Keitumer Predigten Traugott Giesen
18.04.1999
Beschenkt, erschreckt, beauftragt.
Lukas-Ev. 5, 1 - 11: Jesus stand am See, die Menge drängte zu
ihm, um das Wort Gottes zu hören; die Fischer aber waren bei ihren
Booten und wuschen ihre Netze.
Da stieg er in eins der Boote, das Simon gehörte, und bat ihn,
ein wenig vom Land wegzufahren. Und er setzte sich und lehrte die Menge
vom Boot aus. Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon:
Fahre hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!
Und Simon antwortete und sprach: Meister, wir haben die ganze Nacht
gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen.
Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische, und
ihre Netze begannen zu reißen. Und sie winkten ihren Gefährten,
die im andern Boot waren, sie sollten kommen und mit ihnen ziehen. Und
sie kamen und füllten beide Boote voll, so daß sie fast sanken.
Als das Simon Petrus sah, fiel er Jesus zu Füßen und sprach:
Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch. Ein Schrecken
hatte ihn erfaßt und alle, die bei ihm waren, über diesen Fang,
den sie miteinander getan hatten, ebenso auch Jakobus und Johannes.
Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst
du Menschen fangen. Und sie brachten die Boote ans Land und verließen
alles und folgten ihm nach.
Beschenkt, erschreckt, beauftragt
Dieser Rhythmus, wird hier angeschlagen. Beschenkt, erschreckt, beauftragt
� diesen wiederkehrenden Wechsel wahrnehmen, hilft richtig leben. � Dürfen
wir davon reden, während Zehntausende von Menschen aus ihrer Heimat
gejagt werden? Und wir � unsere Regierung hofft, mit Waffengewalt dem Wahn
ein Ende zu bereiten. Dürfen wir, während andere auf Leben und
Tod dran sind, uns einer kleinen Geschichte des Jesus widmen? Uns daraus
was Gutes nehmen? Ich habe keine Botschaft für uns im Kosovo, außer:
Krieg soll nicht sein, sicher wohnen sollen alle. � Und doch, während
da gelitten wird, laßt uns hier ein Bröckchen lernen � es wird
uns auch fürs Große nützen.
Beschenkt, erschreckt, beauftragt
Es beginnt mit dem ganz Alltäglichen: Keine besonderen Vorkommnisse
hier am See Genezareth: Die Fischer säubern und flicken ihre Netze.
Jesus predigt. Volk ist da, hört zu, bedrängelt den Wundermann.
Jesus bittet den Fischer Simon: fahr mich ein Stück am Ufer längs
� daß mir das Volk etwas vom Leibe bleibt. Das läuft noch unter
Nachbarschaftshilfe, Alltag am See Genezareth:
Fischer waschen Netze, Jesus lehrt, das Volk drängelt, Simon bietet
eine Kanzel im Wasser � alles normal. � Irgendwann hört Jesus auf
zu reden. Erst mal genug. Die Menschen gehen. Sie werden wiederkommen,
wenn es sich trifft, der hat doch immer etwas zu sagen. Auf Wiedersehen.
� So geht die Welle des Lebens hin.
Doch dann nimmst eine Kurve. Auf einmal steht es neben dir. Du hast
nur eben was geholfen, da stellt dich einer in Arbeit. Oder du hast dich
im Zug innig mit jemandem unterhalten, und auf Sylt geht das tiefer; oder
du hast einen Artikel gelesen und weißt dein neues Medikament. Oder
du hast dich beraten und jetzt Mut geschöpft, das klärende Gespräch
zu wollen.
Simon hat Jesus geholfen � und da schickt er ihn auf Fang. Erst Sträuben,
klar, die Einschätzung, wann die Fische hoch kommen, ist doch unserer
Fischer-Wissen. Wir haben die ganze Nacht nichts gefangen. Aber auf dein
Wort hin.
Ein starker Ruck: als Geschenk die neue Weisung. Eine Tür wird
aufstoßen nach vorn: Du, setz auf Erfolg, natürlich ist�s mit
Arbeit verbunden, aber die Weisung öffnet Chancenland. Und Simon mault
nicht, teilt nur mit, falls es Jesus nicht wissen sollte: Wir haben die
ganze Nacht nichts gefangen � niederziehende Argumente verschluckt er:
�Auf dein Wort hin!�
Ja wir brauchen Menschen, auf deren Wort hin wir wieder losgehen, die
Liebe, die Mühe, die Rettung wagen. Wollen es noch einmal erlangen:
wie in der Geschichte von Hemingway, Der alte Mann und das Meer. � Er bekommt
den Auftrieb: Geh raus, noch einen Fang!
