Predigt 22. August 2004
Keitumer Predigten Traugott Giesen 22.08.2004
Kains Brudermord
1. Mose 4,1-16
Und Adam erkannte sein Weib, und sie ward schwanger und gebar den Kain und
sie jauchzte: ich habe einen Mann gewonnen mit Hilfe Gottes. Danach gebar
sie Abel, seinen Bruder. Und Abel wurde ein Schäfer, Kain aber wurde
ein Ackermann. Es begab sich aber nach etlicher Zeit, dass Kain dem HERRN
Opfer brachte von den Früchten des Feldes. Und auch Abel brachte von
den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und der HERR sah gnädig
an Abel und sein Opfer, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig
an. Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick. Da sprach der
HERR zu Kain: Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick? Ist's
nicht also? Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist
du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach
dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie. Und Kain sprach zu
seinem Bruder: Lass uns aufs Feld gehen! Und es begab sich, als sie auf dem
Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot.
Da sprach der HERR zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er sprach: Ich weiß
nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein? Er aber sprach: Was hast
du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde.
Und nun: Verflucht seist du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan und deines
Bruders Blut von deinen Händen empfangen. Wenn du den Acker bebauen
wirst, soll er dir hinfort seinen Ertrag nicht geben. Unstet und flüchtig
sollst du sein auf Erden. Kain aber sprach zu dem HERRN: Meine Strafe ist
zu schwer, als dass ich sie tragen könnte. Siehe, du treibst mich heute
vom Acker, und ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen und muss unstet
und flüchtig sein auf Erden. So wird mir's gehen, dass mich
totschlägt, wer mich findet. Aber der HERR sprach zu ihm: Nein, sondern
wer Kain totschlägt, das soll siebenfältig gerächt werden.
Und der HERR machte ein Zeichen an Kain, dass ihn niemand erschlüge,
der ihn fände.So ging Kain hinweg von dem Angesicht des HERRN und wohnte
im Lande Nod, jenseits von Eden, gegen Osten.
In der dritten Konfirmandenstunde reichten wir so tief in den Brunnen der
Vergangenheit, wir rührten an die Säulen des menschlichen
Denkgebäudes. Eigentlich wollten wir nur mal die Liturgie durchgehen,
damit der frische Jahrgang bald Heimatgefühle im Gottesdienst hat- wir
stießen aufs Glaubensbekenntnis. Jeder sollte die Zeile suchen, die
ihn anrührt. Ein Junge sagte sofort: Er wird kommen zu richten,
die Lebendigen und die Toten. -Nach welchem Maßstab wird das
sein? Warum sind die einen böse, und die anderen anscheinend bessere
Menschen? Wer hat Hitler so böse gemacht? Und daß alles Böse
was in der deutschen Geschichte nach oben trieb und ihn mästete, ist
ja auch der Andern Schuld.. Ich erzählte, dass zur Zeit von Hitlers
Kindheit der blonde Mensch Idealbild war, Hitler nun aber wirklich nicht
blond war, und in ihm keimte die Angst, dass sein Vater, sein ihm unbekannter
Erzeuger, ein Mann jüdischer Herkunft sein könnte. Das entschuldigt
nichts an Hitlers mörderischer Ausrottung, aber der dunkle Kern seiner
innersten Abneigung lag in seiner biographischen Angst. Ebenso hat die Anordnung
der Vernichtung der Millionen am Geist Kranken- einen biographischen
Kernschatten: Er war mit Tanten großgeworden , für deren Behinderung
er sich schämte, und deren Existenz verbarg und verneinte er vor seinen
Freunden. - Wäre Hitler in einem Haus großgeworden, wo man liebevoll
mit Behinderung umzugehen wusste- wäre seine Menschenverachtung nicht
so entflammt.-
Und nahezu alle Sexualstraftäter sind als Kinder selbst missbraucht
worden. Ist das so: Keiner ist freiwillig böse, bös wird man gemacht?
