Predigt 4. Januar 2004
Keitumer Predigten Traugott Giesen 04.01.2004
Die Unverborgenheit Gottes wird euch frei machen
Johannes 8, 30- 36
Jesus sprach zu den Juden, die an ihn glaubten: "Wenn ihr bleiben werdet
an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit
erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen." Da antworteten sie ihm:
"Wir sind Abrahams Kinder und sind niemals jemandes Knecht gewesen. Wie sprichst
du dann: Ihr sollt frei werden?"
Jesus antwortete ihnen und sprach: "Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer
Sünde tut, der ist der Sünde Knecht. Der Knecht bleibt nicht ewig
im Haus; der Sohn bleibt ewig. Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid
ihr wirklich frei. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben." Johannes
14,6
Ein großes Versprechen! Bleibt an Jesu Wort, bleibt seine Jünger,
so werdet ihr die Wahrheit erkennen, die wird euch frei machen. Wieso sind
wir denn nicht frei? Wir sind doch Abrahams Nachkommen, Mose Schüler,
Gottes Volk, Nachkommen derer, die aus der Knechtschaft Ägyptens ins
Gelobte Land zogen. So antworteten die Leute dem Jesus: Was fällt dir
ein, uns Knechte zu nennen, was für eine Freiheit zusätzlich meinst
du denn uns zu bringen?
Bleibt an Jesu Wort, seine Wahrheit wird euch frei machen - das richtet sich
auch an uns. Aber wir sind unschlüssig. Wir sind doch Christen, sind
getauft, haben von Ferne die Liebe Gottes in petto. Was soll uns fehlen?
Was hätte er, was wir ohne ihn nicht haben? Außerdem, es gibt
hinterwäldlerisch denkende Menschen, die brauchen eine Erleuchtung,
Abergläubige, die mit Ticks genug - da sind wir doch geradezu
aufgeklärte Menschen! Von Ferne noch stolz auf Martin Luther, wir sind
doch freie Bürger, sind doch nicht Knechte.
Aber wir schwanken ja auch. Lasst uns mal sehen, woraus wir unsere Würde,
unseren Stolz, ich zu sein, beziehen? Frei sein? Was ist das? Unabhängig
im Finanziellen? Schon schön. Aber unkränkbar sein, wäre gut,
unverführbar zur Gehässigkeit, nicht so abhängig vom Materiellen.
Oder von Herkunft.
Es kann doch keine Freiheit geben aus nationalen Vorgaben, weil ich
jüdischer Herkunft bin oder Deutscher, oder aus dieser feinen Familie
stamme. "Es kann aus diesen Steinen sich Gott Kinder erwecken" sagt mal Johannes
der Täufer (Matthäus 3,9).
Es ist der Willensakt Gottes, der dich, mich frei will, zu seinem Kind will,
kein besonderes Erbgut oder langer Stammbaum oder Protestantenadel. Keine
äußere Segnung beschafft dir innere Freiheit. Was dir was bedeutet
ist die Frage. Woran hängst Du? Wofür mühst du dich? Wem gehorchen
wir in unseren Mühen? Wofür knechten wir? Wir wollen uns darstellen:
fit, clever, den Preis wert, nicht einer, "mit dem man es machen kann". Damit
sind wir immer auch bedrohlich, wir zensieren, heben oder senken den Daumen,
schnelle Zunge, einladend und abweisend zugleich, nur nicht andern unter
die Räder kommen, nicht vertrauen.
Die der Sohn frei macht, die sind recht frei. Der Christus gibt uns einen
Adel aus einer anderen Welt. Er kettet uns ab vom Gehorchen, von den In-
und Out-Listen der Welt. An Jesu Wort bleiben heißt, Jesus als das
Wort nehmen, das dir die Wahrheit über dich sagt. Du stehst in keines
Menschen Schatten, du musst nicht Licht gewinnen, indem du in den Schatten
stellst. Du bist ein Kind der Liebe, du wunderbar, wichtig, köstlich,
klug. Hör auf dich, hör in dich rein, du bist geliebt, gebraucht.
Grab dir nicht selbst die Würde ab. Auch du sagst mal was, was falsch
ankommt - lass es zu, du hast neue Chancen. Es hat der andere was gemacht,
was er meinte, dass er es nötig habe - es hat keine Verurteilekraft
über dich. Du willst auch keine Verurteilekraft über den andern
haben. Auch wenn du über ihn ein Schimpfwort verhängst, hoffst
du insgeheim, ihm von seinem hohen Ross herunter zu helfen,.Aber wofür
braucht er sein Reden mit hochgezogenen Augenbrauen, wozu seinen
übermäßig bohrend-langen Finger, auf dich gerichtet? Lass
ihn, vergib, vergiss, er hat keine Kraft, dich klein zumachen. Du bist Tochter,
Sohn Gottes. Das macht dich recht frei.
