Keitumer Predigten Traugott Giesen 24.03.2002
Matthäus 26, 36-46 Jesus in Gethsemane
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Jesus dagegen sieht sein Ich verlorengehen,
wenn er jetzt Gott verrät. Er weiß Gott als den Gott der
Barmherzigkeit und des Trostes. Und dass er von uns Großmut und Vergebung
braucht. Jesus lebt das Vertrauen: "Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts
mangeln. Du bereitest mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde, du schenkest
mir voll ein" (Psalm23). Doch dieses Vertrauen bringt ihn in Konflikt mit
den Herren von Tempel und Staat. Jesus sieht einen bitteren Kelch auf sich
zukommen. Er zieht sich ins Gebet zurück. Er nimmt Freunde mit, als
er ein Stück beiseite geht. Es überfällt ihn Trauern und Zagen,
eine große Wehmut, die liebe Erde zu lassen und das Lachen und die
Sonne und die Liebe, die Nächsten - meine Seele ist betrübt bis
an den Tod, sagt er, dazu die Angst vor dem Leiden, die Schläge, die
kreatürliche Angst, die einen das Blut stocken lässt, den Atem
zuschließt, einen ganz in sich zusammenzieht. Bleibt bei mir, sagt
den Freunden, wacht mit mir - das Besprechen mit Gott kann die Dinge ordnen
und einen in eine Ruhe gleiten lassen, die nicht von dieser Welt ist.
Mein Vater - Dein Wille geschehe - Dietrich Bonhoeffer ist in den letzten
Tagen des Hitlerregimes von der Gestapo umgebracht worden, wegen Zugehören
zum Freundeskreis des 20. Juli. Bonhoeffer sagte vor seinem Tod: "Ich bin
froh, dass ich in Gottes Hand bin und nicht in den Händen der Gestapo".
Das ist der Glutkern auch von Jesu Glaube: Von guten Mächten wunderbar
geborgen zu sein, auch wenn bös gewordene Gewalt einen anfällt.
Jesus ist uns ganz nah, er bittet, Dass ihm
das Leid erspart bleibt, zu schön ist es noch, ohne Schmerzen hierzusein
unter der Sonne. Ich nehme dies Flehen des Jesus auch als Freispruch: Ja,
wir dürfen am Leben hängen, und sollen es gern bewahren, unseres
und anderes, und sollen gern alt werden wollen. Aber Jesus weiß: Noch
wichtiger, als am Leid vorbei zu kommen ist, durchs Leid hindurchzukommen.
Wenn am finsteren Tal kein Weg vorbei führt, dann geht Gott mit durchs
Finstere, schleppt uns hindurch. Und bewahrt mein Ich. Luther sagt es mal
so: "Wenns anders kommt, als wir erbitten, kommt es besser."
Jesus betet sich diese Gewissheit an: Es ist der Wille Gottes, für die
Liebe in Schmerzen zu bürgen. So gehe ich der Güte Gottes nicht
verloren, auch wenn ich durch verrohte Menschenhände hindurch muß,
auch wenn die Seele durch das Nadelöhr Tod hindurch muß. Jesus
nimmt das Kommende als aus Vater-Mutter-Gottes Hand, auch was er nicht versteht.
Es ist wohl so: Das Kommende als Willen Gottes nehmen, als Anfrage und Auftrag
und Bitte um Geleit. Im Kommenden kommt Gott auf mich zu, wendet sich an
mich: Ich muß darauf reagieren, daraus was machen, was wieder Gott
fordert, daraus, und damit etwas weiter zu machen, mit anderen, was wieder
mir die Antwort ist. Und ich muß daraus das Richtige machen - so ist
Leben ein endlos geflochtenes Gespräch und ein gemeinsam Erfahrens
Gott-Welt- Mensch-Ich System.
Jesus glaubt an ein gottdurchwachsenes Leben,
nicht: Hier Herodes, die Kranken, die Freunde, die Vögel, die Sonne
- und da Gott, nicht hier Erde, dort Ewiges, - sondern Jesus geht mit Herodes
und Lazarus um, mit Hunger und Umarmung wie in einer Glocke der Geborgenheit.
"Und am Ende bin ich noch immer bei Dir" (Psalm 139), werden wir staunen
und uns vorfinden "im Hause des Herrn immer" (Psalm 23).
Menschen können an Gott irre werden: am 11. September, an Auschwitz,
an Aids, am Krieg genau an Jesus Orten von damals. Menschen können
irrewerden angesichts der gleichgültigen Natur und der brutalen Mitmenschen
und der eigenen Selbstzweifel, Dass ein gütiger Welthintergrund sei,
ein Gott der Liebe uns in Händen hält, wie kann dieser Glaube uns
erhalten bleiben? Dass wenigstens Gott treu ist, ihm eine feste Burg ist,
das glaubt es in Jesus. Das weiß er und legt sein Schicksal in die
Hände dessen, den er "Mein Vater" und "Unser Vater" nennt.
"Herr gib mir was du willst, ein Liebes oder Leides, ich in beglückt,
dass beides aus deinen Händen quillt" - aus deinen Händen nehme
ich's hin was mich ängstet, nehme es als Aufgabe, ohne zu grübeln,
ob Gott auch Übel schickt. Uns ist geboten zu beten: erlöse uns
von dem Bösen.
Jesus ist auch darin uns ein wunderbarer Mensch, weil er uns die Angst nicht
ausredet, sondern uns ansteckt, die Angst in Gottes Hände zu legen.
Gethsemane, ist der Garten der begnadeten Angst und wird getragen zu dem
Trost: "Was betrübst du dich meine Seele, und bist so unruhig in mir:
harre auf Gott. Denn ich werde ihm noch danken, Dass er meines Angesichts
Hilfe und mein Gott ist". (Psalm 43,5ff) - so ähnlich gestärkt
kommt Jesus aus dem Gebet. Und sieht die Jünger schlafen. Er könnte
einen Augenblick den Glauben an die Menschen verloren haben. Sie waren doch
Zeuge geworden von so viel wunderbarer Hilfe, haben Anteil gehabt an so viel
freundlichem Teilen. Und wo Jesus in seiner Trauer welche brauchte, die es
sich auch nahe gehen lassen - schlafen die, als wäre von nichts die
Rede. Dies Mitfühlen, dies Merken was los ist, diese frauliche,
mütterliche Wachheit ist doch Freundespflicht - aber kein Schimpfen,
keine moralische Belehrung, doch Traurigkeit über dies schwache Fleisch
- "könnt ihr Freunde nicht eine Stunde mit mir wachen?". Jesus sieht
sich verraten und ausgestoßen, schon in Feindesland. Und dennoch geht
er wieder hin, bittet noch einmal um Geleit, ist nicht zu stolz, zeigt sein
Bedürftigsein, überlässt sie nicht ihrer Tumbheit, schickt
sie nicht zum Teufel.
So ist Jesus mit Angst geborgen, nicht vor der Angst. Und leitet uns an,
allem Beängstigenden doch irgendwie hoffnungsvoll zu begegnen. "Angst
ist hochgradiges Selbst-Bewusstsein" (DeLillo), ganz auf ein Anderes als
Ich angewiesen zu sein. Getragen geht Jesus ans Tragen und wir auch. Amen