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Keitumer Predigten   Traugott Giesen   09.06.2002

Güte aus Vertrauen ins Fließen

Laßt alle Menschen eure Güte erfahren. Der Herr ist nahe. (Philipper 4,5)
Er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen. (Lukas 6,35).

Alle Menschen brauchen die Hilfe von allen - sagte Bert Brecht, an Jesus geschult. Besondere Hilfe ist Güte. Besonders bedürftig dieser Zuneigung sind die, die zumeist beschäftigt sind mit Halten und Raffen und Geizen. Sie sind nicht böswillig aus eigener Entscheidung, sie sind nicht hässlich aus schlechtem Charakter, sondern sie sind nicht gern sie, sonst würden sie danken für ihr Dasein und Sosein. Sie sind in sich zerrissen und zerfallen, sich selber feindlich, sklavisch hängen sie an Habe, als sichere das ihren Wert.
Schon bei Genußsucht in Essen und Trinken ist das Haben-Wollen voll Jammer, eher Strafe als Schuld. Es ist ein ganz Mund Sein-wollen, Liebe schlürfen wollen, aber diese nur bekommen im vegifteter Form. Sie beschädigen sich selbst. Und wir alle sind beteiligt irgendwie: Wettessen bei Kindergeburtstagen, wer die meisten Hamburger schafft oder wer unter Männern am standfestesten die Lagen hinunterkippt.
Auch das Rauchen ist ja ein Gieren und Japsen, kaschiert von der Werbung durch aktives und sportliches Getue. Rauchen war ja interessant, weil wir meinten, dadurch unser Ich stärken zu können. Später dann wurde es ein Müssen, - man erinnere sich nur, wie strafend wir den Stummel im Aschenbecher erdrückten als sei das eine Hinrichtung. Und dann den Achenbecher von uns wegschoben, i gitt. Das ist nicht gesagt gegen ein Rauchen dann und wann, sondern gemeint ein Rauchen wie eine Nahrung.

Das Habenwollen ist bei allen Süchten ein Habenmüssen - weniger Schuld, eher Krankheit. Auch das Habenmüssen bei Gier und Geiz zeigt eher Mangelerscheinungen des Ichs. Gier und Geiz sind doch Ersatz für Hochwichtiges, darum auch so fressend, sind Ersatz für Geliebtwerden, sind Tausch aus Not: Du sammelst Sachen erst als Beweise für Geliebtsein, dann als Ersatz.
Ich will immer mehr, um Sicherheit zu haben, Verfügungsmacht, Werkzeug, Vorräte, du willst nicht bitten müssen, du nicht. Du willst genug haben, um genug zu sein (Erich Fromm). Du siehst dein Ich, wie es ein Loch hat und immer läuft die Substanz raus, das Liebenswertsein, deine Selbstachtung rinnt und rinnt, und du suchst das Loch zu stopfen mit Sachen, mit Ehren, mit Gutscheinen auf Gegengefälligkeiten und Verweigern von Pardon.
Keiner soll geschenkt bekommen, wofür man selbst sich gemüht hat, also auch nur knappe Sozialhilfe. Und auf eine Beerdigung mit Pastor hat nur der Kirchensteuerzahler ein Recht. Selbst eine Reihe Pfarrer behaupten das. Vielleicht weil sie Angst haben, sonst treten die anderen auch aus. Oder weil sie gerecht denken wollen: der hat sein Anrecht verscherzt, man muß für alles zahlen. Oder weil sie Ornung haben wollen, klare Kante. Güte steht immer auf wackeligem Bogen. Warum der und der nicht...

Doch wer aus dem Haben sein Sein zieht, dem hängt die Selbstachtung von der Wertschätzung der anderen ab; als wäre ich immer noch der schlechte Schüler, der von der Gnade der Lehrer sich abhängig fühlt. Dann ist man natürlich leicht kränkbar, besonders wenn man dazu noch schlecht in Sport ist. Dann kann man die Welt, die Lehrer, Gott, die Eltern schuldig machen, oder sich selbst beschnibbeln oder verunstalten. Richtig so, duckt sich das Ich, die Verachtung der anderen hat ja recht - du taugst auch wirklich nichts, die anderen sind klüger, schöner, reicher, unterhaltsamer als du.- Da kann man schon undankbar werden und einen bösen Blick bekommen. Dann liegt es nahe, auf Kameradschaft zu pfeifen und sich darauf zu verlegen, aus den Schwächen der anderen Kapital zu schlagen. Dann rüsten wir uns: Ich will nicht mehr geliebt werden, nur gefürchtet, will jedenfalls nicht mehr abhängen von der Gunst anderer Menschen. Der sammelt dann, hält zurück, geht an Not anderer vorüber, will das wenige, da immer zu wenige Geld in der Tasche behalten.

Allermeist können sie für andere und für sich schwer etwas ausgeben. Sie sind meist in Angst, was sie haben, könne ihnen genommen werden. So verbarrikadieren sie sich, kauen auch den schlimmsten Fall von Vertreibung oder Beraubung wieder, halten die Angst der Notzeit und der Demütigung gegenwärtig. Essen darum auch aus dem vollen Eisschrank nur, was weg muß, essen ein Leben lang von den gelagerten Äpfeln immer, die, die wegmüssen. Gern würden sie den Alterungsprozeß anhalten, aber die Kräfte werden schwächer. Das Erinnern-Können wird schwächer - wie da sich nicht beraubt sehen? Das nur ein kleiner Ausschnitt über Geiz.

