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Predigt 31. Dezember 2003

Keitumer Predigten Traugott Giesen 31.12.2003

Lehre uns, dass wir begrenzt sind, auf dass wir klug werden. (Psalm 90)

Losung 2003: Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, aber Gott sieht das Herz an. 1. Samuel 16,7

Losung 2004: Himmel und Erde werden vergehen: aber meine Worte werden nicht vergehen- spricht der Herr. Markus 13,31

Psalm 90: "Gott, du bist unsere Zuflucht, für und für. Ehe die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du von Ewigkeit zu Ewigkeit. Du rufst die Menschen ins Leben und dann auch zum Sterben und sprichst: Kommt wieder Menschenkinder. Ja, tausend Jahre sind vor dir wie ein Tag und wie eine durchwachte Nacht. Du lässt uns dahinfahren wie einen Strom, wir sind wie ein Schlaf; wie Gras, das am Morgen blüht und sprosst und am Abend verdorrt. Das macht dein Wollen, dass wir kommen, bleiben und dann wieder von hier sollen. Dann stellst du unsere Taten ins Licht deines Angesichtes. Dann zeigt sich: Wir brachten unsere Tage oftmals zu wie ein Geschwätz. Unser Leben, wenn's gewährt ist, währet siebzig Jahre und wenn's hoch kommt so sind es achtzig Jahre, und wenn es köstlich gewesen ist, so ist viel Mühe und Arbeit dabei gewesen. Es fähret schnell dahin als flögen wir davon. Gott, lehre uns, dass wir zeitlich sind, auf dass wir klug werden. Fülle uns frühe mit deiner Gnade, so wollen wir dich rühmen, wollen fröhlich sein das Leben lang. Und unser Gott sei uns freundlich und fördere das Werk unserer Hände, ja das Werk unserer Hände und Gedanken wollest du fördern."

Ein Jahr läuft weg, läuft ab, läuft aus. Die letzte Klappe fällt. Es ist alles getan, gesagt, getragen, genutzt. Nehmen wir uns einen Augenblick zwischen den Jahren - eine Spanne Zeit, der Zeit nachzufühlen, nachzudenken: Wir sind zeitlich, wir sind abfließend, weitergehend, vielleicht sogar vergehend. Und was macht das mit uns, dass ein Jahr Zeit mit uns weitergegangen ist? Was hat die Zeit mit uns gemacht?

Sie hat uns Anwachs gewährt an Ichwerdung. Ein Jahr mehr bist du Du geworden. Am Baum sehen wir die Jahrgangszweige. Was sehen wir an uns: ein wenig lebenskundiger, auch mit dem geliebtesten Menschen einiger? In der Arbeit geläufiger, in Freude gelehriger- dass alles seinen Preis hat und alles Gelingen Gnade ist, haben wir das noch inniger gemerkt, wurden darin demütigr, weniger hohes Ross? Wurden in Gesundheit unserer Zerbrechlichkeit bewußter, wurden im Zusammenleben abgegrenzter und großzügiger zugleich? Was hat das mit uns gemacht, dass wir durch Jahreszeiten gingen, wieder Frühlingserwachen sahen, wieder prallen Sommer, üppigen Herbst, als wollten die Bäume ihr Laub nie abgeben, dann doch, Kälte und Nebel und das Lechzen wieder nach Sonne, du liebe, du goldene. Die Jahreszeiten führten uns im Kreis. Und all die Morgende machten uns zielgerichtet. So viele Anfänge waren mir, dir geschenkt - immer wieder neu auf die Füße gestellt, du , ich - dies Wunder zu einem neuen Tag gerufen zu sein, und die Spinnenweben der Träume sich wegwischen dürfen und der Tag wird schöner als die Mare der Nacht: Was haben wir mit der Zeit angefangen? Vorn lockt ein neues Ufer, lockt ein neuer Tag - das hat dich doch auf dem Zeitpfeil reiten lassen. Vorne Nennenswertes, vorn Zukunft, Freude, Himmel - es wird nicht dunkel bleiben, und auch, wer zur Nacht geweinet, dem gilt der Morgenstern. Die Jahreszeiten lehrten die Wiederholung, die Morgende lehrten uns das Anfangen, Anfänger des Lebens und des Liebens, wir immer und immer die Erfüllung vor uns.

