Traugott Giesen Kolumne 15.05.2004 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg

Beten tut gut, es sortiert unsere W�nsche

von Traugott Giesen

Wenn der Kapitän seufzt: "Jetzt hilft nur noch Beten", dann scheint alles zu spät. Das Gebet ist dann letztes Mittel - wie der Rettungsring. "Wenn wir in höchsten Nöten sind, und wissen nicht gar aus noch ein", dann rufen wir die allerhöchste Instanz, die wir haben, zu Hilfe. Ja, wir sind bedürftig, jeder kommt an seine Grenzen, da sehen wir uns verlassen und heulen hilflos in uns hin-ein. Wem dann die raue Schale der Wirklichkeit nicht Beton ist, sondern Innenfläche von Gottes Hand, der hat noch Hoffnung, den hat noch Hoffnung.

Beten hält den Ausgang offen. Vorne immer weites Land, Heilung, Wandlung, Weg, Nachhause Kommen, und sei es durch den Tod. "Und ob ich schon leide im finstern Tal, bist du doch bei mir und gehst mit hindurch; Gott - Beten informiert nicht Gott, liegt ihm auch nicht in den Ohren. Es informiert eher mich, den Beter: Es ist noch einer da, der alle Macht hat, der letztlich zuständig bleibt, auch für missbrauchte Gewalt, darum ist niemals alles aus, alles ist bei Gott in der Mangel, und die gelitten haben werden leuchten. Und die Hölle produzierten, haben so viel Hölle in sich, dass sie danach gieren, von sich selbst erlöst zu werden.

Beten ist auch eine intensive Form von Beistand; noch das Daumendrücken ist ja eine Schwundstufe von betenden Händen: In Fürbitte begleite ich den andern, seine Prüfung, seine Operation, seine Mühe, sein Regieren; ich binde den Bedachten mit Gott zusammen, der Quelle aller guten Möglichkeiten. Für einen zu beten, das öffnet mir auch die Hände; letztlich gehören unsere Fähigkeiten ja zum Werkzeugkasten des Herrn. Das Leid der Welt Gott in die Schuhe zu schieben, aber die Wohltaten für sich selbst zu reservieren, das ist eklig. Da nimmt uns das "Vaterunser" vor allem mit seiner Bitte: "Vergib uns unsere Schuld" an den Kanthaken. Wer Jesu Gebet von Herzen mitspricht, der weiß, was er muss. Und betet dazu: "Fang mich neu an." Die stärkste Macht entwickelt das Beten als Danken. Durch den Wald zu gehen oder an der Flutkante längs, ein Kind beim Laufen lernen juchzen zu sehen, ein Orchester zu begleiten, wie es einzigartige Klanggebilde erschafft, ein lecker Eis in der Sonne zu genießen - da perlt doch Dank in uns, da ist die Lust zu Leben greifbar, da danken wir mit "Salut gen Himmel".

Und oft war uns Bewahrung mit Händen zu greifen. Dann sagten wir laut "Oh Gott, war das knapp!" Auch waren wir des Öfteren anderen Engel, wie andere für uns. Es ist soviel Grund zum Dank, es ist viel mehr Rettung in der Welt als Absturz. So ist Beten viel zu lebenswichtig, als dass es nur für

Notfälle da ist: "Bete, aber fahre fort, ans andere Ufer zu rudern."

Beten ist das geheime Summen der Seele, womit wir auf Vertrauen und Freundlichkeit gestimmt sind. Es betet in uns, mal mehr, mal weniger. In Dank und Klage, im Lustschrei und im Jammer rufen wir über uns hinaus. Das macht uns menschlich. Übrigens: Der kommende Sonntag heißt: "Rogate" - Betet!

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