber, das mich zum
Ich macht.
Durch Mitmenschen hindurch ruft Gott nach mir: Ich muss
aus mir herauskommen, aus dem Dickicht des Unbewussten, ich muss mich outen,
mich kenntlich machen durch das, wofür ich einstehe.
Mich verkriechen geht nicht, Scham vor der eigenen
Dürftigkeit gilt nicht. Ich muss mich zeigen, anbieten, meine Begabung ausgeben,
muss mich zu erkennen geben, ich muss Ich werden in dauernder Fühlung mit Gut und Böse.
Das Ableiten von Schuld ist menschlich; Adam belastet
die Frau, die Du, Gott, mir gegeben hast. Er beschuldigt also letztlich Gott.
Das macht auch die Frau: Die Schlange hast
Du doch auf mich angesetzt!
Die schweren Menschenlasten sahen die Vorfahren im
Schuldigwerden begründet: die Angst vor giftigem Getier; die Mühe mit dem
Nachwuchs und der Geschlechtlichkeit, die Mühe ums tägliche Brot, der dauernde
Blick in Richtung Vergeblichkeit und Tod.
Beides gilt: Die Menschen sehen letztlich Gott haftbar
für die schwierigen Umstände. Diese aber besetzt Gott auch mit Hoffnung. Und
Gott nimmt den Menschen in die Verantwortung: In den schwierigen Umständen
wächst der Mensch, kommt zu sich selbst. Der Mann, der erst seine Frau von sich
stößt, nennt sie dann Mutter alles Lebendigen- darin steckt Liebe und Trotz und
Stolz: Der Mann sieht sich als Gefährten der Mitschöpferin, der Partnerin
Gottes.
Das Wissen um
Gut und böse ist unser Adel
Und Gott sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie
unsereiner und weiß, was gut und böse ist. Das ist die Vertreibung aus dem
Garten Eden, unter Schmerzen soll er Leben weitergeben, unter Mühen die Erde
bebauen. Und Gott machte Adam und seiner Frau Röcke von Fellen und zog sie
ihnen an. Cheruben versperren mit
flammenden Schwertern den Weg zurück zum Paradies.
1.Mose 3, 21 -24
Das Wissen um Gut und Böse macht den Menschen anders als
alle andere Kreatur. Es geht nicht mehr, das Leben aus dem Bauch; und wie es
kommt, ist es gut- das ist vorbei. Von den vielen Möglichkeiten müssen wir die
am wenigsten Schädliche ermitteln und tun. Einigermaßen nur wollen, was man
darf und einigermaßen können, was man muss, das ist die alltägliche Gnade. Und
Gelingen ist tägliches Wunder.
Uns sind Felle mitgegeben; wir können uns schützen vor
dem Erfrieren, auch seelisch. Gut, dass Gott uns selbst umkleidet vor der
Scham- von der es viele Sorten gibt; und immer hat Scham was von Schuld- oder
Mängelwissen. Vor
Allem, was uns Schuldverlorensein in die Seele drückt-
da sei Gott vor, bitte.
Der Weg zurück ins Paradies ist uns verschlossen- wir
müssen durch die Geschichte durch. Leben ist eine Dienstreise, wir können
sterben, wenn wir das Menschsein durchlaufen haben. Spätestens dann werden wir
erkennen: Das Paradies liegt vor uns.
„Der Cherub steht nicht mehr davor“- das wissen wir
von Christus. Auf der Rückseite der Zeit hat Gott noch viel mit uns vor.
Anders erzählt
John Milton (geb.1609): Als Adam gewahr wird, daß Eva von der verbotenen Frucht
gekostet hat, wendet er sich zunächst entsetzt ab. Doch dann wird ihm klar:
Auch er muss nun den Apfel nehmen, weil er andernfalls allein zurückbliebe.
Adam ist kein Opfer des Bösen, sondern er entscheidet sich bewusst für den
Sündenfall. Sein Vergehen ist, daß er die Liebe zu Eva höher stellt als das
Gesetz. Der Dichter lässt Adam und Eva aus dem Paradies treten; und „die Welt
liegt ihnen zu Füßen“. –Es wäre dies ein Lobgesang auf die (von Gott uns
eingeräumte) Willensfreiheit, auf die Liebe und die Lust, etwas aufzubauen.
Letztlich hat ja Gott sich einen Partner erschaffen, indem er uns abkoppelt vom
kindlichen Unwissen hin zum Gewissen des erwachten Menschen.
*
Kain und Abel
Und Adam erkannte
seine Frau Eva, und sie wurde schwanger und gebar den Kain. Danach gebar sie
Abel. Und Abel wurde ein Schäfer, Kain aber wurde ein Ackermann.
Die deutsche Sprache hat für die Liebesumarmung
eigentlich nur das behutsame
“Miteinander- Schlafen.“ Das hebräische
„Erkennen“ dagegen feiert das geistige Ereignis, das mit dem Lieben einhergeht:
ausgeliefert aneinander nehmen wir uns wahr, von Angesicht zu Angesicht.
Der Mensch ist geliebter Sünder- dafür steht das erste
Menschenpaar. Das erste Brüderpaar ist einander feind- auch das kennzeichnet
die von Anfang an bedrohte Schöpfung; sie muss erst noch heil werden.
Schäfer und Bauer sind ehemals Konkurrenten- sie
stehen für Rivalität aller Art. Der wirtschaftliche Kampf ums Überleben macht
auch vor Geschwistern nicht Halt.
Zum Erntedank
brachte Kain dem Herrgott Opfer von den Früchten des
Feldes, Abel brachte Jungtiere von
seiner Herde. Und Gott sah Abel
und sein Opfer gnädig an, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Da
ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick.
1.Mose 4, 3-5
Beide Brüder wissen, dass sie ihre guten Ernten Gott
verdanken. Auch ihre Gesundheit, ihre Familien, die Zeit, die Freude, ja, sich
selbst verdanken sie Gott. Aber wie ein Blitz aus eben noch heiterem Himmel
fährt ein Hass in die Welt, fällt in des Menschen Herz. Kain
sieht seine Sympathie bei Gott und dem Schicksal verloren. Vielleicht
war es ein nichtiger Anlass nur- sein Opferfeuer qualmte, während Abels Feuer
herrlich prasselte. Er sieht sich zurückgesetzt, sieht Abel bevorzugt. Und
schon lodert Argwohn in Kain auf, Grimm überzieht seine Seele, Neid und Gewalt brechen
hervor.
Die Geschichte lässt Gott den Urheber auch des Grimms
sein, er verteilt seine Gunst ungerecht („Die Wege des Herrn sind
unerforschlich“-sagte man früher.) Wir sind heute mit solcher Schuldzuweisung
vorsichtig. Jesu lehrte uns, Gott nicht als Autor von Bösem zu sehen, sondern
als Miterleider und Erlöser.
Da sprach Gott zu Kain: Warum ergrimmst du? Und warum
senkst du deinen Blick? Es ist doch so: Wenn du ohne Arg bist, kannst du frei
den Blick erheben. Sinnst du aber Böses, so lauert die Sünde als Dämon an der
Tür. Auf dich hat er es abgesehen. Du aber werde Herr über ihn.
1.Mose 4,6.7
Kain ist nicht automatisch seiner Aggression
ausgeliefert. Im Gewissen hört er sich infrage gestellt. Warum denn der Hass?
Ist in dir ein Verlangen zu zerstören? Willst du gewinnen durch Kleinmachen und
Vernichten? Sünde kann monströs Macht über uns gewinnen; wir sehen uns als
Opfer eines Dämons, der auf uns zufliegt, von uns Besitz ergreift Aber du
Mensch, beherrsche deine Lust, zu unterwerfen. Benutz kein Böses, auch nicht
als Mittel für angeblich gute Zwecke - so lockt Gott und würdigt uns eines
ziemlich freien Willens.
Es gibt böse Mächte, Dämonen, Hexen- aber sie können nicht
in dein Haus, es sei denn, du lässt sie ein. Schlimm ist, sie noch einzuladen.
Wir haben Entscheidungsspielräume, haben immer wieder Möglichkeiten, zu wählen.
„Wer A sagt, muss nicht B sagen, er kann auch erkennen, dass A falsch war“
(Bert Brecht).
Bruders Hüter
Doch Kain sprach zu
seinem Bruder Abel: Lass uns aufs Feld gehen! Und als sie auf dem Felde waren,
griff Kain seinen Bruder Abel an und schlug ihn tot.
Da sprach Gott zu
Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er sprach: Was weiß ich? Soll ich meines Bruders
Hüter sein?
Abgründig, dass Menschen Ihresgleichen umbringen
können. Dann sind alle Sperren niedergerissen von der einen Gier, diesen aus
dem Weg zu räumen. Um sich seine
Lebenskraft oder seinen Besitz, seine Würde, seine Macht anzueignen. Tief in
uns wissen wir, dass wir einander zu Hütern bestellt sind. Mord ist fast
Selbstmord. Lebenslänglich wird man das Töten bei sich haben, Sein Schrei, sein
Niedersinken schiebt sich in jeden künftigen Gedanken. Die Räume des Schreckens
wird man nie mehr los.
„Jeder Mensch ist ein Abgrund, es schwindelt einen,
wenn man herabsieht“(Georg Büchner). Kain ist tief gekränkt. Er sieht sich als
Opfer, zum Versager gemacht, er tötet den Zeugen seiner Schmach. In einer
Eruption aus Wut auf sich selbst-dass er so danebenlag in seiner Einschätzung-
und Zorn : warum ich und nicht er- und Angst,wie kleingemacht soll es jetzt
weitergehn neben dem triumphierenden Bruder- schlägt er zu, gegen seinen
Willen, seine Vorsätze, seine Vernunft.
Fluch
Gott sprach:
Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der
Erde. Verflucht sollst du sein. Wenn du
den Acker bebauen wirst, soll er dir hinfort seinen Ertrag nicht geben. Ruhelos
und flüchtig sollst du sein auf Erden.
Das ist der Fluch der bösen Tat: Man kann sich seines
Lebens nicht mehr freuen. Nähe mit dem Mörder wird gemieden, seine Mitarbeit wird nicht gewollt. Die einzige
Chance ist die garstige Fremde. Wo man ihn erkennt wird man Steine nach ihm
werfen. Und er muss weiter. Es gilt das Wort aus Weisheit 11,16: „Womit einer
sündigt, damit wird er auch bestraft.“
Todesstrafe abgelehnt
Gott sprach: Aber totschlagen soll ihn keiner. Und
Gott gab Kain ein Zeichen, dass ihn niemand erschlüge. Und Kain ging weit weg, jenseits von Eden, wo er
meinte, er sei dem Herrn aus dem Blick.
1.Mose 4,13-16
Die Sensation
ist, dass schon ganz früh die Menschen wussten: Todesstrafe geht nicht. Das Leben,
auch des Mörders, ist des Herrn. Fürchterlich, dass sich doch immer wieder
Menschen anbieten zu Henkern, um anmaßend „im Namen des Herrn“ Leben
auszulöschen.
Aber auch Gott
ist gezeichnet mit dem Kainsmal. Das ist ein Versprechen: Auch jenseits von
Eden bleiben Gottes Augen über Bruder Kain. Und dem Abel ist ein
unverbrüchliches Gedenken gewidmet in all den Mühen um Geschwisterlichkeit.
Geschichten wie
die von Kain und Abel erzählen, das kann man eigentlich nur, wenn man starken
Mutes ist. Denn es braucht Kraft, die Räume des Schreckens zu vermessen und den
Hang zur Gewalt in uns zu merken; Geben wir nicht auf, mitten im Winter die
Keime des Frühlings zu glauben. Entzünden wir kleine Feuer der Liebe, helfen
wir dem Pflänzchen Humanität zum Überleben. Retten wir Menschen aus ihrer
Sprachlosigkeit. Hilde Domin sehnt sich, das Vertrauen zwischen den Brüdern
noch einmal herzustellen, damit es eine zweite Chance gibt: „Abel steh auf/
damit Kain sagt/damit er sagen kann/Ich bin dein Hüter/ Bruder/wie sollte ich
nicht dein Hüter sein.“
Und hat nicht der
alte Indianer recht der seinem Enkel von dem Bösen und dem Guten in der Welt
erzählt und davon, dass in einem jeden von uns ein guter und ein böser Wolf
steckt? Und der Enkel fragt: „Welcher Wolf siegt denn“? Und der Indianer
antwortet: „Der, den du fütterst“.
Doch Zukunft
Und Kain und
seine Frau bekamen den Henoch, der baute eine Stadt. Nachkommen wurden
Viehzüchter, andere Zither –und Flötenspieler, andere Eisenschmiede.
1.Mose 4,17.20f
Der
schuldbeladene Kain geht an die Arbeit, vielleicht will er wiedergutmachen und
der Schuld entkommen. Christian Morgenstern sagte: „Wer sich groß verfehlt, hat
auch große Quellen der Reinigung in sich.“ Kinder ins Leben rufen und sie erziehen, das
baut Zukunft, Kains Kindern schreibt man die Erfindung der Stadt zu, der
sozialen Einrichtung überhaupt. Und sie machten Musik und Waffen und
Geschmeide.
Wir stammen von
Mördern ab,wir sind Sieger, stammen ab von Siegern. Unzählbar die, die starben, ehe sie Eltern
wurden.
Ein Tiefpunkt der
menschlichen, der männlichen Großmannssucht klingt auf in dem grölenden
Triumphlied des Kain-Nachkommen Lamech: Ada, Zilla, meine Frauen! Merkt auf,
was Lamech zu sagen hat: Ich erschlage
einen Mann für meine Wunde, einen Jungen für meine Beule. Na und? Ich
sage: Kain sollte siebenmal gerächt werden aber der große Lamech soll siebenmal
siebzigfach gerächt werden.
Wir kommen aus Zeiten, da galt das Recht des
Stärkeren. Der nahm, was er wollte und stillte seine Mordlust, bis er erschöpft
war. Hunderttausend Jahre wohl brauchte
Gott, um dem Menschen Gewissen einzutrichtern: ein Um- sich- selbst- wissen:
Mensch, du bist für dein Tun verantwortlich. Du bist gewürdigt und
verpflichtet, einer höheren Instanz Antwort und Rechenschaft zu geben. (
So kann man eigentlich nicht sagen: „Vor meinem Gewissen hab ich mir nichts
vorzuwerfen“. Ich stehe ja mit meinem Gewissen vor einer Instanz, der ich
verantwortlich bin.)
Ein Meilenstein in der Erziehung des
Menschengeschlechtes ist die Begrenzung der Rache auf ein strenges: „Wie du
mir, so ich dir.“ „Auge um Auge, Zahn um Zahn, Leben um Leben“ (2.Mose 21,23f).
Nicht mehr, nicht weniger, kein Pogrom aber auch keine Gnade. Die Zeitenwende
brachte Jesus: „Wenn dich jemand auf die rechte Backe schlägt, biete ihm auch
die linke. Will einer deinen Mantel, gib ihm auch dein Hemd.“ (Matthäus 5,39).
Der Mensch wird zur Feindesliebe fähig, wenn er an Jesu Hand den Racheherrn und den Gesetzesrichter hinter sich lassen darf und hinfindet zum
„Gott der Geduld und des Trostes“ (Römerbrief 15,5).
*
Sintflut - die größte anzunehmende Traurigkeit
Als aber Gott sah, dass die Bosheit der Menschen groß
war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immer
und immer, da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und
es bekümmerte ihn in seinem Herzen und er sprach: Ich will die Menschen, die
ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen an bis hin zum Vieh und
bis zum Gewürm und bis zu den Vögeln unter dem Himmel; denn es reut mich, dass
ich sie gemacht habe. Aber...
1.Mose 6,5-7
Es ist vielleicht der gewalttätigste Satz über die Menschheit.
Niederschmetternder haben wir nicht von uns gesprochen und von Gott: Wir,
unsere Spezies, ein Missgriff eines scheiternden, gebrochenen Gottes. Der Satz, ist wie eine gewaltige Flut, mit
der der Herr seinen Stall ausmistet, seine Welt hinwegspült.
Immer wieder kamen und kommen Fluten, Feuersbrünste,
Hungerkatastrophen, Vulkanausbrüche über die Menschheit. Und Menschen fragen:
Warum? Und sagen, um Gott zu schützen:
Wir sind selbst schuld. Wären wir Gott, hätten wir mit Unsereins auch Schluss
gemacht.
Doch an den Vernichtungssatz schließt sich ein Aber,
das leuchtendste Aber. Vielleicht, am Ende des Tunnels, Licht; nicht vom
entgegenkommenden Zug sondern von Noah,
der Arche, dem Regenbogen, dem Bund.
war ein frommer Mensch und ohne Tadel zu seinen Zeiten;
er lebte mit Gott. Zu ihm sprach Gott:
Das Ende allen Lebens ist bei mir beschlossen, denn die Erde ist voller
Frevel; ich will sie alle verderben mit
der Erde.
Du aber mache dir einen Kasten von dreihundert Ellen,
dreißig Ellen Höhe, mit Stockwerken, Ställen, Kammern, Fenstern. Ich will eine
Sintflut kommen lassen. Alles, was auf Erden ist, soll untergehen.
Aber mit dir will ich meinen Bund aufrichten, und du
sollst in die Arche gehen mit deinen Söhnen, mit deiner Frau und mit den Frauen
deiner Söhne.
In die Arche sollt ihr bringen von allen Tieren, von
allem Fleisch, je ein Paar, Männchen und Weibchen, dass sie leben bleiben mit
dir. Genug Verpflegung und Futter nimm mit!
Und Noah tat, was Gott gebot. Und die Tiere gingen zu
Noah in die Arche, paarweise. Dann kamen
die Wasser der Sintflut. Alle Brunnen der großen Tiefe brachen auf und es taten
sich die Fenster des Himmels auf. Es
regnete vierzig Tage und vierzig Nächte.
Die Rettung liegt bei einem, der mit Gott lebt. Einer
bleibt übrig, einer kehrt um, einer baut die Arche. Die Vielen können irren.
Einer aber sieht Gott kommen. Einer weiß, was zu tun ist: Retten, Bergen, in
Sicherheit bringen, alles verlassen um des einen Auftrags willen. So einen fand
Gott; Und so einen findet Gott immer wieder in den großen und kleinen
Katastrophen. Lasst uns nicht sagen: „Nach uns die Sintflut“. Bauen wir Archen,
Freundschaften, Inseln zum Überleben.
Solange die Erde steht
Nach dem lange nicht enden wollenden Regen gedachte
Gott an Noah und an alles Getier, das mit in der Arche war, und ließ die Winde los
auf Erden und die Wasser fielen.
Noah wurde ungeduldig- er ließ einen Raben ausfliegen;
der flog immer hin und her und kam zurück. Auch eine Taube fand nichts
Trockenes und kam zurück. Später ließ er erneut eine Taube fliegen, die kam um
die Abendzeit zurück, und trug einen Ölzweig in ihrem Schnabel. Da merkte Noah,
dass die Wasser sich verlaufen hätten und Land in Sicht war.
Dann redete Gott mit Noah und sprach: Geh aus der
Arche, du und die Deinen und alles Getier, auf dass sie sich mehren auf Erden.
So ging Noah heraus mit allem, was bei ihm war. Und er
baute Gott einen Altar und dankte und
feierte ihn. Gott aber sprach: Ich will
hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen. Auch wenn das
Machen und Tun des menschlichen Herzens
böse ist, will ich hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt. Solange die
Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und
Winter, Tag und Nacht.
Und Gott segnete Noah und die Seinen und schloss einen
Bund mit Noah und seinen Nachkommen und mit allem lebendigen Getier und sprach:
Es soll keine Sintflut mehr kommen, welche
die Erde verderbe. Ich setze meinen
Bogen in die Wolken. Den will ich
ansehen und gedenken und den sollt ihr ansehen und gedenken: Es ist ein Zeichen
des Bundes zwischen Gott und Schöpfung.
1. Mose 8 -9,17
Böse von Jugend auf, der Mensch.- Das kann nicht wahr
sein, denn wir stammen doch aus Gottes Willen.
Aber wir können böse werden, furchtbar hassvoll. Und Gott konnte seine
Freude an uns Menschen verlieren. Aber dann bekehrt sich Gott wieder zu seiner
Kreatur. Gott will mit uns auskommen, auch wenn er an uns leidet. Das ist eine
Art Wandel in Gott, ist aber eher doch
ein Quantensprung in der Gotteserkenntnis des Menschen.
Und verzichtet Gott hiermit nicht auf jegliche
gewaltsame Einmischung? Jedenfalls werden wir gänzlich in Verantwortung
genommen. Verhängt Gott keine Strafaktionen mehr, müssen wir die Folgen unseres
Tuns um so mehr prüfen – und ausbaden.
Tief zurück liegen
Zeiten schauerlicher Göttervorstellungen. In vielen Schöpfungssagen der
Menschheit steht eine Urflut am Anfang. Alle Völker am Meer haben Sintfluten im
Volksschatz, immer war Sünde schuld, um nicht ganz irre zu werden am
Verhängnis. Immer war es göttliches Erbarmen, das neuen Anfang machte.
Wunderbar: Der Regenbogen, den auch Gott ansehen will
als seinen Eid, als seine Unterschrift: Ich will mit euch Menschen durchhalten,
auch wenn ihr schwierig seid. Und auch die Natur soll euch aushalten. In aller
Gefährdung ein rettendes Wort!
Noah aber, der Ackermann, pflanzte als Erstes einen
Weinberg.
Und da er von dem Wein trank, wurde er betrunken und
lag im Zelt aufgedeckt.
Als nun Ham die Blöße seines Vaters sah, sagte er's
seinen beiden Brüdern draußen. Da nahmen Sem und Jafet ein Kleid und legten es
auf ihrer beider Schultern und gingen rückwärts hinzu und deckten ihres Vaters
Blöße zu; und ihr Angesicht war abgewandt, damit sie ihres Vaters Blöße nicht
sähen.
1.Mose 9, 21-23
In den ersten
Kapiteln der Bibel klingen die Grundthemen des Menschlichen an; dazu gehört
auch das Schmerzliche am Altwerden: die Hilfsbedürftigkeit. Noah zecht mit
seinen Söhnen, er fällt um, kommt von Sinnen, liegt entblößt da. Ein Sohn tut
das Nötige: Ohne des Vaters in seiner Schwäche ansichtig zu werden, tritt er zu
ihm und verhüllt ihn gnädig mit einer
Decke. -Vater und Mutter im Alter die Ehre zu bewahren ist dringend.
Denn die jetzt schwach werden, waren vorher stark und nährten und lehrten die
nächste Generation sicher an die zwanzig Jahre. Auch sind die Alten alle Achtung
wert, weil sie in ihren Mühen das Leben durchgehalten haben- was bei den Jungen
ja noch offen ist. An den Alten kann man üben, die notwendige Fürsorge
sicherzustellen und ihnen ihre Freiheit zu bewahren –kann also üben, so zu
handeln, wie man selbst mal „behandelt“ sein will.
*
Von den Nachkommen Noahs kommen die Völker her.
Und alle Welt hatte einerlei Zunge und
Sprache. Die nach Osten zogen, fanden eine Ebene im Lande Schinar und ließen
sich dort nieder. Sie sprachen untereinander: Lasst uns Ziegel streichen und
brennen! - und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel und taten sich
zusammen: lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den
Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen; sonst verlieren wir uns in
alle Länder.
Da fuhr Gott hernieder, Stadt und Turm der Menschen zu besehen. Und erschrak: Das ist
erst der Anfang- wenn die so weitermachen, werden sie entgrenzt. Verwirren wir ihre
Sprache, dass sie sich nicht verabreden können!
Daher heißt ihr Name Babel, weil Gott da verwirrt hat
aller Länder Sprache und sie von dort zerstreut hat in alle Länder.
Die lange vor uns lebten, dachten den Ursprung der
Welt als Einheit: Ein erster Mensch, ein erstes Menschenpaar, eine Urflut nach
der Noah der erste Mensch war, von ihm zweigen alle Völker ab, am Anfang auch
eine Ursprache; Die verwirrende Vielsprachigkeit galt als Strafe für den
Größenwahn der Ahnen, ebenso die schrumpfende Lebenszeit erklärte man sich als Ermattung
und Strafe.
Am Anfang dachten die Alten war Fülle und Goldenes
Zeitalter. In unvordenklicher Zeit war eine Zeit der Ursprünge. Dann kamen die
Abstiege bis zum ausstehenden Weltuntergang. Aber dann ist mit neuem Aufstieg
zu rechnen bis in die Fülle des Himmels. Und dessen Ewigkeit ist dann die gesammelte
und geheilte Zeit (Augustin).
Der Turm zu Babel
galt wie andere Weltwunder des Altertums
als Zeichen für die hohe Leistungsfähigkeit der Vorfahren. Dass nur Reste vom Turm zu Babel blieben, nahmen spätere
Generationen als Zeichen: Die wollten zu hoch hinaus. Ihr Scheitern blieb Mahnung,
selber nicht in Hybris zu fallen.
Die „Babylonische Sprachverwirrung“ bleibt Warnung,
die Sprache nicht zum Herrschaftsmittel verkommen zu lassen. Auch fängt der
Friede mit der Wahrheit der Worte an. Wenn Menschen einander nur kommandieren
und verhören, können sie sich nicht verstehen.
Die stärkste Gegengeschichte ist die von Pfingsten
(Apostelgeschichte 2). Der Heilige Geist der Kommunikation brennt in den ersten
Christen.
*
Gott erwählte sich einen Menschen, namens Abram (später
Abraham) aus Haran. Den sprach er an:
Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deiner
Eltern Haus in ein Land, das ich dir zeigen werde. Ich will dich zum großen
Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du
sollst ein Segen sein; ja, in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf
Erden.
Abraham glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur
Gerechtigkeit an.
1.Mose 12, 1-3; 15,6
Im grandiosen
Zeitraffer schildern die Schriftgelehrten vom Tempel Salomos (um 950 v. Chr.)
die Vorzeit. Nach Schöpfung und Zeit der Riesen (1.Mose 6) und Sintflut
schließt Gott mit Noah den Bund fürs Leben: Leben soll weitergehen. Und in
Abraham schließt er den Bund des Glaubens. Abraham soll Vater Israels werden,
des Volkes, dem die Gottessorge und die Erwartung des Messias aufgetragen wird. Der Segen über
Abraham ist aller Menschheit gewidmet: Bewusste
Gotteskenntnis ergießt sich von Abraham an in die Welt: Der Schöpfer hat mich
geschaffen, und in ein besonderes, nahes Verhältnis zu sich gefügt. So kann ich
Gott vertrauen, ich gehöre ihm. Im Innersten bin ich „Kind Gottes“. Nicht weil
ich so gehorsam bin sondern weil ich dazu bestimmt bin und geliebt bin. Diese
Gewissheit ist der Glaube, den Gott uns schenkt und bei uns sucht.
Abraham wird rausgerufen aus seinem Zuhause, seinem
Mondgottglauben, seinem Eingebettetsein in ein kreisendes Hier und Jetzt. Dann wird er losgeschickt „in ein Land, das ich dir
zeigen werde“. Und er packt mit Frau Sara sein Hab und Gut zusammen. An der
Gartenpforte weiss er noch nicht, ob es
nach rechts oder links geht. Einen
Schritt weiter ist er auf einen Weg geleitet, der Jahrhunderte später Israel
ins Gelobte Land führt. Abraham lässt
sich auf die Verheißung Gottes ein und kann darum alles verlassen. Vor ihm:
Zukunft, Weg, Ziel statt ewige Wiederkehr des Gleichen. Abraham entdeckt den
Gott der Geschichte, der auch Schöpfer ist, aber eben auch der mitgehende Behüter.
*
Wir sind doch Brüder
Da zog Abraham aus mit seiner Frau Sara und aller Habe,
und Schwager Lot und dessen Familie zog mit. Abraham war fünfundsiebzig Jahre
alt, als er aus Haran zog, um im Land Kanaan zu wohnen. Er baute bei Sichem
einen Altar und östlich der Stadt Bethel, danach zog Abraham weiter ins
Südland. In den langen Jahren der Wanderzeit (als Nomade) wurde er reich an Vieh, Silber und Gold.
Lot hatte auch viele Schafe, Rinder und Zelte. Aber das Land konnte beide nicht ertragen, immer war Zank zwischen den
Hirten von Abrahams Vieh und den Hirten von Lots Vieh.
Da sprach Abraham zu Lot: Lass doch nicht Zank sein
zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten. Wir sind doch
Brüder! Steht dir nicht alles Land offen? Trenne dich doch von mir! Willst du
zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rechten, so will ich
zur Linken.
Da erwählte sich Lot die ganze wasserreiche Gegend am
Jordan und zog nach Osten. Also trennte sich einer vom andern.
Abraham wohnte im Lande Kanaan und Lot in den Städten
am unteren Jordan, bis nach Sodom zog er mit seinen Zelten. Die Leute von Sodom
aber waren böse.
Streit zwischen Brüdern, Familien, Mitarbeitern
geschieht. Das Kunstwerk ist nur, wie damit hinreichend friedlich zu leben?
Abraham macht das vorbildlich. Er schlägt Trennung vor, lässt aber Lot die
erste Wahl. Das Geheimnis seiner und
aller Großzügigkeit ist das Wissen, gesegnet zu sein. Und darum gönnen können.
*
Sara, Abrahams Frau, bekam keine Kinder. Sie hatte
aber eine ägyptische Magd, die hieß Hagar. Und Sara sprach zu Abraham: Siehe,
Gott hat es verfügt, dass ich nicht schwanger werde. Geh zu meiner Magd, ob ich
vielleicht durch sie zu einem Sohn komme. Und Abraham hörte auf Sara.
Er schlief mit Hagar, die ward schwanger. Da fing sie
an, ihre Herrin zu verachten. Da sprach Sara zu Abraham: Das Unrecht, das mir
geschieht, komme über dich! Ich habe meine Magd dir in die Arme gegeben; nun
sie aber sieht, dass sie schwanger geworden ist, bin ich in ihren Augen verachtet. Gott sei Richter
zwischen mir und dir. Und Sara demütigte sie, da floh sie von ihnen weg in die
Wüste.
Aber der Engel Gottes fand sie bei einer Wasserquelle
in der Wüste und sprach zu ihr: Den Sohn,
den du gebären wirst, sollst du Ismael
nennen.- was heißt: „Der Herr hat dein Elend erhört“. Und Hagar nannte fortan
den Herrn: “Du bist ein Gott, der mich
sieht.“
Später wurde Sara doch noch schwanger. Und als sie
ihr Kind geboren hatte, sprach sie zu
Abraham: Treibe Hagar von uns mit ihrem Sohn; denn der Sohn dieser Magd soll
nicht erben mit meinem Sohn Isaak. Das Wort missfiel Abraham sehr um seines
Sohnes Ismael willen.
Aber Gott sprach zu ihm: Lass es dir so gefallen.
(17,19) Ich will Sara segnen und nach Isaak soll dein Geschlecht benannt
werden. Er soll zu einem großen Volk werden. Aber auch den Sohn der Magd will
ich zu einem Volk machen, er ist auch dein Sohn.
Da stand Abraham früh am Morgen auf und nahm Brot und
einen Schlauch mit Wasser und legte es Hagar auf die Schulter, dazu den Knaben,
und schickte sie fort. Da zog sie hin und irrte in der Wüste umher bei
Beerscheba.
Als nun das Wasser in dem Schlauch ausgegangen war, setzte
sie den Knaben unter einen Strauch ab und wartete gegenüber, einen Bogenschuss
weit; denn sie sprach: Ich kann nicht ansehen des Knaben Sterben. Und sie erhob
ihre Stimme und weinte.
Und der Engel Gottes rief Hagar vom Himmel her und
sprach zu ihr: Steh auf, nimm den Knaben und führe ihn an deiner Hand; denn ich
will ihn zum großen Volk machen. Und Gott tat ihr die Augen auf, dass sie einen
Wasserbrunnen sah. Und sie gab dem Knaben zu trinken.
Groß, die Geschichte der zwei alttestamentlichen Frauen.
Sara ist kinderlos. Sie gibt ihre Sklavin Hagar dem Abraham in die Arme: Er
soll mit ihr als Leihmutter für Sara ein Kind zeugen. Die stolze Ägypterin
Hagar triumphiert wohl, Sara staucht sie zurecht. Das Kind wird geboren. Später
wird Sara auch schwanger, sie gebiert den Isaak. Jetzt will sie Hagar und deren
Söhnchen aus den Augen haben. Sie veranlasst den Abraham, beide vom Hof zu
treiben. Nah am Verdursten, rettet sie ein Engel, eine Quelle lag offen vor
ihren Füßen.
Gott gibt dem erst Kinderlosen zwei Söhne. Auch Ismael
soll ein großes Volk werden. Aber aus Isaak soll das besondere Volk Gottes
werden, ein Segen für alle Geschlechter auf Erden. Und doch sind auch die von
Ismael stammenden Völker doch Völker Gottes. Abraham wird der Vater der
Ökumene: Vater des Glaubens von Juden und Christen und Moslems zugunsten der
ganzen Menschheit. -
Der islamischen Tradition gilt Ismael als Ahnherr der
Araber. Schon das alte Testament kennt den palästinensischen Stämmeverbund der
Ismaeliten als Feinde Israels. Der Islam beruft sich auf den Segen, den Gott
auch für Ismael hat. Beide - Israel und Araber haben in Abraham den einen
gemeinsamen Stammvater des Glaubens, sie sind Brudervölker.
Der Koran führt die Geschichte von Hagar in der Wüste
so weiter: Als die Quelle Semsem vor Hagar aufsprang, wusste sie, daß Gott
diesen Ort heiligte und ließ sich dort im Tal Kaaba nieder. Später baute
Abraham und Ismael dort ein Heiligtum. Ismael empfing vom Erzengel Gabriel den
bis heute in Mekka aufbewahrten Stein, der aus Trauer über den Götzendienst in
der Welt zum „Schwarzen Stein“ geworden ist.
Die Rivalität der Weltanschauungen heute hat tiefe
Wurzeln. Auch die Christenheit hat aufzuholen im Verständnis des Islams. Lange
galt der Islam den christlichen Kirchen als Häresie oder böswillige Verdrehung
christlicher Wahrheiten. Dabei gewann der Prophet Muhammed (+632) durch
Visionen die Gewissheit, er müsse die Basis des jüdischen und des christlichen,
ja des ganzen Menschheitsglaubens wieder zur Geltung bringen: die völlige
Hingabe (das arabische Wort dafür: Islam) an den allmächtigen und barmherzigen
Gott. Eine weltliche Sphäre jenseits von
Gottes Heiligkeit und Ruf in den Gehorsam gibt es nicht: Der Mensch hat
ungeteilt Gott zu dienen, alles Tun ist Gottesdienst und untersteht einer Geistlichen
Aufsicht.
Eine Sensation gelang der Türkei unter Atatürk. In
einem islamischen Land setzte er die Trennung von Moschee und Staat durch. Bis
heute kämpfen ungezählte Schattierrungen von Islam um die Wahrheit. Die der
Moderne zugewandte Seite hält Demokratie und Gleichberechtigung der Frau für
durchaus vereinbar mit dem Islam, der Sufismus verehrt Gott als die reine Liebe, im Iran gewinnt gerade eine
Richtung die Oberhand, der Toleranz und Freizügigkeit als gotteslästerlich gilt.
Wir Europäer, durch die Nietzsche-Marx- und Feuerbäche
Gegangenen, die wir nichts Heiliges mehr zu wissen scheinen außer unserer Ruhe,
lächeln beim Thema „Gotteslästerung“ meist nur müde. Das Thema Gottesverachtung ist durch Auschwitz und die Atombombe und die Millionen
Hungertoten jährlich ziemlich aufgebraucht. Darum fiel uns die Karikatur vom Propheten mit Bombe im
Turban erst auf, als viele Moslems diese Zeichnungen als Schändung Ihres
Glaubens lasen. Wir hier müssen verstehen lernen.
*
Und Gott erschien Abraham, während er an der Tür
seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war. Drei Männer standen vor ihm.
Vor denen neigte er sich zur Erde und sprach: Ich will euch bewirten, dass ihr
euer Herz labt; danach mögt ihr weiterziehen. Und er trug Kuchen, Butter und
Milch auf, schlachtete ein Kalb und bereitete es zu. Dann setzte er es ihnen
vor und wartete ihnen auf. Er blieb dabei stehen vor ihnen unter dem Baum und
sie aßen.
Da sprach Gott: Ich will wieder zu dir kommen übers
Jahr. Dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter der
Tür des Zeltes. Sie lachte bei sich selbst und sprach: Nun ich alt bin, soll
ich noch der Liebe pflegen, und mein Abraham ist doch auch alt! Der Herr
sprach: Ihr werdet sehen, übers Jahr soll Sara einen Sohn haben.
1. Mose 18, 1-15
(Diese Geschichte steht zwischen Ismaels und Isaaks
Geburt) Eigentümlich diese Begebenheit: In drei Gestalten der eine Gott- ein
starkes Inkognito. Abraham fremdelt nicht, er ist sofort gastfrei, sicher hat
er die gottvolle Aura gespürt. Ein Kind
wird ihnen verheißen, Sara lacht; sie, wissend, hält es für unmöglich. Sara
lacht- das ist auch ein Lockruf, auch im Alter Neues zu erwarten.
Die Dreifach-Erscheinung hier hat später die Kirche aufgenommen als Vorbild für die
trinitarische (drei in eins) Idee von Gott. Die wundersame Mutterschaft der
Sara wiederholt sich bei Maria.
*
Abrahams Handel mit Gott
Und Gott sprach zu Abraham: Es ist großes Geschrei
über Sodom und Gomorra, dass ihre Sünden sehr schwer sind. Ich will hinabfahren
und sehen und strafen.
Abraham aber sprach: Willst du denn den Gerechten mit
dem Gottlosen umbringen? Es könnten vielleicht fünfzig Gerechte in der Stadt
sein; kannst du die umbringen und dem Ort nicht vergeben trotz fünfzig
Gerechter?
Gott sprach: Finde ich fünfzig Gerechte in der Stadt,
so will ich um ihretwillen dem ganzen Ort vergeben. Abraham antwortete und
sprach: Ach siehe, ich habe mir herausgenommen, zu reden mit dem Herrn, wiewohl
ich von Erde genommen bin.
Es könnten vielleicht fünf weniger als fünfzig
Gerechte darin sein; und dann? Würdest
du die ganze Stadt verderben um der fünf willen? Er sprach: Finde ich
darin fünfundvierzig, so will ich sie nicht verderben.
Und er fuhr fort mit ihm zu reden und sprach: Man
könnte vielleicht nur vierzig darin finden. Er aber sprach: Ich will ihnen
nichts tun um der vierzig willen.
Abraham sprach: Zürne nicht, Herr, dass ich noch mehr
rede. Man könnte vielleicht nur dreißig darin finden. Er aber sprach: Finde ich
dreißig darin, so will ich ihnen nichts tun.
Und er sprach: Ach siehe, ich habe mich getraut, mit
dem Herrn zu reden. Man könnte vielleicht zwanzig darin finden. Er antwortete:
Ich will sie nicht verderben um der zwanzig willen. Und er sprach: Ach, zürne
nicht, Herr, dass ich nur noch einmal rede. Man könnte vielleicht nur zehn
darin finden. Er aber sprach: Ich will sie nicht verderben um der zehn willen.
1.Mose 18, 20-32
Gott hält viel von Abraham, er zieht ihn ins Vertrauen
über Sodoms Schuld. Uralt ist die Vorstellung, Gott müsse erst mal an den
Tatort, um zu wissen. Modern dagegen ist fast schon, dass Abraham wagt, wie ein
Teppichhändler auf dem Bazar mit Gott zu feilschen. Es ist, als würde Gott vom
Menschen lernen, dass Kollektivhaftung
nicht gottgewollt sein kann; klar, dass Gott nicht die Gerechten mit den
Ungerechten umkommen lassen darf. Bei Gott gibt es wohl eine umgekehrte
Kollektivhaftung: Die wenigen erlösen die vielen.
Ergreifend auch: Gott lässt mit sich reden- er braucht
das Gespräch mit seinen Auserwählten.
*
Eine wüste
Geschichte
Zwei Engel kamen
nach Sodom am Abend; Lot aber sah sie, er stand auf, ging ihnen entgegen und
neigte sich bis zur Erde und sprach: Ihr lieben Herren, kehrt doch ein im Hause
eures Knechts und bleibt über Nacht.
Aber als sie einkehrten, kamen Leute der Stadt Sodom und umgaben das
Haus,
und riefen Lot
und sprachen zu ihm: Wo sind die Männer, die zu dir gekommen sind? Führe sie
heraus zu uns, dass wir uns über sie hermachen. Lot ging heraus zu ihnen vor
die Tür und sprach: Ach, liebe Brüder, tut nichts Böses den Fremden!
Siehe, ich habe
zwei Töchter, die wissen noch von keinem Manne; die will ich herausgeben unter
euch und tut mit ihnen, was euch gefällt; aber diesen Männern tut nichts, denn
sie sind unter den Schatten meines Daches gekommen.
Die Engel-Männer
griffen aber hinaus und zogen Lot herein ins Haus und schlossen die Tür zu. Und
sie schlugen die Leute vor der Tür des Hauses mit Blindheit, sodass sie es
aufgaben, die Tür zu finden.
Und die Männer
sprachen zu Lot: Hast du hier noch Verwandte? Die führe mit weg aus dieser
Stadt. Denn wir werden diese Stätte verderben.
Als nun die
Morgenröte aufging, drängten die Engel Lot zur Eile und sprachen: Rettet euer
Leben und seht nicht hinter euch. Da ließ Gott Schwefel und Feuer regnen vom
Himmel herab auf Sodom und Gomorra Und Lots Frau sah hinter sich und wurde zur
Salzsäule.
Es kann ein Vulkanausbruch gewesen sein, mittels
dessen die Städte Sodom und Gomorra in Schutt und Asche fielen. Man verstand
die Katastrophe als Strafe Gottes für die sprichwörtlich gewordene sodomitische
Unzucht.
Wir tun recht daran, Unglück mit unserem Tun in
Verbindung zu bringen. Leben ist ja Konflikte lösen und Unglück ist auch immer
ein Lehrstück für Versagen und
Bessermachen. Katastrophen sind ja immer auch menschgemacht, jedenfalls
wurden immer Warnungen überhört aus Sorglosigkeit und Selbstsucht. Man braucht nicht ein direkte Eingriffe
Gottes in die Geschichte anzunehmen, die Menschheitsgeschichte ist auch so
Gottes Geschichte mit den Menschen.
Boten mit Vollmacht werden gesandt, um Lot und die
Seinen zu retten. Die Boten werden von Leuten aus Sodom angegriffen. Lot bietet
seine Töchter als „Freiwild“ an, die Gastfreundschaft war ihm den Verrat an den
Töchtern wert. Frauenhandel und
Kindesmissbrauch waren noch üblich. Die patriarchalische Mannesehre galt viel.
Mag sein, daß die Frau des Lot an den ungeweinten Tränen ihrer Mitwisserschaft
erstickte. Ihr Zurückschauen, ihr Gebanntbleiben in Vergangenheit wurde ihr zum
Verhängnis.
*
Kein
Menschenopfer mehr
Gott stellte Abraham auf eine fürchterliche Probe. Er
sprach: Abraham! Und der antwortete: Hier bin ich. Und er sprach: Nimm Isaak,
deinen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn
dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir zeigen werde.
Da stand Abraham früh am Morgen auf, spaltete Holz zum
Brandopfer, bepackte den Esel und nahm seinen Sohn Isaak und sie machten sich auf.
Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah
die Stätte von ferne. Er legte das Holz
zum Brandopfer dem Sohn auf. Er nahm das Feuer und das Messer; und gingen die
beiden miteinander.
Da sprach Isaak zu seinem Vater: Mein Vater! Abraham
antwortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sprach: Siehe, hier ist Feuer und
Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer?
Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen
ein Schaf zum Brandopfer. Und gingen die beiden miteinander. Und als sie an die
Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und
legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben
auf das Holz und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen
Sohn schlachte.
Da rief ihn der Engel des Herrn vom Himmel und sprach:
Abraham! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich.
Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu
ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Ehrfurcht zu Gott hegst und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont
um meinetwillen.
Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder
hinter sich in der Hecke mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den
Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes statt. Und Abraham
nannte die Stätte »Der Herr sieht«. Daher sagt man bis heute: Morija- der Berg,
da der Herr sieht.
Daß Gott uns auf die Probe stellt, um unser
Gottvertrauen auszuloten, das soll uns unvorstellbar sein- Und doch sehen sich Menschen in Versuchung geführt,
sehen sich vor Entscheidungen gestellt, die nicht unschuldig lassen. Auch dann haben wir mit Gott zu tun. Entscheidungen
klären uns, sie zeigen unser wahres Gesicht, zunächst uns selbst, dann auch den
Mitmenschen und natürlich Gott, der um uns aber immer schon weiss.
Sicher hat Gott nicht dem Abraham den Sohn abverlangt,
um seinen Glauben zu testen. Aber Menschen haben sich lange ausgeliefert
gesehen wilden, herrischen Göttern; Menschenopfer waren gang und gäbe- an
Götter oder fürs Vaterland oder den Familienclan.
Jedenfalls ist dies die Geschichte von der Ablösung
des Menschenopfer durch das Tieropfer, wenn auch verpackt in einen
schauerlichen Befehl.
Israel und viele andere Menschen in Verzweiflung nahmen
„Vater Abraham“ zum Vorbild: Wenn Gott auch das Pfand seines Glücks-Versprechens
uns aus der Hand windet, hat er doch Wege, seine Verheißung zu erfüllen. Müssen
wir auch durch Finsternisse, sind diese nicht Endstation. In diesem Sinne darf die Bitte: „Führe uns nicht in
Versuchung“ so verstanden werden: „Vater, führe uns durch die Versuchungen“.
*
Eine Frau für
Isaak
Abraham war alt geworden, seine Sara war gestorben, er
hat sie in der Höhle Machpela, dem Erbbegräbnis östlich von Hebron, begraben.
Überreich hatte Gott sie gesegnet.
Abraham sprach zu seinem Großknecht Elieser: Zieh zu
meiner Verwandtschaft und nimm meinem Sohn Isaak dort eine Frau. Gott wird
seinen Engel vor dir her senden, dass du die Richtige findest. Wenn aber die
Frau dir nicht folgen will, so bist du vom Auftrag befreit.
Elieser nahm zehn Kamele und noch allerlei Güter
seines Herrn und machte sich auf und zog nach Mesopotamien, zu der Stadt Nahor.
Abraham lässt bei seiner Verwandtschaft in seiner
alten Heimat nach einer Frau für Isaak suchen. Er scheint sich des Findens
sicher zu sein: Gott wird einen Engel vor dir hersenden, sagt er dem
Brautwerber. Traumhaft, diese sonnige Gewissheit, daß die Richtige schon da
ist. Herrlich auch der Respekt vor der Selbstbestimmtheit der Frau: Wenn die
Richtige aber nicht in die Fremde mit will, dann kann man nichts machen.
*
Nach langer Reise ließ Elieser die Kamele sich lagern
draußen vor der Stadt Nahor bei dem Wasserbrunnen des Abends um die Zeit, da
die Frauen kamen um Wasser zu schöpfen.
Und er sprach: Du Gott Abrahams, lass es mir heute
gelingen. Das erste Mädchen das zum Wasserschöpfen kommt, und bereitwillig mir
zu trinken gibt und meinen Tieren, die soll mir als von Dir bestimmt gelten.
Und ehe er ausgeredet hatte, kam ein Mädchen heraus, schön von Angesicht, und trug
einen Krug auf ihrer Schulter. Die stieg hinab zum Brunnen, füllte den Krug und
stieg wieder herauf. Da bat sie Elieser um Wasser.
Und sie sprach: Trinke, mein Herr! Und eilends ließ
sie den Krug hernieder auf ihre Hand und gab ihm zu trinken. Dann sprach sie:
Ich will deinen Kamelen auch schöpfen, bis auch sie getrunken haben.
Elieser aber betrachtete sie und schwieg still, abwartend,
ob Gott zu seiner Reise Gnade geben werde. Dann
nahm er einen goldenen Stirnreif und zwei goldene Armreifen und sprach:
Wessen Tochter bist du? Sie sprach zu ihm: Ich bin Rebekka, die Tochter
Betuëls, des Sohnes der Milka, den sie dem Nahor, dem Bruders Abrahams geboren
hat. Und Raum zur Herberge haben wir auch
genug. Da neigte sich Elieser und betete zu Gott.
Das Mädchen aber lief und sagte alles in ihrer Mutter
Hause. Und Rebekka hatte einen Bruder, der hieß Laban; und Laban lief zu dem
Mann draußen bei dem Brunnen. Und sprach: Komm herein, du Gesegneter des Herrn!
Und man lud ihn ein zum Essen. Er sprach aber: Ich
will nicht essen, bis ich zuvor meine Sache vorgebracht habe. Sie antworteten:
Sage an! Und Elieser sagte von Abraham, von seines Herrn Auftrag, dass er für
den Sohn aus der Verwandtschaft um eine Frau werben solle und es habe sich
gefügt, daß diese junge Frau vom Herrn erwählt scheint, denn sie kam als erste
zum Brunnen und stillte meinen Durst.
Da antworteten Laban und Betuël und sprachen: Das kommt
von Gott, darum können wir nichts weiter dazu sagen. Wir sind einverstanden,
dass sie die Frau werde des Sohnes deines Herrn.
Am Morgen aber sprach er: Lasst mich ziehen zu meinem
Herrn, haltet mich nicht auf, denn Gott
hat Gnade zu meiner Reise gegeben. Da sprachen sie: Wir wollen das
Mädchen rufen und fragen, was sie dazu sagt.
Und sie riefen Rebekka und sprachen zu ihr: Willst du
mit diesem Manne ziehen? Sie antwortete: Ja, ich will es.
Da ließen sie Rebekka ziehen mit Abrahams Knecht und ihre
Amme ging auch mit. Und sie segneten Rebekka und sprachen zu ihr: Du, unsere Tochter,
unsere Schwester wachse vieltausendmal tausend, und dein Geschlecht nehme die
Tore von Gottes Feinden ein.
So machte sich Rebekka auf und zog mit Abrahams Knecht
davon.
Diese freundliche Erzählung hat noch die Anmut der orientalischen
Märchenerzähler. Die wollen unterhalten und
belehren. Erst später wurde die ursprünglich selbstständige Geschichte
in die Sammlung der heiligen Schriften
eingearbeitet.
Spannend bleibt, wie Elieser herausfindet, dass Gott
Gnade zu seiner Reise gegeben hat. Erstens geht er davon aus, dass er im
Dienste des Herrn unterwegs ist. Und zweitens schlägt er Gott ein
Erkennungs-Schema vor. Er wagt, Gott festzulegen, um sich Kenntnis zu
beschaffen. Aber es bleibt die Freiheit Gottes gewahrt. Und auch die Frau muss
zustimmen. Ihr sofortiges Mitgehen zeigt, dass auch die Frau, von Gott sich
auserwählt weiss und damit Geschichte nicht als
Leere sieht oder als klumpigen Haufen von Komplikationen. Geschichte
leuchtet hier auf als von Gottes
Willen und menschlichem Zutun gemeinsam Geschichtetes.
*
Und Abraham starb in einem schönen Alter, alt und
lebenssatt, und wurde zu seinen Vätern und Müttern versammelt. Isaak nahm die Rebekka zur Frau und sie gewannen sich lieb. Und Gott
segnete sie. Und Rebekka wurde
schwanger, es waren Zwillinge, die stießen sich schon im Mutterleib.
Der erste, der herauskam, war rötlich, ganz rau wie mit
Fell, und sie nannten ihn Esau. Danach kam sein Bruder heraus; der hielt mit
seiner Hand die Ferse des Esau, und sie nannten ihn Jakob (d.h. Fersenhalter).
Esau wurde ein tüchtiger Jäger, ein Mann der Natur. Jakob aber wurde ein Mensch des Nachdenkens
und der Häuslichkeit.
Und Isaak hatte Esau lieb, er aß gern von seinem
Wildbret; Rebekka aber hatte Jakob lieb.
Von Abraham und
Isaak zu Jakob führt der Segen Gottes: Jakob gilt als Stammvater der zwölf Söhne, von denen die zwölf Stämme Israels
abstammen. Wie verquer, wie am seidenen Faden, wie wunderbar die Geschichte Israels von Anfang an lief,
das erzählte sich Israel in all seinen bedrohten Zeiten:
Es begann schon mit der langen Kinderlosigkeit des
Abraham und der Sara. Verheißen war, dass aus ihnen ein Volk wird, aber ein
Volk fängt mit zumindest einem Nachkommen an. Als der dann endlich da war,
waren Gefahren die Fülle zu bestehen, in
denen Gott den Verheißenen zurück zu fordern schien.
Dann wurde Isaak erwachsen, Der Segen sollte
weitergehen, aber schien schon bei den Zwillingen zu stocken. Schon im
Mutterleib befehden sie sich, liefern sich ein Wettrennen um die Rangfolge. Und
die Eltern befehden sich wegen ihrer jeweiligen Lieblinge. Der Segen der Väter
steht dem Ältesten zu, hätte Gott den nicht gewollt, hätte er ihn ja als
Zweiten zur Welt kommen lassen können.
Beglückend:1.Mose 25,7:Abraham starb in schönem Alter,
lebenssatt. Das ist der Traum vom friedlichen Sterben, dankbar zur Ruhe kommen
nach Mühe und Arbeit und heimkehren zu
den Vorangegangenen.
*
Und Jakob kochte ein Gericht. Da kam Esau vom Feld und war müde
und sprach zu
Jakob: Lass mich essen das rote Gericht; denn ich bin müde. Und Jakob sprach:
Verkaufe mir deine Erstgeburt, sofort jetzt.
Esau antwortete: Ich muss sowieso sterben; was soll mir da die
Erstgeburt?
Jakob sprach: So
schwöre mir, du trittst sie mir ab. Und Esau
schwor ihm und verkaufte Jakob seine Erstgeburt. Da gab ihm Jakob das
Linsengericht, und er aß und trank und stand auf und ging davon.
Bis heute ist Esaus verächtlicher Umgang mit einem
hohen Gut sprichwörtlich. Da stürmt dieser Raubauz ins Haus. Der Duft seiner
Lieblingsspeise erregt seinen Heißhunger. Jakob macht sich diese Gier zu Nutze,
nimmt ihm den Eid ab, daß er als Ältester auf sein Erstgeburtsrecht verzichte.
Vielleicht war ihm die Verheißung Gottes vom großen Volk eine Nummer zu groß
und er fühlte sich für die großen Pläne Gottes zu klein, wollte nicht ins
Rampenlicht, wollte gern sein eigener Herr bleiben. Gott schien ihn verstanden
zu haben und ließ ihn später auf andere Weise Karriere machen.
*
Mutter und Sohn täuschen Isaak
Als Isaak alt geworden war und seine Augen schwach,
rief er Esau, seinen älteren Sohn, und sprach zu ihm: Mein Sohn! Geh aufs Feld
und jage mir ein Wildbret und mach mir ein Essen, wie ich’s gern habe, und
bring mir’s herein, dass ich esse, auf dass dich meine Seele segne, ehe ich
sterbe.
Rebekka aber hörte diese Worte, ging zu Jakob, ihrem
Sohn, und sprach: Tu, was ich dir sage. Geh hin zu der Herde und hole mir zwei
gute Böcklein, dass ich deinem Vater ein Essen davon mache, wie er’s gerne hat.
Das sollst du ihm auftischen, dass er esse und dich segne vor seinem Tod.
Jakob aber sprach zu seiner Mutter Rebekka: Siehe,
mein Bruder Esau ist rau, doch ich bin glatt; mein Vater könnte mich betasten,
und ich würde vor ihm dastehen, als ob ich ihn betrügen wollte, und brächte
über mich einen Fluch und nicht einen Segen.
Da sprach seine Mutter zu ihm: Der Fluch komme über
mich, mein Sohn; verlasse dich auf mich.
Da ging er hin und holte die Zicklein und brachte sie seiner Mutter. Die
machte ein Essen, wie es sein Vater
gerne hatte.
Und sie nahm Esaus Feierkleider und zog sie Jakob an.
Und Felle von den Zicklein tat sie ihm
um seine Hände und wo er glatt war am Halse. Dann gab sie das Mahl in seine Hand. Er ging
hinein zu seinem Vater und sprach: Mein Vater! Er antwortete: Hier bin ich. Wer
bist du, mein Sohn? Jakob sprach zu seinem Vater: Ich bin Esau, dein Erstgeborener;
komm nun, setze dich und iss von meinem Wildbret, auf dass mich deine Seele
segne.
Isaak aber sprach zu seinem Sohn: Wie hast du es so
schnell gefunden, mein Sohn? Er antwortete: Der Herr, dein Gott, bescherte
mir’s. Da sprach Isaak zu Jakob: Tritt herzu, mein Sohn, dass ich dich betaste,
ob du mein Sohn Esau bist oder nicht. So trat Jakob zu seinem Vater Isaak. Und
als er ihn betastet hatte, sprach er: Die Stimme ist Jakobs Stimme, aber die
Hände sind Esaus Hände. Und sprach: Bist du mein Sohn Esau? Er antwortete: Ja,
ich bin’s.
Da sprach er: So bringe mir her, mein Sohn, zu essen
von deinem Wildbret, dass dich meine Seele segne. Da brachte er’s ihm und er
aß; und er trug ihm auch Wein hinein und er trank.
Und Isaak, sein Vater, sprach zu ihm: Komm her und
küsse mich, mein Sohn! Er trat hinzu und küsste ihn. Da roch er den Geruch
seiner Kleider und segnete ihn und sprach: Siehe, der Geruch meines Sohnes ist
wie der Geruch des Feldes, das der Herr gesegnet hat. Gott gebe dir vom Tau des
Himmels und von der Fruchtbarkeit der Erde und Korn und Wein die Fülle. Völker
sollen dir dienen, und Stämme sollen dir zu Füßen fallen. Sei Herr über deine
Brüder. Verflucht sei, wer dir flucht; gesegnet sei, wer dich segnet!
Als nun Isaak den Segen über Jakob vollendet hatte und
Jakob kaum hinausgegangen war von seinem Vater Isaak, da kam Esau, von der Jagd
und machte auch ein Essen und trug’s hinein zu seinem Vater und sprach zu ihm:
Richte dich auf, mein Vater, und iss von dem Wildbret deines Sohnes, dass mich
deine Seele segne.
Da antwortete ihm Isaak, sein Vater: Wer bist du? Er
sprach: Ich bin Esau, dein erstgeborener Sohn. Da entsetzte sich Isaak über die
Maßen sehr und sprach: Wer? Wo ist denn der Jäger, der mir zuvor aufgetischt
hat, und ich habe von allem gegessen, ehe du kamst, und habe ihn gesegnet? Und
er wird auch gesegnet bleiben.
Als Esau diese Worte seines Vaters hörte, schrie er
laut und wurde über die Maßen traurig und sprach zu seinem Vater: Hast du denn
nur einen Segen, mein Vater? Segne mich auch, mein Vater! Und er weinte sehr.
Da antwortete sein Vater: Von deinem Schwerte wirst du dich nähren, und deinem
Bruder sollst du dienen. Aber einst wirst du sein Joch von deinem Halse reißen.
Und Esau war voll Hass und sprach bei sich:
ich will meinen Bruder Jakob umbringen.
Das wurden Rebekka hinterbracht. Und sie ließ Jakob
warnen: Dein Bruder Esau droht, dich umzubringen. Mach dich auf und flieh,
flieh zu meinem Bruder Laban nach Haran.
Wie Menschen falsch spielen können- dafür ist Rebekka
ein Beispiel. Sie weiß, daß sie Unrecht einfädelt und will den Fluch, wenn er
denn komme, auf sich ziehen. Doch Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade.
Er nutzt unsere Taten und Untaten. Besessene Mutterliebe fädelt das
Schurkenstück ein, das nötig ist, um den Vatersegen auf den Gottgewollten zu
lenken. Wird Rebekka von Gott verführt zum Unrecht? Wir müssen davon ausgehen, dass
Rebekka tat, was sie wollte. Und Gott damit machte, was Er wollte.
Wir sehen nicht, was wird. Uns bleibt nur die
Hoffnung, dass vom Ende her das Geschehen seine Rechtfertigung findet und das Ende in ein Ziel mündet, welches die
Auflösung aller Verwicklungen bringt.
Schon Esau wird im Laufe der Zeit seinen Frieden mit
dem Dieb machen, auch weil er lernt, dass Jakob nur tat, was er tun musste.
Letztlich ist es doch Gott, der zusammenfügt das Finden des innersten Wesens
und das Eintreffen der äußeren Zufälle. Doch werden zu als der man gedacht ist,
ist harte Arbeit.
*
Jakob machte sich auf nach Haran und kam an eine
Stätte, die zum Nachtlager einlud- die Sonne war untergegangen. Und es träumte
ihm, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und
Engel stiegen daran auf und nieder.
Und oben stand Gott und sprach: Jakob, ich bin der
Gott Abrahams und Isaaks und will auch dein Gott sein. Das Land, darauf du liegst,
will ich dir und deinen Nachkommen geben, die sollen zahlreich werden wie der Staub auf Erden, und durch
dich und deine Nachkommen soll die ganze Menschheit gesegnet werden. Ich bin
mit dir und will dich behüten und will dich nicht verlassen, bis alles
eingetroffen ist, was ich dir zugesagt habe.
Als nun Jakob von seinem Schlaf aufwachte, schauderte
ihn. In Ehrfurcht eingehüllt sprach er: Hier ist ein Ort Gottes, hier ist die
Pforte des Himmels. Und Jakob nahm den Stein, auf dem sein Haupt geruht hatte,
und richtete ihn auf und baute einen
Altar. Er nannte die Stätte Bethel -
Haus Gottes.
1. Mose 28, 10-21
Im Traum eine Leiter sehen, an der die Engel auf und
nieder steigen: Jakob sieht sich in einer
nicht enden wollenden Verbindung zu Gott. Engel bilden eine Art
Räuberleiter (Peter Handke). Ihm geschieht Verknüpfung. Er beschafft sie nicht
durch gute Taten oder Geheimwissen. Gott setzt sich mit ihm in Verbindung,
erwählt ihn, überschüttet ihn mit Glücksverheißung. Und keiner geht dabei leer
aus; alle Welt soll davon profitieren.