Und es gelang dir 365mal dich und andere zu ernähren und zu versorgen und dich zu freuen. Sag, was hast du gelacht! Und Mähler bleiben im Gedächtnis, mit Mühe, schon wahr, wenn es köstlich gewesen ist, war vorher Mühe, nachher Mühe, Tages Arbeit, abends Gäste, saure Wochen frohe Feste (Goethe).- So viel gelungene Arbeit - welche Spuren hat das in dich eingegraben? Und was hat das Jahr von dir weggerissen? Von wem musstest du lassen, er von dir, - getrennte Wege. Habt ihr euch gesegnet, sonst sende jetzt Gedanken des Segens ihm nach. Und wen hast du neu gefunden? Verluste und Gewinne - doch, doch, die Zeit eilt , und teilt und heilt - du hast es erlebt. Und schuldig, was bist du schuldig geblieben, einfach weil du dachtest, hat ja noch Zeit. Wieviel Geleit hast du gegeben, wieviel versäumt? Ach, doch Wehmut zieht auch an dir, mir vorbei über Freches, Anmaßendes, Ruppiges, Nachlässiges, Ungeduldiges. All unser Tun und, was uns getan war, was wir spürten, was wir spüren ließen, hat uns geprägt. Ein Jahr Zeit hat sich in uns abgelagert, hat uns liebvoller gemacht oder geiziger, geselliger oder verschlossener.Was meinst du ist mit dir, aus dir mittels Zeit geworden? Erlebtest du Zeit als Dieb, Diebin, als Altmacherin? Sie ist doch eher die Quelle, die dir immer neue Begabungen, Erfahrungen, Pflichten und Freuden zuspült. „Gott du bist unser Zuflucht für und für.“ In diesem Trost- und Kraftwort empfange Zeit als Geschenk, als Weg, den Gott mit uns geht, Zeit als Zuflucht, als Schutzraum, als Gottes haltende, behütende Hände.

Natürlich gibt es auch neutral gemessenen Zeitablauf – wie schnell läuft wer, es gibt Zeit- Siebe, mit denen die unermesslichen Ströme des Geschehens festgestellt, notiert, bewertet werden- Jahresrückblicke - es gibt die Zeit in ihrer Erscheinungsform als Geschichte; Und Zeit als Verstreichendes hört man als Regen, als Musik. "Es gibt nichts, was die Idee des Verstreichens, des Verrinnens der Zeit so schön wiedergibt wie das Klick-Klack von Pferdehufen, eine hörbare Sanduhr, das Mysterium des Hin-und Zurücks", sagt Nooteboom. Es gibt Kalender, die uns allen ein gemeinsames Zeitgerüst liefern. Erstaunlich, was alles schon festliegt an gemeinsamen Terminen, wenn man seine persönlichen Termine einträgt. Schon ist Silvester 2004 in unseren Kalendern notiert, aber ob wir noch mitfeiern, steht dahin, steht alles noch dahin. Kalender helfen, uns zu verabreden und Rückblick zu halten, wir können belegen, wo wir waren, aber nach vorn können wir nur planen, nur vage uns was uns vornehmen: „So Gott will und wir leben“- dieser Vorbehalt: Wir wünschen und wollen, aber was wir tun werden, wird sich zeigen. Auch das macht die Zeit mit uns, Sie macht uns zu riskanten Größen, nach vorne hin ist alles offen. Darum ist es die große Gnade und Glückseligkeit. Zeit ist Zuflucht, ist heilsamer Stoff, ist Gelegenheitsbeschaffer, Zeit als Chancenschöpfer, Zeit als Füllhorn von Liebe und Glück: Gott treibe dir ein Jahr Zeit zu als eine Herde voll guter Gelegenheiten und Gelegenheiten zum Guten.