Dagegen Paulus: Laßt alle Menschen eure Güte erfahren! Und Jesus sagt: "Gott ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen." Darum ist ja Gott gütig denen, weil sie in der Liebe zu kurz gekommenen sind, immer zu kurz gehalten sind. Und Gott schickt dich/uns zu ihnen, dass Gott mittels deiner, meiner, also durch uns ihnen gütig sein kann.
Oder brauchst du Güte? Jeder braucht sie, aber fast jeder ist auch zur Güte noch fähig. Viel freiwillige erfahrene Güte ist gebraucht. Ich muß oft gut gesprochen werden, wer bin ich, dass ich andern Menschen Bescheid sagen könnte. Und doch soll ich es, Kirche hat mich dazu berufen, aber die braucht ja auch, dass man gut von ihr spricht, - arme bleiche Mutter Kirche. Also brauche ich wohlwollende Hörer.
Und die Lehrer - man muß ihnen Aufmerksamkeit schenken, dann können sie einem was beibringen. Was waren wir für grausame Schüler. Güte hätten die Lehrer gebraucht. Eltern: erzieht eure Kinder zur Güte, zur Großherzigkeit, Ihr Großeltern auch. Güte gegen Kollegen, Politiker, Ärzte, die einen behandeln?
Sofort fallen uns unsere Rechte ein, und dass das ihr Beruf ist, und dass sie ja Geld damit verdienen. Aber deine Mitmenschen brauchen, was ihnen fehlt, deine Güte, deine Großzügigkeit. Das ist mehr als solidarisch sein,- dieses kameradschaftliche Eintreten für einander aus gemeinsamem Interesse.

Güte, Großherzigkeit gibt unerwartet, gibt mehr als das Pflichtteil, nicht für sich selbst, ist so was wie Liebe, eine große Seele muß man haben, um großmütig zu sein, es ist kaum zu befehlen: das Schenken von Ehre, Geld, Zeit. Es ist eine Freigebigkeit aus Vertrauen ins Fließen. Dir kommt doch genug nach. Du weißt, dass dir Freundlichkeit zufließt und Chancen weiterhin, du weißt, dass deine leeren Hände immer wieder gefüllt wurden. Darum kannst du geben, ohne dass deine Rechte weiß, was deine Linke tut. Kannst auch dich selbst schenken - dein Hören, dein Mitfühlen, deine Hände zur Mitarbeit; Du machst doch oft auch einfach weiter, über deine Kraft hinaus, nur, weil deine Mühe rettet. Du rufts dich zur Selbstbeherrschung auf, weil du dem Andern den Ärger ersparen willst, die Enttäuschung. Wenn du ihn nicht mehr drannimmst, muß er doch meinen, er sei verachtet. Du siehst, es steht zuviel auf dem Spiel, dem andern könnte die Welt einstürzen, es könnte ihm das Faß der Niederlagen zum Überlaufen bringen. Hältst du dich aber noch hin, kann er sich geliebt, jedenfalls geachtet wissen. Und ist einen Hauch wieder mit Gott im Reinen, - ja dramatisch: dass dein Einspringen ihm sein Ich aufbaut und er kann wieder Ich sagen.
Und schlimm auch, wie mein Keine-Lust-haben, Keine-Kraft-haben seine Lebensgüte ihm verdünnt und das Selbstbewusstsein klein machen kann, - und immer hängt Gott mit drin.

Du heißt den Fremden willkommen, du gibst Vorschuß an Vertrauen dem Neuen. Als Vermieter gibst du Quartier ohne Vorauszahlung zu verlangen, als Chef gibst du Arbeit, ohne nach Zeugnissen zu fragen. Du begrüßt den Freund der Tochter ohne Verhör, beim gemeinsamen Geschenkekauf der Clique legst du drauf, du pflegst das Grab der Eltern eigenhändig, du läßt auch mit dreckigen Schuhen zu dir rein. Du lernst Türkisch. Du begrenzt des Anderen Schuld, weil du einen Teil mitträgst unbedrängt. Gib ihm, wenn er dir was abbitten will, gib ihm einen Kredit zinslos, im Streit komm ihm entgegen. Was er dir abbittet - soll er glücklich damit werden, er braucht mehr Materie, braucht mehr Anerkennung..

Harold Brodkey läßt seinen Helden sagen: "Ich verzieh allen alles, was sie taten. Ich begriff, dass alle das Recht hatten, zu handeln und zu denken, wie sie es taten, selbst wenn es mir Schaden zufügte oder mich dazu brachte, sie zu hassen."

Der Großherzigkeit kommen wir ein Stück näher, wenn wir wissen: dass uns nichts wirklich gehört, nur die freie Bestimmung unseres Willens. Dass wir frei sind, loszulassen, und zum Guten zu nutzen - ist doch Glück. Glück ist, zu wissen: Ich kann gut handeln. Ich bin frei, Gutes zu tun. Ich bin nicht frei, zu lieben oder nicht. Lieben ist Gnade, ist Wunder. Aber großherzig sein, - das ist eine Willenssache. Liebe macht gemeinsame Sache, aber eben nur, wenn wir in der Liebe sind. Großherzig und gütig dagegen kann ich auch sein, ohne zu lieben. "Lieben wie dich selbst" ist eine Gnade. Großherzig, dagegen kannst du auch einfach aus Lust sein, weil du es willst. Amen

Schlußgebet


 




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