Wir behaupten den freien Willen? Aber wenn uns ein Geschwister ärgert?
Frei, nicht zurückzuschlagen, sind wir nur begrenzt. Der enge Rahmen
für Freiheit und Verzicht ist uns doch mitgegeben - Und wer ist letztlich
zuständig , für Erbgut und Erziehung, für Umwelt und Vorbild
und Grips im Kopf und Grausamkeit, wer zuständig für die Keile,
die in die Menschheit getrieben sind ?- Das alles klang an, in leichterer
Sprache, mit den Konfirmanden in einer Stunde- Laßt uns mal die
Geschichte lesen von Kain und Abel, sagte ich zu den Konfirmanden,
und griff die bereitliegenden Bibeln. Aber da war die Stunde um. Und jetzt
sind wir hier
Die uralte Geschichte des ersten Mordes der Menschheit sie weiß
was von unsern Zerrissenheiten und den Keilen zwischen uns. Die Geschichte
beginnt mit Jauchzen: Die Mutter alles Lebendigen- so der Name Eva, feiert
die Geburt ihres ersten Kindes: Ich habe einen Mann gewonnen mit Hilfe
des Herrn:- Abgründe in der Menschenseele sind hier aufgerissen:
: Zuerst: Adam erkannte sein Weib- erkennen -das wohl innigste Wort für
miteinander schlafen- wir würden heute gleichberechtigt
sagen, sie erkannten einander- sie nahmen sich im Tiefsten wahr- ist das
gemeint? Ohne einander weiß man nicht, wer man ist. Doch die Frau feiert
die Geburt, dankt Gott, sieht ihn als Helfer, als Beschaffer des Kindes.
Danach gebar sie Abel,.- Von Dank da nicht mehr extra die Rede.
Der erste Keil in der Menschheit: Mann- Frau- vielleicht wirklich ein
Gebärneid der Männer, die Frau als der Schöpfungspartner Gottes,
sie erlebt ihre Beteiligung an der neuen Schöpfung jedenfalls deutlicher
-und schmerzlicher. Ich habe einen Mann gewonnen, jauchzt Eva-
das riecht nach rivalität von Vater und sohnum die Mutter. Gewonnen
mit Hilfe des Herrn- Sie erlebt sich als Schöpferin, Gott als
ihren Helfer. Der Mann zwar körperlich stärker, kann Nähe
erzwingen, aber hat eigentlich nur Entfremdung davon.
Der zweite Keil: Geschwisterrivalität- In den Augen der Mutter Bevorzugung
und damit einhergehend: Hintanstellung der Anderen.- Erstgeborene und
Nächste, Mädchen oder Junge. Der Jüngste gegen den Rest. Viele
Varianten des Keiles Geschwisterfeindschaft. Und der dritte Keil: Abel wurde
Schäfer, Kain ein Ackersmann- verschieden leben sie, verschieden
ernähren sie sich, die Viehzüchter wandern mit ihren Herden, wo
diese zu fressen haben und Wasser- da zelten sie. Der Bauer bleibt auf seiner
Scholle, behauptet, es sei sein Land, weil er es bearbeitet hat. Ohne die
Gewißheit, Zugriff zu haben auf die erst in Monaten reife Erne, wie
sollte er seine Kraft einsetzen. Er braucht die Sicherheit der Immobilie,
dagegen des Nomaden Besitz, das Vieh, ist mobil.. Die Nomaden ziehen über
die Felder der Bauern, lassen Dung da, aber halten sich nicht an die Erntezeiten;
die Bauern zäunen die Wasserstellen ein, erbitterte Fehden sind die
Folge.
Der dritte Keil der Menschheit: die wirtschaftliche Konkurrenz. Doch diese
Keile erklären nicht die Tiefe des Risses, der sich auftut, wenn Bruder
dem Bruder ans Leben geht. Wenn die aus dem selben Leib gekrochen sind, so
zerfallen, dann ist ein Keil höherer Mächte zwischen sie gefahren.
