Traugott Giesen Kolumne
06.01.2001 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Geben und Nehmen � Vorsätze fürs
Neue Jahr
Dein Festhalten oder dein Vergeuden �
was soll sich ändern? Besser gesagt: was willst du ändern? Kein
anderer als du selbst kann dein inneres Mass verschieben. Und ob du es
kannst, ist noch die Frage. Voraussetzung ist, du willst und kämpfst
jetzt um besseres Haushalten.
Vielleicht gibst du nach langem Mühen
auf, später; wie einer seine Bemühungen, das Rauchen einzustellen,
aufgibt. Vielleicht beschliesst du, dein Raffen oder dein Vergeuden sei
an deinem Charakter festgewachsen. Vielleicht meinst du, die Raffgier deiner
Eltern wieder gutmachen zu müssen oder das Verpulvern deines ersten
Ehepartners. Vielleicht siehst du dich in Sippenhaft; es wäre zu schade.
Aber es kann sein. Dann geh noch mal in die Schule des Glaubens, dort lernst
du, dass jeder Mensch bei seinem Namen gerufen ist, und eine eigene unteilbare
Seele ist und das Recht hat auf seine eigenen Fehler.
Wenn du gekämpft hast, und doch deine
Änderung nicht schaffst und beschliesst, erst mal es bei deinem jetzigen
Status zu belassen, dann bewahr dir jedenfalls die Wunschrichtung. Wenn
du wenigstens nicht weiter abdriftest in die verhasste Richtung, ist das
besser als nichts.
Aber zum Thema Knausern bedenke: Du hast
viel. Du hast Begabungen und Wünsche, du hast Fähigkeiten und
Freudenpower. Geniess dein Haben. Und sieh es nicht sofort wieder geschmälert
durch Wegnehmer. Vielleicht waren da mal ältere Geschwister oder stärkere
Schulkameraden, die dich ausbeuteten. Aber jetzt bist du gross, wichtig,
stark, gesichert durch Rechte und eben deine Habe. Du wirst nicht mehr
mit leeren Händen dastehen, fürchte dich nicht. Du wirst immer
genug haben, um anderen geben zu können, so dass auch du bekommst.
Du musst mit dem, was du vermagst, wuchern. Du musst andern nützen,
das ist Menschenpflicht. Also biete Deins an.
Hast du Angst, in deiner Partnerschaft
zuzusetzen? Sprich offen an, was du auch gern nähmest. Und hör
zu, ob dein angeblich so vieles Geben überhaupt willkommen ist. Vielleicht
öffnet dein Reden deinem Nächsten auch den Mund, und er sagt,
was er meint zu entbehren.
Oder in der Firma: Du denkst, zuviel dich
hinzuhalten für andere; du hast die Ideen, du arbeitest die Präsentationen
aus, aber vom Beifall bekommst du nichts ab. Es kann so sein, dann hast
du aber bei der nächsten Firma gute Chancen. Riskier den Karrieresprung.
Halte dich nicht zu sehr am Gewohnten fest, das schwächt deine Position.
Und Vergeuden � das verrückte Mehrgeben
als man hat, ist doch Pokern mit einem Gottvater, der beispringen soll,
aber diese Hoffnung ist doch blasphemisch.
Verändern kannst du innen was, wenn
dein Leiden übervoll ist. Frieden erreichst du, wenn du gelassen halten
und lassen kannst und mit der Hälfte zufrieden bist, also du dir und
anderen zum Anteil verhilfst.
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