Auch uns kann der Weg zum Himmel offen stehen. Bedenk
deine Bilder, in denen Gott sich dir nahte. Wo du leer vor Glück warst, da
warst du gottvoll. Wir können uns einander Himmelsleiter sein, uns heil machen,
ein Stück weit.
Am Leben sein, heißt, auf dem Weg sein. Obwohl Jakob
einen Ort findet voll Heiligkeit, geht er weiter. Er baut einen Altar zum
bleibenden Gedächtnis aber geht weiter, gewiss, dass sein Gott mit ihm
unterwegs ist.
*
Jakob ging weiter nach Osten. Nach langen Tagen kam er
an einen Brunnen. Herden waren versammelt und Hirten. Jakob sprach zu ihnen:
Liebe Brüder, wo seid ihr her? Sie antworteten: Wir sind von Haran. Er sprach
zu ihnen: Kennt ihr auch Laban, den Sohn Nahors? Sie antworteten: Ja, wir
kennen ihn. Er sprach: Geht es ihm auch gut? Sie antworteten: Es geht ihm gut;
und da kommt seine Tochter Rahel mit den Schafen.
Als Jakob aber Rahel sah, die Tochter Labans, des
Bruders seiner Mutter, trat er hinzu und tränkte ihr die Schafe. Und er küsste
Rahel und weinte laut.
Dann sagte er, dass er ihres Vaters Verwandter wäre
und Rebekkas Sohn. Da lief sie und sagte es ihrem Vater. Als aber Laban hörte
von Jakob, seiner Schwester Sohn, lief er ihm entgegen und herzte und küsste
ihn und führte ihn in sein Haus. Da erzählte er Laban alles, was sich begeben
hatte.
1. Mose 29,1-12
Der Kranz der Jakobserzählungen ist hinreißend schön.
Sie sind wahr. Sie sind Menschheitswissen. Beglückend- wie aus der Flucht eine
Brautschau wird. Der Gottesliebling findet die richtige Frau, aber es sind
zwei.
Erst mal tut Jakob instinktiv das für den guten Weg
Nötige- an der Meute der staunenden Hirten vorbei verschafft er der Richtigen
Vortritt zum Wasser, dann tränkt er das Vieh, was gemeinhin als Frauenarbeit
galt. Dann küsst er sie und jetzt erst stellt er sich als Verwandten vor. Er
geht mit großem Selbstbewusstsein zu Werke, er weiß sich mit Gott im Bunde und
nutzt diese Beziehung zielstrebig.
*
Jakob war schon einen Monat im Haus und hatte sich
nützlich gemacht. Dann sprach Laban zu
Jakob: Bleib hier, du machst gute Arbeit. Sage, was willst du an Lohn haben?
Laban hatte zwei Töchter; die ältere hieß Lea, die jüngere Rahel. Aber
Leas Augen waren ohne Glanz, Rahel dagegen war schön von Gestalt und von
Angesicht. –
Jakob hatte Rahel schon liebgewonnen und sagte zu
Laban: Ich will dir sieben Jahre um
Rahel dienen. Laban antwortete: Abgemacht. So diente Jakob um Rahel sieben
Jahre, und es kam ihm vor, als wären’s einzelne Tage, so lieb hatte er sie.
Und nach sieben Jahren sprach er zu Laban: Gib mir nun
meine Braut; denn die Zeit ist da. Da lud Laban alle Leute des Ortes ein und
machte ein Hochzeitsmahl. Am Abend aber nahm er seine Tochter Lea und brachte
sie zu Jakob; und sie feierten eine
herrliche Hochzeitsnacht. Am Morgen aber, siehe, da wars Lea.
Da sprach Jakob zu Laban: Warum hast du mir das
angetan? Habe ich dir nicht um Rahel gedient? Laban antwortete: Es ist nicht
Sitte in unserm Lande, dass man die Jüngere weggebe vor der Älteren. Halte mit
dieser die Hochzeitswoche, so will ich dir die andere auch geben für den
Dienst, den du bei mir noch weitere sieben Jahre leisten sollst. Und so geschah
es. Und er hatte Rahel lieber als Lea.
Unvorstellbar für uns Heutige, wie Vater Laban beide Töchtern an den Mann
brachte. Aber die Mehrehe war (und ist) auch eine soziale Institution, sie
geschah sicher im Einverständnis der Frauen. Und Jakob musste wohl zwei Frauen
lieben, um eben diese Kinder zu erden, die Gott genau durch Jakob und seine
Frauen zur Welt gebracht haben wollte.
Verzaubernd die orientalischen Hochzeitsbräuche, welche
die Braut verhüllt sein lassen, bis es zu spät ist für Rücktritt und Rückgabe.
Hier steht auch eine der wohl schönsten
Liebeserklärungen überhaupt: Die sieben Jahre Warten auf Rahel kamen ihm vor
wie nur sieben einzelne Tage, so lieb hatte er sie.
*
Und Lea wurde schwanger und schwanger. Sie gebar Ruben
und Simeon, Levi und Juda, Issachar und Sebulon; und Töchter, darunter die
Tochter Dina. Die von ihrer Magd Silpa geborenen Gad und Asser zählten auch als
Leas Eigene.
Rahel war lange kinderlos. Die von ihrer Magd Bilha geborenen
Dan und Naftali zählten als Rahels Eigene, waren ihr aber nur ein schwacher
Trost.
Dann erhörte Gott die Rahel und sie wurde schwanger
und gebar einen Sohn und sprach: Gott hat meine Schmach von mir genommen; sie
nannte ihn Josef. Und sprach: Gott, gib
mir noch einen Sohn dazu! Und sie gebar noch Benjamin.
Dramatisch hing früher Wohl und Wehe der Frauenwürde
von der Mutterschaft ab. Kinder galten als höchstes Gut des Mannes. Darum wurde
auch Jakobs Liebe zu Rahel auf eine harte Probe gestellt. Er musste auch Lea
lieben lernen, denn „Kinder sind eine Gabe Gottes“ (Psalm 127,3) - die Mutter
vieler Kinder galt als vom Herrn gesegnet. Später gebar auch Rahel noch; Jakob
und Benjamin wurden die Lieblingssöhne
auch des Jakob- und damit nimmt der Streit zwischen den Brüdern der einen und
der anderen seinen Lauf.
Uns will nicht in den Kopf, und braucht es auch nicht,
daß Gott so willkürlich mit der Zeugungs- und Gebärfähigkeit hantieren sollte.
Unsere Vorfahren im Glauben hatten eine andere Tendenz: Nicht sind wir
Spielball göttlicher Neigungen, sondern: Gottes Wege sind wunderbar: Die
Geliebte, die Schöne hat keinen Nachwuchs, die weniger Schöne strahlt durch
Kinder. So sind die Gaben verschieden, aber es ist ein Geber. Und der hat in
allem die Hand im Spiel.
*
Als Rahel den Josef geboren hatte, sprach Jakob zu
Laban: Lass mich zurück in mein Land
gehen. Laban aber sprach zu ihm: Bitte, bleib. Ich spüre, dass mich Gott segnet
um deinetwillen. Bestimme den Lohn, den ich dir geben soll.
Jakob sagte: Du weißt, wie ich dir gedient habe und
was aus deinem Vieh geworden ist unter mir. Nun wird es Zeit, daß ich für mein
Eigenes sorge.
Laban sagte: Ich gebe dir viel. Jakob antwortete: Du
sollst mir gar nichts geben; Lass mich machen, wie ich’s meine, so will ich
deine Schafe weiter hüten. Alle Schafe und Ziegen sind Deine, nur das Gefleckte
oder Schwarze soll mein sein. Und Laban: Es sei, wie du gesagt hast.
Und Jakob nahm frische Stäbe von Pappeln, Mandelbäumen
und Platanen und schälte weiße Streifen daran aus, sodass an den Stäben das
Weiße bloß wurde, und legte die Stäbe, die er geschält hatte, in die
Tränkrinnen, wo die Herden hinkommen mussten zu trinken, dass sie da empfangen
sollten, wenn sie zu trinken kämen. So wurden die Herden über den Stäben
trächtig und brachten viel mehr Gesprenkelte, Gefleckte und Bunte zur Welt.
Daher wurde Jakob über die Maßen reich,
sodass er viele Schafe und auch Mägde und Knechte, Kamele und Esel hatte.
Jakob aber täuschte Laban damit, dass er ihm nicht
ansagte, dass er ziehen wollte. So glich
sein Weggang eher einer Flucht. Auch hatte Rahel den Hausgott ihres
Elternhauses- eine kleine Statue- heimlich mitgehen lassen.
Laban jagte mit einer Mannschaft Jakob nach- und stellte sie am Gebirge
Gilead.
Aber Gott war zu Laban im Traum gekommen und sprach zu
ihm: Hüte dich, mit Jakob anders zu reden als freundlich. Laban sprach zu
Jakob: Warum bist du heimlich geflohen und hast mich hintergangen und hast mirs
nicht angesagt, dass ich dich geleitet hätte mit Freuden, mit Liedern, mit
Pauken und Harfen? Und hast mich nicht einmal lassen meine Enkel und meine Töchter
küssen? Nun, du hast töricht getan. Und wenn du schon weggezogen bist und
sehnst dich so sehr nach deines Vaters Hause, warum hast du mir dann meine Gottesstatue gestohlen?
Jakob antwortete und sprach zu Laban: Ich fürchtete
mich und dachte, du würdest deine Töchter von mir reißen. Bei wem du aber deine
Gottesfigur findest, der soll sterben. Jakob wusste aber nicht, dass Rahel sie gestohlen
hatte.
Da ging Laban in die Zelte Jakobs und Leas und Rahels
und fand nichts. Rahel aber hatte den Hausgott genommen und unter den
Kamelsattel gelegt und sich darauf gesetzt. Da sprach sie zu ihrem Vater:
Ich kann nicht aufstehen vor dir, denn
es geht mir nach der Frauen Weise. Daher fand er den Hausgott nicht, wie sehr
er auch suchte.
Nach langem Hin und Her kamen sie überein, einen Bund zu schließen
mit Gott als Zeugen: Und Laban sprach: Gott wache als Späher über mir und dir, dass
wir nicht in böser Absicht uns aufsuchen. Und dass du meine Töchter nicht
bedrückst oder andere Frauen dazunimmst zu meinen Töchtern. Und sie aßen und
gingen auseinander.
Warum bedient sich
Gott eines solchen Gauners? Und schützt ihn auch noch vor dem gerechten
Zorn? Wird damit Gott nicht auch Handlanger von Hinterlist? Es ist wohl so:
Gott ist nicht nur der Gute. Er ist der Ganze. Unter dem resoluten Singular
„Gott“ bricht sich im Menschenbewußtsein Bahn die eine, umfassende Energie. Die
ist für alles zuständig, aus ihr kommt auch das Vergewaltigten und Missbrauchen.
Der durchtriebene Jakob mästet sich an fremdem Gut, damit er dann Vater vieler
werden kann und selbst viele ernährt.
Gott ist ja ins Werden der Welt eingefleischt und ins
Werden dieser Familensaga hineingebunden, er ist auch auf leidvolle Weise an
die Hybris von Menschen gefesselt, eben weil er die Menschen liebt, auch die
Gauner.
*
Wie Jakob dem Esau die Wut abkauft
Am Morgen stand Laban früh auf, küsste seine Enkel und
Töchter und segnete sie und zog hin in seine Heimat. Auch Jakob zog seinen Weg. Und es begegneten ihm
die Engel Gottes. Er betete: Gott meines
Vaters Abraham und Gott meines Vaters Isaak, Du hast gesagt: Ich will dir
wohltun und deine Nachkommen zahlreich machen wie den Sand am Meer. Nun aber
kommt mein Bruder Esau mir entgegen, mich und die meinen umzubringen; rette
mich, Herr.
Und er blieb die Nacht da und bereitete von dem, was
er erworben hatte, Geschenke vor für
seinen Bruder Esau: zweihundert Ziegen und dreißig säugende Kamele mit ihren
Füllen, vierzig Kühe und zehn junge Stiere, zwanzig Eselinnen und zehn Esel.
Und beauftragte seine Knechte:
Geht vor mir her und lasst Raum zwischen den Herden.
Und sagte dem
ersten Knecht: Wenn dir mein Bruder Esau
begegnet und dich fragt: Wessen Eigentum ist das, was du vor dir hertreibst?
sollst du sagen: Es gehört deinem Knechte Jakob, der sendet es als Geschenk
seinem Herrn Esau und zieht hinter uns her. Ebenso gebot er auch dem zweiten
und dem dritten und allen, die den Herden nachgingen, und sprach: Wie ich euch
gesagt habe, so sagt zu Esau, wenn ihr ihm begegnet, und sagt ja auch: Siehe,
dein Knecht Jakob kommt hinter uns.
Denn er dachte:
Ich will ihn gnädig stimmen mit den Geschenken, die ich vor mir herschicke.
Danach will ich ihn sehen; vielleicht wird er mich annehmen. So ging das
riesige Geschenk vor ihm her; er aber blieb diese Nacht im Lager.
Nach wohl zwanzig Jahren wagt Jakob die Rückkehr. Und
er rechnet damit, dass Esaus Wut über die Segenprellerei noch frisch ist, wie
am ersten Tag. Jakob fleht zu Gott, der möge ihm beistehen gegen seinen Bruder.
Und gleichzeitig ist er höchst geschickt, seinen Bruder gnädig zu stimmen. Er
schickt, raffiniert gestaffelt, Berge von Geschenken- in der Hoffnung, dass
Esau, erschöpft vom Staunen, für die
Rache schlicht zu müde sei. Diese doppelte Vorsorge: Gott bitten und sich
selbst mühen, schlägt sich auch in einem Bildwort aus unserer Zeit nieder: Bete
zu Gott aber fahre fort, ans andere Ufer zu rudern.
*
Gesegnete hinken
Jakob stand auf in der Nacht und nahm seine beiden
Frauen und die beiden Mägde und seine elf Söhne und die Töchter und zog an die
Furt des Jabbok und führte sie über das Wasser, sodass hinüberkam, was er hatte.
Er aber ging noch mal allein zurück.
Da rang ein männliches Wesen mit ihm, bis die
Morgenröte anbrach. Und als er sah, dass er ihn nicht niederringen konnte,
schlug er ihn auf seine Hüfte. Und er sprach noch dringlicher: Lass mich gehen,
denn die Morgenröte bricht an. Aber Jakob antwortete: Ich lasse dich nicht, du
segnest mich denn.
Er sprach: Wie heißt du? Er antwortete: Jakob. Er
sprach: Du sollst nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel; denn du hast mit
Gott und mit Menschen gekämpft und hast gesiegt. Und er segnete ihn. Und Jakob
nannte die Stätte Pniël: Der Ort, da ihm die Sonne aufging.
1.Mose 32, 23-33
Jakob brachte seine Familie und seine Habe ans andere
Ufer, ging aber noch mal zurück, wollte wohl an der Schwelle zur Zukunft noch
mal im Gebet stille sein und nächtigte allein.
Ein Flussgott soll mit ihm gerungen haben, Jakob weiß
selbst nicht, wer genau; nur spürt er, dass es Segenskräfte sind, die Hand an
ihn legen. Es ist eine heilende Energie, die er nicht fahren lassen darf- er muss
kämpfen um sein Glück. Er bekommt Schläge, aber er will von Gott nicht lassen.
Er verkrallt sich richtig in das
Gegenüber, presst ihm den Segen ab. Dann,
als ihm die Sonne aufging, ist er getauft auf seinen neuen Namen:
Gotteskämpfer.
„Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn“ -kann
auch stehen für einen lebenslangen Kampf um das Gute oder um Gewissheit oder um
Gottes- und Selbsterkenntnis. Lebenslang wird Jakob hinken- Gesegnete haben
immer einen Schaden. Und die mit Schaden
haben auch ihre Portion Segen.
*
Jakobs Versöhnung mit Esau
Dann war es soweit- Jakob sah in der Ferne seinen
Bruder Esau kommen mit vielen Männern. Da stellte er seine Frauen und Kinder
auf und sich davor und sie gingen Esau entgegen, immer wieder sich bis zur Erde
beugend. Esau aber lief ihm entgegen und herzte ihn und fiel ihm um den Hals
und küsste ihn und sie weinten.
Und Esau sprach: Du hast mir Herden entgegen
geschickt, was soll das? Er antwortete: Ich möchte so gern Gnade finden vor
meinem Herrn - ich sah dein Angesicht, als Spiegel für Gottes Angesicht-
freundlich hast du mich angesehen. So nimm doch diese Segensgabe.
Er nötigte ihn, dass er sie nahm und sie gingen versöhnt
voneinander. Esau zog an jenem Tage wiederum seines Weges nach Seïr. Jakob aber
siedelt sich bei Sichem an. Er kaufte das Land für hundert Goldstücke und
errichtete dort einen Altar und betete
an.
1. Mose 33
Hinreißend, wie Jakob seine Familie als Schlachtreihe
aufbaut. Er will dem Esau die noch vorhandene Wut abhandeln, will ihm auch sein
Gesegnetsein vorführen. Er will Esau vor Augen führen, daß dieser es mit einem
Schützling Gottes zu tun hat. Gleichzeitig hofiert er Esau ebenfalls als einen Günstling des Herrn, macht ihm geradezu
ein atemberaubendes Kompliment: Nicht nur nähert er und seine Familie sich mit
Kniefall, sondern er nimmt dessen Antlitz als Spiegel Gottes. Er nimmt Esau in
die Haftung für Gottes Freundlichkeit. So kann Esau gar nicht anders als seinem
Bruder vergeben.
Die vorauseilende Unterwürfigkeit Jakobs hat sicher dazu
beigetragen, Esau freundlich zu stimmen.
Aber Esau weiß seinen eigenen Weg. Und kann darum vergeben.
*
Jakob aber wohnte im Lande, in dem sein Vater ein
Fremdling gewesen war, im Lande Kanaan. Er wohnte dort mit seinen Söhnen und
deren Familien und sie hüteten große Herden.
Jakob hatte Josef lieber als alle seine andern Söhne, weil er der Sohn
seines Alters war. Er schenkte ihm ein edles Kleid.
Die Brüder aber hatten
kein freundliches Wort für ihn übrig. Denn er überbrachte ihrem Vater Schlechtes
von ihnen. Einmal hatte Josef einen Traum und erzählte ihn seinen Brüdern; da
wurden sie ihm noch mehr Feind.
1.Mose 37,1-5
Der große Bogen der Geschichten von Josef und seinen
Brüdern ist ein Meisterstück antiker Erzählung. Die Kapitel 37-50 des 1.Buch Mose nahm Thomas Mann zur Basis für seinen
dreibändigen grandiosen Roman „Joseph und seine Brüder“.
Josef wird der Retter des „den Gott der Väter“ verehrenden kleinen Stammes.-
Aber menschliche Schwächen gefährden und begleiten die den Weg zur Größe.
Unheilvoll bevorzugt der alte Jakob den (zunächst) einzigen Sohn seiner über
alles geliebten Rahel. Josef geht gekleidet in „einem bunten Rock“. (Vielleicht
geschneidert aus Rahels Hochzeitskleid - dies eine dichterische Phantasie des
Thomas Mann). Jedenfalls nutzt der Vater ihn als Informant über Ungehörigkeiten
der Brüder. Josef bekommt früh
beigebracht, sich für was Besseres zu halten, dem dann auch mehr Ehrerbietung
und größere Bildung zustehen.
*
Traumtänzer
Josef sprach zu seinen Brüdern: Hört doch, was mir geträumt hat.
Wir banden Korn
zu Garben auf dem Felde, und meine Garbe richtete sich auf und stand; eure
Garben aber stellten sich zum Kreis und neigten sich vor meiner Garbe. Da
sprachen seine Brüder zu ihm: Willst du unser König werden und über uns
herrschen?
Und er erzählte
ihnen noch einen zweiten Traum; Die Sonne und der Mond und elf Sterne neigten
sich vor mir.
Seine Brüder hassten ihn der
Träume wegen. Auch sein Vater nahm ihn
sich vor: Was ist das für ein Traum, den du geträumt hast? Sollen wir alle vor
dir niederfallen?
1.Mose 37,6-10
Dem Josef drängte sich in Träumen seine hervorragende
Stellung auf. Gott werde viel vorhaben mit ihm- so musste er die Träume
verstehen. Ja, Josef bekommt schon das Ergebnis der kommenden
Erkenntnisabenteuer zu Gesicht- geradezu überrealistisch sinnlich wird sein kleines
Ego aufgebaut: Einst wird man ihm zu Füßen liegen.
Der Leser bangt mit, ob Josef die Hervorhebung ohne
Hochmut bestehen wird. Aber dass er seine Träume rausposaunt, statt sie in sich
reifen zu lassen, ist bedrohlich.
*
Wieder einmal sprach Jakob zu Josef: Geh hin nach
Sichem zu deinen Brüdern und sieh, ob’s gut steht um sie und das Vieh, und sage mir dann, wie sich’s
verhält.
Als sie ihn von ferne kommen sahen, sprachen sie
untereinander: Seht, da kommt der Träumer! Wir werden ihn uns vom Halse
schaffen; wir sagen, ein böses Tier habe ihn gefressen; so wird sich zeigen,
was seine Träume wert sind.
Ruben aber sprach zu ihnen: Vergießt nicht Blut,
sondern werft ihn in die nächste Zisterne! Er wollte ihn aus ihrer Hand
erretten und ihn seinem Vater wiederbringen.
Als nun Josef zu seinen Brüdern kam, griffen sie ihn,
zogen ihm seinen Rock aus und ließen ihn
herab in einen Brunnen, der gerade kein
Wasser hatte. Und sie setzten sich nieder, um zu essen.
1.Mose 37,12-24
Josef wird von
den Brüdern zum Abstieg in den Brunnen gezwungen- und dann setzen die sich wie
nach getaner Arbeit zum Essen nieder. Ihr Grölen wird dem Josef noch lange in
den Ohren liegen; es dürstet ihn, er ist hungrig, er friert, er weint- aus den
Träumen wird nichts werden, er wird seine Träume verfluchen. Oder aber die
halten ihn aufrecht, stärken ihn wie ein Pfand. Er hatte ja schon viel von der
Verheißung gehört, die von Abraham über Isaak zu Jakob gekommen war und jetzt
doch bitte Gestalt gewinnen soll in ihm.
Josef ist gewiss, dass er in Gottes Plänen eine
wichtige Rolle zu spielen hat. Und so kann es nicht schon mit ihm aus sein,
sein Leben fängt doch gerade an zu sprießen. Vielleicht legt ihn Gott in ein
Grab, wie eine Raupe in eine Puppe, ehe sie zum Schmetterling wird. Nachts
sieht Josef den gestirnten Himmel über sich, sieht sich gekrönt und redet sich
in Gott hinein und in den Schlaf, bis er Stimmen hört.
*
Verkauf nach Ägypten
Eine Karawane von Ismaelitern war auf dem Weg mit
ihren Kamelen; die trugen kostbare Ware und zogen hinab nach Ägypten. Da sprach
Juda zu seinen Brüdern: Was hilft’s uns, dass wir unsern Bruder töten? Lasst
uns ihn den Händlern verkaufen, dann vergreifen sich unsere Hände nicht an ihm
- er ist doch unser Bruder, unser Fleisch und Blut. Und sie gehorchten ihm und
verkauften Josef für zwanzig Silberstücke nach Ägypten.
Dann nahmen sie Josefs Rock und schlachteten einen
Ziegenbock und tauchten den Rock ins Blut und ließen seine Kleider ihrem Vater bringen und sagen: Dies haben wir
gefunden; sieh, ob’s deines Sohnes Sachen
sind oder nicht. Jakob erkannte das Kleid und schrie: Es ist meines
Sohnes Rock; ein böses Tier hat ihn gefressen, ein reißendes Tier hat Josef
geschlagen! Und Jakob zerriss seine Kleider und trug Leid um seinen Sohn lange
Zeit.
Aber die Midianiter verkauften ihn in Ägypten an
Potifar, des Pharao Kämmerer und Obersten der Leibwache.
Wie sich Schicksal fügt. Aber wir sind Ruderer, wir
fahren mit dem Rücken zur Zukunft (Sören Kierkegaard). Erst im Nachhinein weist
sich, wie notwendig genau diese Wege waren. Josef wusste in der Brunnentiefe
nicht, was wird. Er konnte sich nur nicht denken, daß das alles gewesen sein
soll. Auch Vater Jakob konnte es nicht glauben, daß Josef tot, aus und vorbei
sei. Im tiefsten Winkel seines Herzens gab es eine Ahnung. Aber unter tiefer
Trauer über Jahre war diese Hoffnung nur ein Flämmchen und keine Aussicht.
Die Brüder handeln verbrecherisch an ihrem Bruder.
Wer, wenn nicht Geschwister, sind einander zur Hilfe gedacht? Doch „Scham macht
Männer zu Gaunern“ (Robert Musil). Die Brüder sehen sich gedemütigt durch den
Hochmut des Einen. Das erklärt nichts, aber macht es verstehbar.
*
Und Juda gab seinem ersten Sohn eine Frau, die hieß
Tamar. Der Mann starb, ohne Kinder zu hinterlassen. Tamar tat, was damals
üblich war: Sie bat ihren Schwager Onan, seinem toten Bruder Nachkommen zu
zeugen. Er schlief auch mit ihr, zog sich aber zurück, sodaß sie nicht
schwanger werden konnte. Das missfiel Gott und er ließ ihn auch sterben.
In jener alten Zeit war Kinderzeugen ein Dienst an der
Großfamilie. Darum gehörte es sich nicht, daß die Witwe kinderlos blieb. Sie
hatte geradezu ein Recht auf Nachwuchs aus der Sippe des verstorbenen Mannes.
Diese und andere Sitten und Ordnungen galten als gottgegeben. Damit ist nicht
gesagt, daß Gott diese Anordnug getroffen und den Vollzug verlangt hätte. Damit ist nur gesagt, daß die
Menschen damals ihre Gesetze als vom Himmel diktiert hielten. In unserer Zeit die Selbstbefriedigung als
von Gott verboten zu erachten, ist absurd.
*
Viele Tage waren vergangen im Leben der Witwe Tamar.
Da starb Judas Frau. Und nachdem Juda ausgetrauert hatte, ging er hinauf, seine
Schafe zu scheren nach Timna. Da wurde der Tamar gesagt: Siehe, dein
Schwiegervater geht hinauf nach Timna.
Da legte sie die Witwenkleider ab, verhüllte sich mit
einem Schleier und setzte sich vor das Tor an dem Wege nach Timna. Als Juda sie
nun sah, meinte er, es sei eine Hure- sie hatte auch ihr Angesicht verdeckt.
Und er ließ sich mit ihr ein, nicht wissend, dass es
seine Schwiegertochter war. Sie antwortete: Was willst du mir geben, dafür, daß
du mit mir schlafen darfst?
Er sprach: Ich werde dir einen Ziegenbock senden. Sie
antwortete: So gib mir dein Siegel zum
Pfand, bis ich ihn habe. Da gab er’s ihr und kam zu ihr; und sie ward
von ihm schwanger.
Später sandte Juda den Ziegenbock durch seinen Freund,
damit er das Pfand zurückhole von der Frau. Doch der Freund kam zurück zu Juda
und sprach: Ich habe sie nicht gefunden; dazu sagen die Leute des Ortes, es sei
keine Hure da gewesen. Juda sprach: Sie mag’s behalten, damit wir nur nicht in
Verruf geraten! Siehe, ich habe den Bock gesandt, und du hast sie nicht
gefunden.
Nach drei Monaten wurde Juda angesagt: Deine
Schwiegertochter Tamar hat Hurerei getrieben; und siehe, sie ist davon
schwanger geworden. Juda sprach: Führt sie heraus, dass sie verbrannt werde.
Und als man sie hinausführte, schickte sie zu ihrem Schwiegervater und sprach:
Von dem Mann bin ich schwanger, dem dies gehört. Juda erkannte sein Siegel und
sprach: Sie ist gerechter als ich. Und bekannte sich zu seiner Vaterschaft.
1. Mose 38, 11-26
Eine der Geschichten, um deretwillen das Alte
Testament im üblen Ruf steht- völlig zu Unrecht. Das Alte Testament ist grandios ehrlich- ist also auch ein
Abbild unserer menschlichen Schwächen.
Und betont, daß Gott sich einlässt auf genau diese verruchten und
geschickten Menschen.
Die Witwe weiß sich ihrem verstorbenen Gatten zum
Erhalt der Familienehre durch Nachwuchs verpflichtet. Und erwirkt sich die
Schwangerschaft durch List. Der Mann, der die Hure besuchte, spricht sie des
Todes schuldig. Dann weist sie aber das Siegel vor, das der Freier als Pfand
zurückließ. Beschämt bekennt Juda seine Verfehlung. Und setzt Tamar in ihre
Rechte ein.
Es ist eine der Geschichten, die den Männern
beibringen, daß sie die Frau zur Hure machen. Die Frau zu bestrafen, als wäre
der Mann das Opfer ist mit dieser
Geschichte als sündhaft gebrandmarkt. Es ist ein hohes Gut des Gottesglaubens,
dass diese Ehrung der Tamar aufgeschrieben blieb, obwohl es den Stammvater des
großen jüdischen (Nord) Reiches in schlechtem Licht zeigt. Und Tamars Sohn
Perez gehört in den Stammbaum Jesse, der dann auf Jesus zuführt (Lukas 3,33).
*
Mit den Kaufleuten
kam Josef nach Ägypten. Dort verkauften sie ihn an den Haushalter des
Pharao mit Namen Potifar. Und Gott war mit Josef, sodass er ein Mensch wurde, dem
alles glückte.
Sein Herr sah, dass Gott mit ihm war; da gab er ihm
Vollmacht über sein Haus; und alles, was er hatte, vertraute er ihm an. Aber
Josef war schön an Gestalt und hübsch von Angesicht.
So fügte es sich, daß, dass die Gemahlin des Potifar
ihr Auge auf Josef warf und sprach: Lieb mich!
Er weigerte sich aber und sprach zu ihr: Wie könnte
ich das Vertrauen meines Herrn so missbrauchen und gegen ihn und Gott sündigen?
Sie aber bedrängte Josef tagtäglich mit heißen Worten. Aber er blieb stark und war
ihr nicht zu Willen.
Eines Tages war kein Mensch sonst im Haus. Und sie
verstellte ihm den Weg und sagte: Komm jetzt! Aber er riss sich los, und ließ
sein Obergewand in ihrer Hand und floh zum Hause hinaus. Da war sie so sehr
gekränkt, daß sie auf Rache sann.
Sie rief die Leute zusammen und sprach zu ihnen: Der
hebräische Kerl wollte mich vergewaltigen. Als ich schrie, da floh er – sein
Gewand hielt ich fest. Da ist es. Und sie legte sein Kleid neben sich, bis ihr
Gemahl heimkam.
Als sein Herr nach Hause kam und die Anklage seiner Frau hörte, wurde er sehr zornig. Er
ließ ihn ins Gefängnis werfen.
1. Mose 39,1-20
Daher also das Wort vom „keuschen Josef“. Er wollte
einfach das Vertrauen seines Herrn nicht mißbrauchen. Eigentlich reicht in
heiklen Situationen das einfache Wort „nein“ und jeder vernünftige Mensch
stellt bei handfester Klarheit das Werben ein. Allerdings ist Faszination ein
explosiver Stoff. Sieht sich ein Mensch zurückgestoßen, so kann er rasend
werden.
Josef als Glückskind wird sich noch oft bewähren
müssen. Und „wem viel anvertraut ist, dem wird viel abverlangt“ (Lukas 12,48).
Auch die Gnade ist zwar umsonst aber ist nicht billig.
*
Gott neigte die Herzen der Menschen dem Josef zu. Auch
das Vertrauen des Gefängnis-Vorstehers
gewann er schnell, bald waren ihm alle Gefangenen unterstellt und ohne sein
Wort passierte nichts. Es geschah aber, dass sich der Mundschenk des Königs von
Ägypten und der Oberste Bäcker versündigt hatten an ihrem Herrn. Und der Pharao
ließ sie ins Gefängnis werfen, wo Josef auch war. Und es träumte ihnen beiden
Träume voller Bedeutung. Und sie erzählten Josef ihre Träume. Bald darauf kamen
sie frei- was Josef ihnen in Aussicht gestellt hatte.
Die Verfasser dieses wunderbaren Erzählreigens sehen
den Verlauf der Geschichte normal laufen. Keine Gottheit greift mit Blitz und
Donner von außen ein, wie man sich in grauer Vorzeit etwa des Geschickes Mächte
so gewalttätig vorstellte. Hier in der vergleichsweise modernen Novelle ist
Josef von guten Mächten wunderbar geborgen. Hinter den Kulissen ahnt man einen
„guten Vater“, der langfristig die guten Energien stärkt und die bösen Kräfte
schwächt.
Gott neigte dem Josef die Herzen zu. Das ist doch das
Geheimnis aller Sympathie und allen
Charmes- das sie nicht erklärlich sind, sondern Zuneigung wird von höheren
Ortes verfügt, sie zählen zu den Rohstoffen des Herzens und sind eigentlich
Gemeineigentum. Warum auch niemand sich etwas einbilden sollte auf die
Zuneigung, die er findet.
Josef deutet den Mitmenschen ihre Träume. Wir sollten damit sehr behutsam sein.
Am besten kann man ja seine Träume selber deuten, wenn man nur hinfühlt und
achtet auf die im Traum vorweggenommene Entschlossenheit.
*
Nach zwei Jahren hatte der Pharao einen Traum, der ihn
furchtbar berührte. Er ließ alle Wahrsager in Ägypten rufen und alle Weisen.
Aber da war keiner, der dem Pharao seine Träume verstehbar machen konnte.
Da redete der oberste Mundschenk zum Pharao und
sprach: Ich muss heute an meine Sünden denken: Als der Pharao mich mit dem
obersten Bäcker ins Gefängnis brachte, da träumte uns beiden in einer Nacht
einem jeden sein Traum. Es war bei uns damals ein hebräischer Jüngling, des
Amtmanns Knecht, dem erzählten wir’s. Und er deutete uns unsere Träume. Und wie
er uns deutete, so ist’s gekommen.
Da sandte der Pharao hin und ließ Josef rufen, und sie
holten ihn eilends aus dem Gefängnis. Er ließ sich frisieren und zog andere
Kleider an und kam hinein zum Pharao.
Da sprach der Pharao zu ihm: Ich habe einen Traum
gehabt und es ist niemand, der ihn deuten kann. Ich habe aber von dir sagen
hören, wenn du einen Traum hörst, so kannst du ihn deuten.
Josef antwortete dem Pharao und sprach: Das steht
nicht bei mir; doch lege sie dar.
Die Erzählung von Josef, der die Träume des Pharao deutet, nimmt einen
langen Anlauf. Weit ist der Umweg übers Gefängnis, doch „es gibt keine
Zufälle“. Josef musste dorthin, weil Jahre vorher dort ein Probelauf in
Traumdeutung ihm abverlangt wurde. Daraufhin konnte später der Mundschenk sich
an den Kundigen erinnern.
Gott gestaltet Geschichte mit großer Übersicht und
meist inkognito. Von langer Hand wird Rettung in die Wege geleitet. Dabei muss
nicht jeder Schritt einzeln von Gott konstruiert sein, die Allmacht ist auch
wirksam, indem sich die Dinge selber machen. Einer hat seinen Traum gut
gedeutet bekommen, vergisst dieses Wunder, aber zur rechten Zeit erinnert er
sich und kann die Fügung weiter anschieben.
*
Der Pharao sprach zu Josef: Mir träumte, ich stand am
Ufer des Nils und sah aus dem Wasser steigen sieben schöne, fette Kühe; die
gingen auf der Weide im Grase. Nach ihnen stiegen sieben dürre, sehr hässliche
und magere Kühe heraus und fraßen die sieben fetten Kühe.
Und ich sah noch einen andern Traum: Ich sah sieben
Ähren auf einem Halm wachsen, voll und dick. Danach gingen sieben dürre Ähren
auf, dünn und versengt. Und die sieben dünnen Ähren verschlangen die sieben
dicken Ähren. Und die Wahrsager können es mir nicht deuten.
Josef antwortete dem Pharao: Die sieben schönen Kühe
und die sieben guten Ähren sind sieben gute Jahre fetter Ernten. Die sieben
mageren Kühe und die sieben versengten Ähren stehen für sieben Jahre des
Hungers. In beiden Träumen verkündet Gott dem Pharao, was bevorsteht: Nach
sieben Jahre Fülle werden sieben Jahre
Hunger über Ägypten kommen.
Nun suchte der
Pharao einen verständigen und weisen Menschen, den er über Ägyptenland setze.
Der sollte die richtigen Beamten einsetzen. Die sollen den fünften Teil in
Ägyptenland in den sieben reichen Jahren von allem einsammeln. Sie sollen vom
Ertrag der guten Jahre, die kommen werden, Getreide aufschütten in des Pharao
Kornhäusern zum Vorrat in den Städten und es verwahren. Damit für Nahrung
gesorgt sei für das Land für die schlechten Zeiten.
Und der Pharao sprach zu Josef: Weil dir Gott dies
alles kundgetan hat, ist keiner so verständig und weise wie du, in keinem wohnt
der Geist Gottes wie in dir. Dich setze ich
über mein Haus. Und er tat seinen Ring ab von seiner Hand und gab ihn
Josef an seine Hand und kleidete ihn mit kostbarer Leinwand und legte ihm eine
goldene Kette um seinen Hals und ließ ihn auf seinem zweiten Wagen fahren und
ließ vor ihm her ausrufen: Der ist des Landes Vater! Und setzte ihn über ganz
Ägyptenland. Und Josef war dreißig Jahre alt.
Prophezeiende Wahrträume geschehen. Verstehende
Menschen nehmen sie als Wink des Schicksals, Vorkehrungen zu treffen. Träumend
schärft sich in uns auch der Sinn für Nötiges. Zu Gesicht gebracht wird mir
möglicherweise Kommendes, und Zurückliegendes klärt sich, entwirrt sich.
Wir sind zuständig im Rahmen unserer Kräfte. In des
Regierenden Pflicht steht es, vorausschauend vorzusorgen. Klar umrissene,
hellsichtige Prognosen sind Gnade; auch Wissende zu finden für
verantwortliches Handeln ist Gnade. Die richtigen Dinge zu tun, lehrt Josef.
Die Dinge richtig zu tun, wurde Josef aufgegeben.
Alles zieht unablässig und miteinander verkettet
weiter, die einen Dinge reißen die anderen mit, und alle wissen sie nichts
voneinander. Doch letztlich geschieht es, damit Sein Wille geschehe.
*
Und das Land trug in sieben reichen Jahren die Fülle,
brachte Getreide wie Sand am Meer. Und Josef ließ sammeln die ganzen Ernten der
sieben Jahre des Überflusses und verwahrte sie in neu errichteten Kornhäusern.
Und Josef und seiner Frau Asenat wurden zwei Söhne
geboren: Manasse- das heißt: Gott hat mich vergessen lassen all mein Unglück,
und Ephraim- das heißt: Gott hat mich wachsen lassen in dem Lande meines
Elends.
Als nun die sieben reichen Jahre um waren im Lande
Ägypten, da fingen die Hungerjahre an, auch in den Ländern ringsum. Als nun ganz Ägyptenland Hunger litt, schrie
das Volk zum Pharao um Brot. Da tat Josef die Kornhäuser auf und verkaufte den
Ägyptern; und der Hunger wurde je länger je größer im Lande. Und alle Welt litt
Hunger und sie kamen nach Ägypten, um bei Josef zu kaufen.
1.Mose 41, 47-57
Josefs Blick in die Geschichte beschaffte dem Pharao
unermessliche Macht, die Bevölkerung aber überlebte und- verarmte. Ganz Ägypten
geriet in die Leibeigenschaft. Dank Josefs Strategie des Hortens in den Zeiten
des Überschusses, konnte er bei Anziehen der Nachfrage nach Belieben den Preis
anheben, auch die Ware verknappen. Und immer mehr mussten die Menschen geben,
um immer weniger, aber doch wenigstens das Nötigste bekommen zu können.
Hier wird zum ersten mal Kapitalismus im großen Stil betrieben. Einer
hat die bessere Information und das Startkapital und den festeren Willen, die
Zukunft mit zu gestalten. Einer häuft Reichtum –also Gestaltungsmöglichkeit-
an, andere verarmen. Sicher eine fragwürdige Art des Umgangs mit Menschen, den
Gott da fördert. Immerhin entstehen so Völkerzusammenschlüsse, Austausch,
Handel, Wandel. In Ägypten geschah eine Blüte der Menschheit an Geist, Religion
und Kunst. Und das Volk und vor allem
auch Israels Ursprungsfamilie
überlebte.
*
Auch in Kanaan und in Sichem bei Jakobs Familie wurde Essbares knapp. Es hatte sich aber
rumgesprochen, daß in Ägypten Getreide noch zu haben sei. Da sprach Jakob zu
seinen Söhnen: Kauft uns Getreide, dass wir leben und nicht sterben. Was sitzt
ihr hier und macht lange Gesichter; zieht hinab und kauft das zum Überleben Notwendige.
Da zogen die Brüder Josefs los, um in Ägypten Getreide
zu kaufen. Aber den Benjamin, Josefs kleinen Bruder, ließ Jakob nicht mit
seinen Brüdern ziehen.
So kamen die zehn Söhne Jakobs aus ihrer Heimat nach Ägypten.
Josef gewahrte seine Brüder schon von ferne. Sie fielen vor ihm nieder zur
Erde.- Er erkannte sie, aber sie erkannten ihn nicht.
Er stellte sich fremd gegen sie und redete hart mit
ihnen: Woher kommt ihr? Sie sprachen: Aus dem Lande Kanaan um Getreide zu
kaufen. Er verdächtigte sie: Spione seid ihr und wollt das Land ausforschen.
Sie antworteten ihm: Nein, Herr! Deine Knechte sind
gekommen, Getreide zu kaufen. Wir sind alle eines Mannes Söhne; redlich und
keine Spione. Wir, deine Knechte, sind zwölf Brüder, und der jüngste ist noch
bei unserm Vater, und einer ist nicht mehr vorhanden.
Josef sprach zu ihnen: Und doch seid ihr Spione.
Ich will euch prüfen: Ihr sollt nicht
von hier wegkommen, es komme denn her euer jüngster Bruder! Sendet einen von
euch hin, der euren Bruder hole, ihr aber sollt gefangen sein. Und sie mussten
sich damit abfinden.
Sie sprachen aber untereinander: Das ist die Strafe
für unser Unrecht! Wir sahen die Angst der
Seele unseres Bruders, als er uns anflehte, und wir wollten ihn nicht
erhören; darum kommt nun diese Trübsal über uns. Nun wird sein Blut von uns
gefordert.
Sie wussten aber nicht, dass es Josef verstand; denn
er redete mit ihnen durch einen Dolmetscher. Und er wandte sich von ihnen und
weinte.
Als er sich dann wieder zu ihnen wandte und mit ihnen
redete, nahm er aus ihrer Mitte Simeon und ließ ihn binden vor ihren Augen. Und
gab Befehl, ihre Säcke mit Getreide zu füllen und ihnen ihr Geld wiederzugeben,
einem jeden in seinen Sack, dazu auch Zehrung auf den Weg; und so tat man
ihnen.
Sie aber erschraken, als sie unterwegs das Geld
fanden. Und sprachen: Warum hat Gott uns das angetan?
Dies Kapitel will sagen, dass Böses seine Strafe
findet. Man sieht sich immer zweimal. Und dann sind die Verhältnisse umgekehrt,
dann hat das Leben, hat Gott die herrischen Brüder zu demütig Bittenden
umgekehrt. Und der einst flehte, wird Herr über Leben und Tod. Gespannt soll
der Leser auch sein, ob der Freund Gottes mit seiner Machtfülle großmütig
umgehen wird. Josef wird hoffentlich Gott am Werk sehen, auch im unrechten Tun
der Brüder- und darum nicht anders können, als vergeben. Und ja- Schritt für
Schritt wird die Versöhnung vorbereitet, die Brüder werden geängstigt wie sie
ängsteten und hoffentlich werden sie sich geläutert zeigen.
*
Als sie nun heimkamen zu ihrem Vater Jakob ins Land
Kanaan, sagten sie ihm alles, was ihnen begegnet war, und sprachen: Der Mann,
der im Lande Herr ist, ist hart. Er will Benjamin auch sehen- und behielt
Simeon als Pfand.
Da sprach Jakob: Ihr beraubt mich meiner Kinder! Josef
ist nicht mehr da, Simeon ist nicht mehr da, Benjamin wollt ihr auch wegnehmen-
das geht alles über meine Kräfte.
Irgendwann aber drückte die Hungersnot zu sehr und der
Vater schickte sie los: Kauft ein wenig Getreide. Nur mit Benamin, sprach da
Juda; Zu sehr hat uns der fremde Herr eingeschärft: Ihr sollt mein Angesicht nicht sehen, es sei
denn, ihr bringt den Bruder mit.
Da fing Jakob noch einmal an zu jammern: Warum habt
ihr überhaupt gesagt, dass ihr noch einen Bruder habt? Sie antworteten: Der
Mann forschte so genau nach uns und unserer Verwandtschaft und sprach: Lebt
euer Vater noch? Habt ihr auch noch einen Bruder? Da antworteten wir ihm. Wie
konnten wir wissen, dass er sagen würde: Bringt euren Bruder mit herab?
Da sprach Juda zu Vater Jakob: Lass den Knaben mit mir
ziehen, dass wir nicht sterben, wir und du und unsere Kinder. Ich will Bürge
für ihn sein; von meinen Händen sollst du ihn fordern. Aber jetzt lass uns
endlich gehen. Hätten wir nicht gezögert, wären wir wohl schon zweimal
wiedergekommen.
Da sprach Jakob: Wenn es denn so ist, so tut’s und
nehmt von des Landes besten Früchten in eure Säcke und bringt dem Manne
Geschenke hinab, Balsam und Honig, Harz und Myrrhe, Nüsse und Mandeln. Dazu
nehmt euren Bruder. Der allmächtige Gott gebe euch Barmherzigkeit vor dem
Manne, dass er mit euch ziehen lasse Simeon und Benjamin. Ich aber muss sein
wie einer, der seiner Kinder völlig beraubt ist. Da nahmen sie die Geschenke
und doppeltes Geld mit sich, dazu Benjamin, machten sich auf, zogen nach
Ägypten und traten vor Josef.
Ein Kampf tobt zwischen Vater und den Söhnen. Nur der
schiere Hunger ließ Jakobs Hartnäckigkeit erlahmen. Irgendwann blieb ihm nichts
übrig, als sie ziehen zu lassen und sie Gott und der Barmherzigkeit des Herrn
der Brote anzubefehlen. Der Vater weiß noch nicht, daß seine Söhne ihn des
Josefs beraubt haben. Aber er setzt sich und die Brüder und ihre Familien lange dem Hunger aus und lässt lieber den Simeon
im Gefängnis in der Fremde schmoren- nur, um
den geliebten Benjamin bei sich halten zu können, der ja von der selben Mutter ist wie Josef,
von der geliebten, früh gestorbenen Rebekka. Jakobs blinde Leidenschaft zu
seiner ersten Liebe und den zwei Kindern aus dieser Ehe verursachen zunächst
den Neid der älteren Ehefrau Lea, dann den ihrer Söhne. Jetzt wird viel gebüßt.
Auch Jakob versteht sein Loslassenmüssen als Strafe: „Ich muss sein, wie einer,
der seiner Kinder ganz und gar beraubt ist.“ Strafe annehmen ist wohl eine
heilige Arbeit.
*
Als Josef sie kommen sah mit Benjamin, sprach er zu
seinem Haushalter: Führe die Männer ins Haus und schlachte und richte zu, denn
sie sollen mit mir essen.
Sie fürchteten sich aber um des Geldes willen, das in
den Säcken das vorige Mal obenauf lag.
Der Hauhalter aber sprach: Seid guten Mutes, fürchtet euch nicht! Euer Gott und
eures Vaters Gott hat euch einen Schatz gegeben in eure Säcke. Und er führte
Simeon zu ihnen heraus.
Dann gab er ihnen Wasser, dass sie ihre Füße wuschen,
und gab ihren Eseln Futter. Sie aber richteten die Geschenke zu- sie hatten gehört, dass sie mit ihm essen
sollten.
Als nun Josef ins Haus trat, fielen sie vor ihm nieder
zur Erde. Er aber grüßte sie freundlich und sprach: Geht es eurem alten Vater
gut, lebt er noch? Sie antworteten: Es geht deinem Knechte, unserm Vater, gut
und er lebt noch.
Und er hob seine Augen auf und sah seinen Bruder
Benjamin. Da stürzte Josef hinaus; denn sein Herz entbrannte ihm gegen seinen
Bruder, und er suchte zu verbergen, daß er weinte. Als er dann sein Angesicht
gewaschen hatte, ging er wieder zu ihnen und ließ auftischen.
Und man setzte sie ihm gegenüber der Reihe nach, vom
Erstgeborenen bis zum Jüngsten. Sie aber
wunderten sich, wie genau er die Altersfolge kannte. Und man trug das
Essen auf und sie tranken und wurden fröhlich mit ihm.
Der Haushalter Josefs verkündet ihnen ein Zeichen
dafür, daß letztlich die Geschichte gut ausgehen wird: Gott selbst habe ihnen
den Kaufpreis erstattet. Dann kann ja keine Strafe warten: die Scheu weicht.
Josef ist so gerührt vom Wiederfinden seines jüngsten Bruders- er muß sich erst
mal zurückziehen. Und dann werden die Brüder genau nach Alter an der Tafel
platziert, das legt doch das Mitwissen des Josef und Göttliche Fügung nahe.
Sie werden fröhlich miteinander, Josef gibt ein Stück
seiner Unnahbarkeit auf. das Drama strebt noch erst seinem Höhepunkt zu. Das
Wechselbad aus Fremdheit und neuer Vertrautheit hält an.
*
Und Josef befahl seinem Haushalter und sprach: Fülle
den Männern ihre Säcke mit Getreide, soviel sie fortbringen, und lege jedem
sein Geld wieder oben in seinen Sack.
Und meinen silbernen Becher legt oben in des Jüngsten
Sack mit dem Gelde für das Getreide. Der tat, wie ihm Josef gesagt hatte.
Am Morgen ließen sie die Männer ziehen mit ihren
Eseln. Als sie aber zur Stadt hinaus waren und noch nicht weit gekommen, sprach
Josef zu seinem Haushalter: Auf, jage den Männern nach und wenn du sie
erreichst, so sprich zu ihnen: Warum habt ihr Gutes mit Bösem vergolten? Warum
habt ihr den silbernen Becher gestohlen, den,
aus dem mein Herr trinkt und aus dem er wahrsagt? Ihr habt übel getan.
Sie fanden den Becher in Benjamins Sack und führten
die Brüder zurück in die Stadt. Und sie fielen vor Josef nieder auf die Erde.
Josef aber sprach zu ihnen: Wie habt ihr das tun können? Juda sprach: Gott hat
die Missetat deiner Knechte gefunden. Siehe, wir und der, bei dem der Becher
gefunden ist, sind von nun an deine Sklaven .
Er aber sprach: Der, bei dem der Becher gefunden ist,
soll mein Sklave sein; ihr aber zieht hinauf mit Frieden zu eurem Vater.
Da trat Juda zu ihm und sprach: Mein Herr, lass deinen
Knecht ein Wort reden vor den Ohren meines Herrn, und dein Zorn entbrenne nicht
über deinen Knecht, denn du bist groß wie der Pharao. Lass mich hier bleiben an
des Knaben statt als Sklave meines Herrn und den Knaben lasst gehen mit seinen
Brüdern. Ich könnte den Jammer nicht sehen, der über meinen Vater kommen würde,
käme ich ohne Benjamin heim.
1. Mose 44, 1-33
Josef lässt die Brüder nachleben, was
sie ihm einst angetan haben. Doch sie haben gelernt. Einst opferten sie den
Einen zur Genugtuung für ihr Zurückgestelltsein beim Vater. Nun stehen sie
gemeinsam für den Jüngsten, den Schwächsten ein. Noch einmal werden sie in
Versuchung geführt, fein davon zu kommen. Doch sie schlagen das Angebot, den
(vermeintlich) schuldigen Benjamin seiner gerechten Strafe zu überlassen, aus.
Juda bietet sich als Opfer an. Damals hatte es ihnen nichts ausgemacht, dem
Vater die furchtbare Nachricht vom zerrissenen Sohn Josef zu überbringen. Jetzt
will Juda lieber lebenslänglich Sklave sein, als das Leid des zu Tode
erschrockenen Vaters über den Verbleib des Jüngsten in Ägyptens Gewahrsam
mitzuerleben.
*
Da konnte Josef nicht länger an sich halten und rief:
Lasst mich mit den Männern allein. Und kein Fremder war Zeuge, als sich Josef
seinen Brüdern zu erkennen gab. Laut weinte er, sodass es die Ägypter und das
Haus des Pharao hörten, und sprach zu seinen Brüdern: Ich bin Josef, euer
Bruder, den ihr nach Ägypten verkauft habt. Lebt mein Vater noch? Und seine
Brüder konnten ihm nicht antworten, so erschraken sie vor seinem Angesicht.
Er aber sprach zu seinen Brüdern: Nun bekümmert euch
nicht mehr und denkt nicht, dass ich darum zürne, dass ihr mich hierher
verkauft habt; denn um eures Lebens willen hat mich Gott vor euch hergesandt.
Es sind noch viele Hungerjahre vor uns. Gott hat mich durch euch hierher
geschickt, dass er euch übrig lasse auf Erden und euer Leben erhalte zu einer
großen Errettung.
Nun eilt und zieht hinauf zu meinem Vater und sagt
ihm: Das lässt dir Josef, dein Sohn, sagen: Gott hat mich zum Herrn über ganz
Ägypten gesetzt; komm herab zu mir, säume nicht!
Du sollst im Lande Gosen wohnen und nahe bei mir sein,
du und deine Kinder und deine Kindeskinder; komm mit allem, was du hast. Ich
will dich dort versorgen. Und er fiel seinem Bruder Benjamin um den Hals und
küsste alle seine Brüder und weinte an ihrer Brust. Danach redeten seine Brüder
mit ihm.
Und als das Gerücht kam in des Pharao Haus, dass
Josefs Brüder gekommen wären, gefiel es dem Pharao gut und allen seinen Großen.
Und Josef gab ihnen Wagen nach dem Befehl des Pharao
und Zehrung auf den Weg und gab ihnen allen, einem jeden ein Feierkleid, aber
Benjamin gab er dreihundert Silberstücke und fünf Feierkleider. Und seinem
Vater sandte er zehn Esel, mit dem Besten aus Ägypten beladen. Damit entließ er
seine Brüder und sie zogen hin. Und er sprach zu ihnen: Zankt nicht auf dem
Wege!
1.Mose 45,1-24
Jetzt war Josefs
Strafaktion auch genug. Sie hatten ihr Lehrgeld bezahlt. Und Josef konnte
seiner Liebe freien Bahn lassen. Da standen sie, die Brüder, “wie Klötze“ (Th.
Mann). Josef musste erst mal den Schauder von ihnen nehmen. Was er für sich
längst erkannt hatte, offenbarte er seinen Brüdern: Euern Neid, eure Wut auf
mich Bevorzugten hat Gott genutzt: Um euer Leben zu retten, hat Gott mich vor
euch her gesendet.- Großmütig entschuldet Josef die Brüder, er behaftet Gott,
daß letztlich er diesen Deal eingefädelt habe. Und dann ist große Versöhnung
und überirdische Freude. Väterchen soll nachgeholt werden. Zuletzt wird Josef
wieder der Mahner: Haltet Frieden auf dem Weg.
*
Jakobs Reise nach
Ägypten.
So kehrten die
Brüder heim zu ihrem Vater Jakob und verkündeten ihm: Josef lebt noch und ist
Herr über ganz Ägyptenland! Aber sein Herz blieb kalt, er glaubte ihnen nicht.
Da sagten sie ihm
alle Worte Josefs, und als er die Wagen sah, die ihm Josef gesandt hatte, um
ihn zu holen, wurde der Geist Jakobs lebendig. Und er sprach: Ich will hin zu
Josef und ihn sehen, ehe ich sterbe.
Und er brachte
Opfer dar dem Gott seines Vaters Isaak. Da geschah ihm des Nachts eine
Offenbarung: Ich bin Gott, der Gott deines Vaters; fürchte dich nicht, nach
Ägypten hinabzuziehen; denn daselbst will ich dich zum großen Volk machen. Ich
will mit dir hinab nach Ägypten ziehen und will dich auch wieder heraufführen,
und Josef soll dir mit seinen Händen die Augen schließen.
Da machte sich Jakob auf von Beerscheba mit
allem Eigentum; und alle Seelen des
Hauses Jakobs, die mit nach Ägypten kamen, waren sechsundsechzig..
1.Mose 45,25-28;
46,1-4.26
Die Nachricht,
Josef sei am Leben, kann den versteinerten Jakob nicht gewinnen. Erst die Geschenke aus Ägypten erwecken die Lebensgeister wieder. Sie
zeigten ihm: Die Zumutung, als alter Mensch das gesegnete Stück Erde zu
verlassen, muss von Gott selbst gewollt sein. Die direkte Willenskundgabe von
oben her war so verpflichtend, daß sich der alte Herr langsam zur Reise
anschickte. Er will Josef sehen, wenn er gewiss sein darf, jedenfalls in
Heimaterde begraben zu werden. Der tiefere Grund der Reise aber ist die
Heilsgeschichte: An Jakob, Sohn von Isaak und Rebekka und Enkel von Abraham und
Sara soll sich doch erfüllen, was „der Gott der Väter und Mütter“ verheißen
hat: Sie sollen zu einem großen Volk werden. Diese Großfamilie Jakobs mit Lea
(und im Gedächtnis die verstorbene Rahel) bilden die Urzelle des Volkes Israel.
Die Patriarchen
sind mythische Wesen. Die Historie der Stammväter Abraham, Isaak und Jakob
liegt im Dunkel der Geschichte. Die Glaubens –und Lebenserfahrungen von
Jahrhunderten sind literarisch verdichtet in diesen idealen Gründerfiguren.
Kern des Glaubens von Jakob und Josef ist: Gott geht mit ihnen, auch ins
fremdgläubige Ägypten. Das ist der
Anfang des Jesus-Vertrauens, dass Gott auch mit in den Tod geht. „Vater des
Glaubens“ aber ist Abraham, der aus dem Nichts heraus- also ohne Vorerfahrung
mit Gott, diesem gehorchte und losging.
*
Und Josef ließ
seinen Wagen anspannen und zog seinem Vater entgegen. Und als er ihn sah,
weinte er lange an seinem Halse. Da sprach Jakob zu Josef: Ich will nun gerne
sterben. Ich habe dein Angesicht gesehen.
Josef ging zu
Pharao und sagte ihm an: Mein Vater und meine Brüder, ihr Kleinvieh und
Großvieh und alles, was sie haben, sind gekommen aus dem Lande Kanaan. Der
Pharao sprach zu Josef: Es ist dein Vater und es sind deine Brüder, die zu dir
gekommen sind. Das Land Ägypten steht dir offen, lass sie am besten Ort des
Landes wohnen, lass sie im Lande Gosen wohnen, und wenn du weißt, dass Leute
unter ihnen sind, die tüchtig sind, so setze sie über mein Vieh.
Josef brachte auch seinen Vater Jakob hin vor den
Pharao. Der Pharao aber fragte Jakob: Wie alt bist du? Jakob sprach zum Pharao:
Die Zeit meiner Wanderschaft ist hundertunddreißig Jahre; wenig und böse ist
die Zeit meines Lebens und reicht nicht heran an die Zeit meiner Väter in ihrer
Wanderschaft. Und Jakob segnete den Pharao und ging hinaus von ihm.
Josef ließ seinen Vater und seine Brüder in
Ägyptenland wohnen und gab ihnen Besitz am besten Ort des Landes, im Lande
Ramses, wie der Pharao geboten hatte. Und er versorgte seinen Vater und seine
Brüder und das ganze Haus seines Vaters mit Brot, einen jeden nach der Zahl
seiner Kinder. Und sie wuchsen und mehrten sich sehr. Und Jakob lebte noch
siebzehn Jahre in Ägyptenland, sodass sein ganzes Alter wurde
hundertundsiebenundvierzig Jahre.
Und Josef brachte seine in Ägypten geborenen Kinder zu
ihrem Großvater. Und Jakob segnete Ephraim und Manasse. Und er segnete Josef
und sprach: Der Gott, vor dem meine Väter Abraham und Isaak gelebt haben, der
Gott, der mein Hirte gewesen ist mein Leben lang bis auf diesen Tag, der Engel,
der mich erlöst hat von allem Übel, segne dich und die Knaben. Siehe, ich
sterbe; aber Gott wird mit euch sein und wird euch zurückbringen in das Land
eurer Väter. Und Jakob segnete auch all
seine anderen Söhne mit einem besonderen Segen und verkündigte ihnen ihre
Zukunft.
1.Mose 46,28-30;
47,1-49,28
Majestätisch
fast schreitet Jakob beim Pharao ein. Der mag mehr Macht haben, aber Jakob
verfügt über eine hellsichtige Gottesbeziehung. Der Viehbesitzer segnet ungebeten den, der sich als Gottkönig weiss.
Dieser aber scheint über eine abgeklärte Größe zu verfügen- er lässt sich den
Segen des ihm fremden Gottes geschehen.
Als es zum
Sterben ging, segnete Jakob Söhne und Enkel. Sicher blieb der weibliche Teil
der Familie auch nicht ungesegnet. Jakob verbürgt sich für die große Zukunft
der zwölf Stämme Israels. Er bezeugt mit seiner Erfahrung Gott als Hirten, als
Engel, als Erlöser. Das hohe Alter gilt als Qualitätssiegel eines gottgemäßen
Lebens.
