Keitumer Predigten Traugott Giesen 13.05.1999
Christi Himmelfahrt
Johannes 4 in Auswahl
Jesus kam in eine Stadt Samariens, die heißt Sychar, nahe bei dem Feld,
das Jakob vor Zeiten seinem Sohn Josef gab.
Es war aber dort Jakobs Brunnen. Weil nun Jesus müde war von der Reise,
setzte er sich um die Mittagszeit am Brunnen nieder.
Da kommt eine Frau aus Samarien, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht
zu ihr: Gib mir zu trinken seine Jünger waren in die Stadt gegangen,
um Essen zu kaufen.
Da spricht die samaritische Frau zu ihm: Wie, du bittest mich um etwas zu
trinken, der du ein Jude bist und ich eine samaritische Frau? Denn die Juden
haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern.
Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und
wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und
der gäbe dir lebendiges Wasser.
Spricht zu ihm die Frau: Herr, hast du doch nichts, womit du schöpfen
könntest, und der Brunnen ist tief; woher hast du dann lebendiges Wasser?
Bist du mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und
er hat daraus getrunken und seine Kinder und sein Vieh.
Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird
wieder dürsten;
wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit
nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird
in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.
Die Frau spricht zu ihm: Herr, ich sehe, daß du ein Prophet bist.
Sag mir unsere Väter und Mütter haben auf diesem Berge
angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten
soll.
Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, daß ihr
weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet.
Die wahren Anbeter beten den Vater an im Geist und in der Wahrheit. Gott
ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit
anbeten.
Wir Christen bekamen Bekenntnisse, Texte und Lieder übermittelt von
unseren Vorfahren. Sie sind Arten von Landkarten für geistige Orientierung.
Aber das Gelände ist immer neu. Heute müssen wir auch wieder dieses
Kunstwerk vollbringen die Landkarte Bibel vor Augen, und im Herzen
vor allem im Gelände Wirklichkeit zurechtzukommen. Und wir stehen
in diesem Gelände und haben mit den irdischen Augen dieses Gelände
wahrzunehmen und zu beackern und zu bestellen und zu vermessen.
Natürlich ist Christus auferstanden. Ich weiß meine Eltern und
meinen Schwiegersohn im Himmel, und Mozart. Ich glaube einfach, Gott ist
so schöpfungsstark, daß jedes Kunstwerk Person vollendet sein
wird, erst wenn Gott alles in allem ist. Gott ist so gemeinschaftslustig,
daß er mit jeder seiner Kreaturen auf immer verabredet ist, in ewigem
Gespräch ist natürlich zu allererst mit Jesus, seinem ihm
wohl nahesten Menschen. Aber Gott kanns nicht lassen, seine Wesen weiter
zu vervollkommnen keiner ist widerrufen, keins ins Nichts verstoßen.
Himmelfahrt nüchtern gesagt:
Unsere Lehrzeit ist auf Erden. Unsere Meisterklasse wird woanders sein. Jesus
ist jetzt bei Gott wie Mozart und unsere uns Gestorbenen. Paulus bindet Jesu
und aller Menschen Auferstehung aneinander: Gibt es keine Auferstehung von
den Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden. Hoffen wir allein in
diesem Leben auf Christus, so sind wir elend dran (1. Kor. 15, 13 + 19).
Also gut, das Wichtigste kommt noch: Himmelfahrt in eine Vollendung, die
wir jetzt nicht ausmalen können. Aber halten wir uns erst mal an das
hiesige Leben und nehmen frische Anleitung bei dem Jesus und seiner starken
Geschichte mit der Frau am Brunnen:
Flirrende Hitze um die Mittagszeit, in Samarien. Draußen vor dem Dorf
ein Brunnen, uralt, schon Jakobs Viehherden tranken sich da Rettung an. Jesus
auf dem Brunnenrand. Eine Frau kommt mit Krug, um Wasser zu schöpfen.
Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken. Sicher hat er bitte
gesagt schade, daß der Evangelist das weggekürzt hat. Die
Frau spricht zu ihm: Wie, du bittest mich um etwas zu trinken, der du ein
Jude bist und ich eine samaritische Frau? Denn die Juden haben keine Gemeinschaft
mit den Samaritern, und schon gar nicht mit Frauen.
Eine jener schicksalsträchtigen Szenen, wie sie auch uns als Sternstunden
passieren. Im Zug, das wache Gegenüber fängt ein Gespräch
an. Und dann hat man den Namen des Medikamentes oder weiß den Weg aus
der Falle oder sieht sich wieder, immer wieder. Jesus hat Durst und bittet
um Wasser aus dem Krug. So einfach ist das. Wenn Menschen nicht die Landkarte
fürs Gelände nehmen. Gebrieft, erzogen, im Gehirn präpariert
ist man in Nahost, wie heute im Kosovo, heute noch hier Schwarz und Weiß,
da schlägts in einem Gehirnspalt Alarm: Die Landkarte des Verhaltens,
die Benimm-Muster sagen: Distanz, Argwohn, Fremde machen Angst.
Die Samariterin hat die lange Geschichte von Verachtung durch die Juden
aufgesogen: Die Samariter gehen nicht zum Tempel nach Jerusalem, ihnen ist
der Berg Garizin heilig. Und schon sind sie anderes und scheinen bedrohlich.
Fast egal, worin Menschen sich unterscheiden Eßgewohnheiten,
religiöses Fühlen, Kleidung, Nähe, Aussehen, Besitz
schon ist da ein Gefälle, schon ein Vergleichen: Hat man nun das bessere
Teil erwählt? oder wiegt Seins, Ihrs auf der Waage des Schicksals mehr?