Dieses Bild - Gott du bist Zuflucht, du bist Hirte auch meiner Zeit, du birgst in deinen Händen uns - das gibt uns Frist. In deinen Händen sein ist das Wesen von Zeit. Die Messzeit, die Bezahlzeit, die Fahrplanzeiten die Verfallszeit, die Ablaufzeit ist eine kleine Zeitschicht, da wird viel gedrängt und gehetzt, das hat alles sein Recht - letztlich genommen vom Glasen an Bord der Segelschiffe, dass die eine Schicht nicht mehr arbeiten muss als die andere. Zeitmessung um die Arbeitszeit und die Zeit "zur freienVerfügung" gerecht zuzuteilen. Aber die Zeit, die uns trägt und belehrt, die Zeit, die uns zur immer geprägteren Person macht, die Zeit, die uns nach vorne zieht ins Reif- und Heilwerden, die Zeit ist Zuflucht. An den Pfeilern „Von Ewigkeit zu Ewigkeit“ von „vor der Zeit bis nach der Zeit“ spannt Gott die Erdenzeit aus. Brückenzeit, Wegzeit, Wesenszeit ruft dich, mich ins Sein, dass wir an Wesen zulegen und dann wird er uns rufen: kommt wieder Menschenkinder und bringt die Ernte eurer Person. So ist der Tod nicht: Auslöschung und Widerrufenwerden, sondern unserer Zuflucht ruft: "Kommt wieder".

So ist Gott die Treibekraft der Zeit. Die Zeit trägt uns vor sein Angesicht. Das Geheimnis der Zeit ist nicht Ablauf und Verebben, sondern Hinkommen ans Ziel, und dann wird Freude sein, Fülle, intensivstes Sein. Dann im Rückblick wird sich erweisen: - ja, es war auch köstlich gewesen. Doch, diesen Lobgesang aufs Leben lasst uns nicht vergällen. Es ist so leicht, das Leben schlecht zu reden und die Mitmenschen und führt doch zu nichts. Entschuldigen, Gutes von ihnen reden und alles zum Besten kehren, das ist Luthers Rezept. Und das Apfelbäumchen pflanzen. Kinder ins Leben rufen, Liebe leben, verhandeln, dass beide Seiten hinreichend zufrieden werden, köstlich das Leben, schon jetzt! Bitte bemerk das Glück, hier sein zu dürfen auf dieser schönen Erde. Als Du, genau du. Du gewollt von der Zuflucht der Welt, - also kannst du freundlich sein, es ist dir viel mehr gegönnt als du brauchst. Gott lasse uns noch Zeit, noch ein Jahr, und mehr, wir wissen, es macht dein Sog, dass wir hier nur befristet sind, aber lass uns noch Zeit, bitte, auch für Geschwätz, ja viel belangloses Zeug läuft uns aus dem Mund. Je älter wir werden, desto mehr scheint es uns, als flögen wir davon. Und alles Köstliche ist mit Mühe erkauft, jedes Festmahl muss vorbereitet sein, und danach aufräumen. Alles Köstliche ist der Mühe abgerungen. Nur wer sich nicht zu schade ist für Mühe, wird das Köstliche schmecken.

Daß wir Glück der Mühe abringen müssen, es ist so, wir müssen sterben sind hier zeitlich - das verstehen, macht uns klug: Im Licht seines Angesichts ist Liebe das Wesentliche. Alles Vergeudete war dann das Lieblose, das Bissige, Geldschneidende. Klug werden heißt: Lebe, wie du, wenn du stirbst, wünschen wirst, gelebt zu haben. Dazu noch wieder auf dein Zeitkonto ein gnädiges Jahr. Und die Zeit als Zuflucht, als heilende Hand – erfahre sie. Oft werde dir die Gnade zuteil, daß du auf sonderbare Weise vom lästigen Druck der Vergangenheit und der Zukunft verschont bist und die unermeßliche Gabe eines unmittelbaren, vollständigen Jetzt genießt. Amen.


 




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