*
Als Jakob starb und zu seinen Vätern und Müttern
versammelt wurde, da bestattete man ihn mit großem Geleit im Grab der
Vorfahren, der Höhle Machpela, östlich von Mamre im Lande Kanaan. Als sie ihn
nun begraben hatten, zog Josef mit seinen Brüdern wieder nach Ägypten.
Die Brüder Josefs aber fürchteten, jetzt könne Josef
zur Vergeltung schreiten. Darum sagten sie ihm, es sei des Vaters letzter
Wunsch gewesen, dass er Vergebung walten lasse. Sie baten ihn: Vergib doch
deinen Brüdern die Missetat, dass wir so übel an dir getan haben. Und Josef
weinte, als sie solches zu ihm sagten.
Josef aber sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Stehe
ich denn an Gottes Statt? Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott
gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben
zu erhalten ein großes Volk.
Und Josef sprach zu seinen Brüdern: Bald werde ich
sterben; aber Gott wird sich euer annehmen. Und er wird euch aus diesem Lande
führen in das Land, das er Abraham, Isaak und Jakob zu geben geschworen hat.
Und Josef starb, hundertundzehn Jahre alt.
1.Mose 50
„Zu den Vätern (und Müttern)
versammelt werden“ ist frühes Zeugnis für eine Jenseitserwartung, wie auch
immer. Jedenfalls hatten die Gottgläubigen schon früh eine Hoffnung, die über
das Familiengrab hinausreicht; auch wenn es ihnen wichtig war, in jener Höhle
Makpela begraben zu werden. Die hatte Abraham als einzigen Grundbesitz im
künftigen Gelobten Land erworben- ein Grab als Pfand für ein großes Reich. Josef
vergibt den Brüdern endgültig. Festgehalten bleibt, dass Schuld benannt werden muss
und sie sich nicht einfach auflöst. Und Versöhnung will gelebt werden. Dazu
leitet Josef sich und die Brüder an durch Verweis auf Gott. Der lässt mittels
des Bösen Gutes werden. Was nicht heißt:
Der Zweck heiligt die Mittel. Höchstens heiligt Gott das Mittel, den Verkauf in
die Fremde, zum edlen Zweck der Bewahrung vor Hunger. Wir würden uns an Gottes Statt
stellen, wenn wir Böses säen zum Zwecke einer
Ernte des Guten. Dafür sind wir zu klein, und haben zu wenig Überblick.
Josef stirbt schon in weniger hohem
Alter als Jakob und die davor. Damit deuten die theologischen Schreiber dieses
Buches an, daß sie die goldene Zeit der Gottesvertrautheit der Patriarchen zu
Ende gehen sehen.
* *
2.Buch
Mose
Israels
Bedrückung in Ägypten und Auszug
Josef und seine Brüder waren schon lange gestorben.- Die Nachkommen
Jakobs zeugten Kinder und mehrten sich und wurden überaus stark, sodass von
ihnen das Land voll wurde. Da kam ein neuer König auf in Ägypten, der wusste
nichts von Josef und sprach zu seinem Volk: Siehe, das Volk Israel ist mehr und
stärker als wir. Wir müssen sie kurzhalten, dass sie nicht noch mehr werden.
Denn wenn ein Krieg ausbräche, könnten sie sich zu unsern Feinden schlagen und
gegen uns kämpfen. Und man bedrückte sie mit Zwangsarbeit. Sie bauten dem
Pharao die Städte Pitom und Ramses. 2.Mose
1
Wie
im Zeitraffer werden Jahrhunderte der Volkwerdung Israels in Ägypten gerafft in
wenige Zeilen: Ein neuer König, ein neuer Pharao weiß nichts von Josef. Schnell
vergilben Verdienste. Vergünstigungen hängen an Personen: Wechseln die
Herrschaften, wechseln auch die Bevorzugungen. Auch
die Eingewanderten der nächsten Generationen sind anders dran: Sie müssen sich
in der Gegenwart ihre Stellung neu erkämpfen. Die Kinder Israels bleiben in
Ägypten Fremde, sie machen wegen ihres vielen Nachwuchses den behäbigen Eingesessenen
Angst. Man zwingt sie zu niedriger Arbeit, dann zum Frondienst an den
Pyramiden.
Auch
das zweite Buch Mose ist hochwichtig. Das erste Buch Mose (Genesis- Werdung)
legt den Grundstein unseres Denkens: Der Mensch von Gott geschaffen und zum Mitgestalten
berufen.- Das zweite Buch Mose (Exodus- Auszug) zeigt die Richtung: Wir, Israel
und damit die Menschheit ist mit Gott auf dem Weg aus der Gefangenschaft, aus
der Sklaverei von Sünde und Tod und Vergeblichkeit hin ins „Gelobte Land“.
Entdeckt
wird für die Menschheit, daß wir nicht zum Zeitvertreib hier sind, sondern
schwanger gehen mit Leid und Segen; unsere Seelen sind ausgespannt auf Fülle. Ausdehnung des Glücks ist der Sinn
der Schöpfung, Bau von Gerechtigkeit der Weg. Der Auszug aus der Gefangenschaft
in die Freiheit der Kinder Gottes ist
ein Projekt jeder Generation und jedes Einzelnen. Wir sind zu einem
Lebensgefühl erhoben, das aus der Idylle in das Drama gerufen ist und aus der
Behaglichkeit in das Gestalten von Freiheit. Die politische und persönliche
Freiheit leuchtet als großer Wurf Gottes an die Menschen auf. Es wird denkbar,
daß wir nicht als Biomasse, nicht als gesichtslose Verbrauchende gedacht sind,
sondern Gedankenfreiheit, Schönheit und Liebe leben dürfen.- Denn kein anderer ist
Gott, als der, der aus der Knechtschaft herausführt. Immer noch. Der Auszug
Israels ist Modellfall für die Menschheit. Die ist unterwegs mit dem
vorausgehenden Gott. Mit ihm Schritt zu halten ist immer neuer Auftrag.
Liebevoll
erzählt Israel fünf bis acht
Jahrhunderte nach dem dunklen Aufbruch ihrer Pilgerväter und -mütter die
Rettung aus Ägypten. Wie bedrohlich auch die jeweilige Gegenwart scheint, sie
ist ein Stück Weg, den Gott mitgeht.
*
Moses
wunderbare Errettung
Und der König von Ägypten befahl den hebräischen Hebammen- eine hieß
Schifra, die andere Pua: Wenn ihr den hebräischen Frauen helft und bei der
Geburt seht, dass es ein Sohn ist, so tötet ihn; ist’s aber eine Tochter, so
lasst sie leben.
Ein
Mann vom Hause Levi aber nahm ein
Mädchen aus dem Hause Levi zur Frau. Und sie ward schwanger und gebar einen
Sohn. Und sie verbarg ihn drei Monate. Als
sie ihn aber nicht länger verbergen konnte, machte sie ein Kästchen von Rohr und
verklebte es mit Erdharz und Pech und legte das Kind hinein und setzte das
Kästchen in das Schilf am Ufer des Nils, wo die Tochter des Pharaos zu baden
pflegte. Und seine Schwester hielt
Wache, um zu erfahren, wie es weitergehe.
Und
die Tochter des Pharao stieg hinab und wollte baden, und ihre Freundinnen
gingen am Ufer auf und ab. Und sie sahen das Kästlein im Schilf und holten es. Als
sie es öffneten, sahen sie das Kind- es weinte. Da jammerte es sie und sie
sprach: Es ist eins von den hebräischen Kindlein. Und doch soll es leben.
Da trat die Schwester aus dem
Schilf zu der Tochter des Pharao und sprach: Soll ich eine hebräische Frau
rufen, die gerade stillt, dass sie dir das Kindlein versorge?
Die
Tochter des Pharao sprach zu ihr: Tu das. Das Mädchen ging hin und rief die
Mutter des Kindes. Da sprach die Tochter des Pharao zu ihr: Nimm das Kindlein
mit und stille es mir und zieh es groß; ich will es dir lohnen. Die Frau zog
das Kind groß. Und als das Kind groß war, brachte sie es der Tochter des
Pharao, und es ward ihr Sohn und sie nannte ihn Mose; was heißt: „aus dem
Wasser gezogen“.
2.Mose 1,15; 2, 1-10
Dem großen Mose gebührt eine wunderbare Geburt. Die Rettung im
Schilfkorb ist starkes Zeichen der Bewahrung und der Erwählung. Und ist auch
ein Lobgesang auf die Mütter dieser Erde, die oft genug ihre Kinder unter
widrigsten Umständen gebären und durchbringen. Mose ist natürlich von Herkunft
aus jüdischer Familie. Gleichzeitig ist er am ägyptischen Hof erzogen. Die
Findelkindgeschichte flicht beide Wahrheiten zusammen.
*
Moses
Flucht nach Midian
Als
Mose herangewachsen war, ging er öfter hinaus zu seinen hebräischen Brüdern und
litt mit an ihrem Frondienst. Einmal
schlug ein ägyptischer Aufseher einen Hebräer. Das brachte Mose so auf, daß er-
kurz nach allen Seiten prüfend, ob es Zeugen gäbe- den Ägypter erschlug. Er verscharrte ihn im Sande und ging davon.
Am nächsten Tag ging er wieder hin und sah zwei hebräische Männer miteinander
streiten und sprach zu dem, der im Unrecht war: Warum schlägst du deinen
Nächsten?
Er aber sprach: Wer hat dich zum Aufseher oder Richter über uns gesetzt?
Willst du mich auch umbringen, wie du den Ägypter umgebracht hast? Da fürchtete
sich Mose und floh ins Land Midian. Dort setzte er sich nieder bei einem
Brunnen.
*
2. Mose 2, 11-15
Dass dieser
einzigartige Religionsheld so unbeherrscht war und dies auch noch spätere
Generationen nicht schönten, spricht für
die große Menschlichkeit der Bibel und ihres Glaubens. Wieder macht Gott eben
keinen Heiligen zu seinem großen Sprecher, sondern ruft einen mit dunkler Herkunft:
ungeduldig, jähzornig, zerrissen in sich selbst- als Hebräer auf Seiten der
Geschundenen, als Adoptivenkel des Pharaos gewöhnt, kurzen Prozess zu machen.
Mose hatte gemeint, der Sympathien der Hebräer sicher sein zu können. Aber
Mordblut an den Händen ist nicht abzuwaschen; man geht auf Distanz zu dem, der zurecht
bringen will mittels Unrecht. Der Zweck heiligt die Mittel nicht.
Kain
wird der große Städtebauer; Mose ist das
Modell für Ausbruch aus Knechtschaft; Gott reduziert Menschen nicht auf ihre
böse Tat. Er schafft Vergebung und neuen Anfang.
*
Ein Priester namens Reguel
in Midian hatte sieben Töchter; die kamen, Wasser zu schöpfen, und füllten die
Rinnen, um die Schafe ihres Vaters zu tränken. Da kamen Hirten und stießen sie
weg. Mose aber stand auf und half ihnen und tränkte ihre Schafe. Und als sie zu
ihrem Vater kamen, sprach er: Warum seid ihr heute so bald gekommen? Sie
sprachen: Ein ägyptischer Mann stand uns bei gegen die Hirten und schöpfte für
uns und tränkte die Schafe.
Er sprach zu seinen
Töchtern: Wo ist er? Warum habt ihr den Mann nicht eingeladen? Lauft, bittet
ihn zu uns. Und Mose willigte ein, im Haus des Priesters von Midian zu bleiben.
Und er gab Mose seine Tochter Zippora zur Frau. Die gebar einen Sohn und er
nannte ihn Gerschom; was soviel heißt wie:
„ich bin ein Fremdling geworden im fremden Land“.
2. Mose 2,16-22
Der
große Mose muß wie Jakob und Josef erst in die Fremde, muß dort seine Frau
finden und um sie dienen. Zweierlei ist
prägend: Mose drängt auf Gerechtigkeit, er hilft den Frauen; und seine
Frömmigkeit gedeiht in der Fremde, er hat keine Berührungsangst vor der
Interpretation des Göttlichen in
ägyptischer und midianitischer Vielfalt. Das Fremdlingsein ist mühsame aber
kostbare Chance, das Eigene zu finden.
*
Mose hütete die Schafe
seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian. Einmal trieb er die Schafe
über die Steppe hinaus und kam an den Gottesberg Horeb.
Da erschien ihm der Engel
Gottes in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch
im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde. Da sprach er bei sich: Ich will
hingehen und die wundersame Erscheinung ansehen; ich will wissen, warum der Busch
nicht verbrennt. Als aber Gott sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn
aus dem Busch an und sprach: Mose, Mose!
Er antwortete: Hier bin ich.
2. Mose 3,1-4
Eine der tiefgründigsten
Gotteserscheinungen bahnt sich an. In der Wüste Sinai an einem „Unort“, weglos,
wasserlos- nur Felsen und bizarre Luftspiegelungen- sieht Mose eine Glut, die
sprüht und leuchtet- aus der Ferne vielleicht ein Dornbusch in Blütenpracht.
Mose will wissen, was mit dem wunderlichen Busch los ist. Da geht ihn eine
Stimme an, ein Ruf stülpt sich über ihn, er hört sich bei seinem Namen gerufen.
Er weiß sich aufgerufen, er ist gemeint, ist erkannt. Er sieht sich gestellt
vom Geheimnis der Welt.
Gott sprach: Tritt nicht
herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist
heiliges Land! Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott
Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein
Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott zu schauen.
2.Mose 3,5.6
Nicht, dass Moses den Herrn gesehen hätte. Der
brennende, sich nicht verzehrende Dornbusch ist ein Bild für die Anwesenheit
Gottes. Doch Er ist nicht besehbar, wohl
aber ist seine Aura, seine Energie, sein Indienstnehmen erfahrbar. Es mag in
etwa so sein, wie mit der Sonne: wir können nicht in die Sonne sehen, können
nur ihre Wirkung spüren; ja, wir leben mittels ihrer.
Orte der Gottesbegegnung sind energetisch aufgeladen,
sind heilige Bezirke- Das Ausziehen der Schuhe ist ein Zeichen von Demut, von
Entwaffnung und Verehrung.
Verheißung eines Landes voll Milch und Honig
Und Gott sprach: Ich habe
das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger
gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. Ich will sie erretten aus der Hand der
Ägypter und sie herausführen aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, in
ein Land, darin Milch und Honig fließt. Dich aber will ich zum Pharao senden,
damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.
2. Mose 3, 7-10
Hier legt Gott dem Mose
seinen Rettungsplan dar und spannt ihn ein. Es sieht aus, als nähme sich Gott
Zeit, um die Tiefe der Leiden gewahr zu werden. Als müsse das Gewissen der Welt
erst mühsam sich ein Bild machen! Wir sollten immer wissen, daß unser Meinen
über Gott nur ein Ahnen ist auf den
Schultern derer, die vor uns Erfahrung mit ihm machten. Die uns den Bericht vom
Auszug Israels geben, sind ja die Anfänger unseres Glaubens. Und wir, die wir
so viel Rückblick auf passierte, gedeutete Geschichte haben, tasten auch noch,
wie denn das Geleit Gottes uns geschieht.
Von der Wüste aus gesehen
ist das fruchtbare Land das Paradies auf Erden, das Land, wo Milch und Honig
fließt. Aber jedes irdische Ziel, wenn es erst mal mühsam erreicht ist, stellt
sich heraus als Vorhof, als Skizze für das „Gelobte Land, „da Fried und Freude
lacht“. Wir sind hier Gäste, bleiben auf dem Weg voll Heimweh; „Wir haben hier
keine bleibende Stadt sondern die zukünftige suchen wir“ (Hebräer 13,14).
Mose sprach zu Gott: Wer
bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten? Gott
sprach: Ich will mit dir sein. Und das soll dir Zeichen sein, dass ich dich
gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott
opfern auf diesem Berge.
2.Mose 3,11.12
Das blieb über die Jahrhunderte der nur mündlichen
Weitergabe deutlich: Moses drängte sich nicht, Gottes Vormann zu werden. Er
scheute sich, hielt sich für unfähig, sicher auch für unwürdig. Aber Gott
übergeht dessen Einspruch und sagt ihm zu: „Mit mir kannst du alles, bist du
alles.“ Gott malt ihm den Erfolg glühend vor Augen: Du wirst nach gelungener
Mission hier opfern. So bürgt die Zukunft für die Gegenwart. Weil jetzt die
erste Stufe Richtung Heile Welt ist, ist
das Jetzt die Ouvertüre des Heilwerdenden. Uns ist aufgegeben, im Gegenwärtigen
Heilendes anzubahnen. Sind wir damit voll beschäftigt, fallen viele Sorgen
hinter uns zurück.
Doch, spricht Moses weiter
zum Herrn, wenn ich zu den Israeliten komme und sage zu ihnen: Der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams,
der Gott Isaaks, der Gott Jakobs hat mich zu euch gesandt!, dann werden sie mir
sagen: Wie ist sein Name? Und was soll ich ihnen dann sagen?
2. Mose 3,13
Mose gibt sich nicht
zufrieden mit dem Erinnerungsgott, dem Gott der Vorfahren. Heute soll er sich
erweisen, als eben ihr Gott und nicht sich zitieren als „Der von Damals“. Es rettet
uns auch nicht, Gott als Starter am Anfang der Welt zu wissen. Sein Schaffen
heute muss uns leuchten. Und unser Mittun jetzt braucht einen Namen, der jetzt
Energie ausstrahlt. Darum Dank an Moses, dass er drängt auf Gottes persönliches
Sichbekanntmachen.
Der „Gott bei uns“
Gott sprach zu Mose: „Ich
werde für euch da sein, als der ich für euch da sein werde“ so ist mein Name.
Sag den Israeliten: Der »Ich werde für euch da sein« hat mich zu euch gesandt.
2.Mose 3,14
Gottes Selbstoffenbarung
ergeht in der Sprache Israels und heißt: „Jahve“. Das übersetzt die griechische
(alttestamentliche) Septuaginta (etwa um 300 v. Chr): „Ego eimi ho Oon“- „Ich bin der Seiende.“ Dynamischer und
liebevoller aber ist die Übersetzung „Ich bin für euch da“. – „Ich bin der für
euch Existierende, wie auch immer ich mich euch zeigen werde, wie immer ich
euch auch geschehe“.
Sicher ist Gott auch Der, Die,
Das Seiende, aber vor allem ist er Liebe. Er ist für uns da. Wie verschlungen
unsere Wege auch sind, er geht sie mit. Zuneigung ist sein Wesen. Schade, daß
sich als Eigenname bei uns das „Jahve“- (in falscher Vokalisierung:“Jehova“)-
„Der Gott mit uns“ nicht durchgesetzt hat. Aber “Vaterunser“ meint dasselbe.
Und Gott sprach zu Mose:
Geh mit den Ältesten Israels hin zum König von Ägypten und fordere die Freigabe
der Kinder Israels. Und Moses sagte: ´Die Kinder Israels werden nicht auf mich
hören, sie werden sagen: Gott ist dir nicht erschienen.
2.Mose 3,18; 4,1
Moses erweist sich als
ebenbürtiger Gesprächspartner Gottes. Der legt sich mächtig ins Zeug, um Moses
zu begeistern: Er soll Botschafter dessen werden, der den Geknechteten eigenes
Land verheißt. Gott weiht seinen Helden in die künftigen Mühen ein, und Moses
den Herrn auch.
Wird Moses ein Spiegelbild
Gottes- vor Jesus schon eine Art Abbild?
Was muss sich Gott mühen, Israel frei zu bekommen; was muss sich Mose
mühen, das störrische Israel auf dem Weg zu halten. Man wird den Eindruck nicht
los, daß die beiden sich nicht um ihren
Job reißen- Gott stöhnt oft bei Moses und Moses beim Herrn- Es wird
spannend, zu sehen, wie sie sich
gegenseitig aufrecht halten.
Erst mal widersteht Moses
noch: Ach, mein Herr, ich bin von jeher nicht beredt gewesen, auch jetzt nicht,
seit du mit deinem Knecht redest; ich hab eine grobe Sprache und eine schwere
Zunge.
Gott sprach zu ihm: Wer hat
dem Menschen den Mund geschaffen, wenn nicht ich? So geh jetzt: Ich will mit
deinem Munde sein und dich lehren, was du sagen sollst. Mose aber sprach:
Sende, wen du senden willst, aber nicht mich. Da wurde der Herr zornig.
2.Mose 3,10 –14
Das Widerständige des Moses
ist eine Kraftquelle. Wir dürfen mit Gott streiten, unsere Bedenken haben vor
ihm Platz. Wenn uns aber Gott in die Pflicht nimmt, dann sind nicht unsere
Begabungen der Grund sondern Gottes Wille. Weil Gott den Moses will, taugt der
für sein Amt. Das aber kann Moses nicht begreifen, der sich noch sieht unter
den abschätzigen Blicken der Andern. Und wird halsstarrig.
Gott sprach: Dein beredter
Bruder Aaron wird mitgehen. Du sollst zu ihm reden und die Worte in seinen Mund
legen. Und ich will mit deinem und seinem Munde sein und euch lehren, was ihr
tun sollt. Und er soll für dich zum Volk reden; er soll dein Mund sein und du
sollst für ihn „Gott“ sein. Und diesen Stab nimm in deine Hand, mit dem du die
Zeichen tun sollst.
2.Mose 3,15-17
Zürnt Gott? Es schmerzt ihn
unsere geistlose Schwerfälligkeit. Er weiß doch, dass wir „Staub„ sind, nur
durch seinen Willen eine Handbreit über dem Chaos gehalten. So stellt Gott dem zaudernden
Mose dessen Bruder zur Seite; eine berühmte Partnerschaft wird begründet: Mose
ist Gottes Knecht; Aaron sein Gehilfe. Das Gefälle zwischen Menschen kommt auch
daher, daß Menschen mehr oder weniger Nähe zu Gott haben. Wir sollen mit unsern
verschiedenen Gaben gemeinsame Sache machen. Spannungen sind programmiert. Aber
kein von Gott Beauftragter geht ungerüstet. Moses erhält einen Stab; ob Hirtenstab, Marschallstab,
Hoheitszeichen- wunderträchtig, machtvoll; er geht nicht mit leeren Händen.
*
Und Gott sprach zu Mose: Zieh wieder nach
Ägypten, tritt vor Pharao und sprich zu ihm: So spricht der Herr: Israel ist
mein erstgeborener Sohn; ich gebiete dir: Lass du meinen Sohn ziehen, dass er
mir diene. Wirst du dich weigern, so will ich deinen erstgeborenen Sohn töten.
Mose aber hörte Gott auch
sagen: Ich will des Pharaos Herz
verstocken, dass er das Volk nicht ziehen lassen wird.
Aus 2.Mose 4
Hochdramatisch ist Moses Auftrag: Er weiß, daß der
Pharao Israel nicht ziehen lassen will. Und wird es dann doch tun müssen.
Zunächst „verstockt“ ihn Gott. Kann das angehen, daß Gott Menschenherzen versteint? Ja- müssen wir nicht hoffen, daß letztlich auch die Mörder nicht
freien Willens ihre Untaten tun, sondern auch Hitler „nur“ verstockt war, nur
Gottes „Geschirr“ war? Die Menschheit hat immer gewusst, dass die Leiden der
Zeit „verhängt“ sind. Nicht nur die Schuld Einzelner bildet das Gewicht der
Welt sondern wir häufen und tragen alle am überpersönlichen Schuldberg mit; wenn
einer auch unschuldig sein sollte, schuldlos ist er nicht. Das kommt „ans Licht
der Sonnen“ im größenwahnsinnigen Nationalstolz (1.und 2. Weltkrieg), jetzt
in Klimakatastrophe und Hungerelend.
Wir sind Verstockte, das merken wir an unserm „Weiter
so“, obwohl wir es bejammern. So hinfällig wir auch sind, Gott würdigt, schuldig
werden zu können. Doch im allertiefsten Grund sind wir nicht die Verursacher
sondern die, „die nicht wissen , was sie tun“, wie rotzige, imponiersüchtige
Jugendliche. Letztlich haftet Gott- das will wohl die Idee von der
Verstocktheit sagen. Und unsere Schlechtigkeiten haben nicht das letzte Wort –
letztlich kommt Rettung, wenn auch über
Tod und Ruinen hin.
Dann gingen Mose und Aaron
hin und sprachen zum Pharao: So spricht der Herr, der Gott Israels: Lass mein
Volk ziehen, dass es mich feiere in der Wüste.
Der Pharao antwortete: Wer
ist der Herr, dass ich ihm gehorchen müsse und Israel ziehen lasse? Ich weiß
nichts von deinem Herrn, will auch
Israel nicht ziehen lassen. Geht hin an eure Pflichten!
Und der Pharao befahl am selben Tage den
Aufsehern: Ihr sollt dem Volk nicht- mehr Häcksel geben, dass sie Ziegel
machen, wie bisher; lasst sie selbst das Stroh dafür zusammensuchen. Man drücke
die Leute mit Arbeit, dass sie zu schaffen haben und sich nicht um falsche
Reden kümmern.
Mose aber kam wieder zu Gott
und sprach: Herr, warum tust du so übel an diesem Volk? Denn seitdem ich
hingegangen bin zum Pharao, um mit ihm zu reden in deinem Namen, hat er das
Volk noch härter geplagt, und du hast dein Volk nicht errettet.
2.Mose 5
Mit großem Mut ausgerüstet,
geht Moses zum Pharao und sagt ihm an: „Lass mein Volk ziehen“. Es ist wohl der
stärkste Rettungssruf der Menschheit: „Let my people go!“ Viele Befreiungsbewegungen berufen sich auf
diese Szene des Mose vor Pharao. Noch meint
der ahnungslose Herrscher, den Ruf nach Freiheit wegwischen zu können. Pharao ist Modell für
die Taubheit der Mächtigen: Wie einst Lenin schnippisch fragte: “Wieviel
Divisionen hat der Papst?“- so hielt Pharao das Freiheitsbegehren nur für
Einflüsterung, für „falsches Reden“. Und
das Rezept der Tyrannen heißt: Satteln wir Bedrückung drauf, das wird die
Murrenden zur Vernunft bringen.
Aber Pharao wird den Herrn
Israels kennenlernen. Das muss auch Moses glauben- er muss in das zukünftige
Wirken Gottes sich hineinhoffen.
Erst mal beschwert er sich,
er will die Rettung sofort.
Da sprach Gott zu Mose und
Aaron: Die Ägypter sollen innewerden, dass ich der Herr bin- ich werde meine
Hand über Ägypten ausstrecken und die Israeliten aus ihrer Mitte wegführen.
Geht hin, mit dem Pharao zu reden. Der
Pharao wird dann verlangen: Weist euch aus durch ein Wunder! Dann sag zu Aaron:
Nimm deinen Stab und wirf ihn hin vor dem Pharao, dass er zur Schlange werde!
Da gingen Mose und Aaron
hinein zum Pharao und sie taten, wie ihnen Gott geboten hatte. Und Aaron warf
seinen Stab hin vor dem Pharao und vor seinen Großen und der wurde zu einer
Schlange. Da ließ der Pharao die Weisen und Zauberer rufen und die ägyptischen
warfen auch jeder seinen Stab hin, da
wurden Schlangen daraus; aber Aarons Stab verschlang ihre Stäbe. Doch das Herz
des Pharao blieb verstockt.
2.Mose 7,5- 13
Es blieb im Gemeinschafts-
Gedächtnis Israels haften, dass der Pharao nur mit enormem Kraftaufwand zu
überwinden war. Gott musste sich mit aller Macht ins Zeug legen, um sein Israel
in die Freiheit zu führen. Und weil er solche Mühe mit Pharao hatte, ist die
Rettung dann ja auch eine Zweite Schöpfung: Gott erschafft Israels durch Erhebung aus dem Sklavenstand
hinauf zur Gotteskindschaft. Darum ist auch im Nachhinein die Mühe um die
Rettung so detailliert erzählt;
erst ziehen die ägyptischen
Zauberer mit Aarons Stabwunder gleich-
dann siegt Gottes Bote doch noch durch eine gesteigerte Machtdemonstration. Ausgesuchte Qualen mussten auf Pharao gehäuft
werden, ja Gott musste alle Fiesheit aufbieten, um letztlich zu
triumphieren.
Erst Jesus Christus hat uns
Gott nahegebracht- anders gesagt: er hat uns offenbart, daß der Zweck die
Mittel nicht heiligt, Gott nicht durch Strafen bekehrt. Andrerseits ist
Verstocktheit oft nicht durch Zureden sondern nur durch Gewalt zu brechen- wie
etwa Deutschlands Besessenheit von Hitler nur ausgetrieben werden konnte durch
völlige Entmachtung. Auch Gott hatte hier kein anderes Mittel parat, als mit Gewalt
zuzuschlagen.
*
Um die Verstockung zu brechen,
kamen große Plagen.
Mose schlug mit seinem Gottesstab aufs Wasser, da
verwandelte der Nil sich in stinkendes Blut, sieben Tage lang. Dann wimmelte
der Nil von Fröschen, die bis in die Backtröge und die Betten krochen. Dann
kamen Mücken, setzten sich an die Menschen und an das Vieh; aller Staub der
Erde wurde zu Mücken in ganz Ägyptenland. Als
vierte Plage kamen die Stechfliegen, dann die Viehpest. Dann kamen die
Blattern, dann Hagel, dann führte der Ostwind die Heuschrecken herbei. Sie
fraßen alles, was im Lande wuchs und ließen nichts Grünes übrig an den Bäumen
und auf dem Felde in ganz Ägyptenland. Dann fiel eine so dicke Finsternis
auf das ganze Land drei Tage lang, dass
niemand den andern sah noch weggehen konnte von dem Ort, wo er gerade war. Aber
bei allen Israeliten war es licht in ihren Wohnungen. Da rief der Pharao nach
Mose und sprach: Zieht hin und dient dem Herrn.
Und noch mal mehr verstockte der Herr das Herz des
Pharao, dass er sie doch nicht ziehen lassen wollte. Und Gott
sprach zu Mose: Eine zehnte Plage will ich noch über den Pharao und
Ägypten kommen lassen. Dann wird er euch ziehen lassen, und nicht nur das,
sondern er wird euch von hier sogar vertreiben.
Und Mose sagte Pharao an: Um Mitternacht will Gott
durch Ägyptenland gehen, und alle Erstgeburt in Ägyptenland soll sterben, vom
ersten Sohn des Pharao an, der auf seinem Thron sitzt, bis zum ersten Sohn der
Magd, die hinter ihrer Mühle hockt, und alle Erstgeburt unter dem Vieh. Und es
wird ein großes Geschrei sein in ganz Ägyptenland, wie es nie zuvor gewesen ist
noch werden wird; aber gegen ganz Israel soll nicht ein Hund mucken, auf dass
ihr erkennt, dass Gott einen Unterschied macht zwischen Ägypten und Israel.
2.Mose 8-11
Die ägyptischen Plagen sind
sprichwörtlich geworden für Naturkatastrophen zuhauf. Es ist diese Häufung
sicherlich erzählerisches Mittel und nicht historische Abfolge. Auch das Auf
und Ab zwischen der himmlischen und der weltlichen Macht ist dramatische
Gestaltung. Pharao ist jedermann. Mitten im Schrecken gibt Pharao klein bei;
sobald das Leid etwas gelockert ist,
zieht er sein Wort zurück, bis eine weitere Plage ihn zum Nachgeben
bringt. Doch sobald der Druck nachlässt,
fühlt sich Pharao wieder machtvoll. Braucht es da viel Verstockung? Ist es
nicht unsere banale Sünde, von der Macht, vom Gewohnten nicht lassen zu wollen.
Wieviel Plagen rufen wir hervor? Und lasten wir uns auf, ehe wir uns ändern?
Wann gestehen wir Scheitern? Erst wenn das Unbehagen ganz und gar gesättigt
ist, sind wir wohl zur Umkehr bereit.
Wenn man liest, wieviel
Leid über Ägypten kommen soll, damit die
Welt erkenne, wieviel geliebter Israel sei- dann kann einem schon der Atem
stocken angesichts der fortgesetzten Friedlosigkeit in Nahost. Jedenfalls hat
die angebliche Bevorzugung Israels so viel Leid auf Israels Haupt gebracht.
Wenn Israel „Gottes erste Liebe“ ist, so ist es eine unglückliche Liebe- die
auf Heilung wartet wie die ganze Menschheit Heilung braucht.
*
Einsetzung des Bundesfestes
Gott aber sprach zu Mose
und Aaron in Ägyptenland: Sagt der ganzen Gemeinde Israel: Am zehnten Tage
dieses Monats nehme jeder Hausvater ein Lamm und schlachte es gegen Abend. Und
von seinem Blut sollen sie beide Pfosten an der Tür und die obere Schwelle
bestreichen an den Häusern, in denen sie’s essen. So sollt ihr’s aber essen: Um eure Lenden
sollt ihr gegürtet sein und eure Schuhe an euren Füßen haben und den Stab in
der Hand und sollt es essen als die Hinwegeilenden mit ungesäuertem Brot.
Ihr sollt diesen Tag als
Gedenktag halten und sollt ihn feiern als ein Fest für mich, den Herrn, ihr und
alle eure Nachkommen, in ewiger Ordnung.
Und Mose berief alle
Ältesten Israels und sprach zu ihnen: Wenn ihr in das Land kommt, das euch der
Herr geben wird, wie er gesagt hat, so haltet diese Tradition. Und wenn eure
Kinder zu euch sagen werden: Was habt ihr da für eine Überlieferung?, sollt ihr
sagen: Es ist das Passah-Opfer des Herrn, der an den Israeliten vorüberging in
Ägypten, als er die Ägypter schlug und unsere Häuser errettete. Da neigte sich
das Volk und betete an.
Und zur Mitternacht schlug
der Herr alle Erstgeburt in Ägyptenland vom ersten Sohn des Pharao an, bis zum
ersten Sohn des Gefangenen im Gefängnis und alle Erstgeburt des Viehs.
Da stand der Pharao auf in
derselben Nacht und alle seine Großen und alle Ägypter, und es ward ein großes
Geschrei in Ägypten; denn es war kein Haus, in dem nicht ein Toter war.
Und er ließ Mose und Aaron
rufen in der Nacht und sprach: Macht euch auf und zieht weg aus meinem Volk,
ihr Israeliten. Nehmt auch mit euch Schafe und Rinder und Schmuck, nehmt was
ihr braucht. Und geht hin und bittet auch um Segen für mich.
Und die Ägypter drängten
das Volk und trieben es eilends aus dem Lande; denn sie sprachen: Sonst sind
wir alle des Todes. Also zogen die Israeliten aus von Ramses nach Sukkot,
sechshunderttausend Mann und die Frauen und Kinder.
2.Mose 12
Das wichtigste Fest Israels
– das Passa- ist gestiftet in der Rettung Israels aus Ägypten. Das Blut des
geschlachteten Lammes an den Balken ließ den Todesengel die jüdischen Häuser
verschonen. Das ungesäuerte Brot erinnert an die in Eile Aufgebrochenen, die
keine Zeit mehr hatten für ordentlich mit Sauerteig angesetztes Brot.
Das jährliche Passafest
versammelt die jüdische Familie und nächste Freunde zu gebratenem Lamm und
grünen Kräutern und weißem Brot. Kompott wird dazu gereicht aus Feigen und
Trauben, die Symbol sind für die Backsteine, die die Hebräer in der ägyptischen
Gefangenschaft herstellen mussten. Das Mahl beginnt mit einem Becher Wein, über
den der Hausvater zwei Segenssprüche spricht, anschließend wird der Becher
weitergereicht. Ein Wasserbecken geht vorher von Hand zu Hand für die
vorgeschriebene Reinigung, Der Älteste der Familie erklärt dem jüngsten
Tischgenossen die verschiedenen Riten, dann bricht er das Brot, das Mahl
beginnt- es wird gerahmt von Lobgesängen aus den Psalmen.
Auch Jesus hat mit seinen
Jüngern das Passamahl gehalten. Die Christen haben dann das letzte Mahl Jesu zum
Abendmahl- (kath: Eucharistie)
umgeformt: Paulus setzt Jesus mit dem Lamm gleich. Brot und Wein geben
sich die Menschen weiter in Vorfreude auf das
gemeinsame Fest im Reich Gottes.
*
Die Wolken- und Feuersäule
Als nun der Pharao das Volk hatte ziehen lassen,
führte sie Gott nicht den Weg durch das Land der Philister, der am nächsten
war; denn Gott dachte, es könnte das Volk gereuen, wenn sie Kämpfe vor sich
sähen, und sie könnten wieder nach Ägypten umkehren wollen.
Darum ließ er das Volk einen Umweg machen und führte
es durch die Wüste zum Schilfmeer. Und Gott zog vor ihnen her, am Tage in einer
Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer
Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten.
Niemals wich die Wolkensäule von dem Volk bei Tage noch die Feuersäule bei
Nacht.
2.Mose 13, 17,18,20-22
Warum bewahren die Erzähler den Umstand, daß Gott das
Volk auf Umwegen ans rote Meer führte?- Sollte Gott mehr Interesse an der
Befreiung Israels gehabt haben, als diese selber. Es ist so menschlich, dass wir
das gewohnte Unglück vorziehen dem Kampf um die ungewohnte Freiheit. Es ist
anrührend, wie Gott sein Völkchen an der Strippe hat, sie keinen Augenblick mit
ihren Ängsten alleine lässt.
Wir dürfen uns auch der Gegenwart Gottes sicher sein
in den Alltäglichkeiten und den dramatischen Zeiten. Wie sich uns Wolken- und
Feuersäule gestalten, dafür bekommen wir keine Schnittmuster im Voraus. Aber im
Nachhinein haben wir die Treue Gottes erfahren, doch sicher.
*
Als dem Pharao angesagt
wurde, dass das Volk geflohen sei, wurde er wieder verstockt und es reute ihn:
Warum haben wir Israel ziehen lassen, sodass sie uns nicht mehr dienen? Und er
spannte seinen Wagen an und nahm sein Kriegsvolk mit und sechshundert
auserlesene Kampfwagen.
Die Israeliten waren unter
der Macht einer starken Hand ausgezogen. Doch
Pharao war ihnen auf den Fersen. Da schrien sie zu dem Herrn und
sprachen zu Mose: Waren nicht Gräber genug in Ägypten, dass du uns wegführen
musstest, damit wir in der Wüste sterben? Haben wirs dir nicht schon in Ägypten
gesagt: Lass uns in Ruhe, es ist besser,
den Ägyptern zu dienen, als in der Wüste zu sterben?
Da sprach Mose zum Volk:
Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der Herr heute an
euch tun wird. Denn wie ihr die Ägypter heute seht, werdet ihr sie niemals
wieder sehen. Der Herr wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein.
Und Gott sprach zu Mose:
Sage den Israeliten, dass sie weiterziehen. Und der Engel Gottes, der vor dem
Heer Israels herzog, kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels.
Dort war die Wolke finster und hier erleuchtete sie die Nacht, und so kamen die
Heere die ganze Nacht einander nicht näher.
2.Mose 14, 5-20
Wieder dies Murren und Schwanken- jetzt fürchten sie,
ihnen ständen Gräber in der Wüste bevor; Da wären sie lieber in Unfreiheit
altgeworden. Aber Mose steht ihnen ein für den rettenden Gott. Der wird für sie
streiten.
Wir brauchen auch solche Bürgen, Prediger,
Seelsorgende- die uns den Engel des Herrn geben: Der beleuchtet die Szene, daß
uns das Böse nicht fressen kann und wir uns im Erleuchteten wahrnehmen.
*
Als nun Mose seine Hand
über das Meer reckte, ließ es der Herr zurückweichen durch einen starken
Ostwind die ganze Nacht und die Wasser teilten sich, dazwischen war Trockenes
Und die Ägypter folgten und zogen hinein ihnen nach, alle Rosse des Pharao,
seine Wagen und Männer, mitten ins Meer.
Als nun die Zeit der
Morgenwache kam, schaute der Herr auf das Heer der Ägypter aus der Feuersäule
und der Wolke und brachte einen Schrecken über ihr Heer und hemmte die Räder
ihrer Wagen und machte, dass sie nur schwer vorwärts kamen. Da sprachen die
Ägypter: Lasst uns fliehen vor Israel; der Herr streitet für sie gegen Ägypten.
Aber der Herr sprach zu
Mose: Recke deine Hand aus über das Meer, dass das Wasser wiederkomme und
herfalle über die Ägypter, über ihre Wagen und Männer. Da reckte Mose seine
Hand aus über das Meer, und das Meer kam gegen Morgen wieder in sein Bett, und
die Ägypter flohen ihm entgegen. So stürzte der Herr sie mitten ins Meer,
sodass nicht einer von ihnen übrig blieb. Aber die Israeliten gingen trocken
mitten durchs Meer, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur
Linken.
So errettete der Herr an
jenem Tage Israel aus der Ägypter Hand. Und sie sahen die Ägypter tot am Ufer
des Meeres liegen.
2.Mose 14, 21-30
Die Nachkommen Jakobs und Leas, Rahels waren in fünf
bis zehn Generationen zu einem Völklein herangewachsen. Sie wurden mehr und
mehr versklavt und beim Pyramidenbau geschunden. Dann riefen sie zu Gott und
der führte sie aus dem „Knechthaus“ Ägypten. Unter Moses Führung gelang ihnen die Flucht durchs Rote Meer.
Ob das Meer wie in Mauern
rechts und links Spalier stand, ist nicht sicher. Vielleicht ist der
historische Kern ein Seenebel, der den
Ägyptern die Sicht versperrte auf eine Furt durchs Wattenmeer. Und als sich der
Nebel verzog, war Israel schon am anderen Ufer, während die Streitwagen
Ägyptens in der nahenden Flut untergingen.
Jedenfalls bricht für Israel mit
diesem Auszug der Aufbruch ins Gelobte Land der Verheißung an. Tatsache und
Bedeutung- das eine ist das Geschehen, das andere: Was es mir bedeutet. Der
Glaube stützt sich auf Fakten, die dem Menschen Rettendes bedeuten. Ohne Glauben
des Mich-Rettenden sind die Fakten nur nackte physikalische Sachverhalte.
Der Anfang von Rettung wird immer um so leuchtender
dargestellt, je düsterer die Gegenwart scheint. Und der Anfang, voller Zauber,
bürgt dafür, dass das Gelobte Land auch
erreichbar ist- selbst wenn der Weg weit ist.
Der Durchzug durchs Rote Meer ist ähnlich
bedeutungsschwanger wie Jesu Auferweckung von den Toten: Wenn das Rote Meer Grüne
Welle hat – so ein Kirchentagsschlager der siebziger Jahre- und der Tod uns vor
Gott hinträgt, ist der Weg gesegnet, wie mühevoll er auch eben ist.
*
Ich will Gott singen, denn er
hat eine herrliche Tat getan;
Ross und Reiter hat er ins Meer
gestürzt.
Der Herr ist meine Stärke und
mein Heil. Der Herr ist der rechte Kriegsmann,
Des Pharao Wagen und seine
Macht warf er ins Meer,
seine auserwählten Streiter
versanken im Schilfmeer.
Die Tiefe hat sie bedeckt, sie
sanken auf den Grund wie die Steine.
Herr, deine rechte Hand tut große Wunder; Durch dein
Schnauben türmten die Wasser sich auf, die Fluten standen wie ein Wall; die
Tiefen erstarrten mitten im Meer. Herr, wer ist dir gleich unter den Göttern? Wer
ist dir gleich, der so mächtig, heilig, schrecklich, löblich und wundertätig
ist?
Und Mirjam, die Prophetin, Aarons Schwester, nahm eine
Pauke in ihre Hand und die Frauen folgten ihr mit Pauken im Reigen. Und sie sangen:
Lasst uns dem Herrn jubeln, denn er hat eine herrliche Tat getan; Ross und Mann
hat er ins Meer gestürzt.
2.Mose 15,1-20
Gott ist mehr als der Gute, Gott ist der Ganze.
„Mächtig, heilig, schrecklich, löblich und wundertätig“ - meint ganz und gar Umfassendes. Aber Gott als
„Kriegsmann“? Wenn wir gerettet werden
aus Krankheit, feiern wir Gott als Arzt, wenn wir gesättigt werden, ist er
unser aller Mutter. Wenn er uns vor unsern Feinden in Sicherheit bringt, ist er
unser Schirm und Schild. Israel fand seinen Gott unter Wogen und zertrümmerten
Streitwagen.. Fortan feiern sie ihn als den Kriegshelden vom Roten Meer.
Und die Ägyptischen Soldaten liegen geschlagen zuhauf.
Eine jüdische Legende geht so: Gott, voll des Jammers, klagt: Ihr feiert so
ausgelassen den Sieg. Und ich weine über
meine erschlagenen ägyptischen Kinder. Das sei uns Warnung: Wir dürfen Gott
nicht auf unsere Fahnen schreiben, er ist kein Vereinsgott. Unsere Feinde sind
auch seine geliebten Menschen.
*
Mose ließ Israel ziehen vom
Schilfmeer hinaus zu der Wüste Schur. Und sie wanderten Tage lang in der Wüste
und fanden kein Wasser.
Dann kamen sie nach Mara;
aber sie konnten das Wasser von Mara nicht trinken, denn es war s bitter. Da
murrte das Volk wider Mose und sprach: Was sollen wir trinken?
Er schrie zu dem Herrn und
der Herr zeigte ihm ein Holz; das warf er ins Wasser, da wurde es süß. Und
Israel vernahm: Wirst du der Stimme des Herrn, deines Gottes, gehorchen und
tun, was recht ist vor ihm, und halten alle seine Gebote, so will ich dir keine
der Krankheiten auferlegen, die ich den Ägyptern auferlegt habe; denn ich bin
der Herr, dein Arzt.
2.Mose 15, 22-26
Schon nach wenigen Tagen geht den wunderbar Geretteten
das Wasser aus. Da murren sie zu Gott wie verwöhnte Kinder. Sie werden noch
lernen, daß es nicht bequem ist, Gottes Lieblingskinder zu sein.
All die Rettungen müssen nicht auf die zauberähnlichen
Weisen passiert sein, wie die Jahrhunderte später entstandenen Texte es sagen.
Diese Texte sind geschrieben, nicht um zu sagen, wie es gewesen ist, sondern um
der gegenwärtigen Gemeinde Vertrauen zu
geben in seiner von Gott geführten alltäglichen Gegenwart: Israel soll wissen: Was
damals so groß anfing, das versickert jetzt nicht im banalen Scheitern. In der
Herausführung aus Ägypten, eingeschlossen die zahlreichen Bewahrungen des
Wüstenweges, hat Israel für alle Zeit die Garantie, dass Gott zu ihm steht.
Besonders für Zeiten der Anfechtung ist diese entfaltete
Rettungserzählung geschrieben- Ursprünglich fand Israel endlich Wasser-
begeistertes Erzählen schmückt dann die Rettung aus zur Stärkung der
gegenwärtige Gemeinde
Die ausführliche Darstellung der Rettung aus Ägypten wird
wohl erarbeitet als Israel ein Königtum und einen Tempel hatte mit Priesterschaft und Theologen und gebildeten
Schreibern –lange nach 950 vChr. Da, als der Staat gegründet war, suchte man
nach seinen Ursprüngen und fand etwa das
Miriamlied und die Gebote als älteste Schrift-Texte vor. Aber zu einem großen
Gesamtwerk fand man erst die Kraft, als ein zweiter Auszug bevorstand- nämlich
die Rückkehr Israels aus dem Exil von Babylon und dann die Neuaufrichtung des
Tempels. Also vielleicht tausend Jahre liegen zwischen Auszug aus Ägypten und
der Buchwerdung dieser Geschichte. Die Tendenz ist klar: Der Gott , der soviel
Rettung schon an Israel vollbracht hat, der hat ein neues vor, neue Rettung,
neue Größe.
Auch uns
Heutigen können die Rettungsgeschichten Israel noch Mut machen: Gott ist
mit uns unterwegs zu Heil und Frieden. Und er sagt dir: Mittels aller
Medikamente, Mediziner und Helfenden – ich bin der Herr, dein Arzt.
*
Und einige Zeit später murrte
die ganze Gemeinde wieder gegen Mose und Aaron in der Wüste. Und sie sprachen:
Wären wir doch in Ägypten geblieben und da dann auch gestorben Wir saßen
an den Fleischtöpfen und hatten Brot die
Fülle. Was habt ihr uns herausgeführt in
diese Wüste, dass ihr uns hier an Hunger
sterben lasst?
Da sprach der Herr zu Mose:
Siehe, ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen, und werde euch am Abend
Fleisch in Fülle geben. Und am Abend kamen Wachteln herauf und bedeckten das
Lager. Und am Morgen lag es in der Wüste rund und klein wie Reif auf der Erde
und Israel fragt: Man ha? (Was ist das?) So nannten sie dann das Wüstenbrot
„Manna“, es schmeckte nach Semmeln mit Honig und Koriandersamen.
Und Mose sprach zu ihnen:
Sammelt nur, was ihr heute esst. Niemand hebe etwas auf bis zum nächsten
Morgen. Aber etliche ließen doch davon übrig bis zum nächsten Morgen; da wurde
es voller Würmer und stinkend.
Und die Israeliten aßen
Manna vierzig Jahre lang, bis sie in bewohntes Land kamen; bis an die Grenze
des Landes Kanaan aßen sie Manna.
2.Mose 16
In diesem Schlusswort ist Wunder und Verzweiflung
gebündelt. Die Wüstenzeit war Plackerei- da hat Israel sich zwischendurch oft
zurückgesehnt nach dem zwar unfreien aber doch versorgten Alltag in
Ägypten. Und “Ägypten“ schien, je weiter
es zurücklag, immer weniger drohend.
Beschwerlich wurde der Weg, der sich über Jahrhunderte
hinzog- ganze Generationen hatten die
Verheißung nur noch als dünnes Gerücht bei sich- aber dann erinnerte man wieder die großen
Geschichten von dem rettenden Gott und man rappelte sich auf und zog weiter,
ausgeliefert an die Gnade Gottes, wenn sie sich denn zeigte.
Erst im Zusammenleben mit
Gott und den Zehn Geboten lernte Israel (und damit die Menschheit) Freiheit und
Menschenwürde zu schätzen. Aber der Weg in die Freiheit war und ist immer noch Mühe und Arbeit.
*
Es kam das Volk Amalek und
kämpfte gegen Israel in Refidim. Da sprach Mose zu Josua: Erwähle uns Männer, zieh
aus und kämpfe gegen Amalek. Morgen will ich oben auf dem Hügel stehen, und
euch segnen.
Und Josua tat, wie Mose ihm
sagte, und kämpfte gegen Amalek. Mose aber und Aaron und Hur gingen auf die
Höhe des Hügels.
Und wenn Mose seine
segnenden Arme emporhielt, siegte Israel; wenn er aber seine Arme sinken ließ,
weil sie ihm schwer wurden, siegte Amalek.
Da nahmen die beiden einen Stein und legten ihn
so, dass Mose sitzen konnte. Aaron aber und Hur stützten ihm die Arme, auf
jeder Seite einer. So blieben seine Arme
erhoben, bis die Sonne unterging. Und Mose baute einen Altar und nannte
ihn: Der Herr ist mein Siegeszeichen.
2.Mose 17,8-15
Für uns ist es schwierig, Gott als Kriegsherrn zu
denken. Wir haben als Deutsche viel zu viele
Kriege geführt, und die Soldaten „im Namen Gottes“ an die Waffen
geschickt. „Mit Gott für Kaiser und Vaterland“ hieß die Parole; eine
andere:„Gott strafe England“. Und wir sind umgeben von Fundamentalisten, die im
Namen Allahs den Krieg gegen westliche Freizügigkeit ausrufen und bei uns die,
die meinen, „das Reich des Bösen„ sei zu bekämpfen.
Israel hat aus kleinsten Anfängen sich sein Gelobtes
Land erobern müssen, tut es bis heute noch. Israel sieht sich von seinem Gott
angetrieben und befördert. Israel geht davon aus, daß ihm das Land vom
Urbesitzer der Erde versprochen ist. Völker, die diesem Vorhaben Gottes im Weg
stehen, wurden (und werden?) von Israel beiseite gedrängt. Israel sieht sich
kämpfend an der Seite des für Israel kämpfenden Gottes.
An Jesus geschult, sagen Christen heute: Krieg darf
nicht sein. Ob wir aber uns selbst daran halten? Essen wir nicht mittels unserer
Zahlungskraft die Tische anderer leer? Kaufen wir den Armen nicht ihren Mais
weg um Futtermittel für unser Schlachtvieh zu haben oder Benzin?
Doch, es ist ein starkes Bild, wie Mose mit segnenden
Armen seine Krieger stärkt, und wie ihm Helfer die Schultern darbieten, dass er
gestützt, die Arme weiter zum Himmel heben kann. Der Segen ist eine bittende
Gebärde, welche die Kräfte Gottes auf die Mitmenschen herabfleht. Ob
tatsächlich gute Kräfte auf uns kommen, das bleibt Gott vorbehalten; uns bleibt
nur starkes Bitten und Sehnen und Mitdenken
in Richtung des Erhofften. Klar ist, nicht Menschen segnen sondern
bitten um Segen.
*
Sie lagerten in der Wüste
am Berg Sinai. Der aber rauchte, der Herr fuhr herab auf den Berg im Feuer; und
der Rauch stieg auf wie der Rauch von einem Schmelzofen und der ganze Berg
bebte sehr. Und der Ton einer Posaune wurde immer stärker.
Als nun Gott niedergekommen war auf den Berg Sinai,
rief er Mose hinauf auf den Gipfel des Berges und Mose stieg hinauf.
2.Mose 19, 18-20
Die Geschichte Israels hat hier ihre Mitte. All der
Kämpfe hatte es bedurft, all die Mühen und Verzichte waren nötig, auch Gottes
Langmut war letztlich nur gewährt für dies eine Ziel: Die Zehn Gebote. Gott
schenkt Israel und durch Israel der Menschheit
die Grundlagen der Humanität. Israel sieht sich als Hüter des Willens Gottes.
Dieser gipfelt in den Geboten und dem
menschlichen Vermögen, sich für das Gute zu entscheiden.
Noch viele andere Gebotskataloge bewahrt die Bibel,
sie bewahrt Reinigungsgebote und Essensgebote und Baugebote und Sabbatgebote
die Fülle, daß nur ja nicht die Heiligkeit Gottes beschmutzt werde. Aber die
Zehn Gebote, der Dekalog, ist ethischer Sockel für die ganze abendländische
Gesetzgebung.
Majestätisch ist diese Szene. Nicht einfach vom Himmel
gefallen sind die ehernen Worte. Sondern das Volk lagert sich um den
Gottesberg. Mose steigt dem Herrn entgegen, Wolken entziehen ihn dem Blick des
Volkes.
*
Das erste Gebot
Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus
Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe. Du sollst keine anderen Götter
haben neben mir. (Du hast keine andern Götter neben mir)
2.Mose 20, 2.3
Wer darf das sagen: „Ich
bin dein Gott“? Damit steht und fällt doch unser Selbstbewusstsein, daß kein
Mensch sich als unser Herr aufwerfen kann. Und wenn ein Mensch uns zwingt, ihm
zu Willen zu sein, dann tut er Unrecht. Und ich tu Unrecht, wenn ich ihm aus
der Hand fresse. Ich darf keinen Menschen aufblähen und verzerren zu
Gottähnlichem.
Gott definiert sich als
der, „der dich aus der Knechtschaft Ägyptens erlöst hat“. Das galt zuerst für
Israel, aber meint jeden Menschen, gerettet aus der Nichtigkeit, aus dem
Nichtvorhandensein. Gott ist der, der dich aus dem Nichtsein erlöst hat, der
dich ins Sein gerufen hat, der dir das Selbstbewusstsein begründet. Nur der ist
es wert, seinem Willen zu folgen. Gemessen an ihm, dem Erschaffer aller Dinge,
ist alles Andere Nichtgott.
Dies erste Gebot sichert allen
Menschen die selbe Würde zu, unabhängig Besitz und Einfluss. Jeder soll sich
wichtig nehmen, weil er von Gott gewollt ist. Keiner soll sich kommandieren
lassen, nicht sich abfüllen lassen mit Parolen, keiner soll verächtlich denken,
von sich nicht, von andern nicht, keiner soll eines andern Herr sein. Wir haben
nur einen Herrn, ansonsten sind wir
Brüder und Schwestern. Aus diesem Grundsatz gilt es, auf eine geschwisterliche
Menschheit hin zu leben.
Du sollst dir kein Bildnis
von Gott machen. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht
missbrauchen.
2. Mose 20, 4.7
Kein Abbild von Gott, kein
Imitat, kein Ideal, keine Vision, keine Definition! Wir sollen uns Gott nicht
vorstellen, da ja alle Vorstellungen aus dem Irdischen genommen sind und nur
ein gesteigertes Irdisches darstellen. Aber auch im Sandkorn ist die Energie Gottes
präsent. Kein Bild kann Gott fassen. Er ist größer als die Welt in ihrem
Jetztzustand. Was wir mit Gott meinen ist, „ alles, was nicht in unserer Macht
steht“.
Die Ikone Gottes ist Jesus
Christus, mit ihm haben wir Gott vor Augen, wie er zu uns ist; Und vielleicht
hält sich Gott an Jesus Christus, wenn er mal wieder an den realen Menschen
irre zu werden droht.
Keiner darf sich zum Heros
oder zur Diva ausrufen lassen, keiner darf Unterwerfung verlangen oder
genießen. Im Überschwang kann der Reporter schon mal den Schützen des
Siegestores einen Fußballgott nennen- aber schnell werden diese Größen vom
Sockel gestoßen- das zeigt den himmelweiten Unterschied zwischen Schöpfer und
Geschöpf.
Und eben Irdisches nicht
vergotten, vor allem nicht das Geld, den Götzen Mammon.
*
Ich, der Herr, dein Gott,
bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter und Mütter heimsucht bis ins
dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, aber
Barmherzigkeit erweist an tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.
2.Mose 20, 5.6
Gott ist Treiber des
Werdens, er betreibt die Geschichte als Weg zum Reich Gottes, „wo Fried und
Freude lacht“. Geschichte ist immer noch
das Gegeneinander von Skrupellosen und Wehrlosen, aber mit scharfem Drang zur
Versöhnung. Denn Gott will uns heil machen. Diesem Ziel dient auch
die Bestrafung der Missetaten der Väter und Mütter noch an den nächsten
Generationen. So ist die Verachtung Deutschlands in der Welt nach Hitler für,
zwei, drei Generationen
verständlich. Und die Umweltkatastrophe
fordert mit Wucherzinsen über die Generationen hin, was unser In- Saus- und
Brausleben verdirbt.
Diese Heimsuchungen sind
nicht willkürlich prasselnde Strafen
sondern Folgen unseres Tuns. Gott setzt uns den Folgen unseres Tuns aus. Dies
jedoch mit unvergleichlich starker Tendenz
zum Retten und Zurechtbringen. Ungeheure Energien von Liebe strahlen in die
menschliche Gesellschaft ein; wir werden doch alle mehr geliebt, als wir
lieben.
Wir kommen aus dunklen
Zeiten. Strafaktionen lagen näher als Lob und Anerkennung. Tief saß der
Selbsthass, dass wir böse seien von Jugend auf. Dabei gilt doch Jesu
Mitteilung: Gott liebt dich, Kind; dein ist das Himmelreich (Matthäus 19,14).
*
Das 3. Gebot
Du sollst den Feiertag heiligen. Sechs Tage sollst du
arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Tag des
Herrn. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein
Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt
lebt. In sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und ruhte am
siebenten Tage und segnete ihn.
2.Mose 20,8-11
Die Woche zu sieben Tagen
ist das älteste Zeitschema. Unveräußerliches Kennzeichen des Menschlichen ist,
daß er einen Rhythmus für Arbeiten und Ausruhen und gemeinsames Feiern hat.
Auch ist es ein Akt des Vertrauens in die Lebensgrundlagen, daß sechs Tage
Arbeit genügen für das Auskommen an
sieben Tagen.
Und der Mensch braucht Zeit
für die Seele, für Meditation, Gebet, Feier, Freude, zweckfreie Gemeinschaft.
Es ist ein hohes Gut, daß in unser aller Kalender der Sonntag (der Sabbat) rot
angestrichen und herausgehoben ist. Auch wenn wir nicht zum Gottesdienst gehen,
werden wir wollen, daß Gottesdienst gehalten wird und das „Vaterunser“ auch für
uns mit gesprochen wird.
Und der Ruhe wird ein
Freiraum geschaffen. Diese freie Zeit möglichst mit Vielen teilen, ist ein
hohes Gut. Achten wir darauf, mit Dienstlichem nicht in die private Zeit der
Mitmenschen vorzudringen. Achten wir auch uns selbst der Ruhe wert. Eine
Rundumereichbarkeit bieten oder fordern steht uns nicht zu. Die Tendenz ist
stark, die Sonntagsruhe zugunsten von Spaß und einer
Allzeit-Bedarfsbefriedigung aufzuheben.
Denen, die wirklich notwendigen Dienstleistungen am Sonntag erbringen, gebührt großzügige Honorierung.
Das 4. Gebot
Du sollst Vater und Mutter
ehren
2.Mose 20, 12
Eltern achten, schätzen,
ehren als die ersten Mitarbeiter Gottes- dies Gebot ist die Brücke vom Gottwürdigen hin, auch den Nächsten zu achten.
Die Eltern haben uns empfangen, haben uns auf die Welt gebracht und
großgezogen. Wir waren/sind ihnen anvertraut und zugemutet.
Eigenartig, daß schon vor
dreitausend Jahren dies Gebot mit ehernen Lettern den Erwachsenen ins Herz
gemeißelt wurde. Anscheinend war es immer nötig, der im Saft stehenden
Generation die Alten fürsorglich ans Herz zu legen. Kinder müssen ihre Eltern
nicht lieben aber sie ehren; Kinder müssen ihre der Fürsorge bedürftigen Eltern
nicht selbst pflegen, aber ihr würdevolles
Behüten sicherstellen, dazu sind sie verpflichtet.
Aber auch die Alten werden
noch besser lernen müssen, die Jungen zu ehren.
Vielleicht stehen die rüstigen Rentner auf und
lassen in der Vorortsbahn den Platz der müden Alleinerziehenden oder dem
Erschöpften mit dem fahlen Gesicht. Auch erinnere man sich an den Umgang mit
den eigenen Eltern; ist es nicht so, dass der Dank nicht zurück sondern nach
vorn in die nächste Generation gegeben wird?
