Predigt 17. Mai 1998
Keitumer Predigten Traugott
Giesen 17.05.1998
"Lobe den Herren" - auch zur goldenen Konfirmation
"Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren", das Lied 317,
ist ein Herzblutlied, jede Feuerwerkkapelle hat es obenauf, jedes Brautpaar
bekommt es anempfohlen, es singen dies noch die Generationen. Und es muß
zur Goldenen Konfirmation erklingen. - Ihr 1932/33/34 geboren,
1947/48 konfirmiert - und jetzt 63 - 65 Jahre alt: Die Spanne Zeit gibt die
richtige Erfahrungsweite, bald 65 Jahre ausgestanden und ausgeschöpft
- das ist der angemessene Resonanzboden für "Lobe den Herren, den
mächtigen König der Ehren."
Gut, dass euch Menschen aufgestochert haben zum Fest der Konfirmation. Es
ist zu feiern, dass wir noch leben, noch lieben, noch loben können -
ihr seid doch gesegnet - seid durchgekommen durch Krieg und Flucht und Schrecken,
habt Arbeit gehabt ohne Ende. Ihr wart und seid beziehungsfähig - mit
Wenn und Aber zwar - doch freundschaftsgetönt geblieben seid ihr bis
heute - und habt wieder Lust auf Menschen, auf Erinnerungen, Lust auf Dank
für die Beute des Lebens von sechs Jahrzehnten.
Lobe den Herrgott, meine geliebete Seele! So heißt das. Ich spreche
meiner Seele ins Gewissen - komm, lob und dank, bedanke dich, fall mal auf
die Knie, meine Seele, es ist doch fällig, es ist doch längst dran,
Gott anzubeten als König der Ehren.
König der Ehren - wen achten wir, wem machten wir glänzende Augen,
wer hätte alles von uns haben können, wem vertrauten wir, in wessen
Antlitz spiegelten wir uns liebend gern? Von wem nahmen wir Ehre? Wem schenkten
wir Verehrung? Eltern und guten Lehrern - gestern fielen die Namen von Lehrer
Ulbrich und seiner Frau, die im Wohnzimmer Krippenspiel übten, und von
Hubertus Jessel, auch der Name von Pastor Feige, der so viel mitgeben wollte.
Alle, die ihr ehrtet, war es nicht so, dass die, die wir ehrten, eien Schimmer
aus der Krone Gottes hatten? - diesen Nimbus des Heiligen, war er nicht
hauchweise auf den Geehrten? So dass wir, wenn wir ehrten, immer auch Gott
mitmeinten - als wir den geliebten Vater bewunderten, oder die starke Mutter
achteten, als wir Künstler feierten oder Helden beklatschten. - Jetzt,
nach reichem Leben, sehen wir durch die Geehrten hindurch auf den Grund der
Ehre und reichen Dank und Lob nach dem weiten großen Ganzen, der
erste-letzte Zuständige für dich und mich.
Doch meine geliebete Seele, lobe! Danke! Merk doch was. Du kannst nicht
gedankenlos die gewährte, die gestundete, geliehene Zeit verbrauchen
- du begehrst doch zu danken, du wirfst doch deinen Dank wie Vögel an
den Himmel, dazu noch an einem sonnendurchfluteten Tag wie heute - du geliebete
Seele. Du darfst dich anreden mit: meine geliebete Seele - das ist schon
Beute aus Gottvertrauen. Du bist geliebt, du bist gewollt, als du gemeint,
bist bei deinem Namen gerufen, geliebete Seele. Unter uns Menschen ist Ehre
ein knappes Gut; Glanz, Würde, Achtung messen wir uns gegenseitig nur
nach hartem Ringen zu. Wie Geschwister - wer ehrt da wen? - das ist
Kämpfen, und wir bleiben im Clinch um Macht oder Geld oder Beziehungen.