Sie sind mit dem Ewigen , dem Heiligen nicht im Reinen. wir sind auch Teil
der Menschheit, deren Geschichte jenseits von Eden geschieht - da ist man
nicht mehr mit Gott im Garten; der ist verloren gegangen- bzw steht als vages
Hoffnungsbild vor uns. Noch gilt die Mühsal, die Brut hochzukriegen,
und die Mühe einigermaßen Frieden zu haben im Haus und die Mühe
, im Schweiße deines Angesichtes dein Brot zu essen bis du wieder
zur Erde fährst. Gott ist uns hinter einer Flammenwand verborgen
aus Leisten und Sorgen. Gut, Dank zu opfern für gelungene Ernte; Es
ist ein Fest wert, wieder Ernte für ein Jahr bergen zu können.
Eigentlich steht uns nicht mehr zu als Die Bitte Unser tägliches
Brot gib uns heute Wenn dann die Jahresernte gelang, ist
selbstverständlich der Dank und die Dankgabe- Kirchensteuer als Erntedank-
schon mal so gedacht??- nur in Klammern- Noch opfern die beiden Brüder
zusammen , jeder von Seinem. Und der Herr sah, gnädig an Abel
und sein Opfer, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an-
Da ist in einem Satz der Fels, der Keil, der die Menschheit entscheidend
sprengt: Nicht nur, dass Kain etwa sein qualmendes Feuer deutet, als lehne
Gott sein Opfer ab- nicht nur steht da, Kain argwöhnt: ja Abels
Rauchsäule scheint dem Herrn zu gefallen- Nein , ganz blutend scharf
steht da: Der Herr sah gnädig an Abel und sein Opfer, aber Kain
und sein Opfer sah er nicht gnädig an. Wenn dieser Bibelssatz
die Wahrheit wäre, dann triebe Gott den tiefsten Keil selber in die
Menschheit: Nämlich die einen sieht er gnädig an ,liebevoll,
freundschaftlich- die andern mit kalten Augen. Aber das ist doch die Maske
des noch verborgenen Gottes, des nicht von Christus kenntlich gemachten
Vater-Gottes.
Tatsächlich: Im Alten Testament steht mehr von unserer Herkunft, im
Neuen von unserer zukunft. Im Alten Testament ist Gott erst geahnt, und da
hat er noch gewalttätige, zornige Seiten- und der Mensch ist rivalisch:
Josef und seine Brüder, Mose und der Pharao, David und Saul; Elia und
Isebel; Daniel und Beelsazar; das Alte Testament ist voller Gegensatzpaare.
Aber Jesus, von dem Gott sagt: Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen
habe- ,,,eigenartig bei Jesus fällt mir keiner ein, dem zugute
Jesus nicht gestorben wäre. Mit Jesu Augen sieht Gott alle gnädig
an.- Das ist die Antwort nach welchem Maß das jüngste Gericht
gehen wird - und schon jetzt: keine Herabsetzung kann sich mehr auf himmlische
Wurzeln berufen.
Kein Volk, kein Mensch, keine Religion, keine Konfession darf sich mehr
einschätzen als Auserwählte Gottes und als Besitzer der Wahrheit,
während die andern noch in Unwissenheit befangen wären.