Ehren wir die Alten mit
ihrer Erfahrung und die Jungen mit dem weiten Raum, den sie noch zu bestellen
haben.
Das 5. Gebot
Du sollst nicht töten.
2.Mose 20,13
So klar, so ganz ohne
Einschränkungen steht das Tötungsverbot auf den Gesetzestafeln der Menschheit.
In Indien heißt das Gebot: Du sollst nichts Lebendigem den Atem nehmen- und
meint auch die Tiere.
Schon aus Eigeninteresse muss
ich die Verpflichtung hochhalten, niemandem ans Leben zu gehen. Aber wenn einer
sich schon wie tot fühlt, er sich zombiehaft, seelenlos, verachtet vorkommt,
dann wiegt ihm des Andern Leben auch nicht schwer. Wir müssen einander zum
Leben helfen, schon, weil jedes Leben Gott gehört.
Und der Staat muss
darauf beharren, daß es in jedem Fall
böse ist, einen Menschen zu töten; folglich kann der Staat auch keine Menschen
töten, um zu lehren, daß es böses ist, Menschen zu töten.
Das 6. Gebot
Liebe! Und schütze Ehen. -Du
sollst nicht ehebrechen.
2.Mose 20 ,15
In
der frühen Fassung der Gebote ging es nicht um Liebe sondern um Besitz; die
Frau galt als Eigentum des Mannes. Inzwischen haben wir von Jesus gelernt und
wissen, daß wir einander nicht gehören. Bestenfalls gehören wir zueinander,
wissen uns einander anvertraut, wollen uns schützen vor Herzeleid. Die Ehe, hat
mal einer gesagt, ist das letzte große Abenteuer: Zwei wollen sich immer wieder
einig werden, wollen die Freuden und Mühen des Lebens –inklusiv Kinder, wenn
sie gewährt sind- gemeinsam zu tragen, und wünschen, gemeinsam alt zu werden.
Die Liebe ist Gottes Atem, und der weht, wo er will. Wir können
bestenfalls jetzt (im Trauversprechen) sagen: „Ich will dich lieben und ehren
bis daß der Tod uns scheidet.“ Ohne dieses intensive Wollen darf man gar keine
Ehe eingehen. Aber wir können nicht sagen: „Ich werde dich lieben,bis…Können nd
sollen nicht schwören. Ob wir uns bis zum Tode lieben können und dürfen, das ist offen.
Wieviel Befreundung neben der Ehe möglich ist, muß jeder Mensch, jedes
Paar selbst für sich ausloten. Wichtig ist es, keinen, auch nicht sich selbst,
aus seiner Ehe herauszubrechen, sondern gerade auch des Anderen Bindung zu
achten und zu schützen.
Das siebte bis zehnte Gebot
Du sollst nicht stehlen, lügen,
gieren, rauben
2.Mose 20,15- 17
Dem Andern das Seine nicht
nehmen sondern „ihm sein Gut und Nahrung helfen bessern und behüten“, ist uns
aufgegeben; nicht belügen sondern „entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles
zum Besten kehren“ (Martin Luther). Sein Hab und Gut nicht anrühren, auch seine
Ehre nicht- aber es ist ein dauerndes Ringen um Mein und Dein. Die Liebe der
Eltern,der Gefährten, die Anerkennung
der Freunde, die Zuneigung, die Achtung steht immer auf dem Spiel. Und ob ich
erarbeiten kann, was ich nötig zu haben meine, muss in Konkurrenz zu andern
erworben werden. Anerkennung und Zeit und berufliche Chancen sind knappe Güter,
da kann man schon in Versuchung sein, mit rauem Ton und harten Bandagen das Seine zu beschaffen. Am meisten wegnehmen
lässt sich mit Sprache: Über den Mund fahren, die Früchte der Arbeit für sich
reklamieren, Beziehungen spielen lassen,
anschwärzen, Schuld abschieben, den Vorteil sich zurechtlügen. Wie lassen wir
dem Andern Seins, und sind mit dem Eigenen zufrieden?- Was dir genügt, lass dir
genug sein. Das ist eine Lebensarbeit.
Die Gebote zeigen Gottes
Handschrift
Und als Gott mit Mose zu Ende geredet hatte auf dem
Berge Sinai, gab er ihm die beiden Tafeln des Gesetzes; die waren aus Stein und
beschriftet von dem Finger Gottes.
2.Mose 31,18
Uralt ist die Vorstellung, Gott habe eigenhändig die
Gebote in Stein gegraben. Es ist dies ein starkes Bild für die heilige
Urheberschaft: Die Gebote haben höchste Autorität.
Staat und Gesellschaft
schätzen die ethischen Gebote auch ohne Gottesbezug hoch. Dabei bilden
die theologischen Gebote I-III ja den Sockel für alle übrigen. Aus dem
Zugottgehören folgt, daß ich keinen Menschen aus seinem Gotteszusammenhang
reißen darf. Eigentum verpflichtet. Besitz, Ehe und Ehre sind Gaben, darum ist Stehlen,
aus der Ehe Brechen und Ehrabschneiden auch ein Angriff auf Gott.
Das Recht auf Mundraub ist schon in der Bibel gewährt.
Wer erst stehlen muß um nicht zu verhungern, an dem geschieht Unrecht. Wer
lügen muss, um nicht unterzugehen, der ist näher an der Wahrheit als der, der herrisch auf Ehrlichkeit
pocht.
*
Als aber das Volk sah, dass
Mose lange nicht vom Berg zurückkam, sprachen sie zu Aaron: Auf, mach uns einen
Gott, der vor uns hergehe! Denn wir wissen nicht, was Mose widerfahren ist, der
uns aus Ägyptenland geführt hat.
Und Aaron gebot: Nehmt ab
die goldenen Ohrringe eurer Frauen, Söhne, Töchter und bringt sie zu mir. Und
er nahm das Gold von ihren Händen und bildete eine Form und goss ein Goldnes Kalb. Und sie
sprachen sich zu: Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt
hat! Und sie brachten dazu Dankopfer dar. Dann setzte sich das Volk, um zu
essen und zu trinken, und sie standen auf zu wilden Spielen.
2.Mose 32,1-6
Auch wieder eine Menschheits-Urgeschichte: Der große
Führer scheint verloren gegangen und mit ihm der Garant für die Nähe des
Unsichtbaren Gottes. Das Nichtgreifbare, das Unbegreifliche Gottes auszuhalten,
braucht einen starken Glauben. Gott ist unsichtbar, aber seine Wohltaten sind
erkennbar- vor allem, wenn ein Mittler da ist,
der die Gottesgnade im Konkreten benennen kann. Mose war einer der
größten Mittler der Menschheit. In ihm geschah die Heiligkeit anfaßbar, unter
seiner Führung wurde aus dem Herumirren ein Weg und aus dem Schreien zu Gott
die Ahnung von Rettung.
Aber sobald das Bild Gottes, seine Ikone bei den
Menschen, fehlte, wurden sie ungeduldig und unsicher und wollten ein Faustpfand
für Gott, wollten einen Gott zum Anfassen. Und so „verwandelten sie die
Herrlichkeit Gottes in das Bild eines Ochsen, der Gras frisst“ (Psalm 106,20).
Besitz und Zeugungsfähigkeit sind des Menschen
stärkste Mächte. Besitz gibt Herrschaft und Sexualität gibt Leben. Der Stier
steht für Zeugungskraft, die ins Leben
zwingen kann. Gold steht für Macht und
Herrlichkeit. Der „Tanz ums Goldne Kalb“ ist sprichwörtlich geworden für
Anbetung von nackter Gier.
Als Mose vom Berg
herabstieg und das infernalische Spektakel sah, wandte er sich an Gott. Der
sprach: Das Volk vergisst schnell, was ich ihm Gutes tat, ich zürne über sie.
Mose aber flehte: Ach Gott,
warum will dein Zorn entbrennen über dein Volk, das du mit großer Kraft und
starker Hand aus Ägyptenland geführt hast? Warum sollen die Ägypter sagen: Er
hat sie zu ihrem Unglück herausgeführt, dass er sie umbrächte? Lass dich des
Unheils gereuen. Und Gott ließ ab von seinem Zorn.
2.Mose 32,7-14
Dies Rettende hat Israel oft erfahren: Der Grund aller
Dinge, obwohl oft enttäuscht über seine Menschenbrut, kann sie nicht von sich stoßen, er hat zuviel
Herzblut an sie –besonders an Israel- verwandt. Mose spricht diesen inneren
Konflikt in Gott an. Und wahrlich, wir zehren auch von Gottes Großmut. Er darf
die Erde nicht verloren geben, darf uns um seiner Liebe willen nicht fallen
lassen. Das dürfen wir aber nicht
ausnutzen. Die Liebe leidet, das ist ihre Tragik. Wehe, wir wären nur grinsende
Zuschauer des Niedergangs der Erde.
Als Mose aber nahe zum
Lager kam und das Gold- Kalb und das wüste Tanzen sah, entbrannte sein Zorn und
er nahm das Kalb, das sie gemacht hatten, und ließ es im Feuer zerschmelzen und
zermalmte es zu Pulver und streute es aufs Wasser und gab’s den Israeliten zu saufen.
2.Mose 32,19.20
Auch ein Urbild der Menschheit: Den eigenen Mist
fressen müssen, den man angerichtet hat: Das Gold, mit der Asche zu Pulver
vermahlen, wird denen, die Gott vergessen haben, eingetrichtert. Sie müssen an
dem ersticken, was sie zu ihrer Glorie aufrichteten. Es ist eine andere Art des
zerbrochenen Babylonischen Turmes. Turm
und Stier sollten Bauwerke sein, die der Menschen Größe demonstrieren. Aber
Größe aus Gottvergessenheit kann nur zu Fall kommen. So müssen wir unsern
eigenen Unrat ausfressen.
*
Gott redete mit Mose wie ein Mensch mit seinem
Freund redet. Gott sprach zu ihm: Du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und
ich kenne dich mit Namen. Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen!
Und Gott sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen
lassen und will vor dir kundtun mein Wesen: Gnade und Erbarmen ist mein Wesen.
Aber mein Angesicht kannst du nicht
sehen; denn kein Irdischer kann mein Antlitz aushalten. Aber meine Nähe sollst
du erfahren. Es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. Wenn
dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und
meine Hand über dich halten, bis ich vorübergegangen bin.
Dann will ich meine Hand
von dir tun und du darfst hinter mir her sehen.
2.Mose 33, 11,17-23
Wir können nur Gottes Wohltaten
sehen, nicht Ihn von außen. Grandios, wie Mose das „gesteckt bekommt“ - für uns
mit. Obwohl Mose einer der Nächsten zu Gott ist, zeigt Gott sich ihm nicht. Den
Abglanz seines Antlitzes legt er auf die Gesichter der Säuglinge und der
Liebenden, aber er will verborgen bleiben in allen Gesichtern und Blumen und
allem Sonnenleuchten. Es gibt Ereignisse, da haben wir Gottes Nähe unmittelbar
gespürt, da ist uns die Beglückung der
Gegenwart Gottes geschehen- es ist, als wären wir in einem Spalt gesessen, den
Gott beim Erscheinen uns verdunkelt hat. Es ist seine Hand, mit der er sich uns
verstellt. Wir können Gott hinterher sehen - wie er uns das Kind in den Arm
gelegt hat oder uns neu geboren hat nach einem Unfall. Das ist doch viel.
Manchmal schon zu viel.
*
Und Gott redete mit Mose
und sprach: Rede mit der ganzen Gemeinde der Israeliten und sprich zu ihnen:
Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr, euer Gott.
Du sollst deinen Nächsten
lieben wie dich selbst; ich bin die Quelle
des Lebendigen. Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den
sollt ihr nicht bedrücken.
Er soll bei euch wohnen wie
ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn
ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Das sage ich euch, euer Gott,
der ich euch aus Ägyptenland geführt habe.
3.Mose 19.1.2.18b,33.34
Viele Gebote und Gesetzessammlungen aus verschiedenen
Epochen werden unter die Autorität des
Mose gestellt. Besonders wichtig ist das Gebot der Nächstenliebe und das der
Fremdenfreundlichkeit. Den Nächsten lieben wie man sich selbst liebt- das rückt
den Andern sehr, sehr nahe. Jedenfalls ist es eine eherne Messlatte: Was
wünschst du dir an seiner Stelle? Es bleibt Auftrag, auch die dir Lästigen zu
achten und dem Rivalen fair zu begegnen.
Mitgesetzt mit diesem Gebot ist: Du sollst dich selbst
lieben. Du sollst dich achten als Gottes geliebte Schöpfung- also meine es gut
mit dir und beschädige dich nicht selbst.
Als Testfall für die Nächstenliebe wird uns der Fremde
aufgegeben. Sein obdachloses Außenseiterdasein zu wenden, ist Menschenpflicht.
Wir waren ja auch schon Fremde - und wie
gut tat da der eine, der uns herwinkte und Platz anbot und einfädelte in
Gesprächsrunde oder Nachbarschaft.
*
Alle siebenmal sieben Jahre
ist die Zeit der sieben Sabbatjahre. Im siebten
und im fünfzigsten Jahr sollst du die Posaune blasen lassen durch euer ganzes
Land und ihr sollt das siebte und das fünfzigste Jahr heiligen. Ihr sollt eine
Freilassung ausrufen im Lande für alle, die darin wohnen; es soll ein
Erlassjahr für euch sein. Da soll ein jeder wieder zu seiner Habe kommen und wenn
er sich verkauft hat in Leibeigenschaft, soll er wieder frei sein.
3.Mose 24, 8-10
Alle sieben und alle fünfzig
Jahre war Israel ein Neuanfang verordnet.- Der Ur-Anfang liegt weit zurück: Als
Nachklang der Schöpfung und als kreative Wiederholung ist der Sabbat
eingesetzt, Ruhe für alle. Es gelte:„Alles zurück auf Null“. Jeder Neuanfang
ist voll besonderer Würde- einer der stärksten Anfänge ist der Auszug aus Ägypten: Gott nahm für Israel das
Gelobte Land ein und teilte es an die zwölf Stämme Israels und ihre Familien auf. Aber immer bleibt Jahwe Herr der Schöpfung und
der Besitzer des Landes. Israel und die
ganze Menschheit hat alles nur als Leihgabe,
es ist uns anvertraut nur auf Zeit.
Um dies zu erinnern, rief man in Israel jedes siebte Jahr zum Sabbatjahr aus- der
Acker blieb unbestellt und hatte seine Ruhe. Und jedes fünfzigste Jahr galt als
Erlassjahr: Alle Schulden wurden den
Stammesgeschwistern erlassen, alle ursprünglichen Besitzstände wurden wieder
hergestellt, alle Ungleichheit durch Verschuldung wurde wieder aufgehoben.
Wie diese Regelung gelebt
wurde in Israel, liegt im Dunklen. Aber Sabbat- und Erlassjahr erinnern, daß
uns Zeit, Gesundheit, Kraft, Besitz nur vorübergehend anvertraut sind. Diese Überzeugung bewirkt im Gläubigen einen verantwortlichen und
großzügigen Umgang mit den Dingen- wenn, ja wenn „der Geist unserer Schwachheit
aufhilft“ (Römer 8,26).
Die Schuldenkrise der
Gegenwart rückt die Rezepte der Vorfahren wieder in den Blick: Es muss ein
Erlass von Schulden eingeräumt werden, sonst sammelt sich bei immer weniger
Reichen immer mehr. Dabei muss immer
mehr Menschen das Existenzminimum von der Gemeinschaft eingeräumt werden, ein
Grundgehalt unabhängig von der Leistungsfähigkeit- und willigkeit ist
nötig- weil Gott uns das tägliche Brot
heute geben will, bedingungslos. Und wir sind alle zuständig, dass Gottes Wille
geschehe je im Rahmen unserer Fähigkeiten.
Christen gehen vorweg, auch ,
auch indem sie gern Steuern, auch
Erbschaftssteuern bezahlen. Durch „Brot für die Welt“ können wir
unmittelbar den Hunger auf der Erde
lindern. Verschenken wir doch mehr.
*
Gott redete mit Mose und
sprach: Sage Aaron und seinen Söhnen: So sollt ihr sagen zu den Israeliten,
wenn ihr sie segnet:
„Der Herr segne dich und behüte
dich;
der Herr lasse sein Angesicht
leuchten über dir und sei dir gnädig;
der Herr erhebe sein Angesicht
über dich und gebe dir Frieden.“
Ihr sollt meinen Namen auf die
Israeliten legen, dass ich sie segne.
4.Mose 6,22-27
Segnen
fleht die heilenden Kräfte Gottes auf Menschen und Kreaturen herab. Mit großer
Inbrunst spannt der Segenspender die Arme aus, oder berührt mit beiden Händen
seitlich den Kopf des zu Segnenden, er spricht intensive Behütungsworte als
Widmung, als Weihe, als Gebet, als Gelübde fast. Und Christen schlagen zur
Bekräftigung das Kreuz über Gemeinde oder Paar oder dem Einzelnen. Die Bibel
sagt es noch genauer: Es gilt, den Namen Gottes aufzulegen, dass Gott segne.
Also nicht Priester oder Eltern segnen, sie bitten um den Segen, sie stellen
unter Gottes Schutz, unter dem der Betroffene ohnehin steht, aber sie
vergewissern, sie benennen noch einmal das Haus aus Segen, das Gott tagtäglich
neu errichtet mit seiner Schöpfungsenergie. Gut, wenn wir beim Abschied dem
geliebten Menschen mehr zu bieten haben als die Mahnung: “Pass auf dich auf.“
Geben wir ihm mit: „Bleib behütet; Du bist „von guten Mächten wunderbar
geborgen.“
*
Sehnsucht
nach dem verheißenen Land
Nach
vielen Jahren Wüstenzug schickte Mose Kundschafter los in Richtung Gelobtes
Land. Und sie kamen bis an den Bach Eschkol und schnitten dort eine Weinrebe ab
und trugen sie zu zweit auf einer Stange, so groß war sie; dazu auch
Granatäpfel und Feigen. Und nach vierzig Tagen, als sie das Land erkundet
hatten, kehrten sie um, und brachten Kunde, wie es stand, und sie zeigten die
Früchte des Landes vor und erzählten und sprachen: Wir sind in das Land
gekommen, in das Gott uns schickt; es fließt wirklich Milch und Honig darin und
dies sind seine Früchte.
4. Mose 13, 23,25-27
Durch das Volk Israel hat Gott viel der
Menschheit beigebracht: Gott ist ohne Abbild, darum ist auch die Natur nicht
als „Double“ Gottes zu ehren, sondern
sie ist dem Menschen zu Nutz freigegeben (und anvertraut). Und die Gebote, das ethische
Grundgesetz der Menschheit ist uns ausgegeben.. Und eine Befreiung vom Ring der
ewigen Wiederkehr hin zu einer Geschichte mit Ziel; die Menschheit wird
ausgerichtet auf die Zukunft und stark mit Hoffnung imprägniert.
Israel
verdanken wir starke Bilder zukünftiger Freude: Etwa das Goldene Jerusalem, von
dem gutes Recht ausgeht. Und die dem Menschen völlig dienende Natur, abgebildet
in der nur von zwei Männern zu tragenden Rebe und dem Land, darin Milch und
Honig fließt. So stark die Bilder auch sind- sie werden an die Wand der Zukunft
geworfen. Sie wollen eingelöst werden in Befreundung von Gott und Mensch. Sie
sind Utopie (ou topos= hat noch kein Ort), die Verheißungen Gottes gelten jeder
Generation und brauchen in jeder Generation Annäherung, Wegmarken in Richtung
Frieden.
*
Diese Erzählung ist sechshundert bis tausend Jahre
jünger als der Wüstenaufenthalt Israels.
Die Priester-Schreiber haben ihre Gegenwart im Blick. Im Exil wartet Israel als
verlorener Haufen, wieder kommt die Kriegsgeneration nicht heim, aber
hoffentlich die Enkel, die Urenkel. Wieder kann es nicht sein, daß Gott sie
vergessen hat. Wie würde Er sonst vor den Völkern blamiert dastehen, daß Er
sein Volk an den Wassern Babylons sich
totweinen lässt. Wieder lehren die
Propheten wie vorher Mose, daß mangelndes Gottvertrauen das ganze Schlamassel
heraufgeführt hat.
Die Wüstenzeit ist für
Israel die Traumzeit, das Ideal der Verlobungszeit
des Volkes mit seinem Gott. Dort lernten sie: „Gott wird für euch streiten und
ihr werdet stille sein“ (2. Mose 14,14). Aber die ferne Wüstenzeit war auch
Vorbild für eine Hoffnung mit bitterem Geschmack. Was nur Übergang
sein sollte, Wegstück vom Auszug aus dem Knechtshaus Ägypten bis zum
Einzug nach Kanaan- wurde Schmerzenszeit,
zerdehnte Zeit, bleierne Zeit- man war des ewigen Anfangs müde geworden (Manes
Sperber).
Ganze Generationen lagen
wüst, ohne Gottesdienst, ohne Aussicht, Gott und ein gelobtes Land zu schauen,
ohne überhaupt Spuren zu hinterlassen. Aber irgendwann schlug eine Generation
Feuer aus der Asche, ein Heerführer hörte Gottes Ruf: Jetzt geht’s über den
Jordan.
*
Ach Gott,
Du bist das Lebendige in allem
Fleisch
4.Mose 16,22
Wohl die grandioseste Bestimmung, wer, was Gott sei!
Nah dran ist der Hinweis: Gott hauchte dem Adam seine Seele ein, also gab von
seinem Atem einen Hauch, gab von seinem Wesen dem Menschen ab (1.Mose2,7). Darum
ist Sterben auch das Zurückgeben der Seele in seine Hände (Lukas 23,46).
*
Der Herr, unser Gott, hat einen
Bund mit uns geschlossen am Sinai
und hat nicht mit unsern Eltern diesen Bund
geschlossen, sondern mit uns, die wir heute hier sind und jetzt leben. Er hat
von Angesicht zu Angesicht mit euch aus dem Feuer auf dem Berge geredet.
Den Priestern im 6. Jahrhundert
v.Ch. war die aktuelle Gottesbegegnung so wichtig- jetzt geschieht die wahre Verkündung
der Gebote.
Das sei uns Beispiel, heute
Gott gegenwärtig zu erfahren. Jetzt ist Sinai, und wir gehorchen oder nicht.
*
Wenn dich nun deine Kinder
morgen fragen werden: Was sind das für Mahnungen, Gebote und Rechte, die euch
unser Gott geboten hat? Dann sollst du sagen: Ein umherirrender Aramäer war
mein Vater, dem Umkommen nahe, und zog hinab nach Ägypten und war dort ein
Fremdling mit wenigen Leuten und wurde dort ein großes, starkes und zahlreiches
Volk. Aber die Ägypter behandelten uns schlecht und bedrückten uns und legten
uns harten Dienst auf.
Da schrien wir zu dem
Herrn, dem Gott unserer Väter und Mütter. Und der erhörte unser Schreien und
sah unser Elend, unsere Angst und Not und führte uns aus Ägypten mit mächtiger
Hand und ausgerecktem Arm und mit großem Schrecken, durch Zeichen und Wunder,
und brachte uns an diese Stätte und gab uns dies Land, darin Milch und Honig
fließt.
5.Mose 26,5-9
Unseren Glauben schütteln wir uns nicht aus dem Ärmel.
Wie man die Stadt nicht gebaut hat, in der man wohnt, so ist man auch in den
Glauben eingezogen, der einen trägt, an dem man auch weiterbaut, der aber seine
Wurzeln, seine Basis in unsern Vorfahren
hat.
Heute mit schnellem Internet und Patchwork- Familien
verflüchtigt sich die Tradition. Wer erbt schon noch einen Jahrhunderte alten
Bauernhof mit eingeschnitztem Stammbaum der Vorfahren. Allein schon das gedankenlose
Aufgeben der Großeltern-Gräber zeigt ein vollkommenes Aufgehen in der
Gegenwart. Jetzt gilt es die Chancen zu ergreifen, jetzt muss man überzeugen,
jetzt flexibel und gewinnend sein, jetzt glücklich. Die einzige Tradition, die noch zählt, scheint
das Geld zu sein.
Und doch sehnen wir uns, zu einem guten Ganzen zu
gehören. Aber die Fußballbegeisterung etwa und Vereinstreue geben nicht genug
Halt. Gut, wer seine Familie hat, und weiß, wo er hingehört. Aber auch die
Kleinfamilie kann nicht ewig bleiben.
Gibt es was, was immer hält?
Was mich hält und trägt?
Als der Rest des zerschlagenen Israels nach
Vertreibung und Exil wieder in seine alte Heimat kam, war diese verwüstet und
leer. Was hatte man da an innerem Halt?
Was konnte einem Kraft für Zukunft geben? Die Priesterschaft rief den Bau eines
neuen Tempels aus und verklärte die Rückkehr aus Babylon als erneuten Auszug aus Ägypten und als neue Verkündung des Bundes mit seinem
Gott. Dazu half es, daß Israel sich identifiziert mit den Vätern und Müttern
des Glaubens und dem Volk Israel, das ins gelobte Land Einzug hielt.
Ähnlich sangen sich die schwarzen Sklaven auf den
Tabak-Feldern Virginias ihrer Befreiung entgegen, indem sie sich gleichsetzten
mit dem Israel, das vor Pharao auszog.
Wir sind mit
der Kirchengliedschaft auch dieser langen Tradition zugehörig. Darum ist es so
wichtig, daß wir Eltern und Großeltern unsere Kinder und Enkel einweihen in das
Zusammengehören mit Israel und den frühen Christen und den Generationen, in denen Kirche die
Gesellschaft geprägt hat.
*
Und Mose stieg aus dem
Jordantal auf den Berg Nebo, gegenüber Jericho. Und Gott zeigte ihm das ganze
Land Gilead bis hin nach Dan und das ganze Naftali und das ganze Land Ephraim
und Manasse und das ganze Land Juda bis an das Meer im Westen und das Südland
und die Gegend am Jordan, die Ebene von Jericho, der Palmenstadt, bis nach
Zoar.
Und Gott sprach zu ihm:
Dies ist das Land, von dem ich Abraham, Isaak und Jakob geschworen habe: Ich
will es deinen Nachkommen geben. - Du hast es mit deinen Augen gesehen, aber
hinübergehen sollst du nicht.
Mose starb im Land Moab,
und Gott begrub seinen Knecht dort. Und niemand hat sein Grab erfahren bis auf
den heutigen Tag.
Mose war hundertundzwanzig
Jahre alt, als er starb. Seine Augen waren nicht schwach geworden und seine
Kraft war nicht verfallen. Und es stand hinfort kein Prophet in Israel auf wie
Mose, mit dem Gott sprach von Angesicht zu Angesicht,
5.Mose 34
Mit
Wehmut schließt die große Geschichte von Mose. Viel Idealisierung ist im Laufe
der Jahrhunderte an seine Person angewachsen. Doch schon die Urfigur muss große
Kraft gehabt haben. Mose hat Gott mit Geschichte und Recht
und mit Israel verbunden. Mose ist der Architekt des Bündnisses: „Ich
will euer Gott sein und ihr sollt mein Volk sein“(2.Mose 19,5.6). Bei allem Ungehorsam gibt er Israel und damit der
Menschheit ein Existieren vor Gott „auf Augenhöhe“. Gott muss ihn sehr geliebt haben. Dabei hat Mose gemordet, hat
gezweifelt und gehadert. Dem Volk Israel blieb immer im Gedächtnis, daß dieser
Große draußen vor der Tür bleiben
musste. Aber Gott hat ihn von eigener Hand beerdigt- was meinen kann, Gott hat
ihn mitgenommen; Mose ist immer bei ihm.
* *
Nachdem Mose gestorben war,
sprach Gott zu Josua, dem Sohn Nuns, Moses Diener: Mein Knecht Mose ist
gestorben; so mach dich nun auf und zieh über den Jordan, du und dies ganze
Volk, in das Land, das ich den Israeliten, zugesagt habe.
Von der Wüste bis zum
Libanon und von dem großen Strom Euphrat bis an das große Meer gegen
Sonnenuntergang, das ganze Land der Hethiter, soll euer Gebiet sein.
Es soll dir niemand
widerstehen dein Leben lang. Wie ich mit Mose gewesen bin, so will ich auch mit
dir sein. Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen. Siehe, ich habe
dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und
entsetze dich nicht; denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun
wirst.
Josua („Gott ist Retter“)
ist die sagenhafte begnadete Figur, mit der Gott seinem Volk Heimatland
beschafft. – Das biblische Buch Josua ist Teil des großen Geschichtswerkes, das
die fünf Bücher Mose, die Bücher Josua, Richter, Samuel und Könige umfasst- 417 von den 906 Seiten des Alten
Testamentes. Es hat die Zeit vom Schöpfungsanfang bis zum Ende des Reiches
Israel zum Thema. Es wurde geschrieben in der babylonischen Exilgemeinde- nach 587
war ja Jerusalem und sein Tempel zerstört und die gesamte Oberschicht
war nach Babylon verschleppt worden. Dort hatte die Priesterschaft Zeit,
nachzudenken den Weg Gottes mit seinem störrischen Volk. Und sie wagten eine
Prophetie auf künftige Heimkehr hin und neues Erstarken unter Gottes Führung.
So nahm man die ferne
Erinnerung an die Landnahme als Hoffnungsmaterial für den Blick nach vorn. Man
wartete auf einen neuen Führer und einen erneuerten Glauben.
Natürlich haben die
Geschichten des Josua einen historischen Kern. Der aber ist nicht mehr isoliert
zu finden. Was geblieben ist, ist das starke Gewebe des Glaubens an den
geschichtsmächtigen Gott, der mit seinem Volk durch Leid zur Freude geht. Darum
sind auch uns die Erfahrungen Israels, sei es aus dem 12. oder 6. Jahrhundert
v. Chr., hilfreich. Jeder ist eingeladen,
sich in der wiederholten Geschichte mit eingebettet zu finden. Jeder
darf auf sich die wunderbare Zusage Gottes an Josua beziehen. Etwa zur
Konfirmation wird dieses starke Segenswort weitergesagt in die nächste Generation:
„Gott mit dir!“ Du bist nicht allein. Es ist eine starke Energie bei dir. Du
kannst beherzt an deine Sache gehen.
Natürlich ist Gottes
Beistand kein Freibrief für Dummheit und Angeberei. „Gott bei dir“ - das mache dich sanft, klug, barmherzig, es entfeinde
dir die Welt; du provozierst nicht. Aber es braucht eine lange
Zeit in der Schule Gottes, ihn eben nicht als Volks-Gott oder deinen
Privat-Gott, als Garant für deine Vorteile zu sehen. „Gott mit dir“ macht dich
nicht zum Sieger.- Das hat Israel in
seiner langen Geschichte mühsam gelernt, das hat Deutschland gelernt, dessen
Soldaten einst Koppelschlösser mit der Aufschrift „Gott mit uns„ trugen. Und
wird jeder lernen, der meint, auf Erfolg und Gesundheit ein Recht zu
haben.
*
Josua sandte zwei
Kundschafter aus: Geht hin, seht das Land an, auch Jericho. Sie gingen hin und
nahmen Herberge im Haus der Hure Rahab. Das wurde dem Fürst von Jericho
angezeigt. Der verlangte von Rahab, die
Männer herauszugeben, es seien Spione. Aber die Frau verbarg die beiden; Sie
hatte sie aufs Dach steigen lassen und unter Flachsstängeln versteckt.
So schwört mir nun bei
Gott, weil ich an euch Barmherzigkeit getan habe, dass auch ihr an mir
Barmherzigkeit tut, und gebt mir ein sicheres Zeichen, dass ihr leben lasst
meinen Vater, meine Mutter, meine Brüder und meine Schwestern und alles, was
sie haben, und uns vom Tode errettet.
Die Männer sprachen zu ihr:
Belohnen wir dich nicht, wenn uns Gott das Land gibt, so wollen wir selbst des
Todes sein, sofern du unsere Sache nicht verrätst.
Da ließ Rahab sie an einem
Seil durchs Fenster hernieder; denn ihr Haus war an der Stadtmauer. Die Männer
sagten „Lebewohl“ und vesprachen: Wenn wir ins Land kommen, so sollst du dies
rote Seil in das Fenster knüpfen, durch das du uns herniedergelassen hast, und
zu dir ins Haus versammeln deinen Vater, deine Mutter, deine Brüder und deines
Vaters ganzes Haus.
Sie sprach: Es sei, wie ihr
sagt!, und ließ sie gehen. Und sie gingen weg. Und sie knüpfte das rote Seil
ins Fenster. Die Männer kamen heil zurück zu
Josua und sprachen: Gott hat uns das ganze Land in unsere Hände gegeben.
Das Land steht offen für uns.
Rahab, die „Männerfreundin“
hat im Jüdischen Heiligenkalender einen guten Namen. Sie hat Gott geholfen,
seinem Volk zur Heimat zu verhelfen. Rahab spiegelt, wie Israel das Heilswerk
gerne sieht: So gewaltig ist Gottes
Einsatz für sein Israel, daß die andern Völker nur zittern können, ja, zur
Verfügungsmasse „Heiden“ herabgestuft
werden. Die sehen Israels Gott als
allmächtig- im Vergleich zu ihren kleinen Lokalgöttern und sagen: „Unser Herz
ist verzagt und es wagt keiner mehr, vor euch zu atmen; denn euer Gott ist
allmächtig.“-
So darf es Israel wohl
sehen, aber der an Jesus geschulte Glaube weiß, daß Gott nicht das Glück der
einen Kinder mit dem Unglück seiner anderen Kinder erkauft. Wohl sind die
Vorräte an Land, Wasser, Nahrung knapp, und wir Menschen finden uns in Volks- und Interessenverbänden zusammen –um
unseren Anteil uns zu sichern, auch gegen andere. Aber Gott will nicht Krieg, will auch nicht
vereinnahmt werden als „unser“ Gott.
Und doch haben immer
Menschen für Siege gedankt und für Niederlagen Buß- und Bettage ausgerufen.
Israels Einzug ins gelobte Land war ein Jahrhunderte lang dauerndes langsames
Einsickern und Sichfestkrallen. Erst im Rückblick wurde es zum kurzen großen
Triumphzug, wobei die Einnahme Jerichos und die Hilfe Rahabs ein Markstein war.
Eine kleine Kostbarkeit am
Rande: Der rote Faden, den wir oft
brauchen, hat hier einen frühen Ort.
*
Unter Josua waren sie ins
Land Kanaan gezogen. Sie hatten den Jordan durchquert, hatten die Bundeslade
mit den Gesetzestafeln mitten im Fluss abgesetzt, und die Fluten stauten sich,
dass sie hindurchziehen konnten. Und sie kamen zur großen Stadt Jericho.
Jericho aber war verbarrikadiert
vor den Israeliten.
Aber Gott sprach zu Josua: Sieh, ich gebe Jericho samt
seinem Fürsten und seinen Kriegsleuten in deine Hand. Lass eure Kriegsmänner
rings um die Stadt herumgehen, einmal sechs Tage lang. Und lass sieben Priester
sieben Posaunen tragen vor der Lade her, und am siebenten Tage zieht siebenmal
um die Stadt und lass die Priester die Posaunen blasen. Und wenn man die
Posaune bläst und es lange tönt, so soll das ganze Kriegsvolk ein großes
Kriegsgeschrei erheben, wenn ihr den Schall der Posaune hört. Dann wird die
Stadtmauer einfallen und das Kriegsvolk soll hinaufsteigen und die Stadt
einnehmen. Und so geschah es.
Die Posaunen, die Jerichos
Mauern wanken ließen, sind berühmt. Sie stehen für die Hand Gottes, die auch
das Unmöglichscheinende möglich machen kann. Wenn sie will. Dürfen wir Gott
bitten, zu unserm Vorteil und anderer Nachteil ins Geschehen einzugreifen?
Gottes Wesen ist Kraftvergeudung, ist Verschwenden von Liebe. Gott weiß auch
unsere Wünsche zu sortieren. Er tut nichts Unrechtes. Darum erfüllt er unsere
Wünsche mehr, indem er es anders macht als wir erhoffen. Hinterher sehen wir, was richtig war.
Ob die Mauern wankten durch
den Hall der Posaunen? Israel erzählt es. Wenn ein hoher Ton Gläser splittern
lassen kann, können auch Posaunen Mauern eindrücken, warum nicht? Israel
erzählt, daß der Einzug ins gelobte Land eine Kette von Wundern war. Ist mein,
dein Leben nicht auch wunderbar?
Die „Posaunen von Jericho“
sind auch ein Bild für Geisteskraft, die siegt. Nicht nur „Heer oder Macht“
sondern Gottvertrauen und Willen
und geistiges Ringen bewegen die
Welt.
Welche Mauern müssen bei
dir einstürzen, daß dir neues Leben blüht?
*
Josua sprach zum Volk.
Achtet Gott, dienet ihm recht und lasst die falschen Götter fahren. Gefällt es
euch aber nicht, dem einen Gott zu dienen, so wählt euch heute, wem ihr dienen
wollt: Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen.
Es muss entschieden sein.
Gott dienen- das ist zuerst ein Nein, dem Geld zu dienen, der Karriere, dem
Siegersein, dem kleinen, eigenen Vorteil. Gott dienen heißt, seiner Schöpfung
dienen- Mitmensch, Mitkreatur sein- nicht zertreten sondern zum Gedeihen
helfen, was mutmaßlich der Herr gedeihen lassen will. Gott dienen- ist auch,
sich seiner Wohltaten bedienen, ist Taugen, jenseits von Leistung; ist Sich
schwach zeigen dürfen; neu anfangen können. Täglich gibt es vielmals ein
Entweder-Oder. Machen wir es richtig.
*
Und nach langer Zeit, als
Gott Israel Ruhe verschafft hatte vor allen seinen Feinden ringsumher und Josua
nun alt war, rief er ganz Israel zusammen und redete diese Worte: Ich bin alt,
und ihr habt alles gesehen, was euer Gott euch Gutes getan hat gegen alle diese Völker; euer Gott, hat selber für
euch gestritten.
Die Völker, die noch nicht unterworfen sind
ringsum, die teile ich euch durchs Los zu; einem jeden Stamm sein Erbteil. Und der Herr, euer Gott, wird sie vor euch
vertreiben, und ihr werdet ihr Land einnehmen, wie euch euer Gott, zugesagt
hat.
So haltet nun ganz fest
daran, dass ihr alles tut, was geschrieben steht im Gesetzbuch des Mose, und
nicht davon weicht, weder zur Rechten noch zur Linken, damit ihr euch nicht
mengt unter diese Völker, die noch übrig sind bei euch, und nicht anruft und
schwört bei dem Namen ihrer Götter noch ihnen dient noch sie anbetet, sondern
dem Herrn, eurem Gott, sollt ihr anhängen, wie ihr bis auf diesen Tag getan
habt.
Der Herr hat vor euch große
und mächtige Völker vertrieben, und niemand hat euch widerstanden bis auf
diesen Tag. Einer von euch jagt tausend; denn euer Gott, streitet für euch, wie
er euch zugesagt hat. Darum achtet ernstlich darauf um euer selbst willen, dass
ihr den Herrn, euren Gott, lieb habt.
Israel blickt zurück auf
seine glücklichste Zeit: Die Zeit der Landnahme – ging aber nicht so ideal und
schnell vonstatten. Als Israel sesshaft
geworden ist unter seinen Königen ab 1000 vor Chr., da schuf sich Israel seine
Ideale Geschichte- im traumhaften Rückblick war Gott der wunderbare Held
gewesen, der den zwölf Stämmen Israels Heimstatt gab.
Unter dem Namen Josua ist die
Jahrhunderte dauernde Landnahme zusammengezogen, zusammengeschnurrt. Das Land
hat Gott für sein Volk beschafft –ein Leben in Gehorsam wäre die einzige
richtige Antwort. Die Priester des 6. Jahrhunderts schreiben das große
Geschichtswerk von der Schöpfung bis zum Heimatfinden Israels im Gelobten Land.
Die Gegenwart sieht anders
aus, sie ist gezeichnet von Armut, Mutlosigkeit, Ungehorsam und Verweltlichung.
Die Propheten müssen Schwerstarbeit leisten, um Gott noch Gehör zu verschaffen.
Ein Wiedererrichten des Tempels steht an. Da ist es gut zu erinnern, welchen
allmächtigen Gott Israel an seiner Seite hat, auch wenn die goldnen Zeiten
innigen Einvernehmens weit zurückliegen.
Es sollen umkommen, Gott,
alle deine Feinde! Die dich aber lieb haben, sollen sein, wie die Sonne aufgeht
in ihrer Pracht!
Im Buch Richter sind Geschichten der Eroberung Kanaans
durch Israel versammelt. Immer wieder taucht der Satz auf „und sie konnten
nicht einnehmen“. Doch auch ermutigende Geschichten sind hier überliefert. Groß
ist der Stoßseufzer: „umkommen sollen alle Feinde Gottes!“ Israel sieht sich als Streiter für die Ehre
des Allmächtigen. Israel hält es für ausgeschlossen, diesem Gott nicht die Ehre
zu geben. Aus Sicht Israels ist es ein Gott zum Lieben, weil er sich für dieses
kleine Volk so müht. Und sie selber
sollen strahlen, die Gottes Namen zum Strahlen bringen. Dass
Gott nicht seine Feinde umbringt sondern sie bekehrt zu sich- ja, dass Gott keine Feinde hat,
schlimmstenfalls Verblendete- das hat
Jesus aufgetan.
* *
Ruth
Zu der Zeit, als Richter richteten, entstand eine
Hungersnot im Lande. Und ein Mann von Bethlehem in Juda zog aus ins Land der
Moabiter, um dort als Fremdling unterzukommen mit seiner Frau und seinen beiden
Söhnen.
Der hieß Elimelech und seine Frau Noomi und seine
beiden Söhne Machlon und Kiljon; die waren Efratiter aus Bethlehem in Juda. Und
als sie ins Land der Moabiter gekommen waren, blieben sie dort. Und Elimelech,
Noomis Mann, starb und sie blieb übrig mit ihren beiden Söhnen. Die nahmen
moabitische Frauen; die eine hieß Orpa, die andere Ruth. Und als sie ungefähr
zehn Jahre dort gewohnt hatten, starben auch die beiden, Machlon und Kiljon,
sodass die Frau beide Söhne und ihren Mann überlebte.
Da machte sie sich auf mit ihren beiden
Schwiegertöchtern und zog aus dem Land der Moabiter wieder zurück; denn sie
hatte erfahren im Moabiterland, dass Gott sich seines Volkes angenommen und
ihnen Brot gegeben hatte.
Und sie ging aus von dem Ort, wo sie gewesen war, und
ihre beiden Schwiegertöchter mit ihr. Und als sie unterwegs waren, um ins Land
Juda zurückzukehren, sprach sie zu ihren beiden Schwiegertöchtern: Kehrt um,
eine jede ins Haus ihrer Mutter! Der Herr tue an euch Barmherzigkeit, wie ihr
an den Toten und an mir getan habt.
Der Herr gebe euch, dass ihr Ruhe findet, eine jede in
eines neuen Mannes Hause! Und sie küsste sie. Da erhoben sie ihre Stimme und
weinten. Ruth aber blieb bei ihr.
Sie aber sprach: Siehe, deine Schwägerin ist umgekehrt
zu ihrem Volk und zu ihrem Gott; kehre auch du um, deiner Schwägerin nach.
Ruth antwortete: Rede mir nicht ein, dass ich dich
verlassen und von dir weggehen soll.
Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du
bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein
Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Nur der
Tod wird mich und dich scheiden.
Später fand sie einen guten Mann namens Boas und gebar
noch einen Sohn, namens Obed, der wurde Vater des Isai, der aber wurde Vater
Davids.
Ruth 1,1- 17; 4,13.22
Zu den Helden der Menschheit, die uns das Alte Testament
überliefert, gehören auch die großen Frauen: Sara, Rebecca, Lea, Rael, Mirjam,
die Schwester des Mose und auch Ruth, die Urgroßmutter des David. Ruth singt
ein hohes Lied der Treue, das zwar ihrer Schwiegermutter gilt und doch zum
Hochzeitswort erster Klasse geworden ist: Ein Weg, eine Bleibe, ein Volk, ein
Glaube, eine Zukunft, (ein Konto) ein Grab- inniger kann sich Liebe nicht
ausdrücken- Über Volk und Einzelnem steht das Paar, die intensive Befreundung,
die nur der Tod zu scheiden vermag.
*
*
1.Samuel
Ein starkes Lied
Hanna und
Elkana hatten keine Kinder. Aber nach viel Warten und Beten wurde Hanna
schwanger und gebar Samuel-„ich habe ihn von Gott erbeten“.
Sie jubelte und sprach:
Mein Herz ist fröhlich in Gott, er hat gemacht, daß
ich wieder erhobenen Hauptes dastehe. Niemand ist heilig wie der Herr, außer
dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist.
1.Samuel 1.20; 2,1.2
Eine ganz persönliche Not
wird gewendet. Und ein jauchzendes Lied findet ins Freie, ein Triumphlied, in
das ein Volk seine Not und Rettung mit einzeichnen kann. Es ist ein Heilsruf
voller Kraft bis heute.
Die Geburt eines Kindes
wird als Schöpfungswerk erlebt. Hanna sieht ihren persönlichen Mangel gewendet,
sieht sich als Mitarbeiterin Gottes, als Mitschöpferin. Hat nicht jede Frau,
die ein Kind geboren hat, dieses grandiose Gefühl, den Sohn, die Tochter Gottes
zur Welt gebracht zu haben? Hanna jedenfalls sieht sich erhoben. Und erlebt
sich als Verkünderin des Glanzes Gottes.
*
Der das Wechselbad des Lebens
anrichtet
Der Bogen der Starken ist zerbrochen, und die
Schwachen sind umgürtet mit Stärke. Die da satt waren, müssen um Brot dienen,
und die Hunger litten, hungert nicht mehr.
Die Unfruchtbare hat sieben
geboren, und die viele Kinder hatte, welkt dahin.
1.Samuel 2,4.5
Es ist eine besondere Leidenschaft Gottes, die
Erniedrigten aufzuheben. Und die Hungrigen wieder zu sättigen. Starke sollen nicht
stark bleiben, schwache nicht schwach. Wandel treibt die Geschichte. Die
Mächtigen haben keine Garantien; “ein Wörtlein kann sie fällen“ (Martin Luther).
Bonhoeffer schreibt, „dass die prinzipielle Aufhebung
der göttlichen Gebote im vermeintlichen Interesse der Selbsterhaltung gerade
dem Interesse der Selbsterhaltung entgegenwirkt… Es ist so eingerichtet in der
Welt, dass die grundsätzliche Achtung der letzten Gesetze und Rechte des Lebens zugleich der Selbsterhaltung am
dienlichsten ist.“ Wird grundsätzlich gesündigt, kommt man zu Fall,
unerbittlich, es ist nur eine Frage der Zeit.
*
Beides
Der Herr tötet und macht lebendig, er führt hinab zu
den Toten und wieder herauf.
Gott macht arm und macht reich;
erniedrigt und erhöht.
Er hebt den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den
Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten. Denn die Grundfesten
der Welt sind sein.
1.Samuel 2,6-8
Alle Macht, alle Energien
gehören Gott. Leben anrichten, es erhalten und dann auch ausgehen lassen ist
seine Sache. Aber er hat keine Freude an Schmerzen, Jammer, Tränen. Seine
Leidenschaft ist Freude, Liebe, Gelingen, Entwickeln. Doch der Lauf der Natur
zerstört auch, und seine geliebten Menschen können zu Mördern werden. Und es
ist seine Natur und es sind seine Menschen.
Gott übernimmt für alles
letztlich die Haftung. Der Fluß des Lebens fließt in ihm, alles Grauen fällt
auf Gottes Seele. Darum aber hat aller Jammer Hoffnung am Horizont, alle Tränen
der Nacht warten auf den neuen Morgen. Es ist Aussicht auf Besserung. Schon werden viele Arme gerettet.
Schon ist viel mehr Freude als Hass, sonst wären wir längst untergegangen. Das
kommt davon, daß Gott eine Tendenz zum Guten ins Werden eingesät hat. Diese aufspüren
und sie mehren und sie feiern ist unser Auftrag.
*
König Saul
Der Prophet Samuel sprach zu Saul: Gott hat mich
gesandt, dass ich dich zum König salben soll über sein Volk Israel.
Nach Jahren der Herrschaft Sauls geschah ein anderes
Wort Gottes zu Samuel:
Es reut mich, dass ich Saul zum König gemacht habe;
denn er hat sich von mir abgewandt und meine Befehle nicht erfüllt.
Darüber wurde Samuel zornig und schrie zu Gott die
ganze Nacht. Dann ging er zu Saul und richtete ihm Gottes Wort aus: Du hast
Gottes Weisung verworfen. Weil du sein
Wort verworfen hast, hat er dich auch verworfen, dass du nicht mehr
König seiest.
Und Samuel wandte sich um zum Weggehen. Da ergriff ihn
Saul bei einem Zipfel seines Rocks; aber der riss ab. Da sprach Samuel zu ihm:
Gott hat das Königtum Israels heute von dir gerissen und einem anderen gegeben,
der besser ist als du. Und Samuel sah Saul fortan nicht mehr bis an den Tag
seines Todes. Aber doch trug Samuel Leid um Saul, weil es Gott gereut hatte,
dass er Saul zum König über Israel gemacht hatte.
1. Samuel 15,1.11;23,27.28.35
Das Werden des Königtums in Israel liegt im
Dunkeln. Aus den Großfamilien mit ihren Patriarchen wurden Volksstämme mit
charismatischen Führern. Etwa 1100- 1000 v.Ch. hatten die Stämme Israels soweit
zusammengefunden, dass sie wie die Ländern ringsum, einen Bund unter einem
König wollten.
Der erste König Saul war
glücklos. Der Prophet Samuel, der eigentlich im Königtum einen Abfall vom
einzigen König, Gott allein, sah, hatte widerwillig Saul zum König gesalbt. Als
er jetzt diesem die Kündigung überbringen sollte, war ihm Saul ans Herz
gewachsen und er haderte mit Gott, fügte sich dann aber doch.
Israel hatte ein einzig
inniges Verhältnis zu Gott, Israel konnte mit Gott schimpfen und ihm auch
unterjubeln, er sei wankelmütig. Wenn Israel annimmt, Gott könne auch Fehler
machen, dann ist es nur menschlich von Gott gedacht, dass ihn auch was reuen
kann.
Seit Jesus denken wir da
anders drüber. Gott weiß, was aus was wird. Und er will sich nie mehr die
Schöpfung des Menschen gereuen lassen. Er steht zu seinem Werk und wird es
vollenden. Bis dahin leidet er die Grausamkeiten seiner Menschen und das Leid
aller Kreatur mit.
*
Gott sprach zu Samuel:
Fülle dein Horn mit Öl: Ich will dich senden zu dem Bethlehemiter Isai; denn
unter seinen Söhnen hab ich mir einen zum König ersehen.
Und Samuel kam nach
Bethlehem. Und sprach: Mein Kommen bedeutet Heil. Kommt mit mir zum Opfer. Und
er segnete den Isai und seine Söhne.
Als sie nun kamen, sah er
zunächst den Eliab an und dachte: Fürwahr, das ist der Gesalbte.
Aber Gott sprach zu Samuel:
Schau nicht auf sein Aussehen und seinen hohen Wuchs. Menschen sehen, was vor
Augen ist; Gott aber sieht das Herz an.
Da rief Isai den Abinadab
und ließ ihn an Samuel vorübergehen, ebenso seine anderen Söhne. Aber Samuel
sprach zu Isai: Gott hat keinen von ihnen erwählt. Aber sag: Sind das alle Knaben?
Er aber sprach: Es ist noch übrig der jüngste; der hütet die Schafe. Da sprach
Samuel zu Isai: Lass ihn holen; Und als er kam, sprach Gott: Auf, salbe ihn,
denn der ist’s.
Da nahm Samuel sein Ölhorn
und salbte ihn mitten unter seinen Brüdern. Und der Geist Gottes geriet über
David von dem Tag an.
1.Samuel 16, 1-13
Eine Geschichte mit Hintergrund: Schon bald entwickelt
sich in Israel ein Königtum der Erbfolge- die Erinnerung entschwand, daß Gott
selbst der König Israels sei und sogar als Heerführer dem streitbaren Volk
vorausging. Die ersten beiden Könige werden noch erwählt durch den Propheten.
Der weiß, wen Gott meint. Doch auch er ist bedroht, durch augenscheinliche
Begeisterung. Auch er muss lernen, dass für Gott die inneren Werte zählen.
Hinter der Herde hervorgegriffen wird der später so
große David. Es soll eingeschärft bleiben, daß der Mensch zum Helden wird,
indem Gott ihn besetzt und begeistert.
„Von Jesse kam die Art“ singt das Weihnachtslied „Es
ist ein Ros entsprungen“- Die „Wurzel Jesse“ (Isai) aus Bethlehem weist zurück
auf Jesu Vorfahren, die glaubensstarke Ruth, Jakob und Abraham- den „Vater des
Glaubens“. Durch Jesu Geburt in Bethlehem wird später klargestellt, daß der irdische
Vater Jesu, Josef, „aus dem Hause und
Geschlechte Davids“ stammt, also von weit her gewollt ist.
*
Der Geist des Herrn aber
wich von Saul und ein böser Geist von Gott her ängstete ihn.
Da sprach Saul zu seinen
Leuten: Seht euch um nach Einem, der des Harfenspiels kundig ist, dass er mir
spiele, wenn der böse Geist Gottes über mich kommt. Einer der Berater Sauls
wusste, daß ein Sohn Isais Harfe spielen
konnte. Man rief ihn und so kam David zu Saul und diente ihm. Und Saul gewann
ihn sehr lieb und er wurde sein Waffenträger.
Und sooft der böse Geist von Gott über Saul kam,
nahm David die Harfe und spielte darauf. So wurde es Saul leichter und es ward
besser mit ihm und der böse Geist wich von ihm.
1. Samuel 16,14-23
Bedrückend ist der Verfall,
den ein Mensch erleiden muss, sehenden Auges. Saul weiss um sich. Er fühlt
seine guten Kräfte schwinden und dass böse Ängste ihn besetzen. Ist Gott
Urheber aller Macht, ist auch böser Geist
aus seinem Schatz- und wenn es nur so ist, daß der gute Geist nachlässt
und dadurch die dem Menschen eingegebenen dunklen Instinkte durchbrechen. Wenn
alle guten Kräfte von Gott kommen, ist der Mangel guter Kräfte auch von Gott –
er bleibt zuständig und verantwortlich. Wahrlich schwer ists- Gott zu sein.
Zu den guten Kräften gehört
sicher die Musik. Ein guter Gesang wischt die Angst vom Herzen- schon
mitsingen, mitklingen dürfen, verschafft Luft gegen die Erstickung an sich
selbst. Luther sagte: „Die Musik ist aller Bewegung des Herzens eine
Regiererin. Nichts auf Erden ist stärker, die Traurigen fröhlich, die
Fröhlichen nachdenklich, die Verzagten mutig zu machen und die Überheblichen
zum Maßhalten zu führen- und Neid und
Hass zu lindern als die Musik.“
Die Philister sammelten ihr
Heer und auch die Männer Israels unter König Saul rüsteten sich zum Kampf. Da
trat aus den Reihen der Philister ein Riesenkerl auf mit Namen Goliat. Der war mit
Helm, Schuppenpanzer und Bein-Schienen geschützt, er trug einen eisernen
Wurfspieß auf seiner Schulter, ein Schildträger ging ihm voran.
Der Riese baute sich vor
Israels Heer auf und rief: Erwählt einen unter euch, der zu mir herauskommen
soll. Kann er mich besiegen, so wollen wir eure Knechte sein; vermag ich aber
über ihn zu siegen, so sollt ihr unsere Knechte sein und uns dienen. Als Israel
diese Rede des Philisters hörte, fürchteten sie sich sehr.
Es gab da aber einen
Jüngling namens David, Sohn des Isai aus Bethlehem Efrata in Juda. Der hütete
noch die Schafe der Eltern. Einmal
brachte er wieder seinen Brüdern, die in den Diensten Sauls standen, zu essen.
Und als er sich noch mit ihnen unterhielt, da kam der Goliat herauf und redete
Hohn und Spott gegen Israel.
König Saul aber lobte hohe Belohnung aus: Wer ihn
erschlägt, den will der König reich machen und ihm seine Tochter geben und will
ihm seines Vaters Haus frei machen von allen Steuern.
Da sprach David zu den
Männern: Bringt mich vor Saul. Und man brachte ihn zum König.
Und David sprach zu Saul: Wegen
dem lasse keiner den Mut sinken; dein Knecht wird hingehen und mit diesem
Philister kämpfen. Ich habe als Hirte Löwen und Bären erschlagen, und der Gott,
der mich von Löwen und Bären errettet hat, der wird mich auch erretten von diesem
Philister. Und Saul sprach zu David: Geh hin, Gott sei mit dir!
Und David nahm seinen Stab
in die Hand und wählte glatte Steine aus dem Bach und tat sie in die
Hirtentasche, und nahm die Schleuder in die Hand und ging dem Philister
entgegen.
Der sprach zu David: Bin
ich denn ein Hund, dass du mit einem Stecken zu mir kommst? Und der Philister
fluchte dem David bei seinem Gott. David aber sprach zu dem Philister: Du
kommst zu mir mit Schwert, Lanze und Spieß, ich aber komme zu dir im Namen des
Herrn der himmlischen Heerscharen, den du verhöhnt hast. Heute wird dich Gott
in meine Hand geben.
Und er nahm einen Stein aus
der Tasche und schleuderte ihn- er traf den Philister so, dass der Stein in
seine Stirn fuhr und er zur Erde fiel auf sein Angesicht.
So überwand David den
Philister mit Schleuder und Stein und traf und tötete ihn. Als aber die
Philister sahen, dass ihr Stärkster tot war, flohen sie alle.
David gegen Goliat –das ist
bis heute Muster für das ungleiche, feindliche Paar. Der Riese steht für Macht,
der Kleine für Gewitztheit. Der eine für Getöse und große Reden, der andere für
Gottvertrauen. David ist auch der Held für steinewerfendes Jungvolk gegen
Militär und Panzer; der entgegenstürmende David steht auch für Partisanen, die große Militärmaschinen
überrumpeln. Und David steht für alle, die für eine Überzeugung streiten; ja, die im Namen ihres Gottes
kämpfen.
Fraglich ist, ob David
einen oder fünf Steine bei sich hatte- ob er mehrere Versuche veranschlagt oder
alles auf eine Karte setzt. Wenn Gott diesen Krieg kämpft, reicht einer, könnte
man denken. Aber auch der zweite oder
dritte Versuch kann gesegnet sein.
Diese Geschichte ist auch
Modell für das Sich nicht unterkriegenlassen
in aussichtslos scheinenden Lagen. Wenn du glaubst, daß Gott für dich
kämpft, dann setz auf Geduld, Vernunft, Entgegenkommen, auf Argumente statt Waffen. Alle Zukurzgekommenen
dürfen immer noch Gott auf ihrer Seite wissen. Da kann ein Wörtlein die Sache
wenden. Im Lutherfilm spielte Peter Ustinow den Kurfürsten Friedrich, der mit Geschick und List und Zeitverzögerung dem
großen Kaiser Maximilian den Mönch
abluchste und in die Sicherheit der Wartburg verbrachte. Und so wurde die
Reformation.
* *
2.Samuel
Gottes Verheißung für David
und sein Königtum
Eines Tages, als der König
in seinem Hause saß und Gott ihm Ruhe
gegeben hatte vor allen seinen Feinden, sprach er zu dem Propheten Nathan: Das
kann doch nicht angehen: Ich wohne in einem Zedernhause , und die Lade Gottes
Das ist ein großes Stück
Theologie, ein abschließendes Denkstück
von der Vertrautheit Davids mit Gott und dessen weitreichender
Verheißung.
Gut möglich, daß David voll
überschäumender Dankbarkeit mal Gott ein großes Haus bauen wollte. Der gute
Wille aber wird von Gott selbst vertagt auf den Nachfolger. Eine entscheidende
Korrektur wird festgeschrieben: Nicht Gott bekommt ein Haus- höchstens der Name
bekommt – eine Schatulle? Dies klärt, daß die Gegenwart Gottes nicht hinter
Schloss und Riegel festgesetzt sein kann.
Gott legt sich auch fest
auf Israel als Sein Volk- und den König als Seinen Sohn. Der König wird zum
Sohn Gottes adoptiert- was später ein Denkmuster für die Gottessohnschaft Jesu
abgibt.
*
Eines Abends erging sich
David auf dem Dachgarten des Königshauses; da sah er gegenüber eine Frau sich
waschen; und die Frau war von sehr schöner Gestalt. Und David ließ nach der
Frau fragen und man sagte: Das ist Batseba, die Frau des Hauptmanns Uria.
David ließ sie holen und
schlief mit ihr. Und die Frau wurde schwanger und ließ David das ausrichten. Da
schickte David Nachricht an Joab, den Kommandanten der Truppen, die gegen die
Ammoniter im Krieg waren: Gib Uria ein paar Tage frei, daß er sich um seine
Frau kümmere, gib ihm Geschenke mit.
Uria ging zwar nach
Jerusalem, aber er legte sich schlafen vor der Tür des Königshauses, wo andere
Kriegsleute seines Herrn auch lagen, und ging nicht hinab in sein Haus.
Als man das dem David
ansagte, ließ er Uria kommen und fragte ihn, warum er es sich nicht gut gehen
lasse bei dem kurzen Heimaturlaub. Uria aber sprach zu David: Die Kameraden
liegen auf freiem Felde, und ich sollte in mein Haus gehen, um zu essen und zu
trinken und bei meiner Frau zu liegen? So wahr Gott lebt: Ich tue es nicht.
David aber lud ihn ein, und machte ihn betrunken. Und trotzdem ging er nicht hinab in sein Haus.
Am andern Morgen schrieb
David einen Brief an Joab und sandte ihn durch Uria. Er schrieb in dem Brief:
Stellt Uria an die vorderste Front; dort, wo der Kampf am härtesten ist, und
zieht euch hinter ihm zurück, dass er erschlagen werde und sterbe.
