1. Sonntag nach Weihnachten 27.12.1998
Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.
Johannes 1, 14
Das Wort ist mehr als nur ein Wort, es ist Sinn, Grund, Idee, Wille,
das Geheimnis von allem. Das Geheimnis von allem wurde Mensch. In Jesus
machte sich das Herz aller Dinge, der Grund von allem, anfaßbar.
Und durchfuhr Himmel und Hölle menschlichen Lebens. Und stellte klar:
Liebe ist Gott, Zusammengehören ist Leben, vor uns ist immer Zukunft,
durch wieviel Nein und Versagen wir auch hindurch müssen. Wär
Christus nicht geboren, wäre die Welt verloren � die Welt bekommt
mit ihm das Gütesiegel: Gottes Welt, Du ein Gotteskind.
Keitumer Predigten Traugott Giesen
Fröhliche, gesegnete Weihnachten uns allen. Das wichtigste Fest
des Jahres
feiert das Leben, es ist im Kern gut. Der Kern des Lebens hat
sich herausgestellt als ein Mensch voll Grazie und Geist und Freude. Jesu
Leben hat eine Leuchtspur hinterlassen; ja, er ist lebendiger denn je.
Er ist das Ja Gottes, das gegen sämtliche Verneinungen angeht, es
mit Sünde und Tod aufnimmt. Gegen alle Sinnlosigkeit wirft Gott
dieses Leben in die Wagschale. Wenn der Schöpfung dieser eine gelingt,
dieser wunderbare Jesus, dann kriegt Gott uns auch noch hin, er wird
uns heilmachen durch welches Dickicht auch hindurch. Und Jesus, sein Modelleben
ist der stärkste Trumpf, aber nicht der einzige, wir alle sind Kinder
Gottes, wir alle Karten in seinem Spiel. Und jedes Lächeln, jeder
freudenmut, jedes Zartsein, jede Güte, ist Energie aus seinem Schatz,
ist Licht vom unerschöpften Lichte.
Weihnachten ist der Nabel des Jahres. Weihnachten ist der Verfassungstag
des Menschseins: Du, Kind Gottes, ewiggültig. � Das muß einem
gesagt werden, muß einem posaunt werden. Heiliges ist unser
aller Kern. Aber dies Bewußtsein kann uns verlorengehn
unter der Asche der Sorgen.
Auch die Hirten auf den Feldern um Bethlehem vor 2000 Jahren hatten
ihren Funken Heiliges wohl unter Sorgen vergessen, oft waren sie mürrisch,
unduldsam mit anderen, sie froren und waren hungrig oder hatten körperliche
Mühen und fühlten sich allein gelassen und ausgesetzt . Aber
sie merkten es, die Hirten damals und wir, wir auch, sind nicht abgestumpft,
nicht nur fixiert auf Schmerzvergessen � Das wäre ganzer Jammer: Nichts
mehr hören, nichts mehr fühlen wollen. Wenn wir nur Nichts,
nur das Nichts noch wollten, dann könnten wir nur durch Tod von unserm
Unglück abgepellt werden.
Da sind die Hirten anders dran. Sie halten noch Ausschau nach
Veränderung, sie lernen noch Flöte oder spielen noch Lotto, sie
suchen noch vierblättrigen Klee, sie setzen noch Heiratsanzeigen in
die Zeitung, sie reden zu dem Traurigen vom Blumengarten, sie besorgen
den Schafen Weide, daß sie bald was abwerfen, sie gehen noch auf
Weiterbildung, sie wollen KInder � trotz der Mühen empfehlen sie das
Leben. Sie merken, daß Wünschkraft sie treibt. Sie beten, daß
Gott sei und sie persönlich meint.
Die Hirten in der Weihnachtsgeschichte stehen für alle Menschen,
die noch lauschen, die noch nicht zu und versiegelt sind, die noch eine
Art von Gespanntsein in sich fühlen.
Die Hirten hören Engel. Boten von Sinn. Sie bringen Bedeutung
ins Geschehen, sie sagen was gemeint ist. Sie zeigen diesmal auf einen
Stall � Gegen den Augenschein gehen die Hirten los, sehen ein Neugeborenes
mit seinen Eltern. Für Hirten ist Neugeborenes normal, wunderbar und
ganz normal � eben wie das Leben so spielt. Eigentlich nichts Aufregendes,
ein Kind eben, frisch geboren � Heu zum Trockenreiben, Kuhmilch zur Stärkung
der Mutter. Der Vater, stolz, hat ein Feuer gemacht, hat Essen besorgt,
hier in der Fremde bedeutet er nicht viel, nur eben einer der gerade Vater
geworden ist, aber das ist schon was.
Das Kind � , es muß die Menschen angeschaut haben mit Augensternen,
es brachte Leuchten vom Himmel mit sich � und jetzt bitte � glaubt:
dies Leuchten ist noch in der Welt. Dies Leuchten schimmert in allen Freudenaugen
die uns trafen, Jesu Leuchten kehrt wieder in dem Glückslachen aller
Liebenden und als Bitte um Leuchten in aller Not. Jesu seliges Lachen meldete
den Schauenden: Ihr seid Gottes Kinder, Abkömmlinge von Herz aller
Dinge, ihr damals und ihr heute, die ihr die Geburt dieses Versprechens
Gottes feiert.