- Nur jetzt, nach schon so viel Leben wissen wir zu schätzen: Der
König der Ehren gibt dir eine, gibt dir deine geliebete Seele; die geht
Hand in Hand mit Gott, die will es gut finden, dass er dich erfunden hat,
dich noch ins Leben hält, dich noch hier will, dich noch weiter entwickelt.
Dich, in deiner einmaligen Realität - das recht bedacht, kann dich nur
tanzen machen vor Freude: ja, kommet zuhauf, alle Lieder des Psalters, wacht
auf. - Lasset den Lobgesang hören.
Dem, der alles so herrlich regieret. Ich habe da keine Vorstellungen mehr
vom Schauspieldirektor, der die Fäden zieht an uns als Marionetten.
- Wäre die Wirklichkeit nur Nachgestelltes, nur Abspulen eines Filmes,
den Gottes Bewußtsein dreht, dann wären wir nur mechanische Figuren,
mit denen eine imaginäre Maschine das ewige Spiel auf Erden simuliert.
Ach, das ist das Herrliche am Wirken Gottes, dass er uns als Menschen mitmachen
läßt, wir dürfen seine Schöpfung mitschaffen und ihn
auf noch auf unentdeckte Absichten bringen. Gott hat seine Liebe und seinen
Schaffensdrang, seine Gestaltelust in unsere kleinen Seelen gefüllt,
dass wir mit unseren Körpern Lebensstärkendes tun und nehmen. -
"Ich bewundere Gott um jenen wahnsinnigen Elan, mit dem er immer wieder hinaus
in die Unendlichkeit der ziemlich unbekannten Zukunft vordringt." (H. Brodkey)
Und uns auf Adelers Fittichen sicher führet. Die Fittiche Gottes sind
Wille und Vernunft und Sehnsucht und Instinkt, die Fittiche Gottes sind die
Arme der Liebe und die Hände voll Fürsorge, auch Hilfsbereitschaft
und Bürgercourage. Sicher geführet du, ich - andere wohl nicht,
sie hatten einen mühevollen Angstweg mit Gott - aber du, du heute im
Großen und Ganzen kannst du sagen, doch du kannst es bekennen: der
dich erhält, wie es dir selber gefällt, du hast es verspüret.
Auch du hast es nicht jeder Zeit sagen können. Auch du mußtest
durch finsteres Tal. Kindheitsjammer, Armut, Hunger, Frieren, es gab Flucht
und Nicht-wissen-wohin. Es gab auch Krankheit und schmerzliches Lieben, es
gab Jammer mit den Kindern, Mühe mit dem Altwerden der Eltern. - Aber
im Ganzen bist du einverstanden mit deinem Weg - "it's my way" - hast du
endlich sagen können, sagst jetzt Gott, dass du einverstanden bist mit
dir in deinen Verwicklungen und Mühen - das heißt auch, dass du
Abbitte tust für viel Gram, und Grämen, Verbohrtheit und Verkriechen,
Mäkeln und Murren. Der dich erhält, wie es dir selber gefällt
- sag es ihm, und dass du weisst: Du bist mehr geschützt worden als
du es bemerkt hast.
Ja, kunstvoll und fein dich bereitet, Gesundheit verliehen, dich freundlich
geleitet. - Du Wunder von Ich, du filigranes, ursprüngliches Geschöpf
- 16 Badewannen voll pumpt dein kleines Herz täglich durch deine Adern,
dies nur so nebenbei zum Thema künstlich, nämlich künstlerisch,
kunstvoll bereitet. Was hätte ich, das mir nicht geschenkt wäre?
Ist nicht jeder Atemzug ein unwillkürliches Gebet - muß man erst
asthmakrank werden, um zu wissen, wie ein Zug frischen Atems Gnade ist?