Als nun Joab die Stadt
belagerte, stellte er Uria dorthin, wo er wusste, dass dort eine Übermacht war.
Und Uria starb, wie geplant.
Und als Urias Frau hörte,
dass ihr Mann Uria tot war, hielt sie Totenklage um ihren Ehemann. Sobald sie
ausgetrauert hatte, sandte David hin und ließ sie in sein Haus holen, und sie
wurde seine Frau und gebar einen Sohn. Aber Gott missfiel die Tat, die David getan hatte.
Auch der von Gott Erwählte ist nicht vor Sünden geschützt.
Ja, bei den großen Lichtern des Herrn ist auch viel Schatten. Aber Gott
geht mit dem Menschen und seiner Last. Es bleibt die Frage, warum Gott uns in die Falle von Schuld so tappen
lässt. Das ist wohl des Menschen Glanz und Elend- dass ihm vorgelegt wird Gut
und Böse und er entscheiden muss. Und er kann sein Leben ändern, kann ein
anderes Leben erhalten, wenn er imstande ist, mit seinem ersten Leben gründlich
aufzuräumen. Aber das bekannte Unglück
ist einem näher als das unbekannte Glück. Darum bleiben wir meist, die wir
sind.
An David zeigt sich die
Versuchung der Macht. Er ist gierig, die Frau sich zu Willens zu machen; die
Liebesnacht wird vom Schicksal, von Gott zur Zeugung genutzt. Der im Krieg
weilende Ehemann wird nach Haus beordert, ein Lieben der Eheleute soll den
Seitensprung vertuschen. Der Mann will aber keine Vorzugsbehandlung, er geht
nicht nach Hause- so wird er leider umgebracht- und transportiert vorher
unwissentlich den ihn betreffenden Mordbefehl.
Und der Feldherr kuscht und
die Frau kuscht und der König feiert nach der Schamfrist Hochzeit mit der Witwe
des Ermordeten.
Gut, dass Gott weiss. Wäre
Gott nicht, wäre alles erlaubt, so Dostojewski. Aber Gott missfiel… ist die
Rettung.
Nathans Strafrede.
Und Gott sandte den Propheten Nathan zu David. Der
sprach zu ihm: Höre zu: Es waren zwei
Männer in einer Stadt, der eine reich, der andere arm.
Der Reiche hatte viele Schafe und Rinder; aber der
Arme hatte nichts als ein einziges kleines Schäflein. Das nährte er, auf dass
es groß würde zugleich mit seinen Kindern. Es aß von seinem Bissen und trank
aus seinem Becher und schlief in seinem Schoß und er hielt’s wie sein Kind.
Als aber zu dem reichen Mann ein Gast kam, brachte
er’s nicht über sich, von seinen Schafen und Rindern zu nehmen, um dem Gast
etwas zuzurichten- sondern er nahm das Schaf des armen Mannes und richtete es
dem Mann zu, der zu ihm gekommen war.
Da geriet David in großen Zorn über den Mann und
sprach zu Nathan: So wahr Gott lebt: Der Mann ist des Todes, der das getan hat!
Da sprach Nathan zu David: Du
bist der Mann!
So spricht Gott: Es soll von deinem Hause das Schwert
nimmermehr lassen und auch dir soll die Frau genommen werden. Da sprach David
zu Nathan: Ich habe gesündigt gegen Gott.
Nathan sprach dann zu David: So hat auch Gott deine
Sünde weggenommen; du wirst nicht sterben. Aber weil du die Ungläubigen durch
diese Sache zum Lästern gebracht hast, wird der Sohn, der dir geboren ist, des
Todes sterben.
Grandios ist Nathans
Bußpredigt- ein Muster an Entlarvung Der eben noch meinte, Richter zu sein,
erkennt sich als Täter. Sein Richtspruch trifft ihn selbst. David bekennt sich
schuldig und bereut. Er übernimmt Strafe.
Das Sterben des Kindes als
Strafe ist uns nicht nachvollziehbar. Aber die Früheren billigten dem Kind noch
keinen Eigenwert zu. Die Frau war noch Besitz des Mannes und das Kind Besitz
des Vaters. Erst in längerem Umgang Gottes mit den Menschen wird erkennbar, daß
die Würde jedes Menschen unantastbar ist.
David führte Krieg um
Krieg, er gründete das Königreich Israel, mit „seiner“ Stadt Jerusalem als
Mittelpunkt und Klammer der beiden Reiche Israel und Juda. Israel hatte eine
Ausdehnung die nie mehr überboten wurde,
was Grund war für die später immer wieder aufflammende Sehnsucht nach der
Wiederkunft eines neuen Davids.
Die Söhne Amnon und Absalom
starben. Nach langem Zögern in hohem Alter setzt er seinen Sohn Salomo als
Nachfolger ein. Dessen heilsames Singen und Saitenspiel war berühmt, viele
Psalmen sollen auf ihn zurückgehen. Von ihm gilt wohl: Glücklich, wer sich Glücken
geschehen lässt.
Salomo hat Gott lieb
Und als Salomo erwachte,
siehe, da war es ein Traum. Und er kam nach Jerusalem und trat vor die Lade des
Bundes des Herrn und opferte Brandopfer und Dankopfer und machte ein großes
Festmahl.
1.Könige 3, 1-15
König Salomos Regierungszeit von 962-926 war Israels
große Zeit. Salomo muß wohl klug und fromm gewesen sein- eine glückhafter
Mischung. Klugheit lehrt, die Wirklichkeit zu nutzen in den Grenzen des
Erlaubten. Die Gebote sind ihm Leitlinien für gelingendes Leben. Großmut und
Dankbarkeit gegen Gott und das Leben zeichnen ihn aus. Er kann Dienen und
Genießen zusammenhalten, kann leuchten ohne zuviel Schatten zu werfen. Seine Weisheit
ist sprichwörtlich geworden.
*
Vernunft und gesunder
Menschenverstand, Menschenkenntnis und hellsichtige Wachheit sind Gaben Gottes-
König Salomo wurde weise genannt, Seine Sprüche, seine Sentenzen und diese
Geschichte machten ihn weltberühmt.
Zwei Frauen streiten um ein
Kind, beide geben sich als die Kindsmutter aus.
Im „Kaukasischen Kreidekreis“ (nach Bert Brecht) sollen die Mütter eine
Entscheidung herbei führen, indem sie eigenhändig das Kind zu sich zerren sollen. Ob Schwert oder
Reißen- eine Frau gibt nach: Lieber will sie verzichten als dem Kind Leid
zufügen. Und der weise König ernennt sie
zur wahren Mutter.
Damit ist ein
Grundsatzurteil zugunsten des Kindes gefällt: Mutter ist, wer mütterlich mit
dem Kind umgeht, nicht unbedingt die, die geboren hat. Nicht Fleisch und Blut
sondern die Liebe macht einander verwandt.
Das ist die zweite
Schwächung des Blut- und Bodenrechtes der Urzeit. Vorangegangen war schon das
Verbot des Kindesopfers. Abraham darf den Sohn Isaak nicht opfern, selbst wenn
er den Befehl dazu von seinem Gott erhalten haben sollte; das ist Gottes
Auftrag. Also dürfen die Väter auch nicht mehr die Söhne in ihren Krieg
schicken.
Sowohl bei Abraham als bei
Salomo fängt die Erkenntnis an zu keimen: Die Eltern sind für die Kinder da,
die Gegenwart soll der Zukunft Chancen einräumen. Ein weites Feld.
*
Salomo baut den Tempel
Salomo war Herr über alle Königreiche vom Euphratstrom
bis zum Philisterland und bis an die Grenze Ägyptens. Er hatte Frieden mit
allen seinen Nachbarn ringsum, Juda und Israel wohnten sicher, jeder unter
seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum, Und Salomo ging daran, dem Namen
des Herrn, seines Gottes, ein Haus zu bauen.
Aus 1.Könige 5-8
Der erste jüdische Tempel war ein Werk edler Baukunst
und ehrfurchtgebietender Ausstrahlung. Er löste die vielen kleinen Kultstätten
im Land ab und gab den zentralen Ort für den blühenden jüdischen Glauben. An diesem Zentrum wuchs in enger Bindung ans Königshaus eine
starke Kaste der Priesterschaft. Neben Gottesdiensten und Opferhandlungen war
die Rechtsauslegung beim Tempel angesiedelt. Eine wissenschaftliche Elite erstellte, kopierte,
sammelte die Heiligen Schriften und stritt um die Theologie- das rechte
Verständnis von Gottes Geschichte mit den Menschen und um das rechte Menschsein im Alltäglichen.
Später ging es immer mehr um die korrekte Anwendung der Gebote. Vor allem durch
immer genauere Unterscheidung von rein und unrein hoffte Israel das besondere
Rechtsverhältnis mit Gottes sichern zu können. Die Propheten kämpften bald für
einen Herzensgehorsam, jenseits von
opernhaft dargebrachten Opfern.
*
Wo wohnt Gott
*
Prophet Elia verkündete dem König Ahab : Wegen eures
Götzendienstes entzieht euch der wahre, der einzige Gott den Regen, ein ganzes Jahr lang. Dann floh Elia. Gott hatte
ihm geboten, zum Bache Krit zu gehen, der werde Wasser bereit haben für Elia
und Raben würden ihn versorgen.
1.Könige 17,1-3
Es war 100 Jahre nach dem Tempelbau in Jerusalem:
Israel ist groß geworden und hat sich weite Teile von Kanaanäer-Land
unterworfen. Dort aber, auf dem Land, glaubte man noch an Baalsgötter, die in Zeugen und Gebären ihren angestammten
Offenbarungsort hatten. Elia aber war berufen, den Glauben an den Gott Israels
auszubreiten. Der ist auch Schöpfer, aber vor allem ein Fordernder, ein
Erziehender: Die Gebote sollen das Volk zu einem Gottesstaat heranentwickeln.
Elia bleibt Israel im Gedächtnis als rigoroser
mächtiger Gottesstreiter. Er muss Gott klar auf seiner Seite gewusst haben,
darum hat er für den wahren Glauben so geberserkert. Drei Geschichten zeigen
den Weg der Erkenntnis Elias: Es ist der Weg vom herrischen zum behutsamen Gott
und vom Gewalt- Propheten zum meditativen Schweiger.
Elia muss fürchterliche Dürre ansagen vom strafenden
Gott, wird aber selber wunderbar
erhalten.
*
Dann kam das Wort des Herrn
zu ihm:
Mache dich auf und geh nach
Zarpat - ich habe dort einer Witwe geboten, dich zu versorgen. Und er machte
sich auf und ging hin. Doch die Witwe sagte: Ich habe nur eine Hand voll Mehl
im Topf und ein wenig Öl im Krug. Ich will ein letztes Brot backen, das wir
essen - und sterben.
Elia sprach zu ihr: Fürchte
dich nicht! So spricht der Gott Israels: Das Mehl im Topf soll nicht ausgehen,
und dem Ölkrug soll nichts mangeln bis auf den Tag, an dem der Herr wieder regnen
läßt. Und sie buk. Und der Mehlvorrat wurde nicht verzehrt, und dem Krug ging
das Öl nicht aus – wie Elia es gesagt
hatte.
1. Könige 17, 10-13
Gott kann aus nichts was
machen- und seinen Getreuen soll die Hoffnung nicht ausgehen. Es sollen seine
Geliebten nicht hungern. Die Wehmut ist groß, wenn die Hoffnung doch
versiegt. Das mobilisiert in Elia Kräfte; er sagt Nahrung zu, gegen den
Augenschein der leeren Töpfe wettet er auf
Rettung. Wir müssen auch bis zum letzten Augenblick auf Rettung setzen und
uns in diese Richtung mühen mit allen Kräften.
*
Und der Sohn der Witwe
wurde krank, so sehr, dass kein Atem mehr in ihm blieb. Und sie sprach zu Elia:
Was hab ich mit dir zu schaffen, du Mann Gottes?
Er sprach zu ihr: Gib mir
deinen Sohn! Und er nahm ihn von ihrem Schoß und ging hinauf ins Obergemach, wo
er wohnte, und legte ihn auf sein Bett und rief Gott an: Mein Gott, was tust du der Witwe, bei der
ich ein Gast bin, so Böses an?
Und er legte sich auf das
Kind drei Mal und rief Gott an und
sprach: Lass Leben in dies Kind zurückkehren! Und Gott erhörte die Stimme Elias
und das Kind wurde wieder lebendig.
1. Könige 17, 17-21
Vom Leid überhäuft werden
–das kann gerade auch Menschen treffen, die Gottes nahe Mitarbeiter sind. Und
Helfer scheinen ohnmächtig. Elia wird der Witwe unheimlich. Erst beschafft der
die Güte Gottes in Gestalt des nicht ausgehenden Brotes. Und dann scheint er
nichts mehr zu können, oder schlimmer noch- ist er einer, an dem man sich
verbrennt?
Elia verzweifelt über den
Tod des Knaben. Er sieht die Willkür eines Gottes, der mit der einen Hand
schenkt, mit der anderen nimmt. Und will dies Gottesbild nicht mehr. Will nicht
mehr Prophet eines gut-bösen, bös-guten Weltenherrschers sein, er kämpft mit ihm. Er identifiziert
sich mit dem Toten, will ihn wiederbeleben. Tatsächlich kehrt Leben in das Kind
zurück. Es ist, als wandele sich hiermit
das Gottesbild: Es kann nicht sein und
wir dürfen es nicht mehr denken, daß Gott mutwillig ein Kind sterben macht. Gott tut nichts
Böses. Gott lässt die in die Schöpfung gelegten Regeln geschehen, schmerzliche
Komplikationen eingeschlossen. Aber wir sollen bis zum Erweis des Gegenteils
auf Rettung setzen und in diese Richtung wirken.
*
Elia erhielt den Auftrag:
Versammle zu mir ganz Israel auf den Berg Karmel und auch die heidnischen
Propheten. Und als sie versammelt waren, trat Elia vor das Volk und sprach: Wie
lange hinkt ihr auf beiden Seiten? Was neigt ihr euch mal Gott zu, mal zu den
Götzen. Entscheidet euch. Tut die Götzen und ihre Diener von euch.
Hilfe zur Entscheidung
liefere ein Gottesurteil: Wir wollen zwei Stieropfer bereiten und wollen sehen, welches Feuer fängt vom
Himmel. Und die Priester Baals schrien
vom Morgen bis zum Mittag: Baal, erhöre uns! Aber es war da nicht Stimme noch
Antwort.
Da sprach Elia zu allem
Volk: Kommt her zu mir! Und rief Gott
an: Du, Gott Abrahams, Isaaks und Israels, lass heute kundwerden, dass du Gott
bist und ich dein Knecht. Da fiel Feuer des Herrn herab und entzündete das
Brandopfer.
Und alle
fielen auf ihr Angesicht und sprachen: Der Herr ist Gott, der Herr ist
Gott!
Elia aber sprach zu ihnen:
Greift die Propheten Baals, dass keiner von ihnen entrinne! Und der Himmel
wurde schwarz von Wolken und Wind und es kam ein großer Regen.
Aus weiter Ferne gesehen
wird Elia zum grandiosen Gottesstreiter. Aber gerade seine Machtdemonstrationen
haben das alttestamentliche Gottesbild entstellt. Und haben Zauberei und die
heillose Praxis der mittelalterlichen Gottesurteile befördert. Man sollte diese Geschichte lesen als
Museumsstück aus der Frühzeit des Glaubens. Da meinte man, Gott sei versehen
mit Machogehabe wie die anderen Götter
im Umfeld Israels. Doch im Laufe der Geschichte Israels stellte Gott sich in
anderen Bildern vor. Und ließ erkennen,
daß er seine Sache nicht durch Machtspielchen betreibt.
Das Schlachtfest des Elia
am Berg Karmel lebt noch aus dem alten götzenähnlichen Gottesbild. Schon in der
nächsten Geschichte gibt es eine völlige Abkehr von den alten göttlichen
Gewaltpraktiken.
Vermutlich hat Elia einen
Gegenzauber angewandt Er entkräftet die Götzenmacht, er beweist, daß die Macht
der Priester hohl ist, beweist, daß er im Dienst des einzig mächtigen Gottes
steht.
Die Bekehrung geschieht in
zwei Stufen: Erst wird die böse Magie von der guten Magie besiegt, etwa im
Urteil am Karmel. Man geht dabei aber nur von einem Raum der Angst in den
anderen Raum der Angst, man bleibt magisch gebannt. Dann aber streicht der
Glaube die ganze Furcht vor böser oder guter Magie durch: Gott ist das einzige
rechtmäßige „Objekt“ unserer Ehrfurcht,
wir verlassen uns darauf daß er uns vor jeder Magie abschirmt. –Diese Klärung
musste aber immer neu erkämpft werden. Der Abschied von der (guten) Magie- etwa
verkörpert in der geweihten Hostie- gelang erst im Gefolge der Reformation. Und
immer noch müssen wir uns magischer Praktiken erwehren, indem wir sie einfach
für uns als ungültig und taub erklären, weil wir unter Gottes Schutz uns
wissen.
*
Königin Isebel sandte einen
Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mich vernichten, wenn ich
nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast!
Da fürchtete er sich,
machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ
seinen Diener dort.
Er aber ging hin in die
Wüste eine Tagereise weit und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte
sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, Herr meine Seele; ich
bin auch nicht besser als meine Eltern.
Und er legte sich hin und
schlief unter dem Wacholder. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu
ihm: Steh auf und iss! Und er sah sich um, und siehe, da lag ein Laib Brot und
ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich
wieder schlafen.
Und der Engel des Herrn kam
zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du
hast einen weiten Weg vor dir. Und er stand auf und aß und trank und ging durch
die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem
Horeb.
Elia hat genug von der
Spirale der Gewalt. Das soll sicher auch Zeichen sein, daß auch Gott der Gewalt
müde ist. (Wir Heutigen müssen ja dran denken, daß das blutrünstige Gottesbild
letztlich durch Jesus Christus abgeschafft wurde- und doch meinen heute noch
Christen, Gott zu dienen, wenn sie die
Todesstrafe verhängen oder Kreuzzüge für den Sieg des Guten ausrufen). Elia
will nicht noch ein Gottesurteil herausfordern. Statt sich mit blanker Brust
der Königin ans Messer zu liefern und dann wohl unter Blitz und Donner Sieger zu bleiben- will er lieber sterben. Er
will nicht mehr der Draufhauer eines Oberdraufhauers namens „Gott“ sein. Er
will auch nicht mehr der Logik folgen, er versichere sich seiner Reinheit,
indem er gegen den Schmutz kämpft; er erschauert vielleicht auch vor seiner eigenen
Gewaltlust. Und wird erschrecken beim Gedanken, daß seine Gewalt neue Gewalt
sät.
Aber Gott braucht ihn genau
für die Verwandlung des Gottesbildes hin zum großherzigen, guten Gott, die in
Jesus vollständig wird. Dazu rüstet ihn ein Engel mit Himmelsbrot. Manchmal
braucht man einen zweiten Ruck, um wach zu werden. Gott legt uns eine Last auf,
aber er hilft uns auch tragen (Psalm
68,20). Das Mahl, das vierzig Tage Kraft gibt, ist ein Symbol für Gottes Schutz
in allem Schweren.
*
Elia blieb über Nacht
in einer Höhle. Und Gott sprach ihn an:
Was machst du hier, Elia?
Er sprach: Ich habe
geeifert für dich, den großen, einzigen Gott. Aber Israel hat deinen Bund verlassen und deine Altäre
zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet und ich bin allein übrig
geblieben, und sie trachten auch mir nach dem Leben.
Der Herr sprach: Geh heraus
und tritt hin auf den Berg. Dort will ich dir erscheinen. Und ein großer,
starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam von Gott her.
Aber der Herr war nicht im Sturm. Nach dem Sturm aber kam ein Erdbeben; aber
der Herr war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der
Herr war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen.
Als das Elia vernahm,
verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und bedachte das Ganze.
Elia hatte Sturm, Feuer,
Erdbeben entfacht, hatte Wasserfluten herabgerufen- uns sie waren gekommen als
Boten Gottes. Die Naturmächte galten nicht nur als vom Herrn geschickt sondern
als Äußerungen Gottes, in denen er sich auf sein Volk stürzte um es zur
Vernunft zu bringen. Aber was hat es genützt?
Elia ist der
Machtdemonstrationen müde, er hat eigenhändig die Götzendiener umgebracht, aber
statt dies als Bevollmächtigung des Propheten zu lesen und als Strafgericht des
Herrn hinzunehmen, ist Elia jetzt allein und dem Tod ausgesetzt. Gott hätte dem
Müden ein Feuerwerk der Lebensfreude
aufführen können. Oder noch mal seine Mächte tanzen lassen. Aber sie erschienen
nur mit Minuszeichen, „hier ist Gott nicht drin“- riefen die Naturgewalten.
Gott soll nicht mehr gesucht sein in
Blitz oder Flut oder Freudengeheul. Gott will im Stillen vernommen
werden, im Zarten, im Lächeln des
Säuglings, im Streicheln, im Flüstern, im Auf- und Abblühen, in Sprache. Gott
will erlauscht sein. Das eröffnet ein neues Wissen vom Göttlichen. Das weist
auf die behutsame Klarheit des Jesus hin.
*
Und Gott gebot ihm: Salbe
Elisa aus Abel-Mehola zum Propheten an deiner statt. Und Elia fand Elisa, den
Sohn Schafats, als er pflügte. Und Elia ging zu ihm und warf seinen Mantel über
ihn. Der ließ die Rinder zurück und folgte Elia nach.
Mit uraltem Ritus bestimmt
der Prophet seinen Nachfolger: Der derzeitige Prophet hört von seiner
Abberufung durch Offenbarung des Namens des neuen. Und da gibt es kein Zaudern:
Der Prophetenmantel hat die Macht der Wahrheit an sich- wem er übergeworfen
wird, der ist der Würdenträger und Wahrsager, der ist fortan ummantelt von
Gottesgeist. Ein Recht auf Widerspruch ist nicht vorgesehen. Der Ritus der
Einkleidung versinnbildlicht die Idee des Amtes: Das Amt bekleidet den an sich
Unwichtigen mit „Amtsgnade“. Die Volksweisheit
„Kleider machen Leute“ unterstreicht die Verwandelmacht der Erwartung.
Zutrauen verschafft Ansehen, Ansehen Macht.
*
Ein Mensch mit Namen Nabot
hatte einen Weinberg bei dem Palast Ahabs, des Königs von Samaria. Und Ahab
redete mit Nabot und sprach: Gib mir deinen Weinberg; ich will mir einen Garten
daraus machen, weil er so nahe an meinem Hause liegt.
Aber Nabot sprach zu Ahab:
Ich will nicht meiner Väter Erbe zu Geld
machen.
Da kam Ahab heim voller
Unmut und klagte seiner Frau Isebel: Nabot will mir seinen Weinberg nicht
verkaufen, er lässt nicht mit sich reden. Da sprach seine Frau Isebel zu ihm:
Du bist doch König über Israel! Ich werde dir den Weinberg Nabots verschaffen.
Und sie schrieb Briefe
unter Ahabs Namen und versiegelte sie mit seinem Siegel und sandte sie zu den
Ältesten und Oberen. Und sie schrieb: Schafft uns Nabot vom Hals. Und sie taten, wie ihnen Isebel aufgetragen hatte:
Sie verklagten Nabot wegen
Königsbeleidigung und steinigten ihn.
Als Ahab hörte, dass Nabot
tot war, stand er auf, um hinabzugehen zum Weinberge Nabots, um ihn in Besitz
zu nehmen. Da kam das Wort Gottes zu
Elia. Und der tat, wie ihm aufgetragen war: Er ging zum König, sagte ihm auf
den Kopf zu: So spricht Gott: Du und deine Frau haben Unrecht getan vor dem
Herrn. Du hast gemordet, dazu auch fremdes Erbe geraubt! An der Stätte, wo
Hunde das Blut Nabots geleckt haben, sollen Hunde auch euer Blut lecken. Der
Herr hats gesagt.
Eine frühe Brandrede gegen
Tyrannenwillkür und die Droge Macht. Schmerzlich ist die Erfahrung, dass Obrigkeiten
immer welche finden, die willfährig sich die Hände für sie schmutzig
machen. Zur Unterwürfigkeit gelockt wird
durch die Aussicht auf Kumpanei und
Einfluss. Was retten kann, ist, für Recht und Gerechtigkeit einzutreten,
auch durch Kontrolle von Macht.- Gottes Gebote sind eine große Heilstat- sie
stehen dafür, daß Recht vor Macht geht.
*
Elia ging mit Elisa. Sie
wussten, daß die Erdenzeit für Elia zu ihrem Ende kommt.
Und als sie noch
miteinander redeten, da kam ein feuriger Wagen mit feurigen Rossen, die
schieden die beiden voneinander. Und Elia fuhr im Sturm gen Himmel. Elisa aber
sah es und schrie: Mein Vater, mein Vater, du Wagen Israels und seine Reiter-
und sah ihn nicht mehr.
Aus 2.Könige 2
* *
Leid ist
nicht Strafe, nicht Prüfung. Leid ist Mangel Der
Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, gelobt sei der Name des Herrn. Hiob
1,21 Der
Dulder Hiob beschließt, sein Leid nicht empört Gott vorzuwerfen, er willfährt
seiner Frau nicht. Diese schmeißt den Glauben von sich nach dem Tod der Kinder
und dem Verlust aller Habe. Als Hiob dazu noch geschlagen wurde mit Geschwüren
von der Fußsohle bis zum Scheitel, da rät sie ihm zu kurzem Prozess: Was hältst
du noch fest an deiner Frömmigkeit? Sag Gott ab und stirb (2,9).
Hiob aber antwortet: „Haben
wir Gutes empfangen von Gott, sollten wir das Böse nicht auch annehmen?“ (Hiob
2,10). Erst als die Freunde dem beladenen Hiob vorrechnen: Wo Leid ist, da ist
Strafe, wo Strafe ist, ist Schuld - da bäumt sich Hiob auf: Weh euch, die ihr
meint, Gott in eurer Faust zu führen! (12,6) Wohl wahr, in seiner Hand ist die
Seele von allem, was lebt (12,10), sein ist die Kraft und die Einsicht, sein
ist der irrt und irreführt (12,16). Aber wenn er mich strafte, dann hätte er
Unrecht (19,6). Ich rufe Gott als Anwalt gegen einen Strafgott.
Hiob erfährt, dass durch Elend
hindurch Gott rettet. Wenn man auch durch finsteres Tal hindurch muss, so ist
das Elend nicht verhängt als Strafe. Leid - also Strafe, also Schuld- diese
Logik zerbricht an Hiob. Und an Hiob wird hinfällig auch das zweite Argument:
Leid käme über uns als Glaubensprüfung. Den Freunden, die meinen, Gott zu verteidigen,
schleudert er entgegen: Wollen eure leeren Worte denn kein Ende nehmen? Ihr
seid mir allzumal leidige Tröster (Hiob 16,3.2).
Die alte Geschichte geht ja so: Gott
testet mittels einer hinterhältigen Figur, ob Hiob nur an guten Tagen an Gott
glaube. Aber Hiob hält das für abgetanen Theologenmüll: Es ist doch auf der
Hand: Was ist der Mensch, dass du ihn groß achtest, und dich um ihn bekümmerst?
(7,17) Habe ich gesündigt, was tue ich dir damit an, du Menschenhüter? Ich bin
mir doch selbst zur Last, lass meine Schuld dahingehen, denn gar bald fahr ich
zur Grube (7,20 f).
Ja, wirklich, was gibt es da groß zu testen? Wir sind doch hinfällig,
versuchbar bis dort hinaus, wenn Gott uns versuchen wollte, wie sollte einer
bestehen? - Wie sollte etwas bleiben, wenn du nicht wolltest? Oder wie könnte
sich halten, was du nicht gerufen hättest? (Weisheit 11,25).
Leid auflegen zur Strafe? Mittels Hiob
scheitert diese Theorie. Es ist viel Leid in der Welt und ist nicht Strafe -
meist sind es die Folgen unseres Tuns. Und das Leid ist nicht Materialprüfung.
Gott weiß, was für ein Gebilde wir sind. Er weiß, dass wir vom Staub genommen
sind (Psalm 103,14). Aber sein Geist hilft unserer Schwachheit auf (Römer
8,26).
Hiob ist die Kunstfigur eines
begnadeten Dichters. Der von Gott,
hilfsweise von einem Chefteufel, bis aufs Blut geprüfte Mensch, wird wegen
seiner Glaubenstreue zuletzt hoch erhoben. Das ist starke alttestamentliche
Überzeugung.
Tausend Jahre später
ereignet sich Jesus Christus. Er sieht sich nicht von Gott geprüft- sondern
seine Passion ist ihm der einzig mögliche Weg, gegen die Herren der Welt seine
Gottesgewissheit zu leben. Allgemein rät Jesus, im Windschatten von Klugheit
und Gnade zu bleiben. „Ich bin nicht zum
Richten sondern zum Retten da“ (Johannes 12,47). Genau so Gott.
Ihn sich vorstellen als
„Riesin“,(wie im Gedicht : Das Riesenspielzeug“ von Adalbert v.Chamisso) die
mit den Menschen rumfuhrwerkt, Steine in den Weg legt und schaut, wie sie
sich bewähren- das ist Ausfluss einer
verängsteten Seele. Ja, es kann sein,
daß ich mich ans Schicksal so ausgeliefert sehe wie ein Maikäfer, den rohe
Jungen zappeln lassen. Es kann sogar sein, daß einen die Angst so schluckt, daß
ich mich für einen auf dem Rücken liegenden Käfer halte.
Hiob ist der heroisch leidende Mensch, der das
falsche Gottesbild anklagt- und eigentlich gerechter, liebevoller, treuer
scheint als (der alte) Gott selbst, der in seiner Allmacht wie ein Marionettenspieler die Puppen
tanzen lässt. Und von genau diesem Gottesbild hat sich Jesus losgesagt. Für
Jesus ist Gott alle Energie und alle Liebe- beides, alle Macht- auch die von
Menschen missbrauchte und alle Liebe, auch die von Menschen einander gewährte. Dass
letztlich die Liebe die Macht überwindet, und Gott als Erlöser uns aufscheint,
hat Jesus uns vorgewusst.
Die Freunde Hiobs sind noch
ganz befangen im „iustaljon“-Rechtssatz, „Wie du mir, so ich dir“ – und dem
dazu passenden Gottesbild: Dem Frommen
soll seine Güte belohnt sein; wem es
schlecht geht, der büßt sicher eine Strafe ab. Erst Jesus treibt uns in ein
Wissen vom liebevollen Gott, der noch leidet an und mit seiner Schöpfung; aber
sein Reich lässt er auf alle Fälle kommen. Hiob hat auch schon einen Schimmer
dieser Ahnung. Gegen den strafenden und belohnenden Richtergott appelliert er
an den großmütigen Gott, der ihn
letztlich aus dem Staub erheben wird.
Etwas von dieser Zuversicht
brauchen wir alle: Vor uns Heil und Frieden für unsere wunden Seelen. Und
„Licht wird nach und nach über das Ganze aufgehen“ (Ludwig Wittgenstein). Gott
wird alle Schuld auf sich nehmen und begleichen- das deutet doch der Opfertod Jesu an.
Ob das der Fall ist?
Jedenfalls kann keiner für sein Lieblossein die Schuld alleine tragen. Und
jetzt schon werden wir mehr geliebt als es unsere Gene sich erwerben.
Bonhoeffer hat gesagt:“ Ich
bin lieber in Gottes Hand als in den Händen Hitlers.“ Also letzten Endes ist
ihm Hitler nicht so wichtig, der steht nur für das Schwarze der Nazizeit.
Bonhoeffer glaubt sich in Gottes Hand, auch wenn die schwarz und gewaltsam
zuschlägt. Das heißt nicht, annehmen zu müssen, daß Gott aktiv zerschlägt. Aber
es ist Gottes Energie, die auch in Gewalt zur Geltung kommt, Kain ist Gottes Kain; Hitler ist Gottes Kind, wie
kaputt auch immer. Das möge uns ein Zipfel Trost sein in allem Grauen.
Um Gott zu schützen und ihn
zu entlasten, haben Menschen die Idee eines Gegengottes gedacht. Der aber war
immer zweitrangig. Der „gefallener
Engel“, war im Bild gesprochen, Angestellter Gottes, nur Mitglied des Hofstaates.
Es ist wohl so wie Novalis es sagte: „Für Gott gibt
es keinen Teufel, aber für uns ist er ein leider sehr wirksames Hirngespinst.“
*
Untröstlichkeit
hat ihre Würde
Als aber
Elifas, Bildad und Zofar, die drei Freunde Hiobs, all das Unglück hörten, das
über ihn gekommen war, beschlossen sie, zu ihm hinzugehen, um ihn zu beklagen
und zu trösten.
Und sie
erkannten ihn erst nicht und weinten, und ein jeder zerriss sein Kleid und sie
warfen Staub gen Himmel auf ihr Haupt und saßen mit ihm in der Asche sieben
Tage und sieben Nächte und redeten nicht; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr
groß war.
Dann
tat Hiob seinen Mund auf und verfluchte seinen Tag.
Und schrie:
Warum bin ich nicht gestorben bei meiner Geburt? Warum bin ich nicht
umgekommen, als ich aus dem Mutterleib kam?
Warum nur
gibt Gott das Licht dem Mühseligen und das Leben den betrübten Herzen - die auf
den Tod warten, und er kommt nicht, die sich sehr freuten und fröhlich wären,
wenn sie ein Grab bekämen.
Ich hatte
keinen Frieden, keine Rast, keine Ruhe, da kam schon wieder ein Ungemach!
Hiob
2,11-13;3,1,11,20-22,26
Stark ist
das Geleit der Freunde, bevor sie ein Wort sagen. Sie bleiben bei ihm, sie
stehen ihm bei, sitzen bei ihm, verdoppeln seine Untröstlichkeit, fügen ihr
Herzensgewicht dem Schmerz des Hiob hinzu. Das ist anders als unser Beispringen
und Gutzureden. Wir wollen gern das Leid verdünnen auch aus Angst, wir könnten
ebenso getroffen sein. Wir wollen durch unsere Anteilnahme selbst besänftigt
werden. Wir ringen nach Worten, daß „der Kältesee im Herzen des Trauernden zum
Abfließen kommt“.
Aber erst
muss der Leidende seine Sprache finden für das Unermessliche, das ihn getroffen
hat. Und wenn er Gott beschimpfte und verfluchte- Gott hält das aus. Nichts ist
schlimmer, als sich zum Verteidiger Gottes aufzuschwingen.
*
Skepsis pur
Wir sind von gestern und wissen nichts; unsere Tage
sind ein Schatten auf Erden.
Hiob 8,9
„Von gestern sein“- eine so selbstverständlich
gebrauchte Formulierung. Und sie ist wie viele andere aus der Bibel vorgedacht
auch für uns, schon Jahrtausende früher. Die Zeitung von gestern ist überholt-
heute ist das Leben. Heute müssen wir den Tag bestehen. Es darf nicht sein, daß
wir nichts wissen. Wir müssen wissen, was brauchbar ist und was sein Preis ist.
Sonst zahlen wir zuviel und schaden uns, oder zuwenig und schaden anderen. Es
geht nicht nur um Geld. Es geht um die Folgen unseres Tuns, wir müssen haften
für Taten und Untaten. Wir sollen uns für Kinder des Lichts halten, nicht für
Schattenexistenzen, Kinder nicht von gestern sondern für morgen.
*
Ich weiß, daß mein Erlöser lebt
Gott hat meinen Weg vermauert, hat Finsternis auf mein
Geschick gelegt. Er hat mir mein Ansehen weggenommen, hat mich zerbrochen, hat
meine Hoffnung ausgerissen wie einen Baum. Aber ich weiß, daß mein Erlöser
lebt. Der wird mich zuletzt aus dem Staub erheben. Wenn auch mein Fleisch von
mir abfallen wird, werde ich doch Gott sehen. Und er wird mir kein Fremder
sein. Danach sehnt sich meine Seele.
Mitreißend, dieses
Trompetensignal der Zuversicht, ein stärkeres ist im Alten Testament kaum zu
finden- das ist Auferstehungshoffnung pur. Damit lässt sich die Mühsal des
Irdischen bestehen. Und ich will mein Maß an Mühen nicht abwälzen. Ich will sie
tragen, weil sie getragen werden müssen um verwandelt zu werden.
Der große Gott belädt sich
mit der Welt, da kann ich auch mittragen, was sein muss. Hauptsache, ich weiß: Er
wird sich als Freund erweisen und mich teilnehmen lassen an seiner geheilten
Schöpfung.
*
Was hat es mit der Weisheit auf
sich?
Der Abgrund und der Tod sprechen: »Wir haben mit
unsern Ohren nur ein Gerücht von ihr gehört.« Und vor den Augen aller
Lebendigen ist sie verhüllt.
Gott allein kennt ihre Stätte. Der die Enden der Erde
sieht und weiß, was unter dem Himmel ist, der hat dem Wind sein Gewicht gegeben und dem Wasser
sein Maß gesetzt, hat dem Regen sein Gesetz gegeben hat und dem Blitz und
Donner den Weg.
Der spricht zum Menschen: Gott achten ist Weisheit,
und das Böse meiden ist Einsicht.
Hiob 28,20-28
Im Nichts und im Kern des Nichtigen, dem Tod, steckt
die Weisheit nicht. Gegen Gott achtsam sein, macht weise- also bescheiden,
dankbar, barmherzig, zuversichtlich, vielleicht auch humorvoll.
Jedenfalls
Irdisches nicht anbeten, das bewahrt schon vor viel Irrsinn. Und nichts umsonst
empfinden, das macht helle.
*
Er gibt dir Lobgesänge in der
Nacht
Siehe, Gott ist mächtig und verwirft niemand; er ist
mächtig an Kraft des Herzens. Den Elenden wird er durch sein Elend erretten und
ihm das Ohr öffnen durch Trübsal.
Er reißt auch dich aus dem Rachen der Angst in einen
weiten Raum, wo keine Bedrängnis mehr ist; und an deinem Tische, voll von allem
Guten, wirst du Ruhe haben.
Hiob 35,10; 36,5; 36,15f
Das Hiobbuch ist ein Schutzschild des Glaubens. Ja,
Leiden nutzt die Hoffnung und den Glauben ab. Stille Verzweiflung ist bei
vielen. Doch das Leben ist schön. Aus den Abgründen bereitet Gott noch einen
Lobgesang. Es gibt Lasten, die tragen denjenigen, der sie trägt. Leid sei uns Türöffner des Herzens- wir sollen
gerettet werden aus dem Rachen der Angst.
Unverzagt und ohne Grauen soll ein Christ, wo er ist, stets sich lassen schauen. Wollt ihn
auch der Tod aufreiben, soll der Mut dennoch gut und fein stille bleiben (Paul Gerhardt).
* *
Glücklich dran ist, wer
Abstand hält zu denen, die Gott verneinen.
Glücklich, wer vom Sündigen
loskommt; und wer Menschen nicht verlacht.
Und nicht abfällig redet
vom Leben.
Glücklich dran ist,
wer Lust hat am Willen Gottes
und sinnt nach über das was
gut ist, Tag und Nacht!
Der ist wie ein Baum,
gepflanzt an den Wasserbächen,
der seine Frucht bringt zu
seiner Zeit,
und seine Blätter verwelken
nicht. Und was er macht, das gerät wohl.
Psalm 1
Bäume sind uns ein Bild für gelingendes Leben. Bäume sind
vielleicht Gottes bestgelungene Schöpfung, da sie nicht schaden, nur nutzen.
Nun können die Bäume selbst für sich wenig tun, wohl aber der Mensch; wir
können für uns sorgen. So können wir,
erwachsen geworden, unsern Umgang weitgehend selbst bestimmen. Meiden sollte
man die, die großmäulig sich für Erfolge auf ihre Schulter klopfen, die ihre
Gesundheit für selbstgemacht halten, sich mit harten Bandagen und lästerlicher
Zunge durchsetzen, und die zynisch das Gute kleinreden.
Glück aber ist bei dem, der sich um Gott müht. Der
sich Arbeit macht mit der Gemeinschaft und das Vorwärtskommen aller mit
betreibt.
Der ist gern er selbst. Er steht am richtigen Platz.
Und wenn ihm dann noch gutgestimmte Nerven geschenkt sind und er Talent hat, zu
nützen und zu erfreuen, dann ist er wie ein Baum, der Frucht bringt. Wenn ich einigermaßen kann, was ich muß und
einigermaßen nur will, was ich darf, dann ist mein Leben im Lot. Dank dir,
lieber Gott.
*
Fast Gott gleich
Gott- wie herrlich ist dein Name in allen Landen.
Du zeigst deine Größe am
Himmel!
Und aus dem Munde der Säuglinge
richtest du eine Macht dir zu
gegen deine Verächter.
Wenn ich sehe die Himmel,
deiner Finger Werk,
den Mond und die Sterne, die du
bereitet hast -
Was ist der Mensch, dass
du seiner gedenkst,
und des Menschen Kind,
dass du dich seiner annimmst?
So hinfällig er ist, hast du ihn doch kaum niedriger
gemacht als dich selbst.
Mit Ehre und Herrlichkeit
hast du ihn gekrönt.
Du hast ihn zum Herrn
gemacht über deiner Hände Werk,
alles hast du unter seine
Füße getan.
Herr, unser Herrscher, wie
herrlich ist dein Wesen allüberall!
Psalm 8
Jauchzend ist dieses Lied- aber ist es auch unseres?
Auf vielfache Weise wirkt Gottes Wesen, aber wissen wir es noch, wissen wir es
schon?
Doch.
Unter verwirrend
vielen Namen rufen wir das Herz des Lebens an.
In farbig
vielen Formen zieht Frömmigkeit durch unsere Seelen.
Was uns glücklich stimmt, ist von dir, Gott, ausgestreut.
Ein freudiges Lachen holt uns Sterne vom Himmel.
Leid hat eine Dimension bis hin zu dir,
Kunst hält die Sehnsucht nach dir wach.
Selbst die Wissenschaft blickt tiefer
und ist dem Geheimnis der Welt mittels Zahlen und
Kurven auf der Spur.
Das Staunen über die Schöpfung nimmt zu mit jeder
Erkenntnis.
Die Wunderbarkeit der Schöpfung ist unermesslich.
Im Großen ist Gott wie im Kleinen. Das Wässerchen des
Säuglings und die Ozeane erzählen von seiner Grandiosität.
Im Grollen der Bomben und in den Stimmchen der Kinder
ist er der Grund.
Wir Menschen sind von ihm ins Gespräch gezogen,
sind in sein Wirken eingearbeitet.
Du tust durch uns Deins, Gott; herrlich, du Herz und Hirn und Leib der
Wirklichkeit.
*
Herr, meine Stärke
Herzlich lieb habe ich dich! Mein Fels, meine Burg,
mein Erretter;
dem ich traue, mein Schild, mein Heil, mein Schutz!
Der Tod griff nach mir, Fluten
des Verderbens erschreckten mich.
Mir war so sehr angst. Da
schrie ich zu meinem Gott.
Der erhörte meine Stimme, er
streckte seine Hand aus und fasste mich
und zog mich aus großen
Wassern.
Er errettete mich von meinen
starken Feinden.
Er führte mich hinaus ins Weite, er riss mich heraus;
denn er hatte Lust zu mir. Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.
Ich will dir danken und deinem Namen lobsingen.
Aus Psalm 18
Es ist was Starkes und
Liebevolles, das mich umgibt wie die Luft;
wie Wasser den Fisch.
Unausforschbar, unmessbar
bist Du, mein gültiges Gegenüber-
mein großes Du, das mich
anspricht und zum Ich macht.
Namenlose Kräfte zerren an
mir, sie schütteln mein Selbst,
sie lassen mich erstarren
in Unsinn und Banalem.
Da schreie ich zu dir.
Und du nährst mich wieder
mit Vertrauen.
Du gibst mir neue Aufgaben
und die nötige Kraft dazu.
Du gibst mir wieder Lust
zur Gemeinde, und neigst mich wieder Menschen zu. So rettest du mich vor meinen
Feinden,
von machst die gehässigen
Stimmen in meinem Innern verstummen.
Du führst mich ins Weite,
ich denk dich wieder großherzig.
Das spannt auch meine Seele
aus und macht sie frei zur Güte.
Von Verbohrtem kann ich loskommen.
Ich kann Mauern
überspringen, die Menschen trennen,
kann Gräben überbrücken, finde
zu Menschen hin, dass wir wieder
Gefühle und Schätze
tauschen.
Und du, Gott, solltest Lust
haben zu mir?
Das ist ja eine
Liebeserklärung. Ich bin glücklich.
*
Nicht verlassen
Mein Gott, mein Gott, warum
hast du mich verlassen?
Ich schreie, aber Hilfe ist
fern.
Psalm 22,2
Die Berichte von der Kreuzigung
des Jesus sind diesem Psalm nacherzählt.
Szenen von Golgatha sind hier vorgebildet.
Nicht, daß man sich bei
Jesu Kreuzigung an Psalm 22 als Drehbuch hielt.
Aber der „leidende
Gerechte“ ist hier (und in Jesaja 53) als
Muster vorgegeben. Und als der rettende Tod dann geschehen war und die
herrliche Auferstehung- da fiel es der Urgemeinde, die ja diesen Psalm kannte,
wie Schuppen von den Augen.
Jesus starb sicher nicht mit dem einen
erschütternden Wort:
„Mein Gott, warum hast du
mich verlassen“.
Er betete sicher den ganzen
Psalm,
der ja eine große
Gebets-Leiter ist zu Gott hin.
Des Tages rufe ich, und des Nachts. Doch du, Gott, antwortest
nicht. Du aber bist heilig, der du thronst über den Lobgesängen Israels.
Unsere Väter und Mütter hofften auf dich; und da sie
hofften, halfst du ihnen heraus.
Psalm 22,3-6
Der Beter hält an dem Gott
fest, der verlassen hat und der nicht antwortet.
Sollte der Leidende gerechter
sein, der Verlassene treuer?
Der Beter ruft sich zur
Ordnung, verbietet sich den Mund.
Die Lobgesänge der Gemeinde
halten die Anfragen des Zweiflers kurz.
Und schon ist der Leidende
wieder auf Linie,
ist an die Leine genommen
durch Erinnerung.
Die Gemeinde, die Heiligen
Schriften, das Gelernte von Zuhause
hat den Beter in ein Wissen
eingeweiht, das um ein Bündnis kreist.
Gott und Israel, dann auch
die Menschheit, sind sich verbunden
in Liebe und Gehorsam.
Im Rückblick, erinnert der
Beter, hat Gott immer sich als Retter erwiesen- auch wenn der Weg durch die Hölle ging.
Ich aber bin ein Wurm und
kein Mensch, ein Spott der Leute
und verachtet vom Volke. Alle,
die mich sehen, verspotten mich,
sperren das Maul auf und
schütteln den Kopf: »Er klage es dem Herrn,
der helfe ihm heraus und rette ihn, hat er
Gefallen an ihm.«
Du hast mich aus meiner
Mutter Leibe gezogen;
du ließest mich geborgen
sein an der Brust meiner Mutter.
Auf dich bin ich geworfen
von Mutterleib an,
du bist mein Gott von
meiner Mutter Schoß an.
Sei nicht ferne von mir, denn
Angst ist nahe; es ist hier kein Helfer.
Ich bin ausgeschüttet wie Wasser, alle meine Knochen
haben sich voneinander gelöst; mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzenes
Wachs.
Meine Kräfte sind vertrocknet
wie eine Scherbe,
und meine Zunge klebt mir am
Gaumen,
und du legst mich in des Todes Staub. Aber, Gott, sei
nicht ferne;
meine Stärke, eile, mir zu
helfen!
Ich will deinen Namen kundtun meinen
Geschwistern,
ich will dich rühmen
in der Gemeinde.
Psalm 22, 7-12.15.16.20.23
Dem Beter scheint jetzt Höllenzeit:
Er sieht sich allein gelassen, ohne Gefährten.
Zum Schaden kommt der
Spott. Er hält sich selbst für jämmerlich.
Dann aber findet der Beter
in sich einen Schatz:
Er hat sich ja nicht selbst
erfunden. Er ist ja Gottes Projekt:
Er erinnert Gott an seine
Verantwortung.
Gerade weil der Mensch den
Schmerz so erleiden kann und muß,
soll Er zu Hilfe kommen. So
denken wir ja auch und bitten
und fordern Hilfe von Oben.
Und fanden wir nicht viel
mehr Hilfe, als dass wir hilflos blieben?
Eigenartig: Sind wir
gerettet, verflattert das Danken schnell.
Sind wir aber in Not, ist
die Klage groß.
Und letztlich halten wir
immer Gott für schuldig.
Dabei tut Gott Niemandem
Leid an- wir sind ja Verkörperungen
seiner Ideen. Vielleicht geschaffen, daß Gott sich fühlt im Spiegel unserer
Gefühle, und er sehnt sich danach, von uns gesegnet zu werden- indem wir ihn
rühmen.
*
Der Herr ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen
Aue
und führet mich zum frischen
Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter
Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wander im
finsteren Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir,
dein Hand und Wort trösten
mich.
Du bereitest vor mir einen
Tisch
im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit
Heilsöl
und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden
mir folgen,
ich werde bleiben im Hause
Gottes auf immer.
Psalm 23
Der Herr ist mein Hirte, mein
Pilot, mein bester Freund,
mein Heiler, mein Trainer, mein
Vorbild,
mein Leitstern, mein Code, mein
Engel.
Mir wird nichts mangeln,
ich werd nicht verrückt, ich
geh nicht verloren,
in allem Mangel wird mir nichts
mangeln,
ich bleibe Ich, der
Behütete.
Er weidet mich auf einer grünen
Aue
und führt mich zum frischen
Wasser. Er hält mich,
er stärkt mein Bewusstsein, er
beschafft mir Anerkennung,
er hilft mir zu nötigem Wissen.
Er erquickt meine Seele.
Er richtet mich auf durch
Freude,
er flüstert mir Gebete, die die
Welt bedeuten;
er macht mich glücklich, hilft,
daß ich glücklich mache.
Er führet mich auf rechter
Straße.
Er lässt mich richtig gehen, er
lockt meine Liebe an die Oberfläche,
er hält mich in Balance. Er
lehrt mich ausräumen,
was die Freude am Tag
behindert,
er beleuchtet mir meinen
Zustand, dass,
wenn die Schatten kommen, sie keine Macht über mich
haben.
Um seines Namens willen,
weil er es sich schuldig ist, wird
er mich, sein Kind, nicht verkommen lassen.
Er wird die Verderbnis seiner Schöpfung verhindern,
er will mich als Retter mitziehen.
Und sein Name ist Heil und Hilfe, Sonne und Schild,
Vatermutter, Lebensgrund. Sein Name werde geheiligt.
Und muß ich auch durch Finsternisse,
so fürchte ich kein Unglück; denn
du bist bei mir,
dein Hand und Wort trösten
mich.
Du hast Menschen zur Hand für mich,
Rettungsdienste, Ärzte, Anwälte, ADAC, Rotes Kreuz,
Nachbarn,
die Kirchengemeinde, Nächste und Allernächste,
in deren Hände streckst du dich zu mir hin.
Die Worte der Mütter, der Liebenden, der Dichter,
die Zeichen der Künstler trösten; du bist in ihnen bei
mir.
Du bereitest vor mir einen
Tisch
im Angesicht meiner Feinde.
Du nimmst mich aus dem Schussfeld, du lenkst die
Angriffe von mir ab,
du schickst die rettende Ausrede,
du lässt mich meinen Teil abbekommen.
Du nimmst mich in Schutz auch gegen die feindlichen
Gedanken
aus meinem Inneren, du überlässt mich nicht den nächtlichen
Gespenstern,
du lädst mich an den Tisch in der Sonne.
Du salbest mein Haupt mit Öl
und schenkest mir voll ein.
Du berufst mich zu deinem Kind
und setzt mich in das Amt
deines Mitarbeiters ein.
Du gibst mir dein Zeichen an
die Stirn,
ich bleibe gesalbt und
gezeichnet von dir und für dich.
Du schenkst mir voll ein an
Freude, an Ehre, an Gebrauchtwerden.
Gutes und Barmherzigkeit
werden mir folgen, man wird
nicht hinter mir herfluchen,
nicht mich wie eine Last
beseitigen.
Spuren sollen von mir bleiben,
die Zeichen aufstellen für guten Lebensweg.
Ob Bäume gepflanzt oder Kinder erzogen,
einen Weg gefahrloser gestaltet
oder tröstende Lied angestimmt oder
versöhnende Sprache hinterlassen-
es soll gut sein, hier gewesen
zu sein.
Ich werde bleiben im Hause
Gottes auf immer.
Ich werde zu Gott gehören,
werde ihm nicht entfallen,
werde sein Gefährte sein, wenn
die Schöpfung ganz und heil wird
und die Liebe
allen Hass verdaut hat.
Und Friede wird sein im All. Das
All wird ganz Haus Gottes sein.
„Ich habe in meinem Leben viele kluge und gute Bücher
gelesen. Aber ich habe in ihnen allen nichts gefunden, was mein Herz so still
und froh gemacht hätte, wie die vier
Worte aus dem 23. Psalm: „ Du bist bei mir“ (Immanuel Kant).
*
Die Fanfare
Stemmt die Tore hoch
und die Türen in der Welt
reißt auf,
dass der König der Ehren
einziehe!
Wer ist der König der
Ehren?
Es ist der Herr, stark und
mächtig.
Sein ist die Erde und was
darinnen ist.
Öffnet Tor und Tür, dass
der König der Ehren einziehe!
Psalm 24,7.8.1. 9
Die einen fordern freie Bahn für Gott. Die andern zögern:
Gibt es überhaupt einen König der Ehren? Hier
die Fanfaren des Willkommens, da die Skeptiker hinter verschlossenen Türen.
„Macht hoch die Tür, die
Tor macht weit“ ist das Adventslied.
Herr der Herrlichkeit ist der, der die Welt will,
dich will, dich aus der
Fülle aller Möglichkeiten gehoben hat
und seitdem mächtig für
dich streitet.
Du sollst ihm gelingen,
durch dich will Gott in die Welt einziehen,
wie er damals in Jesus zur
Welt kam.
Wisse dich „im Auftrag des
Herrn“ unterwegs.
Sieh, wo du Bewahrung
erlebt hast. Und wofür brauchst du neuen Mut, deine Fenster zur Welt und die
Türen innen aufzureißen?
Advent ist Sprung nach
vorn, Aufbruch nach Utopia,
„wo noch keiner war, aber
alle hin wollen“.
*
Ein Lied zur Rettung aus großer Not
Ich preise dich, Herr;
denn du hast mich aus der Tiefe
gezogen
und lässt das Feindliche
nicht über mich siegen.
Als ich schrie zu dir, da
machtest du mich gesund.
Du hast mich von den Toten
heraufgeholt;
du hast mich am Leben
erhalten.
Psalm 30,2-4
Wir Menschen sind eine Erfahrungsgemeinschaft.
Es sind in unserm Nervensystem die Schrecknisse und
Freuden
all derer vor uns gespeichert und äußern sich als
unwillkürliche Reflexe.
Unsere Sprache hat viel vermessene Welt in sich.
Lieder und Gedichte sind Schiffe voll Erlebnisfracht.
So besingt das Liedchen „Hänschen klein“ die
Mutter-Kind-Trennungsschmerzen jeder Generation,
das Lied „Die Gedanken sind frei“ sichert trotzig ein
Menschenrecht.
Und Psalm 30 besingt wegweisend die Auferstehung aus
Abgrundstiefen.
Es ist ein Verantworter aller Realität,
ein Schöpfer des Universums, es ist ein großes Du für
alle Ichs dieser Welt.
Der ruft die Ichs in ihr Personsein, der Ganze, du Ganzer,
du Ganze,
von der wir die Atome sind; du, die Weltseele, von der
wir die Relais sind,
Du die Zeit und wir die Phasen; du das Meer und wir
die Tropfen,
wir die Worte, du das Gedicht.
Du hast mich aus dem Nichtsein gezogen. Du lässt mich
vorhanden sein.
Du hältst mich im Sein. Weil du mich willst, bin ich.
Und weil du mich als genau diesen Menschen willst
mit genau diesen Genen und Wegen, bin ich, der ich
bin.
Und werde noch immer mehr deiner, bis ich ganz in dir
ruhe.
Ich preise dich,
dich.
Dazu braucht es selten Festgottesdienste,
im Ein- und
Ausatmen, im Schlagen des Pulses,
im Verwandeln der
Nahrung zu Energie, im Spiel der Liebe bist du da,
„das Lebendige in allem Fleisch“ (4. Mose 16,22).
Und doch ist es gut, dich mir zu benennen,
damit Dank und Staunen mich Schwerfälligen leicht
machen.
Ich will merken, will wahrnehmen die Wunderbarkeit deiner
Wege mit mir. Allein schon das Überwintern der Knospen und mein Auf- die-Beine-kommen
am Morgen, und wie das Grämliche
schmilzt unter Einstrahlung von Sympathie- Gott, mein Gott, wie rettest du mich
stündlich vor dem Nichtigen.
Du hast mich aus den Tiefen gezogen, fast wäre ich ertrunken,
verblutet,
hätte mich
weggeworfen, wäre verstoßen, verarmt, verhärmt.
Doch du hast mich über Wasser gehalten durch einen
Menschen,
Du hast Hilfe gebracht, Du hast mich wiederbeatmet mit
Lebensmut.
Du hast mich zu dir schreien machen.
Du hast mir schluckweise Zuversicht eingespeist,
du hast mir Erstarrtem Wärme von der Hand eines Andern
zukommen lassen.
Ich war mir schon tot, mir war die Welt schon
vergangen,
da hast du mich wieder berufen zu noch ganz anderem
Leben.
Darum kann ich Goethe nach sagen: “Und wäre mir auch was verloren, kann
immer tun wie neu geboren.“
Lobsinget dem Herrn,
Ihr seine Heiligen preiset
seinen heiligen Namen!
Denn sein Verdunkeltsein währet einen Augenblick,
lebenslang aber
seine Gnade.
Den Abend lang währet das
Weinen, aber des Morgens ist Freude.
Psalm 30, 5-6
Und dann braucht man doch
Gemeinde, Freunde, Mitfeiernde,
braucht doch beschwingte
Gottesdienste- den Chor, der die eigene Stimme mitträgt. Allein kann man nicht
recht haben, nicht auf Dauer.
Darum gib ein Fest zu
deiner Rettung, schreib auf dein
Erstarken,
erzähl deine Wiederkehr zu
den Lebenden, bekenne deine Dankbarkeit.
Ruf es hinaus, wie ganz und gar
unselbstverständlich dir deine Genesung ist.
Gott wird so viel verklagt,
meist von außen, nicht von
denen, die noch mit Gott ringen und ihn als Mitleidenden ahnen. Du hast ihn
doch erfahren, dir war er nur eine Strecke verdunkelt, dir war er nur eine Zeit
lang abhanden kommen.
Schlimmst genug war das.
Aber gegen deine Rettung
und die dann glückliche Zeit
ist das
Dunkel dir nur einen Schrecken lang gewesen.
Lasse das Zagen, verbanne
die Klage, maule, mäkel nicht mehr. Mach es gut.
Und auch - wenn du zur
Nacht weinst, morgen ist ein neuer Tag seiner Gnade. Freude wird dir blühen,
halt dich bereit.
(Vers 6 heißt im Urtext:“ Sein Zorn währet einen
Augenblick“-
Das kann man so verstehen: Da ist einer
überglücklich einem Leid entronnen und fordert seine Sinne und die Menschheit
auf, Gott zu loben.
Er hat sein Leid mit
eigenem Versagen in Verbindung gebracht,
aber es ist ihm eine Ehre,
daß er wahrgenommen ist vom ewiggültigen Gott. Dieser muß ihm zürnen, wie er ja
selbst über sich zürnt.
Zorn ist viel mehr Zuwendung als matte
Toleranz; Zorn ist Zeichen des Getroffenseins- wäre Gott der Beter egal, hätte
er ihn einfach nur abgetan.
Kann zur Liebe auch Zorn
gehören- einen Augenblick lang?
Die vor uns meinten, Zorn sei
die Kehrseite der Verunehrung, und muss sein. Jedenfalls sind die Proportionen
wunderbar: Ein Nu lang das Dunkel zwischen Gott und uns, aber lebenslang seine
Gnade.
Tränen in der Nacht-
manchmal müssen sie sein. Aber des Morgens ist Freude, auf Gott ist Verlass.
Ich aber, als es mir gut ging,
sprach: Ich werde nimmermehr wanken. Denn,
Herr, durch dein Wohlgefallen hattest du mich auf
einen hohen Fels gestellt.
Psalm 30,7.8a
Vor dem Fall kommt der
Hochmut. Geht’s uns schlecht, sind wir mit Klagen schnell dabei. Geht’s uns
aber gut, werden wir leicht selbstgefällig und fahrlässig; Meinen sogar, die
Gunst des Schicksals gepachtet zu haben. Halten wir uns für Lieblinge des
Schicksals, sehen uns erhoben „über denen da unten“? Es gibt eine Arroganz, die
Dank benutzt um sich den vermeintlichen Privatgott zu sichern, nach dem Motto:
„Ich danke Gott, dass ich nicht so bin, wie die andern“(Lukas 18,11).
Aber als du dein Antlitz
verbargst,
erschrak ich. Dann rief ich
wieder zu dir und flehte: Herr, sei du mein Helfer!
Psalm30,8b.9.11
Es ist wohl so: „Des Lebens
ungemischte Freude ward keinem Irdischen zuteil“ (Friedrich Schiller). Weil der
Hunger und die Sehnsucht groß, aber die Ressourcen begrenzt sind, und alles
seinen Preis hat, und die Welt voll Doppeldeutigem und Doppelbödigem ist. Und
wo viel Licht ist, ist viel Schatten.
Ein tiefer Fall wird von
uns verstanden als habe Gott nicht genug auf uns aufgepasst. Ja, wir
unterstellen, Gott ließe uns mutwillig in Fallen tappen,
hänge uns Krankheiten an.