Das Kind in der Krippe schaut dich, mich an mit Augen, die sagen: Es
gibt dich. Du bist wer, du bist angeschaut, du bist wahrgenommen. Unsere
Seelen sind Spiegel; glauben wir uns von der Liebe Leuchten erhellt, dann
spiegeln wir Bejahekraft; dann vervielfältigt sich das Lieben,
das die Welt trägt in dir und mir.
Für wen gibt es mich � wem bin ich wer? Das fragt der frierende
Hirte und das Kind mit den Sechsen, die streunenden Kinder von Temeschwar.
Für wen gibt es mich, frage ich und du � und glücklich dran ist,
wenn wir einen haben oder zwei, vier, vielleicht sogar 16 Menschen � für
die wir wer sind. Und wir bleiben doch Invaliden der Sehnsucht, bleiben
gebrannte Kinder einer verlorenen Ganzheit.
Der Hirte an der Krippe sieht sich angeschaut und er sieht sich
einem guten Ganzen eingepflanzt. Der eben noch Mürrische F ist
nicht mehr der verlassene "Allein auf weiter Flur", sondern ist Auserwählter,
Geliebter, ist berufen, mit diesem Kind zusammen ein Gutes Ganzes
darzustellen.
Es wird ihm warm ums Herz. Mächtig wird sein
Ich gestärkt. Mit diesem Kind bin auch ich Kind Gottes, denkt
er, vertraut er und gehorcht dem Kind mehr als seinen Kumpeln. Seine miesen
Seiten weichen zurück, seine Schatten bekommen Sonnenflecken. Er kann
sich wieder achten. Das Lachen dieses Kindes ist ihm Pfand für Liebe
auch bei Dornen und Tränen, Pfand auch für den glücklichen
Ausgang der ganzen Schöpfung.
Das Lachen dieses Kindes ist nicht aus dieser Welt genommen.
Jesu Lachen erwächst aus Himmelsgründen und erweckt noch aus
uns Staubgeborenen das Feuer der Freude.
Der Hirte und du, ich, werden durch sein Ansehen. Gott, das Herz der
Welt kommt in diesem Kind und klärt uns den Glauben: De Augen
des Kindes sind auf uns gerichtet, als wären du, ich Ziel seines Kommens.
Du bist angeschaut, als wärst du des Kindes einzige Sorge. Es muß
dir sagen: Du auch Kind Gottes, gehörst zu seiner Familie, hast Teil
an seienr Ehre. Gehörst zu seinenm Wesen. Dein Wesen hilft auch Gott
auf, Du Feder seiner Flügel, Worte seines Sprechens, Hände seines
Umarmens, Speise seines Nährens.
Der Hirte nimmt Jesu Augensterne als Beweis: Die Welt taugt. Wo so
ein Leuchten auftaucht ist der Hintergrund von allem Schönheit und
Liebe. So ein Leuchten kommt nicht aus Kaputtheit und Absurdität.
So ein Leuchten ist nicht vom Tod. So ein Leuchten ist Glanz von einer
heiligen Kraft. Und ich, der ich das Leuchten merke, muß auch von
dieser Sorte sein.
Die alten Maler konnten noch einen Lichtschwall auf den Angeschauten
zeigen. Die das Kind ansieht, sind Gezeichnete. Wer sich vom erstgeborenen
Sohn angeschaut und gewürdigt sieht, der leuchtet selber. Sie
werden Jesu Licht in die Welt tragen � Sie werden selber Licht der Welt.
Die Hirten aber kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles,
was sie gehört und gesehen hatten. Sie gaben Jesu Lachen weiter, ein
abglanz von wissender Freude. So taucht auf ihren, auf unsern Angesichten
Jesu "Ja, du gut" auf.
Gott, Jesus taucht auf als Zuneigung, die wir uns
geben, warum auch immer. Er steckt in uns an die Gewißheit: Du geliebt.
Doch, nimm den neben dir als verlängerten Arm aller guten
Mächte, laß ihn dir gefallen als Bürge, drück ihm
die Hand, spür seine Nähe als Pfand: Gut, daß du du bist.
Nimm auch Geschenke an, gib auch Geschenke aus als Sternenstaub. Sieh dich
als Mittler der Güte des Alls. �
Wenn dich gleich einer anschaut, sieh darin den Weltengrund
auf dich gerichtet: Du Kind Gottes, gewollt und angeschaut von Gott, darum
gibt es dich. Und du, gib ab ein Schauen wie an Christi statt: Dein
Lichtblick richtet auf, macht schön, traut zu. Seien wir einander
Versprechen, Krippen von Ewigem � wir einander Antlitze, aus denen Gott
herausschaut.
Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen
ein Wohlgefallen aneinander.
Amen.