Bist du gerade mit Abbröckeln beschäftigt, mit Erschlaffen,
mit Aufgeben?
Aber da ist doch die leise, klare Stimme. Versuch es wieder, jetzt
anders. �Du hast noch nicht an alle Türen geklopft� (R. Kunze). Und
du wirst sagen: Gut, auf dein Wort hin.
Und du wirst Beute machen. � Welchen dicken Fisch wünschst du
dir an die Angel? Welche Freude soll dir ins Netz gehen? Welcher Mangel
soll dir gesättigt sein? Das mit Gott besprechen und einem weisen
Menschen � im Gebet sortier dir die Wünsche. � Und dann geh an die
Arbeit, tu, was in deiner Macht steht. Schöpf aus die Umstände.
Tu�s noch einmal, es wird anders, es wird gut.
Und du wirst beschenkt mit dir Wohlgefallen, dir und anderen, mit Lust,
du zu sein. Simon wird überschüttet mit Glück � und holt
andere zu Hilfe, den Überfluß zu bergen. Auch ein Geheimnis,
dies teilnehmen lassen, dies andere am Segen beteiligen: Ich war eben zu
einer Hochzeit in einem Pfälzer Dorf: Das Dorf verheiratete seine
Pastorin, schmückte das Kirchlein, brachte die Kuchen, Essen, Wein.
Zum Fest rufen ist auch Segen austeilen � der Freude eine Chance geben
� großzügig sein können � das Schönste am Haben, überhaupt.
Und in die Knie gehen, heulen vor Beseeltsein, durchflutet von Dank
merken: ich habe es nicht verdient, diese Fülle an Bewahrung, diese
Freude, daß du dein Taugen spürst, den Reichtum an Lebendigsein:
Simon stürzt vor Jesus hin: Gehe von mir, ich bin ein sündiger
Mensch � kein Engel, manchmal engherzig, festhaltend, skeptisch, ob was
nach kommt, auf Sicherheit bedacht, Reserven behalten wollend. Warum gerade
ich überschüttet von Glück und Wahrnehme-Begabung; und ich
kann doch nicht dafür, nutze höchstens Begabung, halte die Schürze,
die Netze auf. Mein Gott, wüßte ich mich beschenkt, wie würde
ich helfen, helfen. Sterntaler-gleich halte ich mich einfach hin, wie die
Fischer die Netze � mich hinhalten dem Lebendigen. � Das ist schon Lebenskunst,
den Menschen zuhören, ihre Gedanken auffangen, mitfühlen, sie
leiblich spüren ñ aus den Gesichtern Worte Gottes pflücken,
Lachen und Weinen begleiten. �
Ein Schrecken hatte sie alle erfaßt über diesen Fang � in
der religiösen Fachsprache heißt es das Tremendum, das Erzitternmachende
� das ist: Gott erfahren, wie er an dir wirkt, wie er dich in der Mache
hat. Sei froh, wenn du so empfindsam bist und das Wunder merkst; und nicht
zu dösig meinst, es verstünde sich alles von selber. Sie erschraken
und schämten sich vor Glück. Jesus aber sprach zu Simon: Fürchte
dich nicht! �
Nach dem Beschenktsein und Erschrecken kommt der Auftrag: Von nun an
wirst du Menschen fangen.
Das ist sicher Missionssprache � dies Kapern und Keilen für Christus.
Ich meine nicht, daß hier in erster Linie Zugehören zur Kirche,
zur Landeskirche gemeint ist. � Menschenfischer, das sind doch Zeitgenossen,
die anstecken mit Selbstkraft, mit Lebenswillen und Freundeslust � Vielleicht
Justus Franz oder Leonhard Bernstein � Menschenfreunde in erster Linie
die aufs Meer der Möglichkeiten schicken.
Und jetzt laß dir die Weisung geschehen:
Auch du Menschenfischer: Du wirst anderen Mut machen, gern sie zu sein
und ihre Begabung zu leben. Du hilfst Menschen, daß sie lernen, genug
Macht und Wissen zu haben, nicht an fremde Mächte ausgeliefert zu
sein. Deine Gaben lebe, dein Taugen säe ins Dasein ein.
Und so heute Jesus nachfolgen � er machte Menschen Lust, gern sie selbst
zu sein, dann konnten sie das Anderssein des andern gut haben, konnten
ihn gut anders sein lassen. Mag ich mich, kann ich es haben, daß
der andere sich auch mag und muß ihn nicht kleinmachen � das ist
der Anfang von Frieden.
Kurz: Beschenkt, erschreckt, beauftragt: wir. Amen.