Aber Gott ist gut. Was geschieht, geschieht ihm mit. Es kann sein, dass wir den
Blickkontakt zu Gott verlieren,
auch weil wir ihn an falschen
Orten, in falschen Kleidern suchen.
Gut, wenn wir dann
zurückgehen zu biblischer Erfahrung und etwa an Jesu Geschichten die wahre Spur
aufnehmen zum Gott in den Mühen und im
Teilen.
Erstaunlich ist ja immer
wieder unsere Selbstgewissheit.
Kaum ist man aus einem Schlamassel
raus, da strunzt man wieder: „Mir kann keener“ ,oder „es is noch immer jod
jejange“; „Wanken? Nimmermehr!“.
Hat Gott Wohlgefallen an einem mit so
aufgeblasenen Backen,
der sich rühmt, ihn zum
Schutzpatron zu haben?
Augenblicklich kann es
sein, daß er sein Antlitz verbirgt.
Dann durchflutet Kälte die Gedanken, die Wärme der
Verlässlichkeit ist dahin. Man steht allein. Dann, gut für mich, wenn ich durch
die Verzweiflung hindurch flehen kann. Und dann –so bezeugen die Heiligen von
alters her- wird er die Klage verwandeln.
Du hast mir meine Klage
verwandelt
in einen Reigen, du hast mir
den Sack der Trauer ausgezogen
und mich mit Freuden gegürtet, dass ich dir lobsinge
und nicht verstumme. Herr, mein Gott, ich will dir danken in Ewigkeit.
Psalm 30,12.13
Wenn das doch die Beute
meines Erdendaseins wäre:
Das Leben, gekennzeichnet
als Auftakt, als Weg zur Heilung, als Heimweg; auch als Erziehung zum Frieden-
in den Abschnitten und im Ganzes: Von der Klage zum Reigen, von der Trauer zur
Freude.
Die Klage hat ihr Recht-
bewahrt sie doch dem Gepeinigten die Würde,
nicht gut finden zu müssen,
was ihm abgebrochen und entwunden ist.
Aber Gott als letzte
Adresse für Klage und Dank fädelt uns wieder ein in den Reigen der Freude.
Trauerkleider haben ihre
Zeit.
Wir Hinterbliebene
sind noch auf der Strecke, die von uns
Genommenen dürfen wir wissen wir als zu Gott hingegangen.
Und weil der Reigen, den
Gott mit seiner Schöpfung vorhat,
noch in Arbeit ist, darum
sind wir auch noch mit beteiligt am Bau des Herrn
und legen die Hände noch
nicht in den Schoß beim Loben.
Verheißen ist: Du wirst
zurückblicken, deine Seele erstarkt,
du bist wie zum Tanz
geleitet in glücklicher Runde,
Klagelieder ade! Schamzeit,
Schuldzeit - abgetan, Du strahlst vor Freude.
Gott will, dass du es so
erlebst.
*
Gott, auf dich traue ich,
lass mich nimmermehr zuschanden
werden,
errette mich durch deine
Gerechtigkeit!
Denn du bist mein Fels und
meine Burg,
und um deines Namens willen
leite und führe mich.
Zieh mich aus dem Netze, Du
meine Stärke.
In deine Hände befehle ich
meinen Geist.
Du stellst meine Füße auf weiten Raum,
meine Zeit steht in deinen Händen.
Psalm 31,1,3,4,6,9b, 16
In dem Großen Ganzen will ich mich morgens orten, abends in ihn münden. Wir brauchen doch Orientierung.
Ein Schiff kann auch nicht Kurs nehmen an seiner
Mastleuchte,
es braucht den Leuchtturm, den Peilpunkt von
außerhalb.
Auch wir können uns nicht an uns ausrichten.
Mein Gewissen muß sich gebunden wissen an eine letzte
Instanz, Verantwortung ist Antwort, mein Vertrauen sucht das Herz aller Dinge.
„Mein Fels“, „meine Burg“,
„meine Stärke“
sind Ankerworte der
Menschheit für den Ewiggültigen.
Der errettet mich, weil ich
sein bin.
Nicht bin ich seiner
besonders würdig, nicht gut und gerecht.
Sondern seine Liebe macht
mich ihm recht.
Seine Güte deckt meine
Schwächen;
Sein Verzeihen zieht mich
aus den Verstrickungen,
mein Geist wird neu
verständig durch Sprechen mit ihm.
Du stellst meine Füße auf
weiten Raum,
ich kann wieder
ausschreiten und sicher gehen.
Meine Zeit nehme ich aus
deinen Armen,
meine Wege sind in deine
Hände gezeichnet. Ich kann nicht verfallen.
Darum wird der Tag gut, und
die Nacht lässt mich sicher ruhen.
*
Hoffe auf Gott
und tu Gutes, habe deine
Lust an Gott;
der wird dir geben, was
dein Herz wünscht.
Befiehl dem Herrn deine
Wege und hoffe auf ihn,
er wird’s wohl machen.
Von Gott kommt es, wenn des Menschen
Schritte fest werden.
Fällt er, so stürzt er doch
nicht; denn Gott hält ihn an der Hand.
Lass ab vom Bösen und tu Gutes.
Bleibe fromm und halte dich recht;
So wird es dir letztlich gut gehen.
Psalm 37,3-5,23,24,27,37
Vor Gott meinen Weg bedenken, das ist es.-
Natürlich bin ich verpflichtet, Gutes zu tun, redlich
zu handeln
und mich nicht blöde anzustellen.
Aber Lust an Gott haben, ist die größte Kunst.
Die Dinge mit ihm in Beziehung sehen,
mit ihm zu tun haben in allem und jedem, ihn mit betroffen
sehen
in Katastrophen, ihn sprießen sehen im Glücken - das
ist faszinierend.
Warum blühen die Blumen in so prächtigen Farben?
Nicht nur zur besseren Vermehrung sondern weil
Gott Farben liebt.
Warum bist du da? Nicht nur, weil die Eltern ein Kind
wollten
sondern weil der Weltwille dich will und mit dir was
Besonderes ausrichtet.
Den Zusammenhang glauben von allem und jedem mit Gott,
dem Ganzen-
das ist gut. Ihm meine Wege anbefehlen,
das meint, ihm mein Schicksal anzuvertrauen:
Also beten um Geleit und Schutz vor allem vor eigenen
Verrücktheiten.
Es ist soviel Irrung und Wirrung möglich, unter jedem
Dach ein „Ach“ –
doch mindestens eine Mühsal, ein Gebrechen, eine
Schwäche, eine Unart.
Und wie damit zurechtkommen? Gott, gib mir Hirn und
Mut und Einsicht und Chancen. Und Balance, Maß, Freude an Harmonie.
Hinfallen, aber noch aufstehen können, und wenn nicht,
daß dann Hilfe komme von Gott, „Schutz
und Schirm vor allem Argen“- so weit wie möglich.
Bleib fromm- also vertrauensvoll in Gott. Wisse, daß du
mit allem zurechtkommst, weil und solange du es mit Gott in Beziehung siehst.
Gottes Hand kann drücken, aber es ist seine.
*
Und bist so unruhig in mir?
Verlass dich auf Gott. Du wirst ihm noch danken, daß er dich wieder aufrichtet
und dein Gott ist.
Darauf setzen- immer wieder
wirst du Gutes ernten: Du wirst danken. Lass doch die Wege steinig sein, sie
münden im Guten. Lass die Tränen rinnen, sie werden von der Sonne weggeküsst.
Wenn auch Menschen dich enttäuschen, du wirst letztlich gerettet und heil
werden. Keine Angst. Du wirst hindurchgetragen.
*
Ich will auf Gott hoffen
und mich nicht fürchten. Was
können mir Menschen tun?
Psalm 56,5
Menschen können Menschen viel antun, das weißt man von sich selber, man
weißt von seinem Fiesseinkönnen, wenn man gekränkt ist. Doch sag dir das täglich: Ich will mich nicht
fürchten, was können mir Menschen tun? Die um dich sieh nicht als gefährlich
an, aber suche auch nicht Gefahren. Räum Missverständnisse aus. Sieh dich nicht
verfolgt, nicht ausgegrenzt, nicht umzingelt. Es ist keine Verschwörung gegen
dich im Gange. Genieße unbefangen deine Welt. Nimm hin, was geschieht, es ist
kein Vorwurf an dich, wohl aber Lockruf, mit zu spielen und das Beste für dich
daraus zu machen. Denn es ist Gottes Geschichte, in der du mittust. Es soll dir
gut gehen, das ist Gottes Projekt.
*
Gott, du bist mein Gott, den
ich suche.
Es dürstet meine Seele nach
dir,
mein ganzer Mensch verlangt
nach dir.
Ich halte Ausschau nach dir
und deinem Heiligtum,
ich wollte so gerne sehen deine
Macht und Herrlichkeit.
Denn deine Güte ist besser als
Leben.
Das ist meines Herzens Freude
und Wonne,
wenn ich dich mit fröhlichem
Munde loben kann;
wenn ich mich zu Bette lege, so
denke ich an dich,
wenn ich wach liege, sinne ich
über dich nach.
Denn du bist mein Helfer.
und unter dem Schatten deiner Flügel bin ich
glücklich.
Meine Seele hängt an dir; deine
rechte Hand hält mich.
Psalm 63, 1-9
Daß deine Seele nach Gott
dürstet- merkst du an deiner inneren Unducht, deiner Mißgestimmtheit, deiner Lähmung,
deinem wunschlosen Unglück; keine Gemeinde, kein Trost, keine Freude, kein Ruf.
Du fühlst dich leer, unnötig, verlassen, verarmt, heute jedenfalls.
Aber wenn du noch deinen
Mangel merkst, ist Hoffnung. Bitte, entdeck
deine Wünsche wieder. Wenn du dich nach Leuchten und Freude sehnst,
hältst du nach Gott Ausschau.
Du hast ja von Gott gehört.
Wenn die Welt sein Haus ist, dann hat er viel zu bieten. Seine Güte ist ja, daß
er Macht und Herrlichkeit teilen will. Er will auch dich beglücken. Es ist
seine Leidenschaft, dich des Lobes voll zu machen.
Darum sinne wieder über ihn
nach, sinne dir nach im Gespann mit ihm. Unter dem Schatten seiner Flügel
erspüre dir ein neues Lebensgefühl: Du- gehalten, getröstet, gebraucht,
geliebt.
Freude und Wonne sollst du
ausstrahlen, Gott wird nicht ruhen, bis Du soweit bist. Und wenn er dich erst
durchs Sterben fädeln müsste, du wirst ihn finden.
*
Singet Gott,
lobsinget seinem Namen! Freuet
euch vor ihm!
Er ist Vater der Waisen und
Mutter der Witwen; ein Gott, der die Einsamen nach Hause bringt, der die Gefangenen
ins Freie führt.
Als du vor deinem Volk
herzogst in der Wüste, da bebte die Erde, und die Himmel troffen vor Gott - am
Sinai. Gelobt sei der Herr täglich. Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft
uns auch. Wir haben einen Gott, der da hilft, und den Herrn, der vom Tode
errettet. Immer wieder gibt er den Menschen Macht und Kraft. Gelobt sei er!
Psalm 68, 5-9, 20, 21,36b
Ein Schatz an Lebenserfahrung in sieben Sätzen: Freude
ist unser Auftrag. Darum hängt Gott vor allem an den Beschädigten und Verlassenen.
Die am meisten entbehren, haben noch am meisten von ihm zu erwarten, damit auch
sie Grund zu Freude und Dank haben.
In jedem Leben soll es
Zeiten geben, die von Gott „triefen“, von Glück, Fülle, Liebe, Verwöhntsein.
Jeder Mensch soll zurückblicken können auf Heilszeit. Also denk nach, wie viel
dir schon gelang. Gedenke der Bewahrungen, die dir geschahen.
Eine Heilszeit der
Menschheit war wohl die Zeit Israels in der Wüste, als sie auf dem Weg waren
aus der Knechtschaft Ägyptens ins Gelobte Land.- Da am Sinai troff der Himmel
von Gott- Fülle um Fülle fällt uns immer noch zu in den Zehn Geboten- dem
Masterplan für gutes Zusammenleben.
Gott gibt. Er ist der Quell
aller Güter, auch der Brunnen aller Güte- Gott betreibt das Lebenkönnen seiner
Schöpfung mit dauernder Ausschüttung guter Gaben und Kräfte. –Aber es ist auch
viel Mangel, Irrtum, Gier, Schuld, Schaden,Verbrechen. Ich möchte alle Last als
von Gott auferlegt sehen können, will sie annehmen als nötig.-
In südlichen Gegenden sieht
man die Äcker umfriedet mit Mauern aus Steinen. Diese Steine wurden in
Generationen vom Boden gelesen, immer neue schienen von unten ans Tageslicht zu
kommen. Sie mussten weggetragen werden, denn wo Steine, da keine Erde zum
Wachsen. Und jetzt halten die Steinmauern den Wind auf, dass der die kostbare
Ackerkrume nicht wegtrage.- Nicht als
Strafe oder Prüfung sind die Steine
gegeben, sondern als Mühen, die noch abgetragen
sein müssen. So ists auch mit den Strapazen. Und das mir auferlegte Quantum soll ich übernehmen,
weil an diesem Ort zu dieser Zeit ich da bin, und andere für andere Mühen
gebraucht werden; ich aber für dieses, mein Leid.
Schon zu wissen, daß nicht
blöder Zufall Spott mit mir treibt, hilft. Und es stärkt, daß mit der
geschulterten Mühe ich Gott beistehe. Er wird mit dem jetzt Anstehenden fertig werden, auch
mittels meines Tuns. In den Mühen wisse,
dass dir Kraft zuströmt von ihm, dem Liebhaber des
Lebens.
*
Das große Dennoch
Dennoch bleibe ich stets an
dir;
denn du hältst mich bei meiner
rechten Hand,
du leitest mich nach deinem Rat
und nimmst mich endlich mit
Ehren an.
Psalm 73, 23.24
Allen Katastrophen und
Schmerzen begegnet der Beter mit seiner Dennoch-Posaune. Was auch an Fürchterlichem
auf mich niederprasselt- ach könnt ich doch auch dieses „Dennoch“ anstimmen.
Nicht weil ich so stark bin oder stur, so fromm oder beharrlich. Sondern das
große Du hält mich. Auf unbeschreibliche Weise bin ich geborgen, gehalten, bin
gebunden an dich, weil du, Gott, mich nicht lässt.
Mit dem Rücken zur Wand
bleib ich an dich gelehnt, bleib in deine Hände gepresst, auch wenn sie hart
sind, jetzt. Du leitest mich, ohne mir meinen Freiraum zu nehmen und ohne die
Bosheiten des Lebens vor mir wegzuwischen.
Ich gehe im Gehege deines
Willens, das ist mir wichtig, auch wenn die Räder des Schicksals und dein Rat
für mich auseinanderdriften. Ich sehe mich auf einem langen Lebensweg, der in
dir läuft und bei dir mündet. Tröstlich wunderbar ist: Du nimmst mich endlich
mit Ehren an. Wenn dies das Ziel des Lebens mit dem Sterben am Ende ist, ist
alles gut. Weil alles gut wird.
Etty Hillesum, eine Holländerin, die in
Auschwitz ermordet wurde, schrieb: “Es gibt in mir
einen ganz tiefen Brunnen, und darin ist Gott. Manchmal ist er für mich
erreichbar, aber oft liegen Steine und Geröll auf dem Brunnen, dann ist Gott
begraben. Dann muss er wieder ausgegraben werden.”
Wenn ich nur dich habe,
so frage ich nichts nach Himmel
und Erde.
Psalm 73,25
So kann ich es nicht sagen,
Gott. Zu fest hast du mich an Erde und Stoff und Menschen gebunden. Aber alles,
was ich liebe, ist mir doch Pfand geworden für dich. Noch habe ich dich nur in
den von dir aufgegebenen Pflichten und Freuden, in den anvertrauten Nächsten,
in den Sonnenstrahlen, im Liebesgeflüster. Gerade weil ich dich habe, und du
mich hast, frage ich nach deinem Himmel und deiner Erde.
Wenn mir gleich Leib und Seele
verschmachtet,
so bist du doch,
Gott, allezeit meines Herzens
Trost und mein Teil.
Psalm 73,26
Noch ist mir nicht Leib und Seele verschmachtet, aber
ich war auch schon hart am Rande. Und ich hatte keine Sprache mehr zu dir hin,
es wurde leer in mir. Da schenktest du mir Strahlen von Glaube, dämmernde
Hoffnung, Rinnsale von Geliebtsein, Gedächtnisworte der Vorigen mit dir. Du ängstigtest dich um
mich. Auch wenn ich an dir zweifelte, du hieltest durch, du hieltest mich.
Gott, du meines Herzens Trost, ich bleib mit dir verwickelt, bleibe an dich
angedockt, bleib mit dir im Konvoi- wie Michelangelos Adam mit dir Finger an
Finger schwebt.
Das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte
und meine Zuversicht setze auf Gott, dass ich verkündige all dein Tun.
Psalm 73,28
Freude schöpfen aus der Zuversicht auf Gott- sie gibt
jedenfalls langen Atem. Und Menschenbefreundung- wir sind doch einander zur
Erfreuung gedacht. Was zählt da aller Ärger, was soll alles augenlose
Aneinandervorbeihasten.
Ich will von dir aufgeweckt sein, will für dich eine
gute Empfehlung sein. Dein Tun verkündigen heißt ja vor allem von deinem Tun
eingenommen sein und dein Tun mittun.
Und das ist die reine Freude. Wenn wir das mitdenken, dass wir dein Tun mittun,
mitleiden, mitgenießen, sind wir gerettet, sind wichtig, sind der Leere entronnen.
*
Wie lieblich
sind mir deine Wohnungen, mein
Gott
Meine Seele verlangt nach den
Vorhöfen des Herrn;
mein Leib und Seele freuen sich
in dem lebendigen Gott.
Der Vogel hat ein Haus gefunden
und die Schwalbe ein Nest für
ihre Jungen -
deine Altäre, mein König und
mein Gott sind mein Haus und mein Nest.
Psalm 84,2-5
Das uns Heimat sein lassen:
Wir in Gott. Die Welt sein Haus- wir hier nicht fremd. Aber wir sind auch von
Erde, wollen besitzen, wollen zu Einigem sagen können: „Meins“, „Meins und
nicht Deins“. Und dann hängen wir an Haus und Grund, an Konten und Sachen, wie
festgeklebt.- Würden wir doch uns leichter tun mit dem Irdischen, es nutzen und
pflegen, es teilen und dann auch mal lassen können.
Manchmal das Glück, behaust
zu sein und Gott Tür an Tür zu wissen. Es gibt Orte die sind gottvoll; Meere,
Berge, Ebenen, Wälder, Kirchen - Vorhöfe des Herrn. Und deine Hand, die Brot
teilt, baut die Wohnung des Herrn mit.
Vielleicht sind die Kirchen
und Altäre Zwischenräume- Irdisches, mit einigem himmlischen Anstrich;
ausgegrenzte Orte, an denen sich Gott und Mensch gut treffen können. Einige
Orte geben deiner Seele besonderes Heimatgefühl. Such sie wieder auf.
Wohl den Menschen, die dich für ihre Stärke halten
und von Herzen dir nachleben!
Wenn sie durchs dürre Tal
ziehen,
wird es ihnen zum Quellgrund,
und Frühregen hüllt es in
Segen.
Sie gehen von einer Kraft zur
andern
und schauen den wahren Gott.
Denn Gott der Herr ist Sonne
und Schild.
Psalm 84,6-8,12
Gott für meine Stärke halten- das ist die Kunst. Mein zu
Gott Gehören hält mich. Mein Machen und
Können sind Kräfte von seinem Energiestrom, noch im Dürren kann ich Brunnen
bauen, noch im Dunklen Lichter des Mutes entzünden.
Sieh, wie du Kräfte nimmst, als
gingest du von einer Blüte zur nächsten-
du bist ein Segen für dein Umfeld.
Lass dir Gott Sonne und Schild sein, die Kraft zu
allem Guten, Schutz in allem Schweren. Er ist Sonne- alle Energie: er ist
Schild, Schutz, Hilfe. Gott –alle
Energie, alle Liebe- was müssen wir mehr wissen?
*
Gott, du bist unsre Zuflucht
für und für.
Ehe denn die Berge wurden
und die Erde und die Welt geschaffen wurden,
bist du, Gott, von Ewigkeit zu
Ewigkeit.
Der du die Menschen lässest
leben- und dann auch sterben, sprichst dann: Kommt wieder, Menschenkinder!
Psalm 90,1-3
Einer der innigsten Namen für Gott ist „ Du Zuflucht“.
Du Gott bist mir Zuflucht, Ziel, Halt, Schutz. Wenn es nicht weiter geht, bist
du da; du bist die Mündung von allem. Wenn mir die Seele ausfließt, fließt sie
in dich. Geh ich mir verloren, rufst du mich heim. Du bist schon immer da,
wirst auch nach uns noch kommen. Du bist. Du bist das Meer, das uns wie Strudel
bildet, die eine Weile bleiben. Dann rufst du uns aus unserer irdischen Gestalt
zurück: kommt wieder, Menschenkinder. Dein Nennen macht uns einmalig; Wir sind deine
Kinder. Du rufst uns –also bleiben wir vor Dir. Und bleiben also auch für uns
wer. Wer, was bleiben wir? Wir bleiben Deine.
Tausend Jahre sind vor dir
wie der Tag, der gestern vergangen ist und wie eine Stunde in der Nacht. Du
lässt uns dahinfahren wie einen Strom, wir sind wie ein Schlaf, wie ein Gras,
das am Morgen noch sprosst; das am Morgen blüht und sprosst und des Abends
welkt und verdorrt.
Das macht dein Wille, dass wir
kommen, ein Stück bleiben und wieder gehen,
Uns ist es ein Schrecken, wenn
wir plötzlich dahinmüssen.
Dann stehen wir vor dir- mit Sünden. Aber stehen im Lichte deines liebenden
Angesichtes.
Psalm 90,4-8
Die Zeitmaße sind verschieden. Schmerz dehnt die Zeit, Glück macht sie
pfeilschnell. Unsere Lebenszeit fließt in Kindheit und Jugend erst mal wie ein breiter Strom. Dann geht es wie im
Schlaf- zügig, hindurchpreschend in Arbeit, Liebe, Kinder oder auch nicht,
Standgewinnen, Hausbau, oder auch nicht. Im Nu sind wir alt, sind wie ein Gras,
das die Kraft verliert. Je älter wir werden, desto schneller fließt die Zeit
ab: dann ist es plötzlich zu spät, dann ist hier Schluss mit Wandel. Doch wir verfallen nicht. Wir haben Aussicht:
Du stellst uns vor dich. Das Licht deines Antlitzes wird uns schön machen.
Alle unsre Tage werden
durch dich angetrieben. Dein Unwille gegen das Böse macht dich auch zornig, so
müssen wir denken. Wir bringen unsre Jahre meistens zu wie ein Geschwätz.
Unser Leben, wenns gewährt ist, währet siebzig oder
achtzig Jahre,
und wenns hoch kommt, noch etwas mehr. Wenn es köstlich gewesen ist, ist es auch voll Mühe
und Arbeit gewesen. Es fährt schnell dahin, als flögen wir davon.
Psalm 90,9.10
Der Treiber des Lebens ist
Gott. Mittels der Zeit tätowiert er uns, wir werden geprägt vom Geschehen und
gestalten dieses mit. Darum ist unser Gehen in der Zeit so wichtig, der Umgang
mit Zeit so dramatisch entscheidend. Ob wir unsere Tage zubringen in freudloser
Eile, geschwätzig- leer oder in
hemmungsloser Zärtlichkeit, liegt an uns. Lasst uns doch gern hier sein, auf
dieser schönen armen Erde. Zuletzt wird uns alles zu kurz gewesen sein. Und wir
wünschen uns davonzufliegen in das ewige Zuhause.
Lehre uns bedenken, dass
wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.
Psalm 90,12
Klug werden angesichts des Sterblichseins: Wir sind
nur auf Zeit hier. Haben lauter letzte einmalige, wunderbare, teure,
schützenswerte, bitte- gut zu nutzende Tage. Und Nächte. Also Lachen, Lieben,
Beistehen, Nehmen, Geben, Probleme lösen, Schmerzen und Lasten tragen,
Schuldigwerden und Verstehen. Und „Wenn du weißt, was du willst, musst du
machen, daß du hinkommst“ (Die Mißfits). Und „Man muß die Notwenigkeiten lieben
und pflegen lernen, muß das Starre und Unversöhnliche eben zu erweichen
versuchen; und darf sich nie verstoßen vorkommen“(R. Walser). Wir können unsere
Zeit nicht vermehren, können uns aber vervielfachen, indem wir uns ins
vielfältige Lebendige und in seine Seele, Gott, vertiefen. Und ja, bei den Hinterbliebenen
dann mal einen guten Nachgeschmack hinterlassen, das wäre gut.
Fülle uns frühe mit deiner Gnade, so wollen wir rühmen
und fröhlich sein unser Leben lang. Nach Unglück erfreue uns wieder. Zeige uns
deine Werke, deine Herrlichkeit deinen Kindern. Und der Herr, unser Gott, sei
uns freundlich und fördere das Werk unsrer Hände bei uns.
Ja, das Werk unsrer Hände und Gedanken wollest du
fördern!
Psalm 90,14-17
Was genau für dich
Lebensklugheit ist, musst du selbst erfahren auf deinem Weg. Sicher hilft es,
sich vor Gott auszusprechen und zu bitten: Fülle uns mit deiner Gnade, also mit
Heiligem Geist, mit Begabungen, Menschenfreundlichkeit, Humor, Staunen,
Dankbarkeit.
Freude ist sichtbares
Zeichen von Gnade und Fröhlichkeit hilft. Eine starke Form göttlicher
Freundlichkeit sind Hände und Gedanken, die ein Werk gestalten. Wir alle
brauchen die Förderung von oben. Beten wir, daß wir heute brauchbar sind fürs
Leben.
*
Und die Alten
Die gepflanzt sind im Haus des Herrn, blühen auch im
Alter noch und bringen Früchte und sind frisch. Dass sie verkündigen, wie Gott
es gut macht.
Psalm 92,15f
Auch aus den Alten bereitet sich Gott ein Lob. Auch
sie können noch blühen und gedeihen, können noch Früchte der Lebensfreude und
Schaffenskraft bringen. Manche Alte scheinen spät erst jung zu werden, manches
Glück passiert ihnen wie zum ersten Mal. Oft ist Liebe das Geheimnis ihre
Frischseins.
Es ist wohl so: „Du bist jung wie deine Zuversicht und
so alt wie deine Zweifel; so jung wie dein Selbstvertrauen, so alt wie deine
Furcht; so jung wie deine Hoffnung, so alt wie deine Verzagtheit“ (Albert
Schweitzer). -Erst wenn die Flügel deiner Seele nach unten hängen und das
Innere deines Herzens vom Schnee des Pessimismus und vom Eis des Zynismus
bedeckt sind, erst „dann sind die bösen Tage gekommen und die Jahre nahen sich,
von denen du sagen wirst: „Sie gefallen
mir nicht“(Prediger 12,1).
*
Lobe den Herrn, meine Seele,
und was in mir ist, seinen
heiligen Namen!
Psalm 103,1
Es lobt sich also nicht
selbstverständlich. Mein nachdenklicher Geist muss mein Ich anfeuern, muss
meine Person, meine Seele antreiben, sich aufzuschwingen, Gott zu loben.
Vielleicht sind wir ja wie Kinder, die meinen, ein Anrecht zu haben auf Verwöhntwerden. Sind wir unleidlich, wissen
wir schnell uns zu beschweren- und alles sich Beschweren zielt letztlich auf so
was wie Gott. Aber ihn loben? Ihn
anerkennen als großen Künstler, ihn bewundern als Freund des Lebens? Ihm Dank
sagen? Wir haben kein Recht auf den nächsten Atemzug und bekommen ihn doch
eingeschenkt. Wie überirdisch fühlt sich das Lieben an? Wie grandios ist der
Herrgott, der macht, daß wir bei der Schöpfung mitmachen.
Danken und Loben ist zuerst mal Staunen. Also lasst uns nicht
durchs Leben stolpern wie Klötze sondern merken, wie wunderbar ist, was ist.
Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er
dir Gutes getan hat und tun wird:
Psalm103,2
Nimm wahr und merke, was dir Gutes geschieht. Allein
ein schlichter Tag birgt eine Fülle von Glückserlebnissen, von Behagen,
Wohlgefallen, Zufriedenheit, Genuss und Bewahrung, Einfällen, Lachen,
Gesprächen. Ein einziger Tag ist in seiner Wunderbarkeit unausschöpfbar. Ich
will von jedem Tag ein, zwei Eindrücke sichern, am besten schriftlich, auch um
das Gute zu behalten. Und der Rückblick bekommt durch mehr Anhaltspunkte auch
mehr Tiefe. Und der Dank mehr Gestalt.
Der dir alle deine Sünde
vergibt und heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben erlöst
und dich krönen wird mit Gnade und Barmherzigkeit, der deinen Mund fröhlich
macht und du wieder jung wirst wie ein Adler.
Sünden vergeben bekommen-
das beschafft Zukunft. Schwer lastet Schuld, begangene und erlittene. Begangene
Schuld rumort in mir, bis sie beglichen ist. Erlittenes Unrecht bleibt offene Wunde, bis Gespräch
stattfindet, Eingeständnis gelingt und
ein Stück Wiedergutmachung getan ist.
Meine Schuld als von Gott
vergeben glauben- das ist dramatisch wichtig. Er ist das Wesentliche aller
Wesen. Was jeden trifft, trifft ihn erst recht- er muss alles aufnehmen und
verdauen. Vergibt er, muß ich und kann ich auch vergeben und kann mir vergeben
sein lassen und gutmachen.
Alle Gebrechen, Mühen,
Leiden sind Stationen auf dem Weg zur Heilung, gegen keinen wird er sich
entscheiden. Jedes Leben ist auf Fülle, Freude, Erlösung aus. Vor uns immer
Krönung, vor uns Teilhabe an seiner Vollkommenheit. Darum sterben wir auch nicht
ins Leere sondern werden abgekeimt vom Lebendigen, heimgetragen in Gott. Gegen
das allmähliche Einsinken in den Tod will ich dies Lied singen je älter, je
lieber: Gekrönt werden steht bevor. Und das macht fröhlich und jung, auch quer
zu unsern Erfahrungen.
Der Herr schafft Gerechtigkeit
und Recht allen, die Unrecht leiden.
Barmherzig und gnädig ist Gott,
geduldig und von großer Güte.
Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden und
vergilt uns nicht nach unsrer Missetat. So hoch der Himmel über der Erde ist,
lässt er seine Gnade walten über uns. Wie sich Vater, Mutter über Kinder erbarmen, so erbarmt sich der
Herr über die Seinen.
Gott schafft Recht. Wir
ahnen dies, und wissen auch, was er von uns erwartet. Und seine Barmherzigkeit
ist die Energie, die uns anschiebt zu gemeinsamem, heilsamem Tun. Aber er
handelt nicht mit uns Auge um Auge, gleich gegen gleich, er ist großmütig, er
weiß wie brüchig wir sind.
Er weiß, was für ein Gebilde wir sind; er gedenkt
daran, dass wir von Erdenstaub genommen sind. Ein Mensch ist in seinem Leben
wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so
ist sie verweht, und ihre Stätte kennt sie nicht mehr.
Die Gnade Gottes aber währt von Ewigkeit zu Ewigkeit
über denen, die ihm gehören. Lobe den Herrn, meine Seele!
Psalm 103,14,15,16,17,22
Der wahre Grund für Gottes
Güte ist, daß wir ihm gehören und aus seinem Material genommen sind- Erde
klingt nach Gegenteil von Himmel, ist sie aber nicht; sie ist Materie- „mater“-
Mutter, Materie, Gottes feines
Stöffchen. Wenn trotzdem wir auch egoistische, kleinliche, raffige Menschen
sind, ist es unsere einzige Chance, daß Gott zu uns hält. Wir sind vergänglich.
Aber unser Loben hat langen Nachhall. Loben wir, so feiern wir Gottes Großmut. Weil seine Gnade
ewig währt, werden wir auch ewig währen; keinen will er missen, jeden wird er
heilen.
*
Gott, mein Gott, du bist so herrlich.
Du bist schön und prächtig
geschmückt. Licht ist dein Kleid, das du anhast.
Du breitest den Himmel aus wie ein Zelt; du baust
deine Gemächer über den Wassern. Du fährst auf den Wolken wie auf einem Wagen
und kommst daher auf den Fittichen des Windes. Du machst Winde zu deinen Boten
und Feuerflammen zu deinen Dienern.
Psalm 104,1-4
So von Gott schwärmen: Er
der wunderbare Liebhaber von Allem, die Schöpfung - sein Schmuck, so auch im
griechischen Denken: kosmos =Schmuck Gottes). Licht als sein Kleid ist wohl die
hintergründigste Bestimmung vom Wesen des Lichtes. –Eine andere Übersetzung:
„Der das Licht sich umschlingt wie ein Tuch“-. Licht ist Erleuchtung und Wärmung, die Gott in die Welt setzt mittels all der Gase und
Atomsonnen.
Der Himmel als Zelt,
Wolken als Wagen, Winde als Flügel des Herrn, als Boten; Feuer als Diener-
nichts ist mit seiner physikalischen Machart zufrieden.- Alles ist sein Stoff, ist ihm untertan, steht ihm
zur Verfügung- Alle Sachen haben einen Überschuss, haben Würde und Heiligkeit,
nehmen davon ihre Bedeutung. Es gibt eine Verabredung zwischen Gott und seinem
Werk: Alles ist zum Dienst für alles da, und in diesem Zusammenhang hat jede
Sache ihre Selbstständigkeit.
Du hast das Erdreich gegründet auf festen Boden, dass
es bleibt immer und ewiglich. Mit Fluten decktest du es, die Wasser standen bis
über die Berge.
Aber vor deinem Machtwort wichen sie. Die Berge hoben
sich, die Täler senkten sich herunter. Du hast den Wassern eine Grenze gesetzt,
sie dürfen nicht wieder das Erdreich bedecken.
Aus Quellen lässt du Bäche fließen, zwischen den Bergen eilen
sie dahin,
Sie bieten Trank den Tieren des Feldes und das
Lebendige löscht davon seinen Durst.
Du feuchtest die Berge von oben
her, du machst das Land voll Früchte.
Auf den Bäumen sitzen die Vögel
des Himmels und singen unter den Zweigen.
Psalm 104,5-13
Das Wasser kann Feind des
Lebendigen werden. Aber erst recht erleben wir es als den Urstoff, der Leben erst möglich macht. Welch ein Glück, dass das
Wasser von Gottes Hand gedämmt ist. Wenn
wir uns wissend in den Kenntnissen der Natur bewegen, können wir die Wasser gut
nutzen. Aber wie tollkühn befahren wir die Ozeane und siedeln am äußersten
Meer. Dann wegen der Orkane und Überschwemmungen Gott zu beschuldigen, ist nur
hilflos. Aber Gott kann es verkraften.
Du lässt Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz
den Menschen. Brot bringst du aus der Erde hervor, daß es des Menschen Herz
stärke und mit Wein erfreust du sein Herz, und
sein Antlitz wird schön vom Öl.
Psalm 104,14.15
Wir sind ja geneigt, die
Natur zu personifizieren als die Macherin des Natürlichen. Aber die Natur ist
das Angerichtete, nicht der Koch; ist Schöpfung und nicht Schöpfer.. So bringt
Gott das Brot aus der Erde hervor mittels des Samens, der Feuchte, des Bodens,
seiner Bauern und Bäcker. Und die
bekommen Lohn. Dank ist höheren Orts abzustatten; warum ja Erntedankfest als
Markierung wichtig ist. Wein zur Freude, Öl und Kosmetik zur Schönheit-
herrlich, daß wir einen Gott glauben dürfen, der Lust hat, uns zu erfreuen und
schön zu machen.
Du hast den Mond gemacht, das Jahr danach zu teilen;
die Sonne weiß ihren Niedergang. Du machst Finsternis, dass es Nacht wird; da
regen sich alle wilden Tiere, die jungen Löwen, die da brüllen nach Raub und
suchen ihre Speise auch von dir, Gott. Wenn aber die Sonne aufgeht, heben sie
sich davon und legen sich in ihre Höhlen.
Dann geht der Mensch an seine Arbeit und an sein
Werk bis an den Abend.
Ach, wie sind deine Werke so
groß und viel!
Du hast sie alle weise
geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter.
Da ist das weite Meer, da
wimmelt es von großen und kleinen Tieren.
Dort ziehen Schiffe dahin; da sind große Fische, die
du gemacht hast, um mit ihnen zu spielen.
Psalm 104,19-26
Die Löwen suchen ihre
Speise von Gott- ja jeden Morgen wacht der Löwe auf und macht sich auf die Jagd
nach einem Zebra. Jeden morgen wacht das Zebra auf und muss schneller sein als
der Löwe. Die meisten Zebras sterben an Altersschwäche und nicht am Löwen. Aber
die Löwen brauchen ihre tägliche Portion
Zebra. Und das ist weise von Gott geordnet. Leben heißt auch, sein Leben
lassen, ob als Zebra oder als Löwe oder als Mensch. Wir müssen uns ans Leben
drangeben, und letztlich den Preis erbringen, müssen von hier gehen und Beute
an Erfahrung mitbringen.
Die Erdenzeit ist lesbar,
wir haben einen gemeinsamen Kalender. So können wir uns verabreden. Zeit messen
können, ermöglicht, Arbeitzeit gleich lang zu messen, Mühe gleichlang zuweisen
zu können, was Voraussetzung ist für Gerechtigkeit.
Große Fische sind da, damit
Gott was zum Spielen hat? Wer sie sich vergnügen sieht, die Buckelwale und Delfine,
der kann wirklich meinen, daß auch Gott dran seine Freude hat.
Es warten alle auf dich, Gott,
dass du ihnen Speise gibst zur
rechten Zeit. Wenn du deine Hand auftust,
so werden sie mit Gutem gesättigt. Verbirgst du dein
Angesicht, so erschrecken sie; nimmst du weg ihren Odem, so vergehen sie.
Sendest du aus deinen Odem, so werden sie geschaffen, und du machst neu die
Gestalt der Erde. Ich will dem Herrn singen mein Leben lang und meinen Gott
loben, solange ich bin.
Psalm 104,27-30,33
Letzten Endes ernährt Gott
sie alle. Alle Energie ist sein Atem.
Auch unser Atmen ist eine heilige Handlung. Der Kuss der Liebenden und die
Atemspende hat was vom Himmel. Irgendwann geht uns hier die Luft aus, weil wir
nur auf Zeit hier sind. Aber wir bleiben ausgestreckt, daß die Gestalt der Erde
neu geschaffen wird und wir begeistert
bei Gott bleiben. Wir werden es nicht lassen können, ihn zu feiern.
Ich will Gott loben,
solange ich bin, weniger mit schönen Worten als mit Lebenslust, und mit
Staunen, daß ich den Forderungen einigermaßen gewachsen bin.
*
Ich hebe meine Augen, woher kommt mir Hilfe? Meine
Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.
Er wird auch deinen Fuß nicht
gleiten lassen, und der dich behütet, schläft nicht.
Gott behütet dich; Er ist dir nah wie dein Schatten neben dir.
Gott behüte dich vor allem Übel, er behüte deine
Seele.
Er behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an
bis in Ewigkeit!
Psalm 121
Der dich behütet, schläft
nicht- ein magisches Wort der Treue und des Schutzes. Diese Wachheit und
Gegenwärtigkeit, Gottes flirrende geistige Präsenz in Allem ist glückhaft. Ich
will mich darin sicher wissen: Gott behütet mich. Auch wenn ich stürze, fängt
er mich auf. Auch wenn ich sterbe, geh ich ihm nicht verloren und mir damit
auch nicht.
Leid soll vergehen, das ist
versprochen. Ja, wir sind zerbrechlich,
verletzbar an Leib und Seele, sind nicht aus Stein, sind aus dem Herzen Gottes
entworfen. Auch Gott leidet. Mit dem hungrigen Löwen und dem zum Fraß werdenden
Zebra, mit dem roh gemachten Prügler und dem stummen Opfer. Glaub ihm, daß er
dich behütet. Setz deine Hoffnung ganz auf Schutz von oben und biete du dem
Himmel deine kleine Hand voll Fürsorge an.
*
Die mit Tränen säen
Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so
werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsre
Zunge voll Rühmens sein. Dann wird man sagen unter den Heiden: Der Herr hat
Großes an ihnen getan!
Der Herr hat Großes an uns getan; des sind wir
fröhlich.
Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Wir
gehen hin und weinen und streuen Samen und kommen mit Freuden und bringen unsre
Garben.
Psalm 126
Dies ist zuerst ein Gebet
Israels, dann aber auch eins für uns alle. Israel bildet das Vorbild für alle Sehnsucht,
nach Hause zu kommen und für den langen Weg hin zur Erlösung.
Auch wir werden sein wie
Träumende, wenn uns der Himmel sich öffnet. Auch wir werden mit Gott die
Vollendung seiner Schöpfung feiern.- Da wird alles Weinen in Freude verwandelt
und alle Schuld geheilt.
Gefangen sind wir in vielerlei Schlingen. Jeder weiß seinen
Mangel und muss weinen, manchmal auch ohne Tränen. Dies ist schon rettend:
Unter Tränen vollzieht sich auch Saat, Anfang, Wende, Rettung. Das dürfen wir
erwarten: Wir werden mit Freuden ernten. Wie mühsam wir uns auch plagen
mussten, das Ziel unserer Wege wird sein, Gott zu preisen, dass er Großes an
uns getan hat. Träumen wir doch schon von unserm geheilten Ich. Sollen Menschen
doch jetzt schon mal von uns sagen: Du Glückskind, du Gotteskind.
*
An Gottes Segen ist alles gelegen
Wenn der Herr nicht das Haus
baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen.
Wenn Gott nicht die Gemeinschaft behütet, so wachen
die Verantworter umsonst. Es ist
umsonst, dass ihr früh aufsteht und hernach lange sitzt und esst euer Brot mit
Sorgen; denn den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.
Vor allem Kinder sind die
Gabe Gottes.
Psalm 127
Nicht wir machen, daß Gott
unserer Dasein segnet. Aber sein Segen will mit uns zusammenwirken, wir müssen
die guten Kräfte Gottes wollen, müssen sie heranbitten, sie freundlich
aufnehmen, sie nutzen. Beim Hausbau z.B.
ist es hochwichtig, dass gutes Einvernehmen herrscht zwischen allen Gewerken.
Und alle müssen wissen, dass sie einem Werk verpflichtet sind und gerechten
Lohn erhalten. Die Gesellschaft braucht
Gottes Segen in Gestalt von Friedenswillen. Sähe jeder nur auf Seins, gäbe es
nur Unordnung.
Schon richtig, daß wir uns
mühen. Aber Wachstum und Gedeihen sind auch Geschenk, auch Gnade. Geschick ist
auch Begabung, Erfolg lässt sich nicht erzwingen. Den Seinen gibt’s der Herr im
Schlaf- Also nicht sich zersorgen
sondern gut schlafen, Gott am Abend das Tagwerk in die Hände geben und Morgens früh
aus seinen Händen wieder entgegennehmen, was heute ansteht. Da findet Segen Gestalt.
Vor allem Kinder sind nur
als Gabe Gottes zu denken. Wir „machen“ sie nicht, wir empfangen sie, sie
kommen bei uns, mittels unserer zur Welt. Gott erdet sie durch uns
mittelmäßige, hinreichend brauchbare Menschen. Kinder gibt’s genug, es gibt
nicht genug mütterliche, väterliche Menschen- also, lass Kinder an dich ran,
sei ihnen zum Segen.
Nochmal: Den Seinen gibts der Herr im Schlaf -Kannst du das auf dich
beziehen? Weißt du dich geborgen, einfach gut aufgehoben, bist du im Lot mit
dir? Schlag einfach eben mal die Augen nieder, leg die Hände in den Schoß, und
denk, fühl deinen Gedanken nach- du atmest auf, dann langsam aus. Und auf dem
Grund deines Ausgeatmethabens bist du in Ruhe. So kann es bleiben.
Geht es dir so- dann erlebst du, wie Gott dir gibt- einfach so, ohne daß
du strampeln musst. Und was du eben noch besorgtest, wen du in Gedanken oder
Taten umsorgtest- es geht alles seinen Gang. Unermesslich, dein Beschenktsein,
innen alles voll Dank. Und im Schlaf füllt sich dein Kraftreservoir wieder auf.
Du bist nur zuständig im Rahmen deiner Kräfte. Vom Rest denke, Gott wird es
schon richten.
*
Aus der Tiefe rufe ich, Gott,
zu dir. Herr, höre meine Stimme!
Merke auf die Stimme meines
Flehens!
Wenn du, Gott, Sünden
anrechnetest, Herr, wer würde bestehen?
Bei dir ist die Vergebung, dass
man dich liebe.
Ich harre des Herrn, ich hoffe
auf sein Wort. Meine Seele wartet auf den Herrn
mehr als die Schlaflosen auf den Morgen;
Hoffe auf Gott! Denn bei ihm ist
die Gnade und viel Erlösung.
Er wird seine Menschheit
erlösen aus allen ihren Sünden.
Psalm130
Manchmal zerreißt es uns aus eigener Schuld. Es
zerreißt unsere Seele vor Scham, wie konnten wir so tief sinken? Dann taten wir
etwas, das aller Vernunft und unserer Überzeugung Hohn spricht, das die
Beziehung und die Ehrbarkeit und das Ansehen auf Jahre zerstört. Und wir
schwanken zwischen Todessehnsucht und Lebenswillen, suchen uns vor uns selbst
zu entschuldigen, suchen Ausflüchte für unsere Grausamkeit. Wir spüren die
Macht des Unergründlichen- und beten, daß kein Satanisches uns vollends
verschlinge.
Um der Schwärze zu entkommen müssen wir Gott anrufen.
Wir haben doch diesen letzten Grund, der uns Halt gibt vor dem
Versinken in Wahn. Wer soll die reißende Bestie in mir still bekommen, wenn
nicht der Schöpfer des unerschöpfbaren Lichtes.
Also rufe ich, flehe zu ihm, will umkehren, bereuen
und Buße tun. Ich will Gott seine
Erlösung glauben und ein besseres Leben erarbeiten.
*
Gott, du kennst mich
Ich sitze oder stehe- du weißt.
Du verstehst meine Gedanken von ferne.
Psalm 139,1.2
Das ist das Gegenteil der Drohung: „Der liebe Gott
sieht alles“. Gott weiß mich, dich- das ist Trost und Glück. Der Universale
kennt mein Innerstes, weil es Teil seines Innersten ist. Ich bin seine Filiale,
mein Denken geschieht auf seiner Frequenz. Mein Denken flimmert durch sein
Gehirn. Ich habe einen Mitwisser, so bin ich nicht allein. Gott haftet für
mich. Wenn auch ich mich nicht verstehe, und meine Mitmenschen nur
Kopfschütteln für mich übrig hätten, so erschlägt mich das nicht. Weiß ich,
dass Gott weiß, kann ich nicht verloren gehen, auch mir selbst nicht.
Ich gehe oder liege, so bist du um mich. Du gehst
meine Wege mit. Alle Worte, die mir auf die Zunge kommen, weißt du schon
vorher.
Psalm 139,3-4
Gottes Allgegenwart und
Allwissen darf ich auf mich persönlich beziehen.
Sie stärken mein Selbstbewusstsein sehr, wüsste und behielt ich’s nur. Ich bliebe auf leuchtendem
Pfad, käme nicht unter die Räder. Wenn ich’s nur behalte, dass Gott mich
behält! Worte des Verrates und der Kränkung müssen im letzten Augenblick sich
bekehren, denn Gott weiß.
Von allen Seiten umgibst du
mich und hältst deine Hand über mir. Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und
zu hoch, ich kann sie nicht begreifen.
Das Bild ist genommen vom
Kind im Mutterleib, über das die Mutter noch ihre schützenden Hände breitet.
Du, ich in Gott. Nicht so sehr ist Gott über uns oder in uns- sondern wir in
ihm. Die Welt der Leib des Herrn- die Milchstraßen kreisen in seiner Blutbahn-
nicht zu fassen das alles.
Innig ist die Gebärde des
Schutzes: In Gottes Hand sein - bildet auch das älteste christliche Symbol ab:
Die rechte Hand Gottes. Sie ist schöpferisch,
schützend, führend- auch strafend? Die bei einer Wahl erhobene rechte Hand ist
uns Menschen Kennzeichen unserer demokratischen Macht.
Wohin soll ich gehen vor deinem
Geist,
und wohin soll ich fliehen vor
deinem Angesicht?
Führe ich gen Himmel, so bist
du da;
bettete ich mich bei den Toten,
siehe, so bist du auch da.
Nähme ich Flügel der Morgenröte
und bliebe am äußersten Meer,
so würde auch dort deine Hand
mich führen
und deine Rechte mich halten.
Spräche ich sogar: Finsternis
möge mich decken
und Nacht statt Licht um mich
sein -
so wäre auch Finsternis nicht
finster bei dir,
und die Nacht leuchtete wie der
Tag. Finsternis ist dir wie das Licht.
Psalm 139,7-12
Dass ich in Gott bin, kann
ich nicht fassen. Ich kann auch vor ihm
nicht fliehen. Er ist immer schon da. Auch meine Fluchten geschehen in ihm:
Wenn ich mich von Gott abkehre, kehre ich mich von mir ab- Gott aber bleibt
immer vor mir, um mich eben. Selbst Morgenlicht und Todsein geschehen in ihm.
Wie tief ich auch falle, ich bin gehalten. Und was für mich schwarze Nacht ist-
ich stehe doch im Licht seiner Liebe.
Wenn ein Mensch sich ans
Leben geht, will er ja nur die Bedingungen hier verneinen, will aufbrechen,
neue Kreatur zu werden in gottnaher Fülle. Und selbst, wenn er alle Vollendung
verneinen sollte und sich nur in Finsternis einhüllen will, nur nicht mehr sein
will- so ist dieser letzte Wille nur vorläufig. Denn auch das Nichts ist von
Gott umhüllt und wird zur leuchtenden Fülle. Nicht, ob ich an Gott glaube, ist
das wichtigste, sondern daß Gott an mich glaubt. Das lässt mich immer vor Ihm
sein.
Denn du hast mir Herz und
Nieren bereitet
und hast mich gebildet im
Mutterleibe.
Ich danke dir dafür,
dass ich wunderbar gemacht bin;
wunderbar sind deine Werke;
das erkennt meine Seele wohl.
Deine Augen sahen mich,
als ich noch nicht bereitet
war,
und alle Tage waren in dein
Buch geschrieben,
die noch werden sollten und von
denen keiner da war.
Aber wie schwer sind für mich,
Gott, deine Gedanken!
Wie ist ihre Summe so groß!
Wollte ich sie zählen, so
wären sie mehr als der Sand:
Am Ende bin ich noch immer bei
dir.
Psalm 139,13.14.16.17.18
Der Anfang aller Wege zu
und mit Gott ist das Staunen, das Einzigartige jeder Erscheinung, das
Wunderbare jedes Wesens! Ach merkte ich doch auf! Die Vielfalt des Lebendigen
lässt erzittern, wenn man sie nur mit erfrischten Augen wahrnimmt.
Abgründig einzigartig ist
man selbst, mittels der Eltern einst ins Sein gehoben; schon die Daumenkuppe
des Säuglings zeigt eine unverwechselbare Riffelung. Wie viel einzigartiger
noch sind die Antlitze der Menschen und ihre Seelen.
Ich bin gewollt, bin ins
Sein gerufen von Gott. Alle Tage, alle Chancen sind schon in Fülle da. Nicht zu
fassen, wie viele Gedanken wert wären, bedacht zu werden- in wachsenden Ringen
kreisen sie um den Guten Ganzen Einen.
(Ach Gott, wolltest du doch die
Gottlosen töten!
Dass doch die Blutgierigen von
mir wichen!
Denn sie reden von dir
lästerlich,
und deine Feinde erheben sich
mit frechem Mut.
Sollte ich nicht hassen, Gott,
die dich hassen,
und verabscheuen, die sich
gegen dich erheben?
Ich hasse sie mit ganzem Ernst;
sie sind mir zu Feinden geworden.)
Psalm 139,19-22
Gewaltdarstellungen und blutrünstigen Gebete im Alten
Testament sind allermeist Wunschvorstellungen Ohnmächtiger. Verbale Härte und
Grausamkeit waren die geballte Faust in der Tasche der politisch Überrollten.
Sie war Aufschrei der Machtlosen, die durch Wort und Wunsch ihre Machtlosigkeit
ausgleichen, und überdecken wollten. Um so ihre Gläubigkeit zu bewahren und
ihre Machtlosigkeit zumindest gedanklich zu überwinden und so durchstehen zu
können (Michael Wolffsohn).
Gott, du kennst mich ja, du
weißt, wie ich’s meine.
Achte darauf, ob ich auf
bösem Wege bin,
und leite mich auf ewigem Wege.
Psalm 139,23f
Hier ist Gott ganz nah dem schwierigen Menschen, der
von seiner Kompliziertheit weiß und sich in die Arme des Allwissenden und
Allweisen wirft. Im Kern darf ich mich als Gottes Eigenes glauben und mir sagen, daß er mich besser kennt, als ich
mich selbst. Das ist Schutz und Schirm für mich. Bin ich auf bösem Weg, kann es
nur Verirrung sein, Schlamassel, Jammer. „Hol mich da raus“ ist mein Ruf.
Nochmal Psalm 139
Gott, du kennst mich. Ich sitze oder stehe- du weißt.
Du verstehst meine Gedanken von ferne.
Ich gehe oder liege, so bist du um mich. Du gehst
meine Wege mit. Alle Worte, die mir auf die Zunge kommen, weißt du schon
vorher.
Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand
über mir. Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch, ich kann sie nicht
begreifen. Wohin soll ich gehen vor deinem Geist?
Wohin soll ich fliehen vor
deinem Angesicht?
Führe ich gen Himmel, so bist
du da;
bettete ich mich bei den Toten,
siehe, so bist du auch da.
Nähme ich Flügel der Morgenröte
und bliebe am äußersten Meer,
so würde auch dort deine Hand
mich führen
und deine Rechte mich halten.
Spräche ich sogar: Finsternis
möge mich decken
und Nacht statt Licht um mich
sein -
so wäre auch Finsternis nicht
finster bei dir,
und die Nacht leuchtete wie der
Tag. Finsternis ist dir wie das Licht.
Denn du hast mir Herz und
Nieren bereitet,
Du hast mich gebildet im
Mutterleibe.
Ich danke dir dafür,
dass ich wunderbar gemacht bin;
wunderbar sind deine Werke;
das erkennt meine Seele.
Deine Augen sahen mich,
als ich noch nicht bereitet war,
und alle Tage waren in dein
Buch geschrieben,
die noch werden sollten und von
denen keiner da war.
Aber wie schwer sind für mich,
Gott, deine Gedanken!
Wie ist ihre Summe so groß!
Wollte ich sie zählen, so
wären sie mehr als der Sand:
Am Ende bin ich noch immer bei
dir.
Gott, du kennst mich ja, du
weißt, wie ich’s meine.
Achte, ob ich auf
bösem Wege bin, und leite mich richtig.
* *
Die Achtung gegen Gott ist der
Anfang der Erkenntnis.
Sprüche 1,7
Keinesfalls sollen wir uns
vor Gott ängsten. Er schüchtert nicht ein, straft auch nicht, er ist nur Segen
und Liebe. Früher hieß es: „Die Furcht vor Gott ist der Anfang der Weisheit“.
Gemeint ist Ehrfurcht- sagen wir lieber:
Gott will Achtung, will geliebt werden. Mit Freuden Ihm entsprechen, das
schafft eine leuchtende Existenz.
Der Anfang von Gottes- und
Welterkenntnis ist das Staunen, wie wunderbar die Welt ist. Schon das Kind
fühlt sich erhoben- es kann schreien und Mutter naht, es weint und schon kommt
Hilfe. Dieses Geliebtsein ist der Anfang der Erkenntnis, und darin ist der
Grund gelegt fürs Gewolltsein und fürs Gehaltensein vom Herzen der Welt.
*
Geh hin zur Ameise,
du Fauler, sieh an ihr Tun und lern von ihr. Obwohl sie keinen Herrn über sich weiss, bereitet sie
doch ihr Brot im Sommer und sammelt ihre Speise in der Ernte. Wie lange liegst
du, Fauler! Wann willst du aufstehen von deinem Schlaf? Steh auf, sonst wird
dich die Armut übereilen.
Sieben Dinge sind Gott ein
Gräuel:
Stolze Augen, falsche Zunge,
Hände, die unschuldiges Blut vergießen;
ein Herz, das Ränke schmiedet; Füße,
die behände sind, Schaden zu tun;
ein falscher Zeuge, der freche Lügen redet und Hader
anrichten zwischen Geschwistern.
Sprüche Salomo 6
Dauernde Faulheit ist unter unserer Würde. Es gehört
zu unserm Wesen, unser Leben durch eigener Hände und Kopfes Arbeit zu ernähren. Wir missbrauchen die Gaben des
Schöpfers, wenn wir Sünde produzieren; Und damit Gott selbst reinreißen. Wären
wir ameisenmäßig verfasst, täten wir automatisch das Richtige. Aber wir
Menschen haben Spielraum für Wille und Erkenntnis und ja- für Faulheit. Gott
leistet sich den hochriskanten, heiklen Menschen.
*
Liebe deckt Übertretungen zu.
Sprüche Salomo 10,12
Liebe hält den geliebten
Menschen hoch, traut ihm Besserung und Heilwerden zu. Liebe sucht zu verstehen,
zu entschuldigen. Liebe tritt stellvertretend ein. Liebe zieht zunächst nicht
zur Rechenschaft sondern geht erst mal von einem Irrtum aus, von „über die
Stränge schlagen“. Liebe macht ernst mit Jesu Wort: „Sie wissen nicht was sie
tun“( Lukas 23,34). Liebe ist geduldig, lässt sich nicht erbittern, deckt auch mal
zu. Allerdings sollte Güte auch eine scharfe Kante haben, damit sie nicht mit
Dummheit verwechselt wird.
*
Einer teilt reichlich aus und hat immer mehr; ein andrer kargt, und wird doch ärmer. Und wer Korn zurückhält, dem fluchen die Leute; aber Segen kommt über den, der es verkauft. Wer reichlich gibt, wird in der Not gelabt.
Geschäfte muss man so
machen, daß andere auch gut davon haben. Nützen wir einander, ein jeder mit der
Gabe, die er empfangen hat! Und wer reichlich empfangen hat, der hat auch
reichlich zu verteilen. Wehe, bei ihm stockt der Wohlstand und die Güter häufen
sich bei ihm. Er droht an ihnen zu ersticken; Letztlich wird er Diebe als
Befreier feiern.
Es geht darum, die
Begabungen und Waren wechselseitig zu nutzen. So gesehen ist übermäßiges Sparen
Entzug von Energie und der wahre Luxus.
Besser ist, was man nicht selber braucht, loszugeben, dass andere damit
was anfangen können. Andern fürs Überleben durch eigener Hände und Kopfarbeit
das Startkapital geben, ist groß. Wer grünen lässt, gedeiht mit.
*
Trage deine Sache mit
deinem Nächsten aus, aber verrate nicht eines andern Geheimnis.
Ein Wort, geredet zu
rechter Zeit, ist wie goldene Äpfel auf silbernen Schalen. Ein Weiser, der
mahnt, und ein Ohr, das auf ihn hört, das ist wie ein goldener Ring und ein
goldenes Halsband.
Sprüche Salomo 25
Wunderbar, daß wir Menschen Sprache haben, um uns
differenziert verständigen zu können. Es können Worte gelingen, „erhaben wie
eine Offenbarung, mächtig wie Donner, warm wie die Liebe, gnädig wie der
Himmel, weit wie die Erde, fruchtbar wie der Acker, süß wie eine süße Frucht“
(Joseph Roth). Manchmal reden wir rau und abfertigend oder hängen fest in
dumpfer Sprachlosigkeit. Aber wie herrlich, wenn Menschen ihren
schmerzerfüllten Seelen Ausdruck verleihen und sie einander freisprechen.
Anderer Menschen Geheimnis verraten, das macht
mitverantwortlich für die Folgen. „Alles zum besten kehren“- rät Martin Luther.
Schweigen kann behüten. Lassen wir einander
Privatsphäre, auch durch Wegschauen. Prahlen wir vor allem nicht mit
Wissen, das auszubreiten, andere schmerzt. Nehmen wir unsere Sensationslust in
Zaum.
*
Reichtum kann mich des
Mitleids entwöhnen, einfach dadurch, daß ich mich vor Begegnung mit Armut und
ihren Forderungen schütze. Ich kann mir Privilegien beschaffen an Heilmitteln,
an Rechtsbeistand, an besseren Konditionen bei der Bank. Aber auch Armut hat es
schwer. Sie kann auf Hunger reduzieren, kann alle Kräfte binden für ein Dach
überm Kopf, kann alle sonstige Phantasie austreiben.
Eine Mitte aus Zuviel und
Zuwenig wäre gut. Aber mit welcher Mitte wäre ich zufrieden?
*
Tu deinen Mund auf
für die Stummen und führe
die Sache der Verlassenen.
Sprüche 31,8
Die Gefahr ist groß,
abfällig von Menschen zu denken und zu sprechen. Doch das Lied ist ja bekannt: “Die
Menschen sind schlecht, sie denken an sich. Nur ich denk an mich.“ Was wir an
anderen nicht leiden können, ist auch in uns. Darum ist Mitgefühl und Hilfsbereitschaft so wichtig.
wir waren auch schon drauf angewiesen und werden es wieder sein. „Wir müssen lernen, die Menschen weniger auf
das hin anzusehen, was sie tun und unterlassen, als auf das, was sie erleiden“
Dietrich Bonhoeffer).