Was könnte dich klein halten? Eine Scham von einst, - ach, du hast sie
überlebt und bist erstarkt. Du willst aus der Wahrheit der Kindschaft
Gottes leben und nicht aus den Resten ausgeglühter Versagung anderer
Menschen, die bewusstlos taten, was sie taten. Was habe ich als Kind geweint
und du auch? Aber du lässt dein inneres Kind jetzt nicht mehr allein.
Du Schwester, Bruder Christi, rede von Menschen und auch von dir gut. Solltest
du mal Püppchen deiner Eltern gewesen sein, solltest du mal der Stolz
deiner Eltern sein - vergib ihnen. Du bist berufen, gern du selbst zu sein;
Sie haben schon lange keine Macht mehr, dich zu bestimmen. Gott will dich,
macht dich frei. Darum kriech nicht, sei nicht Menschen zu willen. Ein Christ
ist ein freier Mensch und niemandem untertan. Nur Barmherzigkeit mache dich
dienstbar dem in Not.
Wir tun zuviel denen zuliebe, von denen wir uns was versprechen. Herrlich
der Jesus: "Was tut ihr Besonderes, wenn ihr liebt, die euch lieben?"
(Matthäus 5,46). "Eine Hand wäscht die andere" dieses Geschäft
des wechselseitigen Gebens und Nehmens, hält die Gesellschaft zusammen,
nur Geschäfte, die beiden Seiten nützen, taugen. "Aber höflich
zu Menschen sein, nicht zum Geld" (M. Frisch), das wäre Freiheit. Die
Posten und Ehren und Aufträge zu verteilen haben zweigen damit gern
für sich was an Aufmerksamkeit ab und haben einen Kranz von Knechten
um sich, die vorgeben, sich gern für sie zu mühen.
Aber du bist gut genug! Wisse dich als Kind Gottes, und du wirst ein
Selbstbewußtsein ausstrahlen, eine unbestechliche Freundlichkeit, die
mehr Gutes bewirkt als alles Katzbuckeln. Das ist Sünde. Sünde
ist, dem Irdischen göttlichen Anstrich geben; Gottes Namen missbrauchen,
aus Irdischem ein Bild Gottes machen, hochjubeln die und Beifall klatschen
denen mit den miesen Methoden: um nach oben zu kommen, dient man sich den
Besitzenden an und gerät in den Strudel. Nach oben buckeln, nach unten
treten - das ist dann Knechtschaft in Sünde; ich bemerke mich als immer
mieser. Bis ich untergehe oder erleuchtet werde: Die Wahrheit erkennen, mich
erkennen als Sünder und bereuen, aussteigen, den Offenbarungseid leisten
und auffahren mit Flügeln wie Adler, ein neuer Mensch werden, frei,
ein Jünger Jesu.
Gott sagt einmal zu Abraham: "Geh vor mir her und sei ganz" (1. Mose 17,1);
Jesus sagt in der Bergpredigt: Seid ganz, wie euer Vater im Himmel
ganz ist (Matthäus-Ev. 5,48). Auf griechisch: teleios - vollkommen,
im Orient sagt man tamim, und schlägt die Hände ineinander:
sei richtig, ganz, okay, so, "dass du dir selbst zustimmen kannst und schon
deswegen auch die Zustimmung anderer verdienst, und es eine Freude ist, mit
dir zu leben" (E. Drewemann zur Stelle, Johanneskommentar).
Das macht dann auch Christus zum Weg, zur Wahrheit zum Leben: Christus, den
man unter die Füße nimmt, als Methode (griechisch: Weg), nichts
Fertiges, sondern Einladendes, dass wir mitgehen und uns finden mit der Wahrheit
im Bunde: Jesus zeigt uns den unverhüllten Gott, den Freund des Lebens.
Wahr wirst du, indem du um dich und Gott eine gemeinsame Freude siehst. Wenn
Jesus sagt: Ich bin das Leben, dann höre ich es so: Das von Jesus
aufgeblätterte, erschlossene Leben, das ist wirklich Leben. Leben nicht
als Strafe, sondern als Garten Gottes, den wir mitbebauen und bewahren sollen,
ein gutes neues Jahr lang.