Die einen essen roh, die andern gekocht, und schon ist der Zweifel da, mach
ich es richtig oder sie. Aber ich, wir wollen uns nicht in Frage stellen
lassen darum schaff ich sie mir aus den Augen, vertreibe, sperre aus,
umgebe mich nur mit meinesgleichen, suche Argumente für höhere
Entwicklung. Wir zerteilen uns in Klassen, und schon deklariert eine
meist die erfolgreichere die andere Gruppe als zweitrangig und fordert
sie auf, sich bescheiden zu geben.
Aber die Samariterin wird kess. Herrlich klar nimmt sie den Jesus am Revers,
nicht unterwürfig stumm sondern zur Diskussion einladend; von ihrer
Gleichwertigkeit überzeugt ist sie, sowohl was den verschiedenen Paß
angeht als auch das andere Geschlecht.
Jesus mag gestaunt haben. Er führt das Gespräch weiter. Und nimmt
sie damit als seiner ebenbürtig an. Mit den Ebenen, die für uns
so viel Verschiedenheit abwerfen, hält sich Jesus gar nicht auf, er
nimmt sie gleichwertig was Volk und Geschlecht angeht.
Aber das schließt nicht aus, daß wir Besonderes haben und manche
ganz, ganz Besonderes und die müssen es loswerden. Die können
ganz besonders nicht auf ihren Begabungen hocken bleiben, die müssen
sich förmlich anbieten wie z.B. auch Matthias Eisenberg, der
gestern abend noch Bachs Goldberg-Variationen hier spielte, jenes unendlich
geflochtene Band, beseligend. Und heute abend beim Bachfest in Leipzig spielt.
Gott sei Dank haben wir nicht eine so drängende Begabung. Aber
Jesus eben auch: Kein Wunder, daß er nur ein bis drei Jahre die Menschen
leibhaftig umkrempelte wie zum Beispiel diese Frau: Massiv geht er sie an:
Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib
mir zu trinken!, du bätest ihn, und der gäbe dir lebendiges Wasser.
Ein gewaltiges Bildwort: Wasser, Ursprüngliches der Schöpfung,
lebensrettend und im Schwall bedrohlich, Stoff der Stoffe. Lebendiges Wasser,
also nicht abgestandenes, nicht aus der Zisterne, sondern fließend,
aus der Quelle. Was könnte an Jesus so Wichtiges dran sein? Ich meine,
das Wesen des Jesus ist in dem Bild gemeint fließend, lösend
wirkt Jesus die Energie des Lebendigen muß als flow in ihm besonders
strömen.
Aber erst noch ein Stutzen bei der Frau, die herrlich real, irdisch ist,
nicht für Poetik aufgelegt, das Verklausulierte nicht mag, die Sachen
klar benannt haben will. Die Frau denkt bei Wasser an Wasser, gutes Wasser
eben.
Spricht zu ihm die Frau: Herr, hast du doch nichts, womit du schöpfen
könntest, und der Brunnen ist tief; woher hast du dann lebendiges Wasser?
Bist du mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat?
Jesus sagt: Das Wasser, das ich ihm gebe, das wird in ihm eine Quelle werden
des Wassers, das in das ewige Leben quillt. Noch mal: Das Wasser, das ich
dir gebe, wird in dir eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben
quillt. Wunderbar: in dir eine Quelle, die ewiges Leben speist. Hier
sicher ewiges Leben als Garten gedacht, und du mit eine Quelle, die die
Paradiesströme nährt, also du ernährst das Paradies: Was ist
das, was aus dir quillt, was vorher von Jesus genommen ist? und was Paradies,
Himmel, Ewiges herstellt?
Es ist doch das Lieben, das Befreunden, das Fürsorgen und Mühen.
Es ist das Miteinanderkönnen und Liebhaben, gleichwertig, das beide
aufbaut und nicht gefangennimmt. Jesu Reden mit der Frau vertraut sich
Schätze an und ist die Botschaft. Gar nicht, was Jesus mitteilt sondern,
daß er sich mitteilt und von der Frau annimmt, sich nährt von
ihrem Interesse und sie füttert mit seinem Interesse das ist
das lebendige Wasser. Das Interesse aneinander bewässert unsere Gärten
und macht uns liquide, verflüssigt uns, wir lösen uns zum andern
hin.
Die Frau spricht zu ihm: Herr, ich sehe, daß du ein Prophet bist. Sag
mir unsere Väter und Mütter haben auf diesem Berge angebetet,
und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll.
Jesus spricht zu ihr: Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, daß ihr
weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet.
Die wahren Anbeter beten den Vater an im Geist und in der Wahrheit. Also
alle Ordnungen, die trennen; alle Traditionen, die Menschen auseinanderhalten,
die müssen vergehen. Alles Interesselossein ist nicht in der Wahrheit.
Im Geist und in der Wahrheit Gott anbeten, ist die Liebe wahr sein lassen,
ist vom Strom Jesu trinken und selbst kleine Quelle vom Lieben sein.
Dann nehmen wir die Landkarten nicht als das Gelände dann gehen
wir im Gelände, und nehmen den erstbesten Menschen, der gar nicht in
der Karte verzeichnet ist als gute Botschaft, sind einander im flow, im
Fluß der Verbundenheit auch wenn wir scheu sind, gebrannte Kinder,
und verstecken uns gern hinter Regeln und Landkarten der Gefühle.
Aber schon daß wir jetzt hier sind, ist im Fluß sein. Teilen
wir Verbundenheit gleich Taufen, Trauungen, sammeln für Menschen
in Not, gemeinsam singen praktizieren wir Himmelfahrt. Die Christusenergie
öffnet in uns Quellen. Amen.
Schlußgebet