* *
Alles ist auf der Kippe zum
Sinnlosen. Was hat der Mensch für Gewinn von all seiner Mühe, die er hat unter
der Sonne? Generationen vergehen, Generationen kommen. Ja, die Erde ist
standhaft. Die Sonne geht auf und geht unter und geht wieder auf. Der Wind
dreht sich. Die Wasser laufen ins Meer,
eigenartig- das Meer wird nicht voller.
Reden ist so mühsam,
es kommt nicht zu Ende. Das Auge sieht
sich nicht satt, das Ohr hört sich nicht voll. Was man getan hat, das tut man
wieder. Es geschieht nichts Neues unter der Sonne.
Prediger Salomo 1,1-9
Einer der großen Klagetexte der Menschheit. Sanft
klingt die Melancholie, bitter klagt die Depression. Doch dazwischen leuchten
Sätze tiefer Poesie, ähnlich dem Trostwort der Mascha Kalèko „Die Nacht, in der
der Kummer wohnt, hat auch die Sterne und den Mond.“
Viel ist die Mühe und klein die Beute. Aber die Freude
am Gelingen könnte uns retten, bei aller Wiederholung. Und geschieht wirklich
nichts Neues unter der Sonne? Ist nicht jedes Neugeborene, jeder Tag eine neue
Schöpfung?
*
Man gedenkt derer nicht,
die früher gewesen sind, und derer, die hernach kommen- ihrer wird man auch nicht gedenken.
Prediger Salomo 1,11
Ist das so? In den Versen kommt der Prediger doch
wieder. In den Genen aufgehoben sind die Vorfahren, in jedem verfertigten
Gegenstand steckt das Wissen der Generationen seit den ersten Werkzeugen.
Sicher vergessen wir die Vorfahren. Die nach uns kommen, werden uns auch der
Zeit überlassen. Aber ist das schlimm? Wenn wir nur als von Nachkommen
Erinnerte Zukunft hätten, stände es schlecht um uns- da hat der Prediger recht. Aber wir hoffen
doch weit hinaus. Gott wird uns denken, also sind wir, immer.
*
Ich sah an alles Tun, das
unter der Sonne geschieht, und alles ist doch fragwürdig, ist Haschen nach
Wind. Ich richtete mein Herz darauf, dass ich Weisheit lerne und Torheit
erkenne. Aber auch das sichert kein Glück. Denn wo viel Weisheit ist, da ist
viel Grämen, und wer viel lernt, der muss viel leiden.
Aus Prediger Salomo 1,14 –20
Der tiefen Niedergeschlagenheit der Wissenden hält Gottfried
Benn entgegen: „Dumm sein und Arbeit haben- das ist Glück.“ Aber das ist doch
auch zynisch. Muss denn Weisheit und Gram zusammen fallen? Weisheit sollte doch auch Mitleid bei sich
haben, und Geschicktheit. Weisheit hilft, vor Schlimmerem bewahrt zu werden-
das ist doch schon was.
*
Ist’s nun nicht besser für
den Menschen, dass er esse und trinke und seine Seele guter Dinge sei bei
seinem Mühen? Auch das kommt doch von Gottes Hand.
Denn wer kann fröhlich essen und genießen ohne ihn?
Prediger Salomo 2,24.25
Fröhlich sein und genießen
können – nimm als Geschenk des Himmels- sieh doch, was Er dir Gutes getan hat.
Dankbarkeit ist der Kern des Glaubens. Merk dein Überraschtsein, ja, staune
immer neu über das, was dir glückt und dir beschert ist. Das in sich
Reinstopfen von Essen und Eindrücken, das hirnlose Verbrauchen macht
unzufrieden. Aber mit Bewusstheit die schönen Augenblicke und die
Begünstigungen sich gefallen lassen als Geschenk, das erhebt dich. Und: Wer genießt, ist schon mit ihm per Du.
Die sich freuen sind nicht weit weg vom Himmel.
*
Gottes Zeit, alles
Alles hat seine Zeit, und alles
Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde:
geboren werden und sterben; pflanzen und
ernten, töten und heilen; abbrechen und
aufbauen; weinen und lachen; klagen und
tanzen; Steine sammeln und Steine zerstreuen; herzen und ferne sein dem
Herzen; suchen und verlieren; behalten und wegwerfen; zerreißen und zunähen, schweigen und reden; lieben und
hassen; Streit und Friede hat
seine Zeit. Und Gott gehört die Zeit.
Prediger Salomo 3,1-8
Das Leben besteht aus Auf und
Ab, Ja und Nein, Voll und Leer, Kommen und Gehen. Und irgendwas ist immer. Es
ist kein Stillstand, auch nicht ein Kreisen. Leben ist Geschichte mit Rhythmus.
Der Rhythmus, die Zeit, ist Gottes Puls. Alles hat seine Zeit- das ist ein
Trost. Leid bleibt nicht Leid, Glück aber auch nicht das Glück von gestern. Wir
gehen. Und der Weg ist voller Möglichkeiten- Du Glücklicher mit deiner Fülle
von Leben!
Ob die Phasen uns
portionsweise zugeteilt sind, ist offen.- Eher nicht, denn Gott macht, daß sich
die Dinge selber machen. Doch Hast ist eine geistige Störung.
*
Gott hat alles schön
gemacht. Auch hat er die Ewigkeit uns ins Herz gelegt; so ist es aushaltbar,
dass wir nicht ergründen können das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.
Merk dir das: Es gibt nichts Besseres als fröhlich sein und sichs
gut sein lassen. Ein Mensch, der isst und trinkt und ist guten Mutes bei all
seinem Mühen- das ist eine Gabe Gottes. Nichts ist besser, als dass ein Mensch
fröhlich ist in seiner Arbeit.
Prediger Salomo 3,11-13,22
Es ist wohl so, daß uns zwei Kräfte antreiben: Das
Schöne und das Ewige. Beides soll
mir Wahrheit sein, beides will ich mir wichtige Wirklichkeit sein lassen: Ich
will das Schöne merken, schützen, freilegen. Und will die Sehnsucht, ewig zu
lieben und geliebt zu sein, hegen.
Gut ist es, einen guten Mut zu haben bei aller Mühe
ums Tagtägliche. Das Schöne und das Ewige erden sich in Kunst und in der
Liebesumarmung. Und guten Mut, Essen und Trinken sich Gottesgeschenk sein
lassen- auch das ist Vorgeschmack aufs Ewige. Und ins Gelingen verliebt sein,
macht zufrieden in der Arbeit.
*
Ich hab vor Augen alles
Unrecht, das unter der Sonne geschieht, und die Tränen derer, die Unrecht
leiden und keinen Tröster haben. Die ihnen Gewalt antun, sind zu mächtig.
Ich bin nah dran, die Toten
zu preisen, mehr als die Lebendigen; Und noch besser dran ist, wer überhaupt
nicht geboren ist. So braucht er des Bösen nicht inne zu werden, das unter der
Sonne geschieht: Es ist doch nur Eifersucht des einen auf den andern. Besser
eine Hand voll mit Ruhe als beide Fäuste voll mit Mühe und Haschen nach Wind.
Prediger Salomo 4, 1-6
Dieser schwarze Pessimismus grenzt an Gottesleugnung.
Ja, es ist viel Leid. Um so wichtiger,
geboren zu sein zum Helfen und Hinausschreien
in die Welt, daß Rettung organisiert werde. Und es ist nicht nur Eifersucht da,
nicht nur Nickeligkeit. Es ist auch Güte da und die Größe des Kleinen, Sinn für
Gerechtigkeit und Courage und Freudefähigkeit.
*
Lob der Zweisamkeit
Zu zweit ists besser als allein; zwei teilen sich den
Lohn für ihre Mühe. Wenn sie fallen, können sie sich aneinander aufrichten; liegen
sie beieinander, wärmen sie sich. Einer allein wird überwältigt, aber zwei
können widerstehen und eine dreifach geflochtene Schnur reißt nicht leicht
entzwei.
Prediger 4,9-12
Ein herrlich nüchterner
Lobgesang auf das Paar. Wir sind auf Ich-Du angelegt. Einen nahbei haben, mit dem man eine
Weltsicht erarbeitet, einen Lebensgesprächspartner, eine Schicksalspartnerin-
es muss nicht Ehe sein- dieses einzigartige Bündnis, sich anzunehmen als Gabe
und Aufgabe für immer- wenn es denn gelingt. Zu zweit sein- heißt sich immer wieder
einig werden wollenn- also allein nicht Recht haben können. Aber es ist Gnade,
Geschenk, Wunder, den, die Richtige zu finden. Erreichbar sollte man sich
machen, wir müssen uns auf den Markt begeben, uns anbieten. Wer allein ist,
lässt auch allein.
* *
Aus dem HOHELIED SALOMOS
Meine Freundin, du bist
schön; schön bist du. Deine Augen sind wie Taubenaugen. Wie eine Lilie unter
den Dornen, so ist meine Freundin unter den Mädchen.
Wie ein Apfelbaum unter
den wilden Bäumen, so ist mein Freund unter den Jünglingen. Unter seinem
Schatten zu sitzen, begehre ich, und seine Frucht ist meinem Gaumen süß. Krank
bin ich vor Liebe. Ich beschwöre euch, Töchter von Jerusalem, daß ihr die Liebe
nicht aufweckt, bis es ihr selber gefällt.
Mein Freund ist mein und
ich bin sein.
Lege mich wie ein Siegel
auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod
und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich. Ihre Glut ist feurig und
eine Flamme des Herrn, sodass auch viele Wasser die Liebe nicht auslöschen und
Ströme sie nicht ertränken können.
Hohelied 1,15;2,2.3.5.7; 8,6.7
Acht Kapitel singt dies Liebeslied- eines der
schönsten, die es gibt. Weil dies Gedicht als schwärmender Lobgesang der
liebenden Seele an Gott verstanden
wurde, fand es in die Bibel. Ihm gebührt ein Ehrenplatz in der Schrift, denn es
birgt die wohl gewaltigste Bestimmung dessen, was die Liebe ist. Sie ist nicht
gemächliche Zuneigung, nicht wohliges Fühlen. Sie ist „Flamme des Herrn“, also Gottes Lohe, Feuer, das uns
verschmilzt. Die Liebe mit ihren rätselhaften Ansprüchen baut mit Religion,
Geld/Arbeit und Tod das Haus des Lebens. Die Bibel hält das Versprechen Gottes
fest: Der Sinn für einander soll den Liebenden nicht ausgelöscht werden. Den
Druck des abwesenden Körpers gegen den eigenen
sollen wir spüren. Anverwandelt werden wir einander ewig. Wenn es sich fügt.
* *
Schwerter zu Pflugscharen
Dies ists, was Jesaja, der Sohn
des Amoz, geschaut hat über Juda und Jerusalem:
Es wird zur letzten Zeit der Berg, da Gottes Haus ist,
fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben. Und alle Heiden
werden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst
uns gehen zum Hause Gottes, dass er uns lehre seine Wege. Von Zion wird Weisung
ausgehen und er wird richten die Völker.
Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre
Spieße zu Sicheln machen. Kein Volk wird mehr gegen das andere das Schwert
erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.
Kommt nun, lasst uns wandeln im
Licht Gottes!
Jesaja 2,1-5
Es ist wohl die gewaltigste Prophezeiung, die sich der
Menschheit durch den sonst unbekannten „Jesaja“ auftun. Von Jerusalem aus wird
Gott die Völker zurecht richten und sie leiten. Auch Die Vereinten Nationen
beziehen aus dieser Vorschau ihre Versöhnungskraft. Vor dem UN-Gebäude in New York
steht die Skulptur „ Pflugscharen aus
Schwerter“ mit der verknoteten Pistole. Der Auftrag bleibt, im Licht Gottes friedensstiftend
den Lebensweg zu gehen.
*
Der Tag der Tage
Der Tag des Herrn wird kommen über alles Hochmütige
und Prominent-sich- wähnen und über alles Elitäre. Es soll erniedrigt werden.
Beugen muss sich alle Großmannssucht, demütigen müssen sich die stolzen
Menschen. Wir erkennen, daß allein einer groß ist, Gott allein. Darum muss der
Tag aller Tage kommen.
Jesaja 2,12.17
Vielleicht könnten wir auch ohne Himmel und Jüngsten
Tag auskommen, einfach unser kleines Leben fristen und dann geräuschlos von
dieser Erde gehen. Allein schon hier gewesen sein und einmal ich gewesen sein
ist in seiner Wunderbarkeit grandios. Aber
Gott hat Vollkommenheit vor und dazu gehören auch wir, seine Kinder- darum
verfallen wir nicht sondern werden vollendet. Das wagt Jesaja so noch nicht zu
glauben. Aber klargestellt werden muss, wer Gott ist. Alles sich Aufwerfen der Menschen zu
Diktatoren kann nur kurz sein. Hochmut wird zu Fall kommen. Sünde wird als
Sünde und Heilstat als Heilstat vor Gottes Antlitz klargestellt.
Am Tag der Tage
wird klar: „Daß er uns sündigen ließ, war schon Strafe“ (Gotthold E. Lessing/ Erhard
Kestner). Dass soll uns aufgehen in der Fülle der Freude vor Gott. Jedenfalls
erwartet uns im eigenen Tod und in der Weltzukunft die Vollendung der
Schöpfung, wie sie von immer her gemeint ist.
*
Jesajas Berufung zum Propheten
Ich sah Gott sitzen auf einem hohen, leuchtenden Thron
und der Saum seines Mantels füllte den Tempel. Engel standen über ihm; ein
jeder hatte sechs Flügel: Mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien
deckten sie ihre Füße und mit zweien flogen sie. Und einer rief zum andern und
sprach: Heilig, heilig, heilig ist der Gott der himmlischen Heere, alle Lande
sind seiner Ehre voll!
Und die Schwellen bebten von
der Stimme ihres Rufens.
Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin
unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen. Da flog einer
der Engel auf mich zu und hatte eine glühende Kohle mit der Zange vom Altar genommen,
und rührte meinen Mund an und sprach: Deine Schuld ist von dir genommen, deine
Sünde gesühnt, dein Mund ist rein,
Und ich hörte die Stimme Gottes: Wen soll ich senden?
Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich!
Jesaja 6,1-8
Dies ist eine der großen Visionen der Bibel: Der
Prophet schaut Gott- aber die Augen sind gebannt vom Dekor: Allein der Saum des
Gewandes füllt den Tempel; Engel, dreifach paarig mit Flügeln versehen, umwehen
Gott und schützten den Schauenden, dass der Anblick ihn nicht versenge.
Was haben diese Engel mitzuteilen? Heilig, also
doppelt heil ist Gott. Alle Lande seiner Ehre voll- meint: Die Wirklichkeit ist
voll Gott, seine Schöpfung strahlt seine Würde, seine Liebe, seine Energie aus.
Mit glühender Kohle vom Altar wird dem Menschen der
Mund gereinigt- ein starkes Bild dafür, dass der Prophet sich nicht mehr selbst
zur Geltung bringt sondern fortan Gottes Wort aus ihm spricht. Und doch ist er
nicht willenloses Sprachrohr. Er wird gefragt, ob er der Berufung Folge leisten
will. Und entscheidet sich für seine Sendung.
Gott kann uns aufleuchten von Innen her. Wir können
aber auch belichtet werden von außen- so was wie Gott begegnet uns. Kennzeichen,
dass wir es nicht uns einbilden sondern bekehrt werden, ist Beauftragung mit
Befragung unseres Willens. Wenn Gott uns anspricht, ruft er uns an die Arbeit,
die Welt mit heil zu machen.
Wir erleben es immer wieder, dass Ereignisse an uns appellieren.
Wir müssen Stellung nehmen, retten, verteidigen, einstehen. Und all unser
verkehrtes Wesen fliegt dann fort- wir
tun , was wir müssen, wir stehen in der
Pflicht, und sagen hinterher: Wir hatten keine Wahl. Gut so.
*
Der Friedefürst
Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes
Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. Du
weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir wird man sich freuen,
wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt.
Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf
ihrer Schulter und den Knüppel ihres Treibers zerbrochen. Jeder Stiefel, der
mit Gedröhn daherkommt, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt
und vom Feuer verzehrt.
Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben,
und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held,
Ewig-Vater, Friede-Fürst. Seine Herrschaft soll groß werden und der Frieden
soll kein Ende nehmen.
Jesaja 9, 1-6
Der Messias, der Sohn Gottes, wird auf Erden ein
heiles Reich, eine vollkommene Gesellschaft errichten. Dann ist kein Diktator
mehr da, kein Treiber, keine Stiefel dröhnen mehr, keine Schergen schießen
mehr. Im Öffentlichen wie im Privaten sind wir geschwisterlich gleichwertig
miteinander. – Ob diese Verheißung unter den Bedingungen knapper Mittel und
gierigbleibender Menschen von Gott
verwirklicht werden kann? Es gab optimistische Zeiten, und Inseln des Glücks
gibt es immer wieder. Aber das Gemenge aus Klimakatastrophe und Hungerelend und
vielfältigem Egoismus schreit nach
ungeheurer Fülle von Heiligem Geist. Wo und wie das Reich Gottes kommt- lassen
wir es offen und tun wir hier kleine Schritte zu geteilter Freude und mehr
Gerechtigkeit.
Die Verheißung des Messias setzt einen starke
Erwartung in Gang, die in der Wiederkunft des Christus Erfüllung findet, so
sehen wir Christen es und bleiben mit den Jüdischen Brüdern und Schwestern in
Erwartung des Messianischen Reiches.
*
Der Messias und sein Friedensreich
Und es wird ein Zweig hervorgehen aus dem Stamm Isais.
Auf ihm wird ruhen der Geist Gottes, der Geist der Weisheit und des Verstandes,
der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Ehrfurcht.
Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und Treue der Gurt seiner
Hüften.
Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die
Panther bei den Böcken lagern. Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge Löwen
und Mastvieh miteinander treiben.
Kühe und Bären werden zusammen weiden, dass ihre
Jungen beieinander liegen, und Löwen werden Stroh fressen wie die Rinder. Und
ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein Kind wird seine Hand
stecken in die Höhle der Natter.
Man wird nirgends Sünde tun noch freveln auf meinem
ganzen heiligen Berge; denn das Land wird voll Erkenntnis Gottes sein, wie
Wasser das Meer bedeckt.
Aus Jesaja 11,1-9
Groß ist dies Gemälde einer befriedeten Natur. Die
Wölfe wohnen bei den Lämmern - das meint auch eine geschwisterliche Welt, in
der die Gegensätze freundschaftlich zueinander passen. Und wir Menschen Frieden
machen miteinander- auch wenn die fleischfressenden Tiere nie zu Grasgenießern
werden. Erkenntnis Gottes, viel wie das Meer, ist uns versprochen.
*
Der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und der
Gerechtigkeit Nutzen wird
ewige Stille und Sicherheit sein.
Jesaja 32,17.
Dass wir Ungerechtigkeit jedenfalls mildern, also wir
die Spanne zwischen arm und reich verringern - wir also per Gesetz
Chancengleichheit beschaffen und inzwischen schon persönlich Not lindern und
Lücken füllen- das muss sein. Dem Nächsten
gerecht werden, jedenfalls sein Anliegen versuchsweise aus seiner Sicht
verstehen und ihm helfen, zu seinem Anteil zu kommen, das beschafft Frieden.
Wenn wir den Hunger nach Gerechtigkeit stillen und gestillt bekommen, dann sind
wir voreinander in Sicherheit; aller Jammer und Schlachtenlärm, alle
Schnäppchenjagd ist abgeebbt; Stille- glückliches Ruhen herrscht.
Tröstet, tröstet mein Volk!,
spricht Gott.
Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass
ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist.
Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet Gott den
Weg, macht in der Steppe ebene Bahn! Täler sollen erhöht werden, Berge
erniedrigt. Was uneben ist, soll gerade werden. Die Herrlichkeit Gottes soll
aufgehen allen Menschen.
Jesaja 40, 1-5
Israel war in Babylon im
Exil, wurde aber durch Propheten und Priester, Gottesdienste und Verheißungen
zusammengehalten. Nach drei, vier Generationen zeichnete sich die Aussicht auf
Heimkehr ab. Ein uns nicht namentlich bekannter Prophet trat auf. (In der
theologischen Fachsprache spricht man von Deutero- (Zweiter)-Jesaja.) Er ist
der intensive Tröster der Bibel. Er stellt Gott dar als den großen Heiland,
dessen Beruf es ist, zu heilen und zurechtzubringen. Er nimmt teil an den
Leiden seiner Menschen, sucht mit ihnen und für sie Auswege.
Wenn ein ganzes Volk
betroffen ist, muss ein politischer
Umbruch von langer Hand vorbereitet werden. Irgendwann hört ein Mensch einen
Ruf vom Himmel her. Und er spricht den Menschen so ins Herz und unter die Haut,
dass Fanfaren des Aufbruchs die Menschen aufschnellen lassen. Lassen wir uns
treffen? Merken wir, daß auch wir gemeint sind?
Die Geschichte hat zwei
Seiten. Einmal ist sie Zusammenwirken der Menschen, gesteuert durch ihre Interessen
und Möglichkeiten. Sie ist aber auch geleitet durch Heiligen Geist, durch einen
Sog in die Zukunft, durch Hoffnungen und Wunschpotenzial aus Träumen und
Visionen.
Das ist stärkster Antrieb
überhaupt: Aus der Verzweiflung herausgerufen werden nach vorn. Die Zukunft
erscheint als neuer Wurf. Jerusalem damals und wir alle werden freundlich von
Gott angesprochen: Die Knechtschaft geht zu Ende.
Auch unsere Knechtung?
Wissen wir überhaupt von ihr? Welchen
Zwang haben wir uns auferlegt, mit welcher Gier sind wir bestraft?
Welches Mäuserad aus Pflichten und
Vergünstigungen treten wir immer schneller. Wieviel belanglose „News“ checken
wir täglich, stündlich? Wie erfahren wir den Freispruch, auch enttäuschen zu
dürfen und nein sagen zu können?
Der Prophet forderte das
Volk auf, sich zu bekehren und den Weg für Gott freizumachen. Der wird dann
Israel die freie Bahn der Rückkehr beschaffen.
In der Steppe schwieriger
Verhältnisse den Weg frei machen für Gott- das ist unser Auftrag. Was an uns
ist- die Ungerechtigkeiten einzuebnen; das brächte Gott mit uns und zu uns
vorwärts.
*
Weißt du nicht? Hast du
nicht gehört? Der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, gibt dem
Müden Kraft, und Stärke dem Unvermögenden. Männer werden müde und matt, Junge
straucheln und fallen; Aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass
sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden,
dass sie schreiten und nicht müde werden.
Jesaja 40,27-31
Dir gibt Gott Kraft. Aus Sonnenlicht und Schlaf, aus
Liebe von einander, aus Zugehörwissen, aus Leistungsfähigkeit und Freude, aus
Anerkennung und Dank, aus Überstehen von Mühe und Krankheit, aus jedem Bissen,
jedem Trank, jedem Atemzug gibt er dir Kraft. Kraft kommt aus dem Harren auf
Gott, was geduldiges und sehnendes zu
Gott Gehören ist. Ja, wisse, daß Gott mit dir beschäftigt ist, dir Lebensmut
zuteilt, dich mit Heiligem Geist anhaucht- auf dass wir uns nicht aufgeben.
Neue Kraft ist dir oft geschenkt worden, unverhofft und unerklärlich.
*
Gott, der dich Israel geschaffen
hat, spricht: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei
deinem Namen gerufen; du bist mein!
Wenn du durch Wasser gehst,
will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen; und wenn du durch
Feuer gehst, sollst du nicht verbrennen.
Denn ich bin dein Gott, der
Heilige Israels, dein Heiland. Du bist in meinen Augen wert geachtet und auch
herrlich. Ich habe dich lieb.
So fürchte dich nun nicht,
denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom
Westen her sammeln, ich will sagen zum Norden: Gib her!, und zum Süden: Halte nicht
zurück! Und alle Heiden sollen
zusammenkommen und die Völker sich versammeln. Vor ihnen seid ihr meine Zeugen,
spricht der Herr, und mein Knecht, den ich erwählt habe.
Jesaja 43,1-10
Das ist zunächst Israel gesagt, den Verstreuten und
Verschleppten im Exil in Babylon. Teils
hatten die sich in der dritten Generation schon an die Fremde gewöhnt; andere
glühten vor Rückkehrsehnsucht. Ihnen sagt der Prophet als Gotteswort: Fürchte
dich nicht! Ich bin dein Gott, da kannst mir nicht verloren gehen. Gott
verspricht den aus der Heimat Weggesprengten die Rückkehr. Und noch mehr: Die
Völker wird Gott sammeln um den Tempel in Jerusalem.
Von dem wird das Recht ausgehen für die
Völkergemeinschaft. Und später wird dort Gott sich herablassen zu seinen
Menschen für die messianische Zeit.
Israel soll vor der Völkergemeinde Zeuge sein für die
Bündnistreue Gottes. Und die Menschheit wird das Erstgeburtsrecht Israels
anerkennen und Israel die Gleichwertigkeit der Menschengeschwister und ihrer
Frömmigkeit.
Aber zunächst brauchen die im Exil den Hirten, der den
Weg zur Heimkehr weiss. Gott verspricht sich ihnen. Die Schwachen wird er im
Bausch seines Mantels tragen.
Unabhängig von der ersten Widmung an Israel in Babylon
sind wir mit gemeint. Zu Recht ist das „Fürchte dich nicht“ beliebtester
Taufspruch der Christenheit: „Fürchte dich nicht, Menschenkind: Gott hat dich
erlöst, hat dich aus dem Nichtsein erlöst und dich ins Sein gezogen, hat dich
bei deinem Namen genannt. Du bist vor ihm vorhanden und gemeint, einzigartig
persönlich bist du Gottes. Und Gott ist der Deine.
*
So spricht Gott: Gedenkt
nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige! Denn siehe, ich will ein
Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?
Jesaja 43,18.19
Wir hängen am Gewordenen. Mühe, Schweiß und Tränen stecken im Errungenen. Auch Gott -
könnte er nicht schon stolz sein aufs Erreichte, die Weltwunder, die
Weiterentwicklung der Schöpfung, und ließe die Welt langsam ausklingen? Aber
Gott drängt nach vorn, ist mit Werden und Wachsen und neuen Ideen beschäftigt.
Und will uns als Copartner, will uns als Projektentwickler- es ist noch so
Vieles im Argen.
Du dachtest, du könntest dich zurücklehnen? Nichts
damit. Der Hunger nach Gerechtigkeit werde dir drängender, die Lust auf Kunst
und Schönheit wachse in dir. Genau dir ist schon Neues passiert. Warst du nicht
fast neugeboren, als die Liebe dich traf oder du wieder gehen konntest? Oder als
ein Mensch dich für eine Freude umarmte? Erkennst du es denn nicht, wie Gott
mit dir gut zugange ist und noch so viel vorhat? Wach doch auf, Mensch.
Wir hängen schon arg am Hergebrachten, sichern uns,
hüten Vorhandenes und wollen es mehren, freuen uns an Besitz. Da ist Gottes
Verheißung, Neues zu schaffen, auch brenzlig. Doch wir sehnen uns auch nach
mehr Liebe, mehr Frieden, mehr glückender Gemeinschaft, mehr Reich Gottes eben.
Ob Gott das Neue hinbekommt, mit uns und auch gegen uns, jedenfalls auch für uns?
Erkenne, daß Gottes Schatz in dir aufwächst. Achte darauf, daß dein Lieben
großzügiger wird, du durch Teilen mehr
Frieden beschaffst. Glückt durch dich mehr Gemeinschaft?
Sieh hin, will merken, will es wissen.
*
Arbeit gemacht
Mit deinen Sünden hast du mir Mühe gemacht. Ich, ich
tilge deine Übertretungen um meinetwillen und gedenke deiner Sünden nicht,
spricht Gott.
Jesaja 43,24.25
Vergeben- das macht Gott nicht mit links, als wäre
es sein Metier. Wir sind so arrogant und
so verzweifelt, daß wir ihn anschwärzen, mit dem, was wir verderben. „Wie kann
Gott das zulassen?“ –so kreiden wir ihm unsere Untaten an. Die Grausamkeiten,
die wir andern tun, die muss Gott mitleiden und muss noch letztlich für sie
haften- es ist ja aus seinem Energieschatz genommen; wir sind seine mörderischen Kinder.
Gott vergibt- er lässt uns nicht stecken im Pech
unserer Schuld. Er bekehrt unser Gewissen, das wir um Vergebung bitten und
wieder gut machen wollen, irgendwie. Er gibt neue Chancen, neue Begegnungen,
neue Einsichten. Er hilft uns, neu anzufangen. Und das um seinetwillen. Nicht
weil wir so fromm wären sondern weil Gott für seine Kinder einsteht.
*
Gott spricht- sagt der
Prophet- Ich bin der Herr, und sonst keiner mehr; außer mir ist nichts. Ich
mache das Licht und die Finsternis, ich gebe Frieden und Unheil. Ich bin der
Gott, der dies alles tut.
Weh dem, der mit seinem Schöpfer
hadert, eine Scherbe unter irdenen Scherben! Spricht denn der Ton zu seinem
Töpfer: Was machst du?, und wirft sein Werk ihm vor: Du hast keine Hände!
Aus Jesaja 45,6-9
Alle Handlungen in der Welt denken als Handlungen des eines
Gottes- was kann das bedeuten? Ich eine Filiale (filia, lat.=Tochter) des
Einen, ein Glied an seinem Leib, ein Sensor seinerselbst. Er gibt mir keine
Zahnschmerzen, aber die von ihm geschenkten
Zähne sind nur begrenzt haltbar.
Letztlich hat er uns sterblich gemacht; nein, er hat uns lebendig gemacht, aber
diese Art von Menschenlebendigkeit „geht nur sterblich“.
Das Licht des Lebens geht uns auf. Das ist das
Wunder. Und wenn uns das Licht
verlöscht, ist Finsternis da, sie ist Gottes Dunkel- das ist Tiefen-Glück in
allem Unglück. Gut, daß keinem anderen als Gott das Leben und die Liebe und die
Zeit gehören- und der Tod und der Hass und das Verfliegen der Zeit eben auch.
Gottes Sein besteht in Seingeben. Wir, die Kreatur,
wir sind nichts anderes als Seinnehmende (Tauler). Darum - Gott zu verklagen
ist nicht angemessen. Aber manchmal brauchen wir es, mit ihm zu hadern. Er hält
das aus. Er ist ja die letzte Adresse
für Dank und Klage, wer sonst.
Gott ist das dynamische Zentrum des Universums. Gott
ist sowohl im Unendlichen wie im Einzelnen. Er ist der eine Künstler, verteilt
auf tausend Millionen Inkarnationen, „die leise knisternde Macht“ (Hanns.H.Jahnn).
*
Er hatte keine Hoheit. Wir
sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Er schien uns der
Allerverachtetste und Unwerteste, war voller Schmerzen und Krankheit. Er war so
verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; wir haben ihn verachtet.
Die Wahrheit aber ist: Er trug
unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Er ist um unsrer Missetat
willen gequält und um unsrer Sünde willen zerschlagen worden. Die Strafe liegt
auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.
Aus Jesaja 53,2-5
Hier steht in Reinkultur die Theorie des Sühnopfers:
Gott will ein Opfer haben. Stellvertretend fürs Volk muss sich einer hinhalten
und zur Buße für die Sünden aller sein Leben geben.
Ja, das stellvertretende Leiden gehört zum Leben. Wie viel
Mühen werden übernommen, wie oft wird für Kollegen eingesprungen, wie viel
Gewalt wird geschluckt, wie viel Unrecht verschmerzt. Wie viel Hunger wird
gelitten, wie viele Leben gehen verloren durch Not, die nicht geteilt wird und
durch Hass, den niemand aufsaugt.
Aber muss Gott ein Opfer haben? Im griechischen Denken
stand die Moira (Schicksal) noch über den Göttern, ein ehernes Gesetz, dem mit
Gerechtigkeit genüge getan sein musste.
Aber Liebe ist höher als alle Vernunft und Gerechtigkeit.
Es ist in die Natur eine Tendenz eingebaut, dass viel
mehr Gutes als Schlechtes geschieht. Die Natur verdaut Schaden, sie vergilt nicht Böses mit Bösem. Würde Mord
-Auge für Auge, Zahn für Zahn- mit Mord bezahlt, wären wir an Blutrache längst
ausgestorben. Güte hat Kraft zu heilen, und Liebe deckt der Sünden Menge-
das gehört zu den Energien, mit denen
Gott die Schöpfung hoch hält.
In Israel kam der Gedanke auf, daß Gott sich selbst
drangibt für seine Schöpfung, in Gestalt seines Knechtes. Paulus erkannte dann,
daß in Jesus Gott selbst als Sohn (noch einmal) zur Welt kam. Und was der Sohn
erleidet, trifft den Vater. So bürgt Gott für seine Menschen, wie Eltern für
ihre Kinder einstehen.
Wir allerdings fragen strotzend vor Blödigkeit: das
Leid, das wir produzieren- wie kann Gott es zulassen. Statt zu helfen und zu
lindern, meinen wir, der Leidende werde bestraft. Und wenden uns ab. Dabei ist
alles Leiden und auch stellvertretend getragen. Keiner ist allein an was schuld.
Wir alle drücken uns gern und lassen gern andere die
Lasten tragen. Aber der Gottesknecht, den Gott in Aussicht stellt durch den
Propheten, der nimmt das Leid auf sich. Die ersten Christen sahen in Jesus den
Verheißenen. Und ja, Jesus nimmt die
Last des schwachen Gottesbildes auf sich. Ein schwacher Gott, der nur vergibt nach
Maß der guten Taten- das wäre ein Richter nur, kein Retter. Jesus aber steht
für Gott ein, dass seine Liebe unendlich ist. Und darum schluckt sie auch
unsere Sünden. Gott verdaut unsere Schuld- dafür steht Jesus gerade, dafür gibt
er sich hin, um das uns zu zeigen.
Mit der Auferstehung siegelt Gott diesen Jesus als
seinen Gottesknecht- unbeschadet der anderen Erwartungen, die Israel noch hegt.
Und wir wissen dem Jesus nach: Übernommenes Leid räumt den Weg frei für Heilung
und Frieden.
*
Gib frei, die du bedrückst
Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend, die
ohne Obdach, führe ins Haus! Wenn du einen ohne Kleidung siehst, so gib ihm
anzuziehen, und entzieh dich nicht deinem Fleisch!
Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte,
und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor
dir hergehen, und die Herrlichkeit Gottes hinter dir her. Dann wirst du rufen
und der Herr wird dir antworten: Siehe, hier bin ich.
Wenn du den Hungrigen dein Herz finden lässt und den
Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein
Dunkel wird sein wie der helle Mittag.
Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie
eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt. Und du sollst heißen: „Du, der
die Lücken füllt und die Wege ebnet.“
Aus Jesaja 58
Gott lieben heißt, den Nächsten lieben; das ist hier
klargestellt. Der Bedürftige ist nicht irgendwer sondern ist Gottes Fleisch
also auch „mein Fleisch“.
Weil wir mit der Nächstenliebe uns so schwer tun,
haben all unsere Seelen einen Grauschleier. Wir in unserm Wohlstand haben alle
ein schlechtes Gewissen- oder sind von Sinnen. Wir haben von Natur aus die
Anlage mitbekommen, einander zu ergänzen und zusammenzuwirken. Darum können wir
auch Nächste werden dem, der nicht in barer Münze uns bezahlen kann. Es gibt
auch Herzenswährung, „compassion“, Mitfühlen.
Es tut gut, gut zu tun.
Wir werden dann Leuchtende, es wird uns hell im
Inneren. Wir könnten dann und wann überirdische Freude ausstrahlen.
Wir können lernen, dem in Not gut zu sein- ein Stück
weit. Es heilt uns, es macht mich mit mir einverstanden. Beim Geben entspringen
für mich selbst Kräfte. Ich lebe lieber, wenn ich einem helfe, zu überleben.
Mein Titel dann: Überbrücker oder Retter.- Mehr geht nicht, mehr kann man nicht
werden.
*
Gott spricht: Ich lasse
mich suchen von denen, die nicht nach mir fragen, ich lasse mich finden von
denen, die mich nicht suchen. Zu einem Volk, das meinen Namen nicht anruft,
sage ich: Hier bin ich, dein bin ich!
Jesaja 65,1
Viele religiöse
Übungen leiten an, Gott zu finden. Askese und gute Werke sollen auf den
richtigen Weg bringen, Kaskaden von Gebeten unsere Seele erweichen. Aber Gott
kennt uns, seine Brut. Er hütet uns zusammen, er geht uns mütterlich, väterlich
nach, er zeigt sich uns. Wenn wir gegen ihn verrammelt sind, tut er die
Schritte auf uns zu. Und manchmal leidet er still mit uns und an uns. Dann
fragen wir: Wo ist Gott? Und er fragt: Mensch, wo bist du?
Gott ist mit uns in einer lieben Berührung, einer
unerwarteten Hilfe. Ein stärkendes Wort kommt angeflogen, ein wahrnehmender
Blick, und schon öffnet sich heiliger Raum vor uns. Wir sind ausgerichtet auf
Empfang der schönsten Würden: Wir taugen doch, sind Gottes Kinder. Und werden ohne unser Zutun
geheilt. Wie von selbst tun wir Gutes, wenn wir uns von Gott geliebt wissen.
Nur, die Reihenfolge ist klar: In allem bleiben wir Empfangende.
*
Gott spricht, sagt der
Prophet: Ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der
vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.
Und ich will fröhlich sein
über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören
die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens.
Es sollen keine Kinder mehr
da sein, die nur einige Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen - als
jung werden Hundertjährige gelten.
(Denn von Zion wird Weisung
ausgehen. Und er wird richten die Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu
Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Kein Volk wird mehr gegen ein
anderes das Schwert erheben und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu
machen (Jesaja 2, 3.4)).
Wenn der Messias kommt,
dann werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen, ein Kind wird Vieh und Bären
miteinander weiden. Und Löwen werden
Stroh fressen, ein Säugling wird unbeschadet spielen am Loch der Otter. Man
wird keine Sünde mehr tun, denn das ganze Land wird voll Erkenntnis des Herrn
sein (aus Jesaja 11,1-9)). Sie werden Häuser bauen und bewohnen, sie werden
Weinberge pflanzen und ihre Früchte essen. Denn sie sind das Geschlecht der
Gesegneten des Herrn.
(Er wird unter großen
Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen Landen. Sie werden
ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein
Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr
lernen, Krieg zu führen (Micha 4,3).
Wolf und Schaf sollen
beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Die Menschen
werden nicht mehr Bosheit noch Schaden
tun auf meiner ganzen heiligen Erde, spricht Gott.
Aus Jesaja 65, 17-25
Hier steht die Utopie einer friedlichen Welt
geschrieben. Gott will aus der alten Menschheit eine neue entwickeln. Auch in
der Natur soll nicht mehr Fressen und Gefressen gelten. Die Menschen werden
nicht mehr sündigen. Ja, dann ist der Himmel auf die Erde gekommen oder die
Erde ist im Himmel. Wenn das Reich Gottes vollkommen bei uns ist, dann ist
Friede.
Bis dahin möge der Traum
von der Verwandlung uns wenigstens einige Schritte auf einander hin beibringen. „Dein Reich komme“ zu beten, das
bleibt uns immer noch aufgetragen. Gott ist noch auf dem Weg, seine Schöpfung
heil zu machen. In der Zwischenzeit haben wir viel zu tun, mit Abrüsten
und Befreunden. Schwerter umschmieden zu
Pflugscharen- statt Militärhaushalte: Brot für die Welt. Aus dem Glauben an
Gottes Friedensarbeit lasst uns immer
neue Kräfte der Versöhnung schöpfen.
* *
Und des Herrn Wort geschah
zu mir: Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und bestellte
dich zum Propheten für die Völker.
Ich aber sprach: Ach, Gott,
ich tauge nicht zu predigen; ich bin zu jung.
Gott aber sagte zu mir: Sage nicht: »Ich bin zu
jung«, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen, was ich dir
gebiete.“
Und Gott streckte seine
Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine
Worte in deinen Mund. Und fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir.
Jeremia 1,4-9
Erleben wir auch Berufung? Zu einem Auftrag, zur Ehe,
zu Kindern, zu einem Beruf, zu einer bestimmten Verantwortung? Sicher ist der
Auftrag zum Prophetenamt ein besonderer: Er soll Gottes Wort ausrichten. Aber
jede Sache, wenn sie gut werden soll, muss von uns mit Leidenschaft getan
werden- in Begeisterung- aus einer
Berufung: Ich bin dazu bestimmt, ich soll das bringen, ich, genau ich.
Kein Pastor, keine Pastorin, ist immer auf der Höhe
ihres Auftrages. Gottes Wort muss ja
durch unsere wenig hellhörigen Ohren, durch die Begriffsmuster unseres Geistes,
muss von mir verstanden und angenommen sein als (auch) mich betreffend. Und
dann muss es noch in die Sprache von heute finden, muss so klingen, als wäre es
genau richtig für dich und dich und dich.
Manches, was von den Kanzeln kommt, ist Wortspreu.
Dann hat kein Engel den Mund des Predigers mit glühender Kohle gereinigt
(Jesaja 6,7). Und die Predigt war keine Brücke vom alten Wort zum neuen Leben.
Aber nächsten Sonntag kann ein Wunder geschehen, und du wirst sein Wort hören
und du weißt deine Berufung wieder.
*
Jeremia, sprich zu ihnen:
So spricht Gott: Wo ist jemand, wenn er fällt, der nicht gern wieder aufstünde?
Wo ist jemand, wenn er irregeht, der nicht gern wieder zurechtkäme?
Und warum will denn dies
Volk zu Jerusalem irregehen wieder und wieder? Sie halten so fest am falschen
Gottesdienst, dass sie nicht umkehren wollen.
Ich sehe und höre, dass sie
nicht die Wahrheit reden. Es gibt niemanden, dem seine Bosheit leid wäre und
der spräche: Was hab ich doch getan! Sie laufen alle ihren Lauf wie ein
fliehendes Pferd.
Der Storch unter dem Himmel
weiß seine Zeit, Turteltaube, Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein, in der
sie wiederkommen sollen; aber mein Volk will das Recht Gottes nicht wissen.
Jeremia 8, 4-7
Jeremia ist ein begnadeter Gottesflüsterer- aus ihm
spricht der liebende und der um die Zuneigung der Menschen kämpfende Gott.
Jeremia predigt denen in Jerusalem, daß es widernatürlich wäre, von Gott
Abstand zu nehmen; es wäre ein Unding, wie wenn einer gern liegen bliebe nach
einem Sturz. Nur Pferde, wenn sie durchgehen, sind nicht zur Vernunft zu
bringen- die andern Tiere halten ihre Zeiten ein.
Also selbstverständlich
muss es sein, daß wir an Gott hängen und unser Leben geistvoll erleuchtet ist. Aber der Ewige hat uns Raum gelassen, meinen
zu können, auch ohne ihn auszukommen. Doch er lässt uns nicht laufen. Er wirbt
um uns, redet auf uns ein wie auf ein störrisches Kind.
Bitte, Gott behalte dein Interesse an uns, rühre
unsere Seele, fülle uns wieder mit Ahnung von dir. Dass wir uns nicht verloren
vorkommen und leer. Fülle uns wieder mit Geist und Lust am Guten.
Ob dem Jeremia diese Predigt eingegeben war? Wenn
Jeremias Predigt uns anspricht; wenn wir uns von ihr rufen lassen, dann ist sie
uns Gottes Wort geworden.
*
Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht
der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe, was
ihr braucht.
Jeremia
29, 11
Bei allen
Schwierigkeiten, allem Unrecht und Unglück sollen wir doch wissen, dass Gott
gut zu uns hindenkt. Und welches Leid uns auch trifft, Gott erleidet es eher
mit, als daß er es schickt. Geben will er uns, was wir brauchen. Brauchen wir,
was wir jetzt haben? Statt zu klagen will ich nachdenken, wie ich zum Besten
nutzen kann, was ist.- Es soll doch Friede draus werden.
*
Ephraim – ein Stamm
Israels, hier für Israel überhaupt - Gottes geliebtes Kind. Und es bringt
Schmerzen, Kinder zu haben: sie bocken und sind undankbar, sie lügen auch und
nutzen die Eltern aus. Ähnliches erfährt Gott mit seinen Menschen. Er zürnt und
kann doch nicht strafen. Zu sehr sind sie ihm ans Herz gewachsen. Er entzieht
sich ihren Blicken nicht, kündigt nicht die Nähe auf. Aber Hochmut oder Gier verdunkeln uns Gott,
wir verdecken ihn uns mit unserem kleinen Geist.
* *
Wir begrübeln doch, welchen
Stand die Gottlosen bei Gott haben, schon weil wir selbst nicht wissen, wie
weit unsere Gotteshaftung hält. Jedenfalls gibt es keine Verdammten, keine, die
Gott von sich abschüttelt und zu Nichts auflöst.
Gott hat Interesse an
jedem. Wer ihm am fernsten steht, den sehnt er
am meisten heran. Das verpflichtet dazu, keinen aufzugeben. Auch die in
Irrsinn Verstrickten bleiben Menschenbrüder, Menschenschwestern.
Uns gemeinsam auf guten Weg
bringen, daran arbeitet Gott. Am heutigen Tag will er mit mir, mit dir
weiterkommen.
*
Ich selbst will meine Schafe weiden. spricht Gott.
Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte
zurückbringen, das Verwundete verbinden und das Schwache aufrichten. Und was stark ist, will ich behüten, indem
ich es in die Pflicht nehme. Ich will sie alle weiden, wie es recht ist.
Hesekiel 34,15.16
Die sich verloren vorkommen, sie werden gefunden. Die
sich im Irrgarten der Moderne verstricken, erfahren Entwirrung; denen dies
Wirtschaftsgefüge Wunden schlug, die sollen wieder kreditwürdig sein. Die nicht
mehr können, denen soll ein neuer Stand beschafft werden. Dazu braucht und
nutzt Gott die Starken.
Geradezu behütet vor Absturz wirst du, indem du auf
Notleidende gestoßen wirst. Wenn du hilfst, tust du es auch dir zur Rettung. Du
siehst dich eingespannt in Gottes Team. Hochmut und Leere weichen von dir. Du
wirst glücklich, du wirst es sehen.
*
Wandel
Und ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist
geben und will das steinerne Herz aus euch wegnehmen und euch ein fleischernes
Herz geben.
(Hesekiel 36,26)
Müssen wir so radikal verwandelt werden? Immerhin sind
wir schon seine Geschöpfe und werden es nicht erst. In welcher Schicht meines
Ichs will ich denn gefühlvoller werden, empfindsamer, hilfsbereiter,
angerührter vom Lebendigen? Will ich denn bereiter für die Anliegen Bedrängter
werden? Will ich denn breitere Schultern für Verantwortung? Ich spüre doch
meine Abwehr wachsen gegen Forderungen. Auch mein Kraftverschleiß nimmt zu.
Gottes Geist, heißt es, ist in den Schwachen mächtig: Also nicht triumphieren,
nicht zwingen und bedrängen- weniger fordernd auftreten. Aber beherzt das
Dringende, das dich Drängende auch tun. Gott verspricht, daß er dich hinkriegt
wie er will. Das lass dein Glück sein.
*
Eine gewaltig schreckliche, schöne Vision.
Der Geist Gottes stellte mich auf ein weites Feld. Das
lag voller Totengebeine. Sie waren ganz verdorrt. Und er führte mich hindurch
und sprach zu mir: Du Menschenkind! Weissage über sie: Ihr vertrocknetes
Gebein, höret des Herrn Wort! Ich Schöpfer, will euch beatmen mit meinem Atem,
auf dass ihr wieder lebendig werdet. Ich will euch Sehnen geben und lasse
Fleisch über euch wachsen und überziehe euch mit Haut und will euch Odem geben,
dass ihr aufersteht zu neuem Lebendigsein. Ihr sollt Zeuge sein, daß ich Gott bin.
Und ich weissagte, wie mir
befohlen war.
Da rauschte es,
und die Gebeine rückten zusammen und
fügten sich zueinander. Und Lebensatem kam herzu von den vier Winden und die
Körper wurden wieder lebendig und
stellten sich auf ihre Füße, ein überaus großes Heer.
Und Gott sprach zu mir: Du Menschenkind, diese Gebeine
stehen für das ganze Haus Israel. Noch sprecht ihr: Unsere Gebeine sind
verdorrt und unsere Hoffnung ist verloren und es ist aus mit uns. Aber, spricht
Gott: Ich will eure Gräber auftun und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern
herauf und bringe euch ins Land Israel. Ihr sollt erfahren, dass ich der Herr
bin. Ich rede es und tue es.
Hesekiel 37,1-15
Was erst gesagt ist dem zerstreuten Israel, ist eine
der grandiosen Visionen für die ganze Menschheit. Der Prophet sieht sein Volk
so tot wie ein Feld, bedeckt mit
Skeletten. Der Prophet sieht Israel nur
noch als Ansammlung von Knochen- ausgelaugt, ohne Körper, ohne Seele. Doch dies
Verlorensein ist eine Schmach für Gott. Er darf sich mit der Vernichtung
Israels nicht abfinden, “um seines Namens willen“. Was sollte sonst die Menschheit sagen?
Die Christen haben mit
diesem Bild den Tod neu qualifiziert - letztlich durch das Sterben Jesu. Wäre
dieser wunderbare Mensch, dieser liebevolle, gottvolle Zeuge für Gott einfach
gestorben und begraben und aus und vorbei- hätte Gott sich doch letztlich als
Lebensverächter erwiesen und der Tod wäre Sieger, das Leben wäre immer noch nur
Weg zum Tod.
Nach Jesu Auferstehung aber
ist der Tod als ganzer entmachtet, er ist nur noch Heimbringer zu Gott. Diese
neue Qualität des Todes – nicht mehr Strafe sondern Heimbringung- wird
einzigartig vorausgemalt in der Wiederherstellung der Leiber, wie sie der
Prophet Hesekiel schaut.
Lange hat man eine
Auferstehung des Fleisches erwartet, entsprechend der Vision des Propheten.
Darum galt auch die Feuerbestattung lange als unchristlich. Aber nicht die
Wiederherstellung des alten Körpers brauchen wir für ein zukünftiges Leben,
sondern den Glauben an den Gott, der ewig unser Gott sein will. Und der uns
jetzt schon lebendigst macht in der Liebe.
* *
König Nebukadnezar hatte
einen Traum: Der beunruhigte ihn sehr
und er bot alle seine Gelehrten auf- doch keiner konnte den Traum deuten.
Daniel, ein frommer jüdischer Mann am Hof stellte dem König die Deutung seines
Traumes in Aussicht. Und dieser erzählte den Traum. Da sagte Daniel:
Ein großes, hell glänzendes
Bild stand vor dir, das war schrecklich anzusehen.
Das Haupt dieses Bildes war
von feinem Gold, seine Brust und seine Arme waren von Silber, sein Bauch und
seine Lenden waren von Kupfer, seine Schenkel waren von Eisen, seine Füße waren
teils von Eisen und teils von Ton.
Das sahst du, bis ein Stein
herunterkam, ohne Zutun von Menschenhänden; der traf das Bild an seinen Füßen,
die von Eisen und Ton waren, und zermalmte sie.
Da wurden miteinander
zermalmt Eisen, Ton, Kupfer, Silber und Gold und wurden wie Spreu die der Wind verweht. Der Stein aber, der das
Bild zerschlug, wurde zu einem großen Berg, sodass er die ganze Welt füllte.
Das ist der Traum.
Nun wollen wir die Deutung vor
dem König sagen.
Dir König,
hat der Gott des Himmels Königreich,
Macht, Stärke und Ehre gegeben. Und über alles hat er dir Gewalt verliehen. Du
bist das goldene Haupt.
Nach dir wird ein anderes Königreich aufkommen,
geringer als deines, danach das dritte Königreich, das aus Kupfer ist. Und das
vierte wird hart sein wie Eisen; ja, wie Eisen alles zerbricht, so wird es auch
alles zermalmen und zerbrechen. Das Reich aber, dessen Füße teils von Eisen und teils von Ton sind,
bedeutet: Zum Teil wird’s ein starkes und zum Teil ein schwaches Reich sein.
Aber zur Zeit dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Reich aufrichten, das
nimmermehr zerstört wird -es wird ewig bleiben,
So hat der große Gott dem König
kundgetan, was dereinst geschehen wird.
Und der König erhöhte Daniel und gab ihm große und
viele Geschenke und machte ihn zum Fürsten über das ganze Land Babel und setzte
ihn zum Obersten über alle Weisen.
Daniel 2
Ursprünglich ist die Geschichte erzählt zum Trost der
jüdischen Gemeinde (im 2. Jahrhundert vor Ch.): Wenn auch jetzt alles
durcheinander ist- es ist der Anfang des Reiches Gottes. Die ganze
Weltgeschichte läuft auf diesen Punkt zu: Erst war es ein goldenes Zeitalter,
dann folgte ein silbernes, dann im kupfernen und eisernen Zeitalter nahm die
Gewalt überhand, dann kommt das Reich, das nur noch „auf tönernen Füßen“ steht-
damit kommt der große Fall der Weltgeschichte. Und dann richtet Gott mit seinem
Messias die neue Welt auf. –
Gewaltig war die Wirkung dieser Vision: Bis heute gibt
es Denkschulen, die den Niedergang der Geschichte bis hin zur Verbrennung des Erdballs vorherbestimmt sehen.
Und dann sei Schluss, aus, vorbei.
Christen glauben, daß Gott sein Reich kommen lässt. Die Geschichte wird
sich wohl nicht gradlinig zu einer Vollendung entwickeln- dieser Optimismus ist
durch Auschwitz und Pol Pot und Hiroshima vergangen. Aber unsere Zeit ist
Gottes Zeit und es wird einmal sehr gut. Das hoffen wir.
Die Geschichte des Daniel soll zunächst nur den
bedrängten Gemeinden damals Mut machen, den Glauben an die Heilung der Welt
durch Gott durchzuhalten. Doch mit Jesu
Auferweckung ist der Geschichte eine Tendenz zur Heilung eingeimpft. „Und wenn die Welt voll Teufel wär“.. so
singt es auch Luther: Was kommt ist der Herr. Darum ist vor uns immer seine
Zukunft!
*
König Belsazar machte ein
Festmahl für seine tausend Mächtigen, seine Frauen und Nebenfrauen und soff
sich voll mit ihnen. Und als er betrunken war, ließ er die goldenen und
silbernen Gefäße herbringen, die sein Vater Nebukadnezar aus dem Tempel zu
Jerusalem geraubt hatte, und sie tranken daraus und ließen hochleben die goldenen und steinernen Götter.
Da gingen hervor Finger wie
von einer Menschenhand, die schrieben auf die getünchte Wand in dem königlichen
Saal. Und der König erblickte die Hand, die da schrieb. Da wurde sein Gesicht
aschfahl und er erschrak wie von Sinnen. Und er rief nach den Wahrsagern aber die
konnten die Schrift nicht lesen.
Da erinnerte man sich an
Daniel. Er konnte die Schrift lesen und deuten und sprach: Du, Belsazar, obwohl
du den Niedergang deines hochmütig gewordenen Vaters mit ansahst, hast du dein
Herz nicht gedemütigt. Du hast dich
gegen den Herrn des Himmels erhoben. Den Gott, der deinen Odem und alle deine
Wege in seiner Hand hat, den hast du verspottet.
Darum wurde von ihm diese
Hand gesandt und diese Schrift geschrieben.
Sie lautet: Mene, tekel,
u-parsin: Mene, das ist, Gott hat dein Königtum gezählt; tekel, das ist: man
hat dich gewogen und als zu leicht befunden; u-parsin: das ist: Dein Reich ist
zerteilt und den Medern und Persern gegeben.
Noch in derselben Nacht wurde Belsazar, der König
der Chaldäer, getötet.
Belsazars Nachtmahl ist
eins der großen Bilder der Menschheit von Größenwahn und Scheitern. Der König
lässt sich feiern von seinen Günstlingen. „Wes Brot ich ess, des Lied ich
sing“- ist die Regel, nach der Warner
und Infragesteller des schändlichen Treibens ausgeschaltet sind. Die Bosheit
des einen wird verstärkt und erst möglich gemacht durch Mitläufer und
Nutznießer.
Missbrauch des Heiligen ist
ein Mittel, sich aufzublasen. Die Kelche und Leuchter sind vom Altar gerissen
und schmücken das Sauffest des Königs.
Was dem Lobe Gottes galt, muss herhalten zum Dekor für einen Bösewicht.
Aber Hochmut und Vermessenheit
bringen zu Fall. „Gemessen, gewogen, für zu leicht befunden“ ist das
„Menetekel“, das Alarmzeichen für eine
Großmannssucht, die dem Untergang entgegengeht.
*
Daniel übertraf alle
Fürsten und Statthalter an Geisteskraft. Der König erwog, ihn zum Kanzler
seines Königreiches zu machen. Das wollten die andern Statthalter nicht und suchten an Daniel etwas
zu finden, was gegen das Königreich gerichtet wäre. Aber sie fanden nichts. Da
sprachen die Männer: Es bleibt nur, ihm aus seinem Gottesglauben einen Strick
zu drehen.
Sie veranlassten den König,
ein Gebot zu erlassen, dass jeder, der etwas bitten wird von irgendeinem Gott
oder Menschen außer vom König allein, zu
den Löwen in die Grube geworfen werden soll.
Daniel aber betete im
Obergemach seines Hauses am offene Fenster in Richtung Jerusalem; dreimal am
Tag fiel er auf seine Knie, lobte und dankte seinem Gott; wie er es immer zu
tun pflegte, so tat er es weiter.
Da zeigten die Männer ihn
an und der König bedauerte: Das Gesetz der Meder und Perser kann niemand
aufheben. Und er ließ Daniel vor die
Löwen in der Grube zu werfen, sandte
ihm aber den Wunsch nach: Dein Gott, dem du ohne Unterlass dienst, er helfe
dir!
Früh am Morgen des nächsten
Tages stand der König auf und ging eilends zur Löwen-Grube. Und er sah Daniel,
lebend und betend. Und Daniel gab Zeugnis:
Gott hat seine Engel
gesandt, die den Löwen den Rachen zugehalten haben, sodass sie mir kein Leid
antun konnten; denn vor ihm bin ich unschuldig, und auch gegen dich, mein
König, habe ich nichts Böses getan.
Da wurde der König sehr
froh und ließ Daniel aus der Grube herausziehen. Und gab den Befehl: Künftig ist
der Gott Daniels zu ehren, er ist der lebendige Gott.
Daniel 6
Die Erzählung von Daniel in der Löwengrube ist eine der
großen Rettungsgeschichten der Menschheit. Gott kann Bestien den Rachen
verschließen. Wenn auch Menschen einen umbringen wollen, können sie noch
bekehrt werden vom Heiligen Geist. Und es kann auch anders kommen als es in der
Natur der Sache liegt. Gewehrkugeln können stecken bleiben in Schutzwesten,
Mutige können vor Schlägern schützen. Unfälle können gelindert werden mittels
Sicherheitsgurten, Löwen können abgelenkt werden durch interessantere Gaben.
Eigentlich steht hinter der Geschichte viel
Verfolgungs- Erfahrung Israels. Schon damals wurden sie um ihres Glaubens
willens vertrieben und oftmals umgebracht. Da lag die Versuchung nahe, vom
Gauben abzufallen. Doch diese und ähnliche Geschichten erzählen, daß Gott seine
Frommen bewahrt.
Aber bete und fahre fort, ans andere Ufer zu
rudern! Das heißt: Hilf Gott, daß er mit
dem Bösen fertig wird, bete um Gottes Beistand, aber steh Gott bei mit deiner
Kraft.
Dietrich Bonhoeffer hat uns neu gelehrt, daß wir auch
in den Händen von Schergen und Mördern in Gottes Hand bleiben. Auch Jesus hat
sich auf dem Weg mit Gott gewusst, auch wenn er durch die Hölle musste.
Die zugehaltenen
Löwenmäuler sind auch ein Bild
dafür, daß die Ängste uns nicht verschlingen werden.
* *
Gott spricht: Nach diesen
Tagen will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und
Töchter sollen weissagen, eure Jünglinge sollen Gesichte sehen und eure Alten
sollen Träume haben. Und es soll geschehen: Wer des Herrn Namen anrufen wird,
der soll errettet werden.
Die Ausgießung des Heiligen
Geistes über alles Fleisch soll geschehen. Also ist die natürliche
Beschaffenheit alles Lebendigen noch nicht so geistvoll, wie Gott es vorhat.
Die Jungen, die doch so beschäftigt sind mit der Gegenwart, sie sollen auch
weise reden vom Zukünftigen. Und die Alten, die so gern dem hinterher sinnen,
was war, die sollen Träume haben und von ihnen mit auf große Fahrt genommen
werden. Nach vorn reißt der Heilige Geist mit: Vor uns Entwicklung, Wandel,
Reife, Frieden, spannende Zeit mit Gott.
* *
Ist das nicht jetzt?
Hungern wir nicht nach haltbaren Worten, nach klarer Widmung, nach Weisung wie
Hammerschläge eines Zimmermannes- jeder trifft den Nagel präzise?
Der Hunger nach klarer
Predigt ist da. Abschälen die falschen Versprechungen und mit kräftigen,
unverzierten Sätzen Leben eröffnen, Gott in heutigem Deutsch zur Sprache
bringen, kurz, direkt und wahr- es muss
immer neu versucht werden. Und Gemeinde berät, ergänzt, widerspricht. Das Wort
Gottes für heute erschließt sich der Gemeinde, es fällt nicht einem einzelnen
ein.
Jetzt ist die Zeit da. Wir
lauschen doch hinter die Gespräche, die wir so mitmachen, ob da ein Hauch Trost
und Erkenntnis, Freude und Ermutigung steckt. Wir schauen die Strecke der Filme
ab nach einem heiligen Bild, das uns erreicht. Wir suchen doch in uns Merkstoff
für Heil.
Einen ganzen Tag hast du
durchfahren und war da ein Krümel Heiliger Geist drin gewesen? Hast du heute
geliebt? Befriedet? Beschenkt? Gott wollte dich heute treffen. Hast du ihm
beigestanden? Hast du sein Wort gehört
in der Bitte eines Nächsten, hast Du sein Wort weitergesagt im freisprechenden
Gedanken? Hast du dich mit einem
angelegt für das Wort Gottes, das heute dran ist?