In wieviel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel
gebreitet? In wieviel Not? Wie im letzten Augenblick Hilfe kam? Wieviel letzte
Augenblicke deines Lebens kannst du aufzählen? Und es sind ja nur die
wenigsten, deren Gefahr dir bewußt war. - Die vielen Schutzengel, die
Aufmerksamkeit derer, die Rettungen durch Wildfremde, die Entschuldigungen,
das zum-Besten-kehren, der Humor anderer, mit dem deiner Härte die Spitze
genommen wurde - das alles hast du doch meist gar nicht bemerkt - die Bewahrung
durch schützendes Schweigen, das Verständnis und durch die Finger
sehen, die Großzügigkeit, die Fehlerfreundichkeit des Lebens.
Es wird uns mehr zugedeckt als wir selbst zudecken konnten. Ein großes
Verzeihen ist über allem Tun des Menschen.
Lobe den Herren, der deinen Stand sichtbar segnet. Du hast, was dur brauchst
und noch mehr; Überfluß um zu verschenken - das ist dein sichtbarer
Segen. Sichtbar stattlich auch anzusehen, Kinder, Enkel, wenn's gewährt
ist - das Glück mit Kindern ein Kapitel für sich, das Mühen
und auch Verzweifeln ein anderes Kapitel. - Gesegnet du vor allem mit dem
Einverständnis, gerne du zu sein. Du bist gesegnet mit dem
Einverständnis, gerne du zu sein. Doch bitte, lass es dir sagen: Du
gesegnet. Du gewollt. So, wie du bist - und jetzt denk weiter über deine
Kurskorrekturen. Aber deine Minusposten stehen innerhalb der Klammer voer
der das Pluszeichen Gottes steht. Du, denke daran, was der Allmächtige
kann - also der, der alle Macht umfaßt, der begegnet dir mit Liebe.
Lobe den Herren. - Das Wort für Mann, Herr, hat eigentlich den Titel
Herr für Gott unbrauchbar gemacht. Gott ist das Herz der Dinge, nicht
Mann, nicht Frau - wir Menschen brauchen die schöne Hilfskonstruktionen
der Geschlechter - unsere irdene Ganzheit wird immer zusammengesetzt bleiben,
wir bleiben ergänzungsbedürftig. Gott aber ist die Heimat von uns
allen, väterlicher, mütterlicher, geschwisterlicher Grund - der
Odem von allem.
Alles was Odem hat lobe mit Abrahams und Saras Samen. Da tauchen die Namen
der Eltern des Glaubens auf - vor uns waren Menschen, die an Gott Halt fanden
bei allem Zweifel. Sicher ist Jesus der Dreh- und Angelpunkt der Menschheit,
was Gottvertrauen angeht. Sein Leuchtfeuerglaube sei dein Licht: Wir haben
Menschen, die vor uns an Gott glaubten, allen voran eben Jesus, Anfänger
und Vollender unseres Glaubens. Und fahr ich durch die Höll', ist Gott
doch mein Gesell - das hat Jesus in seinem Lebenslauf zum Kreuz und zur
Auferstehung durcheilt. - Und jeder hatte einen Menschen, der ihn Lebensmut
gelehrt hat - dessen gedenkt einen Augenblick jeder für sich. - Und
Lobende schließen mit Amen - das meint: Ja, gut, so soll es sein.
Dein inneres Niederknien macht dir keine Demütigung, kein
Ohnmachtsgefühl. - Du gehst gestärkt aus diesem Nachdenken hervor.
Vielleicht kommt es darauf an, die Kunst, Geschenke oder reine Gaben anzunehmen,
besser zu lernen. Du, je beschenkter du dich wahrnimmst, desto geehrter bist
du doch auch.
Gut, mit 63, 66 Jahren seine Frömmigkeit wieder zu fühlen. So viel
Bewahrung, soviel Gerettetsein, soviel Trost und Neues finden nach Abschied,
soviel Vergebung und Freude, Freundschaft und Liebe. - Ach, Gott, du bist
wunderbar. Lobe den Herrn meine Seele. Amen.