Aber in Jedem einzelnen läuft das Ganze mit, in jedem Menschen wiederholt
sich die Schöpfungsgeschichte und zielt aufs Reich Gottes. Wir Kommen
von Kain und gehen auf Jesus zu- so könnte es sein. Kain weiß,
ahnt, sieht sich verachtet. Sieht sich ungeliebt, Er ergrimmt. Gott fährt
dem Kain in die Gedanken: Will einen Keil treiben zwischen Kain und seine
finsteren Pläne. Er hält Kain nicht für böse, spornt
in ihm die Kräfte eines Gotteskämpfers an: Du, das Böse
will dich schnappen, du aber herrsche, beherrsche das Böse. Kain,
wie wir alle, erlebt in sich einen Sturm der Gefühle, er hört Warnung
über Warnung. Aber er wird nicht Herr über den Sturm in seinem
Inneren- Er will geliebt werden- aber sein Bruder ist ihm im Wege-
er lockt seinen Bruder aufs Feld, die Anziehungskraft einer ungeheuren Versuchung
nimmt ihn in Sog, - Das Geliebte, das Bevorzugte ausrotten, dann ist man
nicht mehr zweite Wahl. Er tötet ihn. Und beißt so Gott seinen
Geliebten weg, Straft Gott für dessen Ungerechtigkeit.
Seit Jesus wissen wir, dass Gott nicht so ist . Der Paulus verteidigt zwar
noch diesen willkürlichen Gott- Steht nicht einem Töpfer
zu, schöne Formen und weniger schöne zu töpfern. Und diese
die Gefäße seines Zornes zu verwerfen? Aber
Gott lässt doch gelten alle gleichermaßen, lässt seine sonne
scheinen über Böse und Gute, hilft doch, dass die Unterschiede
erträglich sind vielleicht sogar bereichernd- die Unterschiede sind
nicht als gezielte Begabungen zu deuten, sondern, nun ja, als Farben und
Zwischentöne, und jeder Vorteil hat seinen Nachteil bei sich, jedes
Schöne sein Schweres, wem viel anvertraut ist, dem wird viel zugemutet(Lukas
12,48)- wir sollen die Unterschiede als Chancen fürs Ganze lesen und
nicht als Belohnungen, Bestrafungen eines willkürlichen Gottes. Und
wir sollen eine gute Selbstliebe leben und keine schlechte, sollten wirklich
uns ohrfeigen für die Sünde der geheimen Abneigung gegen das
Mitgeschöpf, das sich seiner selbst freut. Und die Sünde wider
den heiligen Geist ist, zu meinen, Gott könne sich gegen dich verschworen
haben und die Welt halte überall gegen dich zusammen; und du machst
sich dicht gegen heilendes Wort.
In dieser Geschichte steht: Gott sah Abel und sein Opfer gnädig an,
Kain und seins nicht Das ist noch nicht garantiert die ganze Wahrheit,
es ist die Wahrheit dieser Geschichte. Vielleicht die Bevorzugung Abels nur
Kains Argwohn. Zum Glück gibt es Zeichen der Gnade auch für Kain
in dieser Geschichte.Erstens: Gott redet mit ihm. 2. Ermutigt ihn zum Kampf
fürs Gute. 3. Was hast du getan?-jedenfalls keine sofortige
Vernichtung, eher ein mit Kain Knien beim blutenden Bruder. 4. Ja, eine
Verfluchung: Aber Kain bohrt sich in Gott; Zu schwer als dass ich sie tragen
könnte ist dein Strafen. Und Gott machte einen Schutz, ein Zeichen,
dass niemand ihn erschlüge- Keine Todesstrafe dem Mörder- das Leben,
auch das Leben des Mörders gehört Gott- damit auf den ersten Seiten
der Bibel: Todesstrafe ist keine Möglichkeit. Und wie weiter:
Und Kain erbaute die erste Stadt. Und von ihm stammen die Musikanten und
Schmiede- Nicht möglich für einen, den Gott ungnädig ansieht.
Und Abel , er hätte gerne noch gelebt. Wie redet er mit Gott? Warum
ließest du das Böse zu, dass es so stark ist? Und hast du mich
mehr geliebt als Kain? Haben deine Lieblinge auf Erden es schwerer? Die Frage,
wer ist letztlich zuständig- auch für das Böse? richtet sich
letztlich an Gott. Er gibt dem Mörder sein Zeichen. Gott bleibt
zuständig für alles, weil er alles erleidet und vollendet (? )
doch auch, Amen.