* *
Gott sprach zu Jona: Geh
nach Ninive und predige ihr zugut gegen
sie: Ihre Bosheit ist vor mich gekommen.
Aber Jona floh; er
nahm ein Schiff, das in
entgegengesetzter Richtung- nach Tarsis
fahren wollte, und hoffte so, dem Herrn aus den Augen zu kommen. Da ließ Gott
einen großen Wind aufs Meer kommen, und es erhob sich ein großes Ungewitter
dass sie meinten, ihr Schiff zerbräche.
Die Schiffsleute fürchteten
sich und schrien ein jeder zu seinem Gott. Ladung warfen sie über Bord, damit
das Schiff leichter würde. Jona war derweil hinunter in das Schiff gestiegen
und schlief.
Da trat der Schiffsherr zu
ihm und brüllte ihn wach: Was schläfst du? Steh auf, rufe deinen Gott an! Ob
vielleicht dieser Gott unser gedenken will, dass wir nicht verderben.
Und einer sprach zum
andern: Kommt, wir wollen losen, dass wir erfahren, um wessentwillen es uns so
übel geht. Und als sie losten, traf es Jona.
Und der sprach er zu den andern im Schiff:
Nehmt mich und werft mich ins Meer, so wird das Meer still werden und von euch
ablassen. Denn ich weiß, dass um meinetwillen dies große Ungewitter über euch
gekommen ist.
Warum Jona sich so
sträubte, Ninive die Bußpredigt zu halten, wird nicht gesagt. Jeder Zuhörer und
Leser dieser Geschichte soll sich selbst eintragen und sich befragen. Warum
weiche ich dem Auftrag des Herrn aus, ich weiß doch was ich aufhabe.
Es ist schon eine
ausgefallene Berufung, einer Stadt den Untergang anzusagen. Müssen wir auch
unserer Zivilisation den Untergang ansagen? Jedenfalls „die Augen zu“ und die
Zeit verschlafen geht nicht.
Eindrücklich ist, wie die
Vorfahren ihr Wohlergehen und ihre Not mit Gott verbunden sahen. Wir sehen den
Zusammenhang von Sturm und persönlicher Schuld nicht mehr- aber in der Umweltkatastrophe schwant uns doch neu der Zusammenhang von Lebensart und (Klima-)
Schicksal.
Das Los zu werfen, war
früher die Methode, den Willen der Götter zu erforschen. Es war der erste
Menschheits-Versuch, nicht blind dem Schicksal ausgeliefert zu sein. Man hoffte,
durch Loswurf die Untat des Einen zu
ermitteln, so konnte man die Strafe auf ihn ableiten. Und hoffte so, die
Schicksalsmächte gnädig zu stimmen. Jona gab sich zu erkennen als der, der Zorn
auf sie alle geladen hat. Er war bereit, die Strafe an sich vollziehen zu
lassen.
Doch die Leute ruderten,
dass sie wieder ans Land kämen; aber sie konnten nicht, denn das Meer ging
immer ungestümer gegen sie an. Da riefen sie zu dem Herrn und sprachen: Ach,
lass uns nicht verderben um des Lebens dieses Mannes willen und rechne uns
nicht unschuldiges Blut zu; Und sie nahmen Jona und warfen ihn ins Meer. Da
wurde das Meer still und ließ ab von seinem Wüten.
Jona 1,13-20
Bis jetzt ist es eine ganz altertümliche Geschichte:
Der Mensch kann Gott, kann seinem Schicksal nicht entrinnen. Und: Gott lässt
sich nicht spotten; man darf ihn nicht behandeln als sei er gütig- vergesslich.
Dann lässt er das Meer toben. Und uns bleibt nur der Untergang- oder Vollzug der verdienten Strafe.
Doch diese Ausgangslage ist ja nur der erste Akt. Gott
zeigt sich von seiner schönsten Seite, wie sie eigentlich erst von Jesus ganz dargestellt
wird.
Das Jona- Büchlein ist voll Evangelium. Es fängt an
mit einem Wal.
Als sie ihn über Bord
geworfen hatten, ließ Gott einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen. Und
Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte. Und Jona betete zu
Gott, im Leibe des Fisches. Und Gott sprach zu dem Fisch und der spie Jona an
Land.
Jona 1,15; 2,1.11
Jona hatte mit seinem Leben abgeschlossen. Vielleicht
war er auch all des Treibens müde, und ihm schien der Geldschein des Lebens zu
groß, er hat ihn nicht wechseln können; vielleicht ging er jetzt gern in den
Tod, zumal er damit andern das Leben retten konnte; wenigstens eine gute Tat
zum Schluss- so mag er gedacht haben.
Aber so leicht kommt Jona nicht von hier weg. Ein Wal
verschluckt ihn und spuckt ihn an Land. Jesus hat später diese Unterweltsfahrt
als Bild genommen für seine drei Tage Todeserfahrung bis zur Auferstehung
(Matthäus 12,39). Der Tod, das ist wie von einem Untier verschluckt zu sein-
aber es geschieht, um hinübergerettet zu werden ins neue Leben.
Und es geschah das Wort des
Herrn zum zweiten Mal zu Jona: Mach dich auf, geh in die große Stadt Ninive und
predige ihr. Da machte sich Jona auf und ging hin nach Ninive und verkündete:
In vierzig Tagen wird Ninive untergehen.
Da glaubten die Leute von
Ninive an Gott und ließen ein Fasten ausrufen und zogen alle, Groß und Klein,
den Sack der Buße an. Und der König gebot: Ein jeder bekehre sich von seinem
bösen Wege und vom Frevel seiner Hände! Wer weiß? Vielleicht lässt Gott es sich
gereuen, dass wir nicht verderben.
Jona 3,1-6.9
Ob Jona die „Vernichtung ohne wenn und aber“ als Wort
des Herrn gehört hat? Es ist nicht die Art Gottes, keinen Ausweg zu lassen.
Sollte Jona das „Wenn ihr euch nicht bekehrt“ einfach weggelassen haben? Weil
er die Stadt für so verdorben hält, daß sie Gott ein Gräuel sein muß?- So
dachte ja El-Kaida beim Angriff auf die Twin-Towers von New-York auch. Und
viele andere Fundamentalisten bieten sich dem Höchsten als scharfe
Gerichtsvollzieher an.
Doch Ninive
besinnt sich und stellt sich um auf
bescheidene und gerechtere Lebensart; sicher auch, um das angesagte
Unheil abzuwenden.
Wir haben Schwierigkeiten mit der Vorstellung, Gott
könne etwas gereuen. Es ist eine menschliche und menschenfreundliche Idee. Sie
meint: Im Gespräch mit seinen Menschen bewegt sich auch innerhalb von Gott etwas.
Sicher ist nicht auszuschließen, daß in Gott auch noch „unerwachte Träume“ (Rainer
M. Rilke) sind. Aber Gott weiß, was wir für eine Mischpoke, was für ein Verein
wir sind. Wir überraschen ihn wohl nicht, Er aber uns.
Jonas Unmut und Gottes Antwort
Als aber Gott ihr Tun sah,
wie sie sich bekehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn das Übel, das er ihnen
angekündigt hatte, und tat’s nicht.
Gottes Güte aber verdross Jona sehr und er wurde
zornig und sprach zu Gott: Das ist’s ja, was ich dachte, als ich noch in meinem
Lande war, weshalb ich auch eilends nach Tarsis fliehen wollte; denn ich
wusste, dass du gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist und
stehst nicht zu deinem Strafwort. So nimm nun, Herr, meine Seele von mir; denn
ich möchte lieber tot sein als leben. Aber Gott sprach: Meinst du, dass du mit
Recht zürnst?
Jona 3,10; 4,1-4
Wie kann einen die Güte
Gottes sauer machen? Es ist eine unserer Unarten, daß wir den Anderen gern
seiner gerechten Strafe überlassen. Wir aber sind dankbar für Verzeihen. Ja,
wir meinen, ein Stück Großmut stehe uns schon zu. Es ist dies oft eine Untugend
der Frommen- sie sind „päpstlicher als
der Papst“, wollen Gott nicht gütig sondern streng. Weil sie ja meinen, wegen
ihrer Verzichte gut bei ihm angesehen zu sein. Ja, sie denken oft, daß sich
Gehorsam nicht lohne, wenn er sich nicht im Himmel auszahle. Wenn dann das Strafgericht
ausbleibt, finden sie Gott und das Leben so unfair, daß sie lieber sterben. Ist
der prophezeite Weltuntergangstermin verstrichen, haben so manche glühend
Gläubige sich das Leben genommen.
Die Rettung kommt von Gott,
der mit uns das Gespräch fortsetzt.
Und Jona ging zur Stadt
hinaus und ließ sich östlich der Stadt nieder und machte sich dort eine Hütte;
darunter setzte er sich in den Schatten, dass er sähe, was der Stadt
widerfahren würde.
Gott aber ließ eine Staude
wachsen; die wuchs über Jona, dass sie Schatten gäbe seinem Haupt und ihm
seinem Unmut vertreibe. Und Jona freute sich sehr über die Staude.
Aber am Morgen, als die
Morgenröte anbrach, ließ Gott einen Wurm kommen; der stach die Staude, dass sie
verdorrte. Dann ließ Gott einen heißen
Ostwind kommen, und die Sonne stach Jona auf den Kopf, dass er matt wurde.
Da wünschte er sich erst
recht den Tod. Doch Gott sprach zu Jona: Meinst du, dass du mit Recht zürnst um
der Staude willen? Dich jammert die Staude, um die du dich nicht gemüht hast,
hast sie auch nicht aufgezogen, die in einer Nacht wurde und in einer Nacht
verdarb, und mich sollte nicht jammern Ninive, eine so große Stadt, in der mehr
als hundertundzwanzigtausend Menschen sind, die nicht wissen, was rechts oder
links ist, dazu auch viele Tiere?
Jona 4, 5-11
Gott erteilt dem Jona eine Lektion: Er beschenkt ihn,
dann entzieht er das Geschenk. Und was ist Jona darüber fuchsig! Dann führt ihn
Gott zur Einsicht: Jona hing an der Staude, weil sie ihm wohl tat. Gott hängt
an Ninive, weil er ihr wohl tat. Jona hat nichts dafür getan, daß die Staude
heranwuchs. Aber Ninive ist Gottes Schöpfung.
Wenn Jona schon um die Pflanze greint, für die er
nichts getan hat, um wieviel mehr hat Gott ein Recht, sich Ninives zu erbarmen,
die voll ist von seinen Menschen und
Tieren- jedes eine Gestalt seiner
Mühe.
Und die, die nicht wissen, was recht und unrecht ist,
die tun recht, nämlich Buße und bitten um Erbarmen- aber der Prophet pocht
auf Recht und Gesetz, als brauche er
keine Gnade, es ist lächerlich
Dies köstlich kleine Büchlein
ist ein Schatz der Menschheit.
* *
Es ist dir gesagt Mensch,
was gut ist und was der Herr von
dir will: Halt dich an sein Wort, liebe und sei einfach vor deinem Gott.
Was ist gut? Große ethische
Programme erstrahlen, riesige Paragraphenwerke grenzen das Gute, das Gebotene
vom Schlechten ab. Eigentlich reicht: Vertraue Gott, liebe, sei schlicht.
* * *
Die Weisheit ist strahlend
und unvergänglich und lässt sich gern erkennen von
denen, die sie lieb haben, und lässt sich von denen finden, die sie suchen. Sie
kommt denen entgegen, die sie begehren, und gibt sich ihnen zu erkennen.
Wer sich früh zu ihr aufmacht, braucht nicht viel
Mühe; denn er findet sie vor seiner Tür sitzen. Über sie nachdenken, ist
vollkommene Klugheit, und wer ihretwegen sich wach hält, wird bald ohne Sorge
sein. Denn sie geht umher und sucht, wer ihrer wert ist, und erscheint ihm
freundlich auf seinen Wegen.
Die Weisheit hat alles kunstvoll gebildet. Sie ist ein Hauch der göttlichen Kraft und
ein Bild seiner Güte. Sie geht in heilige Seelen ein und macht zu Gottes Freunden.
Weisheit 6, 13-17, 21.25.27
Nichts macht
uns menschlicher, nichts brauchen wir dringender als Weisheit. Sie macht zu
Freunden Gottes. Sie ist die Klugheit des Herzens und der Mut des Glaubens. Sie
liegt bereit. Sie lässt sich finden von denen, die sie suchen. Sie ist in der
Gegenwart da, sie zieht auch der Liebe Grenzen, sie ist kristallisierter
Schmerz, schützt vor Hochmut. „Klugheit ist der Jäger der Probleme, Weisheit
der Hirte der Geheimnisse“ (Jörg Zink).
Wage, weise zu werden. Und Weisheit
ist kein Kristall, den man in die Tasche steckt, sondern eine unendliche
Flüssigkeit, in die man hineinfällt (nach Robert Musil).
*
Und sie übertrifft alle
Sternbilder. Verglichen mit dem Licht hat sie den Vorrang. Denn das Licht muss
der Nacht weichen, aber die Bosheit kann die Weisheit nicht überwältigen.
Kraftvoll erstreckt sie sich von einem Ende zum andern und regiert das All
vortrefflich.
Gott, gib mir ab von der
Weisheit, die bei dir auf deinem Thron sitzt. Schick sie herab von deinem
heiligen Himmel, damit sie mir tätig zur Seite stehe, sodass ich erkenne, was
dir wohlgefällt. Denn die Gedanken der sterblichen Menschen sind armselig und
unsre Vorsätze sind hinfällig.
Weisheit 7,29. 30; 8,1;
9,4.10. 14
An den Rändern des alten Testamentes tut sich eine
Kraft auf, die im Neuen Testament „Heiliger Geist“ heißt. Auch die Weisheit ist
eine Erscheinung Gottes selbst. Sie bescheint die Schöpfung. Sie hilft uns
Menschen, das Leben zu bestehen. Sie lässt
sich von unserer Bosheit nicht zermalmen- das ist unsere Hoffnung. Die
Weisheit regiert das All- daran kann unsere Dummheit höchstens kratzen. Das ist
unsere Rettung.
*
Ist es das?
Womit jemand sündigt, damit
wird er auch bestraft.
Weisheit 11,16
Wer lügt, muss damit
rechnen, selber oft belogen zu werden. Wer seine Eltern nicht achtet, wird sich
hüten, Eltern zu werden. Wer Gewalt sät, wird Gewalt ernten. Wer allein lässt,
bleibt allein. Wer geizt, hat furchtbare Angst, zu verarmen. Wer nichts abgibt,
verstopft und erstickt. Das Leben ist so eingerichtet, über kurz oder lang
schallt es aus dem Wald heraus, wie man reingerufen hat.
Und was heißt da
Vergebung? Es ist eine ungeheure
Liebesenergie in der Welt- die wird ausgeschüttet über Böse und Gute. Allein,
wie viel Fahrfelher wurden “vergeben“ durch Achtsamkeit anderer, durch
Plastik-Knautschzonen, Leitplanken, fehlerfreundliche Technik. Viel Güte ist
unter den Menschen, wenn man nur artig bittet. Gott ist ein Liebhaber des
Lebens, wohl wahr.
Das Jüngste Gericht wird
noch mal zur Sprache bringen, was wir angerichtet haben. Ob dann unser
Verschulden, Versagen, Versäumen, unser Weggeschauthaben überwiegt? Das letzte
Wort hat nicht unser Tun sondern Gott, das ist unsere einzige Chance.
*
Gott, Du hast alles nach
Maß, Zahl und Gewicht geordnet. Deine Kraft gewaltig zu erweisen ist dir
allezeit möglich. Die ganze Welt ist vor dir wie ein Stäublein an der Waage und
wie ein Tropfen des Morgentaus, der auf die Erde fällt.
Aber du erbarmst dich über
alle; Du kannst alles. Und du übersiehst die Sünden der Menschen, damit sie
sich bessern sollen. Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von dem,
was du gemacht hast; denn du hast ja nichts bereitet, gegen das du Hass gehabt
hättest. Wie könnte etwas bleiben, wenn du nicht wolltest? Oder wie könnte
erhalten werden, was du nicht gerufen hättest?
Du schonst aber alles; denn es gehört dir, Gott, du
Liebhaber des Lebens. Dein unvergänglicher Geist ist in allem.
Weisheit 11, 21-26; 12,1
Hier unter den „Apokryphen“, dem Anhang des Alten Testamentes, der
traurigerweise in den meisten Bibeln fehlt, hier ist dies Goldstück des
Glaubens versteckt. Kein Text preist den Großmut Gottes schöner. Alle Energie
ist Gottes Energie. Was sind wir dagegen? Ein Hauch, ein Stäublein. Aber groß gemacht
sind wir durch sein Lieben.
Sein Erbarmen lässt uns
blühen. Und soviel Heilkraft ist uns mitgegeben, dass unsere Sünden mit der
Zeit schon sich bessern. Sünden also Kinderkrankheiten, die sich verwachsen? Zu
schön denkt Gott von uns. Mancher hat seine Zeit nur zur „Verbösung“ genutzt.
Und dann leidet Gott mit, er saugt den Hass auf in all den Abeln dieser Erde.
Jesus ist wohl der deutlichste Leidträger und Freudenbote der Menschheit. Von
ihm handelt das Neue Testament.
* * *
Neues Testament
Die Texte des Neuen Testamentes
sind gruppiert um
A Jesus Christus
1 Jesu Geburt und Taufe
2 Jesu Worte und Taten
3 Jesu Passion – Kreuzigung –
Auferstehung- Pfingsten
B Apostelgeschichte, Briefe, Offenbarung
*
A Jesus Christus
Vorspann:
In allen vier Evangelien
nehmen die Passionsgeschichten breiten Raum ein, das älteste Evangelium nach
Markus nannte man sogar „eine Passionsgeschichte mit ausführlicher Einleitung“
(Martin Kähler). Im Sterben kommt Jesu Leben als Opfergang zum Ziel. Er stand
für Gott, den gnädigen Gott ein, bis zum letzten Atemzug.
Diesen Zeugen und Propheten
bestätigte Gott als seinen liebsten Menschen. In ihm sah sich Gott am besten
geerdet, Jesus hatte ihn am echtesten verkörpert- in ihm glaubten viele Gott
persönlich am Werk. Mit der Auferstehung, glauben Christen, ist die
Gottesqualität des Jesus besiegelt. Seitdem ist er der „Christus“, der zum
ersten Sohn Gottes Gesalbte und hat teil an Gottes Allmacht.
Die Gottessohnschaft
-Energie des Jesus war schon zu Lebzeiten des irdischen Jesus kraftvoll. Nach überwundenem Tod bekam das
Zurückliegende noch mehr Heiligenschein, der Auferstandene leuchtete im
Gedächtnis, die Taten und Worte glühten auf.
Die schlichten historischen
Ereignisse wurden in ihrem Zeichencharakter erkannt und geschmückt und auch
ergänzt.
Klar ist, daß die Erfahrung
mit dem historischen Jesus schnell verloren zu gehen drohte, als die Jünger und
Nächsten sich alle vor Todesschreck zerstreuten. Hätte der auferstandene
Christus sie nicht gesammelt, erleuchtet, geheiligt und losgeschickt, das Leben
gottvoll zu bestehen, so wären Jesu Spuren schnell vom Winde verweht.
Am Anfang der
Berichterstattung über Jesus stand die mündliche Überlieferung. Man erwartete
in allernächster Zeit den Weltuntergang mit Aufgang des Reiches Gottes. Eine Spruchsammlung kann schon kurz nach Jesu Tod und Auferstehen angefangen
worden sein, die später den ersten drei Evangelisten zur Verfügung stand. Erst
als die ersten Zeugen des historischen Jesus starben, wuchs die Angst, das Gedächtnis an Jesu Leben könne verblassen.
Markus schrieb die Passionsgeschichte mit kurzer Auferstehungsfanfare, dazu die
wichtigsten Taten und Worte des Jesus. Die nächsten Evangelisten hatten
Sondergut einzubringen und eigene Theologien, je für ihre Leserschaft. Markus weiß nur von der Taufe, Lukas und Matthäus dann auch von
Geburt und Stammbaum. Wohl 100 Jahre
nach Jesu Geburt, wagte man Christus als
aus Gottes Ratschluß vor aller Zeit gezeugt zu denken- so der Evangelist
Johannes.
Aus allen vier Evangelien
werden hier die Sternstunden und die Goldworte des Jesus Christus aufgeführt.
A 1 Jesu Geburt und Taufe
Die Prophezeiungen
Es wird nicht dunkel
bleiben über denen, die in Angst sind. Gott selbst wird euch ein Zeichen geben:
Eine junge Frau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie
„Immanuel“ nennen- „Gott mit uns“.
Das Volk, das in Finsternis
lebt, sieht ein großes Licht, und über denen im Dunklen scheint es hell.
Du weckst Jubel, du bereitest
große Freude, wie man fröhlich ist, wenn man die Ernte teilt.
Denn du hast die Jochstange
auf ihrer Schulter und den Knüppel ihres Treibers zerbrochen. Jeder Stiefel,
der noch mit Gedröhn auftritt, und jeder durch Blut geschleifte Mantel wird
verbrannt.
Uns ist ein Kind geboren,
ein Sohn ist uns gegeben, er ist der Weltenherrscher; und er heißt Wunder,
Großer Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst.
Groß soll seine Herrschaft
werden auf Davids Thron und der Frieden soll nicht enden in seinem Königreich. Er
stärke es durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit.
Jesaja 8,23; 7,14; 9,1-6
Die Zeitenwende, die Christus
mit sich bringt, ist lange schon erahnt, erhofft und prophezeit. Zur Zeit des
Propheten Jesaja um 730 v. Chr. ging es Israel schlecht- es war kurz vor dem
Ende des Reiches Israel. Da, mitten im tiefsten Elend, sagt der Prophet Heilung
und Frieden an. Kommen soll der Messias- der Erwählte, der das Reich Gottes auf
Erden aufrichtet. Glück und Gerechtigkeit werden herrschen für immer.
Als beglaubigendes Zeichen
hat Jesaja allerdings nur ein Allerweltsereignis: Eine junge Frau wird ein Kind
gebären und es „Gott mit uns„ nennen.
Erst die junge
Christengemeinde las das hebräische Wort für „junge Frau“ als „Jungfrau“-
vorgeformt war das im griechischen „partenon“ – was beide Bedeutungen hatte.
Damit war die Sensation des auferstanden Christus gedoppelt: nicht nur geht er
in den Himmel sondern ist auch vom Himmel her. Der Siegeszug des Jesus Christus
im griechisch-römischen Denkraum war mit jungfräulich-göttlicher Herkunft
gebahnt.
Uns Heutigen bleibt die
ehrwürdige Verheißung ein Hinweis, dass die Heilsgeschichte Gottes von langer
Hand geplant ihren Lauf nimmt.
*
(Siehe auch Psalm 24 - ein anderer wunderbarer
Adventstext )
*
Auch ein Adventstext
Halten wir fest am
Bekenntnis der Hoffnung und wanken nicht; denn Er ist treu, der sie verheißen
hat. Lasst uns aufeinander Acht geben; locken wir einander zur Liebe und zu
guten Taten. An den Gottesdiensten lasst uns Freude haben.
Wir leben in der letzten Zeit; es
ist höchste Zeit. „Der Tag“ naht.
Hebräer 10, 23-25
Advent heißt: Der Sonnenkönig unserer Seele kommt. In
uns ist das Leuchtbild „Krippenkind“. Das erweckt dich, dass du aufblühst in Liebe zu Allem. Advent ist Ruf zu neuen Ufern der Hoffnung. „Leinen
los!“ aus allem Festgefahrenen, hin zu Mut und Energie und Gemeinschaft. Die
Gemeinde hat viel Kraft. Sie bewahrt das Grundvertrauen der Christenheit. Wir
sollten uns an ihr stärken und wir sollten sie stärken.
„Advent“ hilft auch der Zeit auf die Sprünge- Die Zeit
ist kein Brei, keine ewige Wiederkehr des Gleichen. Sondern die Zeit ist
zielgerichtet. Wie unsere Lebenszeit aufs Sterben zueilt, so eilt die Weltzeit,
zum Ziel zu kommen. Der letzte Tag mündet in Gottes Fülle- „wovon die Sonne nur
ein Schatten ist“ (Arthur Schopenhauer).
*
Engel sind nötig
Der Engel Gabriel wurde von
Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer jungen Frau,
die verlobt war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau
hieß Maria. Und der Engel sprach zu ihr: Heil dir, Begnadete! Gott ist mit dir!
Maria erschrak über die Maßen
und dachte: Was ist das für ein Gruß!
Der Engel sprach zu ihr:
Fürchte dich nicht, Maria, Gott liebt dich und braucht dich. Du wirst schwanger
werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen „Jesus“ (Gott
rettet) geben. Der wird Sohn des Höchsten genannt werden und sein Reich wird kein Ende haben.
Da sprach Maria zu dem
Engel: Wie soll das angehen, kein Mann ist mir nah gekommen. Der Engel
antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des
Höchsten wird dich überschatten. Bei Gott ist kein Ding unmöglich.
Maria sagte: Ich bin Gottes
Dienerin; mir geschehe, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.
Lukas 1,26-38
Lukas verkündigt die Geburt
Jesu als das größte Wunder nach der Schöpfung; ja, die Geburt Christi ist Vervollkommnung der Schöpfung. Gott erdet
sich in diesem Jesus, nimmt irdische Geschichte als eigene Biographie an. „So
sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen Sohn sandte“ (Johannes 3,16),
letztlich, damit wir uns als Mitkinder Gottes wissen können.
Die Auferstehung wurde als Gütesiegel
auf das Wesen des Jesus verstanden. Seitdem ist er für den Glauben als Sohn
Gottes qualifiziert. Seine vorher getanen Wunder hatten diese Beweiskraft noch
nicht.
Die Umstände von Jesu
Geburt liegen vollständig im Dunklen. Erst lange nach Tod und Auferstehen Jesu
fragte man nach der Herkunft- und klar: Es müssen wirklich Engel, also
außerordentliche Boten Gottes, überirdische Fanfaren angesetzt haben. Die aber
hörten nur die kleinen Leute. Zum Kommen Gottes in niedrigen Hüllen würde
passen, daß er normal gezeugt und geboren ist.
Aber wenn Jesus durch die Auferstehung als Sohn Gottes erwiesen ist,
dann- sagt die gläubige Logik- ist er es auch schon bei der Geburt, wenn bei
der Geburt, dann auch bei der Zeugung. Johannes steigert das dann bis an den
Anfang der Schöpfung: „Am Anfang war das Wort. Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns“ (Johannes 1,1.14).
Natürlich sind Maria und
Josef die irdischen Eltern des Jesus, mit noch weiteren Kindern. Aber es gibt
eine Zeugung im höheren Sinn. Wenn schon der Kaiser von Rom seinen leiblichen
Erzeuger verbannte und den Gott Jupiter als seinen Vater ausgab, dann war es
nach Meinung des Missionars Lukas klar, daß dem Jesus das Jungfrauengeburts-Muster
auch zustand.
Lukas, der für Römer
schreibt, hat dieses Symbol auf Jesus übertragen- Und sagt damit: Die Wahrheit der Jungfrauengeburt ist im Kern:
In Jesus kommt Gott selbst - eben in Gestalt des Sohnes.
Natürlich muss diese Sensation von Engeln
verkündet werden: Das Wort Heiligen
Geistes zeugt den Sohn mittels Maria
und Josef. Diese sind Dienerin und
Diener Gottes.
Aber sind Eltern je in
anderer Rolle gewesen? Unsere Eltern liebten sich, aber daß wir daraus wurden,
ist doch Wille Gottes.
Darum nimm doch das Bild
von der Jungfrau Maria nicht als biologische
Anormalität sondern als Zeichen für Erschaffung durch den Willen Gottes. Und
nimm diese Abstammung auch für dich in Anspruch.
*
Die schönste Geschichte der
Menschheit
Es begab sich aber zu der
Zeit des Kaisers Augustus, dass er ein Gebot erließ, alle Menschen im Land zu
registrieren. Und diese Erhebung war die allererste und geschah zu der Zeit, da
Quirinius Statthalter in Syrien war. Und alle gingen, sich zählen zu lassen,
ein jeder in seine Geburtsstadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus
der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt
Bethlehem- er stammte ja aus dem Hause und Geschlechte Davids- und ließ sich
erfassen mit Maria, seiner Verlobten, die war schwanger.
Lukas 2,1-5
So beginnt die
Weihnachtsgeschichte- wohl die am innigsten zu Herzen gehende Erzählung der
Menschheit. Aus der Tiefe des Geschichtsraumes stürzt die Zeit auf die Geburt Gottes bei den Menschen zu. Es
ist wie eine Zoomaufnahme- erst unendlich langsam, dann immer schneller, dann
in einem Nu auf uns Menschen zu.
Spätere Jahrhunderte wurden
im christlichen Raum nicht mehr nach den Römischen Kaisern gezählt sondern die
Geburt Christi nahm man zur Wendemarke
von vorher und nachher.
Es war unter Kaiser
Augustus, daß die Menschen im jüdischen Land wegen einer Volkszählung an ihren
Geburtsort mussten. Das brachte Josef mit der schwangeren Maria in seinen
Geburtsort Bethlehem, der auch Geburtsort des Königs Davids war, seines fernen
Vorfahren.
Es ist ja auch von langer
Hand vorbereitet, daß Gott in einen Menschen besonders sich einläßt, um die
Erde sich noch mehr anzueignen und sich seiner Schöpfung anzuverwandeln.
Das Schicksal der Schöpfung
ist Gottes Schicksal. Das hat die Menschheit mittels verschiedener Religionen
geahnt, aber dem Volk Israel wurde zuerst der eine Gute Ganze entdeckt,
aufgetan durch Träume und Seher und Propheten. In Israel war klar, daß der
endgültige Retter, der Messias, der Gesalbte als neuer König in Jerusalem
einziehen wird, und dann bricht der Himmel auf die Erde, und es wird ewige Freude
sein. Und die Völker kommen, anzubeten in Jerusalem. –
Das fängt für die Christen
mit Jesus Kommen an- nur, daß das „Reich Gottes
mitten unter uns (erst) im Anbruch ist“ (Lukas 17,21). Wie fängt das
Reich Gottes unter uns an? Ein Paar
macht sich auf den Weg, den Heiland zu gebären am richtigen Ort.
Obdachlos
Und als sie dort waren, kam
die Zeit, dass sie gebären sollte.
Und sie gebar ihren ersten
Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futterkrippe in einem
Stall; Raum hatten sie nicht in der Herberge.
Lukas 2,6
Stall und Trog - ein karger
Anfang für den Herrn über und in Himmel und Erde. Aber das hat
Offenbarungsqualität: Unser Gott kommt zu Fuß, ist Diener aller. Er nimmt das
Mühselige auf sich, er leidet mit das Leid der Welt und heiligt das Normale.
Kein Raum in der Herberge- die
Flüchtlinge dieser Erde bitten um Essen und Dach und Arbeit.
Am Anfang der Stall
In der Nähe waren Hirten
auf dem Felde bei ihrer Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die
Klarheit des Herrn erleuchtete sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel
sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude,
die allen Menschen widerfahren wird; euch ist heute der Heiland geboren,
Christus, der Herr in der Stadt Davids.
Und das nehmt zum Zeichen:
Ihr werdet finden ein Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.
Lukas 2,8-12
Die Hirten, arme Leute
merken auf: Ein Kind ist geboren. Das ist Engelmusik: Es geht weiter, Zukunft
liegt vor aller Augen. Die Welt geht noch nicht unter. Jedes Kind garantiert:
Gott ist noch am Schaffen. Jedes Kind ist Bürge: Vor uns: Nennenswertes. Aber dass
dort „das Herz aller Dinge ins Fleisch kriecht“, muß einem gesagt werden, da
müssen uns schon die Ohren des Herzens aufgetan werden. Nehmt das als Zeichen:
im Kleinen das Große, Im Stroh das Gold. Im Jesus-Menschen Gott greifbar.
Frieden
Und alsbald war da bei dem
Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre
sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und ein Wohlgefallen den Menschen
aneinander.
Lukas 2, 13.14
Das ist die Mitteilung des Jesus
Christus: Gott legt seine Ehre ein in den Frieden auf Erden. Der beginnt damit,
daß wir Wohlgefallen aneinander hegen, uns leiden mögen, auch wenn wir
aneinander oftmals leiden. Es ist eine Friedenenergie in der Welt, die kehrt
uns zueinander. Allein schon die Liebesfreude, die uns Menschen eins werden
lässt, strahlt Befreundekraft weit in
die Gesellschaft aus. Elternliebe und Kollegialität und Kameradschaft und
Fairness und die Tauschlust machen, daß Schranken und Grenzen schrumpfen - Gott
lässt auf viele Arten Sympathie in das Geschehen strömen. Er wir uns zum
Frieden bringen.
Zeuge sein wollen
Und als die Engel von ihnen
gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns jetzt gehen
nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die uns der Herr mitgeteilt hat.
Lukas 2,15
In den Krippenspielen und
Weihnachtsoratorien kommt an dieser Stelle Aufbruch und die Lust zu sehen ins
Spiel. Auch will man was mitbringen, wenn ein Kind begrüßt wird; will dem neuen
Erdenbürger ein Herzlich Willkommen sagen.
Eigentlich ist jedes Neugeborene ja Kind Gottes, in dem der Himmel alle
Gaben noch mal neu und einmalig mischt.
Jedes Kind ist ein neuer Versuch Gottes, sich selbst hier
unterzubringen.
Nur wer aufbricht, kann
finden.
Und sie eilten und fanden
beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe. Dann breiteten sie das
Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, die das hörten,
wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten.
Lukas 2, 16-18
Gut, über einem
Neugeborenen ein Wort zu sagen, das man vom Himmel her gehört hat. Dem Jesus
ist bestimmt, die Liebe Gottes zu leben, allen Widersprüchen zum trotz. Und letztlich
ist es das, was genau jedes Menschenkind realisieren soll: In den Mühen
doch die Perlen des Reiches Gottes finden,
Freundlichkeit leben mit der
eigenen kleinen Kraft, unermüdlich.
Ob uns auch der Heiland
geboren ist? Ob wir uns auch aufmachen, die Welt zu sehen, wie er es tat? Ob
uns die Welt als christuserfüllt aufgeht?
Weihnachten ist immer, wenn uns der Jesus Christ aufgeht als Pfand für
die Liebe Gottes.
Wir sind, was uns bewegt
Maria aber behielt alle
diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um,
priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie es zu
ihnen gesagt war.
Lukas 2, 19. 20
Die Widmung behalten, die Worte der Zuversicht im Herzen
bewegen, das ist die Weihnachtskunst. Sich selbst als lichten Menschen glauben,
die Mitmenschen zum Leuchten bringen, einen Schimmer Gottes auf die Stirnen
legen denen, die dir begegnen. Und wieder an die Arbeit gehen, preisend,
dankbar, mutig, tatkräftig.
*
Die Weisen aus dem
Morgenland
Es kamen weise Männer aus
dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeborene König der
Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Osten und sind gekommen, ihn
anzubeten.
Als das der König Herodes hörte,
erschrak er und er ließ alle Hohenpriester und Schriftgelehrten zusammenkommen und
erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte.
Und sie sagten ihm: In
Bethlehem - so steht es geschrieben beim
Propheten (Micha 5,1):
»Und du, Bethlehem im
jüdischen Lande, bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn
aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.«
Da rief Herodes die Weisen
zu sich und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht
fleißig nach dem Kind; und wenn ihr’s findet, so sagt mir’s wieder, dass auch
ich komme und es anbete.
Als sie nun den König
gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland
gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein
war.
Als sie den Stern sahen,
wurden sie hocherfreut und gingen in das Haus und fanden das Kind mit Maria,
seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf
und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.
Und Gott befahl ihnen im
Traum, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren; und sie zogen auf einem andern
Weg in ihr Land.
Matthäus 2,1-12
Bei Markus, dem ältesten
Evangelisten, taucht Jesus wie aus dem Nichts auf bei Johannes dem Täufer. Matthäus und Lukas
schrieben eine Generation später. Ihre Gemeinden wollten wissen, „wie sich das
alles begab“. Beide Evangelisten setzten Stammbäume vor die Geburt, Matthäus
lässt ihn beginnen bei Abraham, Lukas lässt ihn entspringen bei Gott und Adam.
Jedenfalls wurzelt Jesus tief in der Geschichte der Menschheit und des Volkes
Israel.
Lukas erzählt die Geburt,
wie sie idealerweise hat geschehen können, und
müssen. Matthäus widmet sich der Bedeutung des Neugeborenen: Der ist ein
König -wenn auch der Herzen, nicht des irdischen Regimentes. Repräsentanten der
Völker kommen, die mit Hingabe und Gaben dem künftigen Weltenretter huldigten.
Im Kontrast zur Weisheit
der Heidenwelt steht die Infamie des jüdischen Königs, der gar nicht anbeten
sondern vernichten will. Dem Herodes werden Züge des Pharaos von einst
angedichtet- wie damals in Ägypten die jüdischen Neugeborenen umgebracht
wurden, so ruft jetzt Herodes den Kindermord von Bethlehem aus. Matthäus
unterstreicht so, daß Jesus der neue, der wahre Mose ist. Auch die Flucht nach
Ägypten (Matthäus 2,13-23) ist ein Bild für
die heilsgeschichtliche Doppelung: Wie Mose kommt der Retter aus
Ägypten.
Diese Parallelen wurden von
den Zeitgenossen sofort verstanden. Matthäus und Lukas predigen die große
Bedeutung des Jesus mit
Bildern der alttestamentlichen
Verheißungen.
Die Anbetung der drei Weisen, Magier oder Könige aus
dem sagenhaften “Osten“ ist eines der meistdargestellten Motive der Malerei. In
den Krippenspielen unserer Kindheit waren die Rollen der festlich gekleideten
Männer sehr begehrt. Die Gaben boten
Anlass zu tiefgründiger Auslegung: Was dem Christus dargebracht war, gebührt
ihm: Unser Gold, also Geld ist nur anvertrautes Gut. Weihrauch steht für
Anbetung, Myrrhe – das wohlriechende Öl deutet auf Tod und Auferstehen hin.
*
Das Wort wurde Fleisch
Im Anfang war das Wort, und
das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott.
Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht,
was gemacht ist.
Johannes 1,1-3
Das Johannesevangelium
bietet keine Geburtsgeschichte des Jesus sondern hoch konzentrierte Theologie.
- Der Ursprung, der Samen von allem, der Keim der auch im Wachsenden bleibt-
ja, das alles Betreibende war und ist „logos“: Das Wort, der Wille, der Geist,
die Weisheit- alle diese Energieformen
schwingen mit im griechischen Wort dieser Stelle. „Logos“, „das Wort“
am Anfang ist so dramatisch stark, weil damit klargestellt ist: Am Anfang von Allem steht der Wille Gottes,
sich zu äußern und verstanden zu werden.
Der Wille, sich zu äußern
und verstanden zu werden, ist Gottes inneres Wesen. Das „Alles auf Einmal, aus
dem wir kommen“ (B. Strauß), die Seinskraft äußert sich, teilt sich mit in
empfänglichem Anderen, erfindet überhaupt erst Leben, und davor die Materie als
Träger. Sein Wille, sich zu äußern, schafft die Welt und ist der Grund aus dem ein Jeder entsteht.
Alles, was ist, ist
Mitteilung von Gott. Darum ruhte Gott auch nicht, bis er ein Wesen entwickelt
hat, das auf Wort, Geist, Verstehen anspricht.
Auch die Natur hört Gott,
sie gehorcht ihm, indem sie alles als Material für weitere Entfaltung zu nutzen
sucht. Und Gott ist damit beschäftigt,
die Verständigung zwischen ihm und seiner Schöpfung und seinem Spitzenprojekt
Mensch noch zu verbessern.
In ihm ist das Leben, und das
Leben ist das Licht der Menschen.
Johannes 1,4
Gottes Wort und Wille, sich
mitzuteilen, ist das Innerste des Lebens. Im Lebendigen mit Schmerz und Abbrüchen gibt sich Gott aus
(Gott ist das Lebendige in allem Fleisch- 4. Mose 16,22). Alles Lebendige ist
provisorisch, ist Ausriß und auf den Tod zu, aber Gottes Geisteinhauchung macht
alles Bruchstückhafte geistvoll und zueinandergehörig. Die Lebenswollust ist Gottes
Begeisterung, mit Lebenswillen steckt er uns an.
Die Freude zu leben ist das
Licht der Menschen. Darum nimm keinem die Freude an sich und schau mit Freuden,
wie auch Natur ihr Wachstum zeigen will.
Und das Licht scheint in
der Finsternis, und die Finsternis begreifts nicht.
Johannes 1,5
Das Licht der Liebe
scheint. Das macht, dass wir uns als Teile eines Puzzles erkennen. Wir sind
geneigt, zu ergänzen, uns ergänzen zu lassen. Im Licht der Erkenntnis dämmert
uns: Unser Lebenswerk ist Arbeit der
Liebe. Gottes Sein besteht in Seingeben; wir, die aufs Licht der Liebe
Angewiesenen, wir sind ganz Seinnehmen (Johannes Tauler).
Der Herd des Seins befeuert
uns, lieben und handeln zu wollen.
Aber es bleibt oftmals finster in unsern Seelen. Zwar
strahlt uns die Liebe an, aber wir leuchten nicht oder nur matt von innen. Da muss
ein Offenbarer kommen, der uns innen ganz neu tapeziert. Uns gefrorene Seelen
wird der Leuchtfeuermensch Christus noch einheizen und zum Lieben überreden.
Es war ein Mensch, von Gott
gesandt, der hieß Johannes.
Der kam als Fackelträger,
um Licht auf den zu werfen, der der Glaubwürdige ist. Johannes war nicht das
Licht, sondern er sollte zeugen von dem Licht, das alle Menschen erleuchtet.
Johannes 1, 6-9
Johannes, der Täufer war
wohl der letzte Prophet der Zeit des Alten Testamentes. Er entlarvte den Menschen ihr Sündersein, ängstete vor dem kommenden
Gericht; aber er konnte selbst nicht retten. Er machte hungrig auf den Erlöser
der Gewissen. Der erleuchtet alle, erinnert an die ewige Zugehörigkeit zum
GutenGanzen.
Er war in der Welt, und die
Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein
Eigentum; aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Johannes 1,10.11
Jesus Christus ist die Hauptgestalt
des Wortes und Willens Gottes. – Er war hier als historischer Mensch, als
wahrer Mensch und insgeheim wahrer Gott. Dass durch ihn die Welt geschaffen
ist, kann heißen: Jesus ist Auftischer und Vorkoster und Kundschafter und
Heilender. Die Welt erkannte ihn nicht,
merkte auch nicht seine Besonderheit
neben Gott. Dass er damals anfassbar irdisch
als Sohn Gottes hier war, erkannte man erst im nachhinein.
Aber das Grundstürzende
ist: Weil er „von Gottes Art“ ist, ist die Welt auch seine Schöpfung, sein
Eigentum. Er ist in der Welt als
Geistkraft, als Denklust, als Verbündefreude, als Liebe. Wenn
wir meinen, Liebe sei chemische Reaktion, sozialer Klebstoff, irgendetwas
Machbares, dann nehmen wir das geistige
Abenteuer „Christus“ nicht auf.
Die ihn aber aufnehmen, die an seinen Namen
glauben, denen gibt er Macht, sich als Gottes Kinder zu erkennen. Die wissen,
sie sind nicht von Menschenwillen
sondern von Gott gewollt; und darum sind wir hier.
Johannes 1,12,13
Jesus Christus annehmen,
heißt, sich selbst als Kind Gottes annehmen. Das schiebt die Macht irdische Elternschaft nach hinten. Wichtiger
ist, daß wir von Gott gewollt, entworfen, geschaffen sind mittels der Eltern.
Auch und erst recht ist die Zeugung des Jesus
gottgewollt, mittels seiner irdischen Eltern. Eltern sind die
Instrumente, die Helfer; Gott ist der Grund eines jeden von uns.
Es ist eine ungeheure
Macht, sich als Kind Gottes zu erkennen. Es rüstet uns mit Unverletzbarkeit
aus, mit einem Selbstbewusstsein, das nicht von schlechten Eltern ist.
Das Wort wurde Fleisch und
wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit des
einziggeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
Johannes 1,14
Die Materie hat große
Würde. Sie ist nicht nur Pflanzboden für die Himmelsfrucht. Sondern Gott,
Geist, Schöpferwillen. Lebenswort verwandeln sich in Natur, Leib, Erde. Gott
schafft nicht nur und hält dann die Schöpfung weit von sich. Sondern er zieht
sich die Schöpfung an, macht das Leben zu Seinem. Nicht nur ein schöner Gedanke
Gottes blüht auf als Mensch. Sondern im Bild von VaterMutter und Sohn kommt
Gott zur Welt und unterzieht sich einem Lebenslauf- letztlich um uns wissen zu
lassen, daß er unser aller Leben mitlebt.
Johannes gibt Zeugnis von
ihm und sagt: Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der
vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich. Das Gesetz ist durch Moses
gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden. Niemand hat
Gott je gesehen; der Erstgeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist,
hat ihn uns verkündigt.
Johannes 1,15.17.18
Grandios verkündet Johannes
die Einzigartigkeit des Christus. Er bezeugt seine Herkunft aus der Ewigkeit
und sein zukünftiges Sein in Ewigkeit. Von Gott, zu Gott, bei Gott. Weit
greifen die Erinnerungen zurück an diesen leuchtenden irdischen Jesus.
Der Evangelist schreibt aus
einem Abstand von mehreren Generationen.
Er gibt sich aus als Lieblingsjünger Johannes, er schreibt unter dem
Namen des berühmten Zeugen des historischen Jesus, wahrt literarisch den Schein,
dass er noch immer außer Atem sei.
Als Prediger seiner
alexandrinischen Gemeinde weiß er den Christus des Glaubens gegenwärtig. Er
sieht sich nehmen Gnade um Gnade, damals wie heute: Durch Moses lernen wir das
richtige Tun, aber Jesus Christus bringt
uns in das wahre Sein: Wir sind Kinder Gottes, dem Jesus Christus nach, der
Erstgeborener ist. Er ist Gott so nah, daß er Gott selber ist, sitzt aber auch
in seinem (oder ihrem) Schoß, was das
Zusammensein Gottes und Christus abbildet.
Es bleibt Geheimnis, wie er Gott
selbst ist und gleichzeitig ihm auch gegenüber
ist, so daß er ihn gesehen hat und ihn uns darbietet in Reden und Tun.
Und von seiner Fülle haben
wir alle genommen Gnade um Gnade.
Johannes 1,16
Das kann nicht jeder sagen
und nicht zu jederzeit. Aber du, ich? Im Lied „Lobe den Herrn„ heißt es: „Der
dich erhält, wie es dir selber gefällt, hast du nicht dieses verspüret“? Doch;
immer wieder und letztlich- du hast erlebt:
Viel Bewahrung, Wunder, Güte,
Vergebung, heilsame Fügung; Gut gegangen- so viele Male. Ja, Gnade um Gnade, „ein
volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß“ (Lukas 6,38). Nur,
unsere kleine Denkkraft kann all die Fülle von Beschenktsein nicht fassen.
Leicht werden wir mürrisch, wir nörgeln, sind verstimmt. Oft hilft dann schon
ein Gang im Freien oder ein Gespräch oder eine Freundlichkeit; schon ein
tiefes, bewusstes Atmen kann einem den Staub von der Seele nehmen.
*
Simeon und Hanna
Sie brachten den Säugling Jesus
nach Jerusalem in den Tempel. Ein Mann mit Namen Simeon, der auf den Messias
wartete, hatte die Weisung vom Heiligen
Geist empfangen, er werde erst sterben, wenn er den Herrn Christus gesehen habe.
Als nun die Eltern das Kind
Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist, da nahm er
ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach: Herr, nun lässt du deinen Diener
in Frieden fahren, wie du gesagt hast; meine Augen haben deinen Heiland
gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern- ein Licht, zu erleuchten die
Heiden und zum Preis deines Volkes Israel. Und sein Vater und seine Mutter
wunderten sich über das, was von ihm gesagt wurde. Und Simeon segnete sie. Es
war da auch eine Prophetin Hanna, die war hochbetagt, die segnete sie auch. Das
Kind aber wuchs und wurde stark, voller Weisheit, und Gottes Gnade war bei ihm.
Aus Lukas 2, 22-40
Jesus war dem jüdischen
Gebot zufolge im Tempel beschnitten worden am siebten Tage; war damit
gekennzeichnet als Nachkomme Abrahams und Glied der Gemeinde. -Wie befreiend
wirkt später die Ablösung der Beschneidung durch die Taufe, die ja endlich für
beide Geschlechter gleichwertige Gotteskindschaft besiegelt.
Verheißungen begleiten
jedes Neugeborene. Jesus empfängt von den Repräsentanten der Vergangenheit,
Simeon und Hanna Segen und Widmung: Er werde „Licht, zu erleuchten die Heiden“.
Eindrucksvoll die Szene, wie der Alte meint, nun sterben zu können, da seine
Mission erfüllt ist.
*
Der zwölfjährige Jesus im
Tempel
Jesu Eltern gingen alle Jahre
nach Jerusalem zum Passafest.
Und als er zwölf Jahre alt war,
ging er mit.
Als dann die
Tage vorüber waren und sie wieder nach Hause gingen, blieb der Knabe Jesus in
Jerusalem und seine Eltern wussten es nicht.
Sie meinten, er wäre mit den Gefährten vorausgegangen.
Am Abend aber suchten sie ihn unter den Verwandten und Bekannten.
Und da sie ihn nicht fanden, kehrten sie wieder um
nach Jerusalem und suchten ihn dort.
Und sie fanden ihn im Tempel sitzen, mitten unter den
Schriftgelehrten, wie er ihnen zuhörte und sie fragte. Und alle, die ihn
hörten, verwunderten sich über seinen Verstand und seine Antworten.
Seine Mutter aber sprach zu ihm: Mein Sohn, warum hast
du uns das angetan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht.
Und er sprach zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht?
Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in meines Vaters Haus?
Und sie verstanden das Wort
nicht, das er zu ihnen sagte.
Er aber ging mit ihnen
nach Hause und war ihnen untertan. Und Jesus nahm zu an Weisheit, Alter
und Gnade bei Gott und den Menschen.
Lukas 2, 41-52
Eine Legende vom jungen
Jesus: Ideal und wahr, wenn auch nicht historisch.
Jesus geht mit den Eltern
zum Tempel- ein Tage langer Weg von Nazareth. Auf dem Rückweg bemerken die
Eltern: Ihr Sohn ist im Gotteshaus zurückgeblieben. Es ist so, als wenn ein
Kind, überfließend vor Musikalität, zum ersten Mal ein Orchester hört. Und wer
religiös so erfüllt ist, der kommt zum ersten Mal nach Hause, wenn er im Tempel
ist. Jesus entdeckt im Lauschen auf die Schrift seine Muttersprache, Gottes
Wort. Jesus ist hingerissen dorthin, wo der Wille Gottes ausgelegt wird:
Vielleicht erlauscht Jesus schon die Stimme, die nicht in Stein und Papier
geschrieben ist, sondern die in ihm Person wird. –Aber er bleibt den Eltern
untertan, bis seine Zeit gekommen war.
Auch Jesus muss die Reise
durch Kindheit und Jugend gehen, die Lehrjahre in Gesetz und Ordnung, bis dann
die richtigen Worte zu ihm kamen. Auch Jesus brauchte Zeit, zu wachsen in
Gottes- und Menschenweisheit.
Mit etwa dreißig ist er dann in die
Öffentlichkeit getreten. Ein oder drei Jahre hat er gewirkt und den Himmel uns
auf die Erde geholt.
*
Die Taufe Jesu
Jesus kam zu Johannes dem
Täufer. Der predigte in der Wüste von Judäa und sprach: Bereitet dem Herrn den
Weg (Jesaja 40,3),
tut Buße, denn das Himmelreich
ist nahe herbeigekommen!
Johannes hatte ein Kamelfell um, zusammengehalten von
einem ledernen Gürtel; er nährte sich von Früchten des Feldes. Die Menschen
strömten zu ihm, bekannten ihre Sünden und ließen sich taufen im Jordan. Und er
herrschte sie an: Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gewiss gemacht, dass ihr
dem künftigen Zorn entrinnen werdet?
Matthäus 3,1-7
Johannes war wohl eine
verwegene Erscheinung in dramatischer Zeit: Einer der vielen Bußprediger, die
das Jüngste Gericht als unmittelbar bevorstehend ansagten. Er zog die Menschen
an, weil er das Heilmittel zu haben schien: Er zerknirschte die Seelen mit
Donnerworten, als „ Otterngezücht“ beschimpfte er sie, zwang sie auf die Knie,
daß sie sich als schäbig erkannten unter ihrer Sündenlast. Durch Untertauchen
im Jordan sollten sie ihre Sünden
abgewaschen bekommen und das Auftauchen als Augenblick der neuen Geburt nehmen.
Aber die Vergebung des Johannes fordert
ein andauerndes in die Buße Kriechen. Richtig froh werden wir erst, wenn wir
uns als Sünder und Gerettete zugleich wissen, dem Jesus nach.
*
Tut Buße
Und weiter predigte
Johannes: Denkt nur nicht, ihr könntet sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Ich
sage euch: Gott vermag dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken.
Es ist schon die Axt den
Bäumen an die Wurzel gelegt. Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird
abgehauen und ins Feuer geworfen. Ich taufe euch mit Wasser zur Buße; der aber
nach mir kommt, ist stärker als ich- ich bin nicht wert, ihm die Schuhe zu
schnüren; der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.
Matthäus 3, 9-11
Der Täufer Johannes schlug
den Zeitgenossen ihre frommen Gewissheiten aus dem Kopf: Es nützt keine
Tradition, die ihren blassen Heiligenschein über die Gegenwart verströmt; Keine
Verwandtschaft mit dem Vater Abraham adelt, keine Volkszugehörigkeit zu Israel
oder heute keine Kirchzugehörigkeit macht uns Liebkind bei Gott. Die Axt am
Baum ist ein starkes Bild, dass alles zu einem Ende kommt und dann gewichtet
wird im Gericht.
Johannes ist der letzte
Bote des Alten Testamentes. Der Bund, der die Menschen für das vor Gott
Bestehen selbst verantwortlich macht, ist kraftlos geworden. Letztlich vergeblich
sind all die Appelle zu Gehorsam und Buße- jedenfalls darf man davon nicht das
Seelenheil abhängig machen, das ahnt auch schon Johannes; Er wartet auf den
Messias.
Aber welche neue Qualität
bringt Christus? Wird seine Taufe mit feurigem Geist die Menschheit zu neuen
Ufern leiten? Wischt er unser schwaches
Tun hinweg und schmückt uns als die leuchtenden Kinder Gottes?
*
Jesu Berufung zum Sohn
Jesus kam aus Galiläa an
den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. Aber Johannes sagte:
Ich brauche es, von dir getauft zu werden. Jesus antwortete: Lass es jetzt
geschehen! Es ist gerecht. Da ließ er’s geschehen.
Und als Jesus
getauft wird, da tut sich ihm der Himmel auf, und er sieht den Geist Gottes wie
eine Taube herabfahren und über sich kommen. Und eine Stimme vom Himmel herab
spricht: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Freude habe. Matthäus 3,13-16
Jesus
unterzieht sich der Taufe zur Buße durch Johannes. Der zögert erst: Der Sohn
Gottes braucht keine Vergebung und Buße. Aber Jesus will die Taufe, die alle
nötig haben. Er weiß sich als Kind Gottes, weiß sich erwählt zum Amt des ersten
Sohn Gottes unter vielen Brüdern und Schwerstern. Sein Auftrag wird sein, uns
das Gottgehören beizubringen.
Die Taufe ist
uraltes heiliges Symbol - Untertauchen als alter Mensch, einen Augenblick wie
tot sein, dann auferweckt, ja, neu geboren werden zum Kind Gottes. Jesus hört
über sich die Widmung, in der die Adoptionsformel
für die Könige Israels mitklingt: „Gott
spricht: Du bist mein lieber Sohn, heute habe ich dich gezeugt“ (Psalm 2,7).
Gut, auch heute
unsere Kinder zu taufen, zum Zeichen: Du gehörst nicht nur zu Vater und Mutter.
Sondern du wirst –nimm die Taufe als symbolischen Geburtsvorgang- von Gott aus
dem Nichtsein ins Leben gerufen. Du gehörst zu christlicher Gemeinde, und sie
zu dir.
*
Jesu Versuchung
Nach der Taufe wurde Jesus
vom Geist in die Wüste geführt. Nach Tagen und Nächsten des Fastens hungerte ihn. Da trat der
Versucher zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so mach aus diesen Steinen
Brot. Da sagte er: Es steht geschrieben (5.Mose 8,3): »Der Mensch lebt nicht
vom Brot allein, sondern von Worten von Gott lebt der Mensch.«
Matthäus 4,1-4
Was bedeutet für Jesus die
Gottessohnschaft? Mit dieser Geschichte erklärt sich die urchristliche
Gemeinde, daß Jesus sich über seine Bestimmung erst selbst klar werden musste.
Der Sohn Gottes, der Messias, war ja eine klar fixierte Figur im großen
Welttheater der jüdischen Erwartung. Im Volksglauben erwartete man den
wiederkommenden, endgültigen König David. Der wird die Besatzung aus dem Land werfen
und Jerusalem zum Nabel der Welt machen. Dorthin sollen die Völker
ziehen, um ewiges Gebot und Rechtsprechung Gottes zu empfangen.
Es war anzunehmen, daß der
Auserwählte Gottes nicht hungern muss. Doch Jesus leidet Hunger. Da scheint er
angegangen zu sein von einer Idee: Ist das vielleicht der rechte Messias- Weg,
den Hunger der ganzen Welt und auch den eigenen zu beseitigen durch einfachen
Gebetsbefehl?
Aber Jesus ist sich klar, wird sich klar: Ich darf nicht
Gottes Kräfte hinter Gottes Rücken einspannen, darf nicht wider die Natur
handeln. Was wären gewonnene Kalorien bei
verlorener Bindung an Gott und Sinn? „Der Mensch lebt nicht vom Brot
allein“- weist uns auf Kultur, Freude, Sehnsucht, Liebe hin- vor allem aufs
Wort Gottes, das mich über den Wassern der Angst hält.
Für abwegige Gedanken
bietet sich im Bilderbuch unserer Seele
der Teufel, der Versucher an. Der ist kein Gegengott. Der Geist ist es ja, der
Jesus in die Wüste führt. Der Diabolos, der „Durcheinanderwerfer“ ist ein Souffleur fürs Böse, das an den Rändern
unserer Seele immer mitschwingt, uns aber nicht überschwemmen möge.
Beschaffte Jesus Brot aus
dem Nichts, würde er geradezu die Menschen verführen, ihn anzubeten. Er würde den Menschen ihre
Freiheit, an Gott zu glauben, nehmen. - Jesus hätte uns böse gemacht, das hätte
dem Teufel- im Bild gesprochen- gut gefallen.
Immer wieder lassen wir uns
unsere Seele abkaufen für Essen, Wohlstand, Sicherheit. Jesus blieb stark.
Seien wir nicht allzu schwach.
Dann führte ihn der Teufel
mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und spricht
zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so spring hinab; denn es steht geschrieben (Psalm
91,11-12): »Er wird seinen Engeln befehlen, dich auf Händen zu tragen- dein Fuß wird an
keinen Stein stoßen.“
Da entgegnete Jesus ihm:
Wiederum steht auch geschrieben (5.Mose 6,16): »Du sollst den Herrn, deinen
Gott, nicht versuchen.«
Matthäus 4,5-7
Dem Volk Wunder vorspielen-
kann das einen Augenblick reale Versuchung für Jesus gewesen sein? Die Menschen wären gezwungen, ihm zu glauben;
sie wären ihm hörig geworden. Auch kann ein Gotteswort missbraucht werden. Im
falschen Geist gebraucht, kann der Beter Gott benutzen und meinen, er verfüge über göttliche Kräfte. Aber Jesus
weist diese Idee ab. Ein einfaches „nein“ genügt in den meisten Fällen gegen Teufelei.
Du sollst Gott nicht einspannen zu deinen Gunsten; fertig.
Darauf führte ihn der
Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg. Er zeigte ihm alle Reiche der Welt
und ihre Herrlichkeiten und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben. Fall
nieder und bete mich an. Da sprach Jesus zu ihm: Fort mit dir, Satan! Denn es
steht geschrieben (5.Mose 6,13): »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und
ihm allein dienen.« Da ließ der Teufel von ihm. Und die Engel dienten ihm.
Matthäus 4,8-11
Jesus könnte auch versucht gewesen sein, das Böse einzuspannen
für gute Zwecke. Das Böse ausrotten, indem man sich des Bösen bedient? Aber so dient
man doch dem Bösen Versucherisch sind alle Einflüsterungen, daß der Zweck die
Mittel heilige. Da sind wir oft auf der Kippe: Mit einem Machtwort den
Familienfrieden erzwingen; mit kleinem Ideendiebstahl die Stellung festigen; mit
dem Teufel Beelzebub austreiben (Matthäus 12,24)- Doch Jesus bleibt stark. Er
beugt sich nur Gott. Hat sich Jesus einmal durchgerungen, den mühsamen Weg der
ehrlichen Normalität zu gehen, dienen ihm die Engel. Ihm gelingt es, Gott und
die Menschen und die Normalität nicht zu verraten.
Daß ihm die Engel dienten,
sieht man an den guten Kräften, die ihm zu Gebote stehen. Auch wir verfügen
über heilendes Können, Engel sind bei uns- wir werden uns keiner Teufelei
bedienen.
*
A2 Jesu Worte und Taten
Der Beginn des Wirkens Jesu
Der Prophet Johannes sagte
dem König Herodes dessen Sünden auf den Kopf zu. Da wurde er gefangen gesetzt.
Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist
nahe herbeigekommen!
Matthäus 4,12.17
Dieser Satz bildet die Mitte aller Predigten Jesu: Das Himmelreich ist nahe. Gott will mit uns innig zusammen sein, will mit uns ein Glück haben; die Men