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Keitumer Predigten   Traugott Giesen   Hubertusmesse 31.10.1998

Brüder und Schwestern, Jäger mit Familien, Gemeinde
Erstaunlich � die Jäger sind der einzige Berufsstand � laßt das euch mal so gefallen, weg vom Hobby- und Sonntagsjägersein; ihr von der Insel seid meist noch Bauernsöhne, Enkel, Neffen, bejagt euer eigenes Land, jedenfalls ist das Heimat, was ihr hegt und pflegt und dann auch erntet � eigenartig, daß ihr der einzige Berufsstand seid, der noch eine eigene Messe feiert. � Früher haben die Gilden alle ihre eigenen Gottesdienste gefeiert, hatten eigene Kirchen oder in der Ortskirche ihren Altar; die Feuerwehr feierte am Tag des heiligen Florians, und die Fischer, die Petrijünger, am Tag des Petrus. � Das hat sich so ziemlich verloren, aber die Jagdbrüder und wenige -schwestern feiern ihre Hubertusmesse � ihr feiert euer ganz eigenes Erntedankfest.
Ja, ihr habt in eurem Tun eine nahe Verbindung zum Schöpfer. Wohl ist das Widerfahrnis des Hubertus einmalig, daß er im Geweih des kapitalen Hirsches den gekreuzigten Christus erscheinen sah � aber diese Begebenheit ist ja nur ein starkes Symbol: In der Natur, in Baum und Tier, Flora und Fauna begegnet Gott auch. Galilei hat bei seinen vertieften Betrachtungen der Sternenwelt gesagt: Das sei auch Gottes Wort, an den Himmel gemalt, eine zweite Bibel. Auch ihr Jäger seht euch in Wald und Feld der Gotteskraft nahe. � Wenn Staunen und Dank wichtige Zeichen von Frömmigkeit sind, dann seid ihr Jäger schon am Staunen und Danken vor Tau und Tag.
Und ihr trefft ja unsere Mitgeschöpfe, die Tiere, � am wenigsten trefft ihr sie mittels Erschießen � viel, viel mehr doch trefft ihr Freund Hase und Freundin Ente und auf dem Festland Schwester Reh und Bruder Hirsch und Wildsau � trefft sie per Auge und Ohr, ihr schaut und beobachtet doch mehr als ihr schießt, ihr lauscht und redet mit den Tieren mehr als daß ihr sie erlegt.
Dabei geht euch so mancher Gedanke durch den Kopf, den ein Städter gar nicht mitkriegt: Ihr seht die Zerstörkraft von uns Menschen, den Verlust der Mischwälder, leidet an den unterholzarmen, äußerst insektenanfälligen, vogelleeren Stangenwäldern. Ihr erleidet mit die Versiegelung der Landschaft, den Verlust der Flußauen, den rasenden Verkehr, der ein vielfaches an Tieren umbringt.
Wenn ihr einen Wildacker bestellt oder auf andere Weise Hege und Pflege besorgt, dann kommt ihr schon ins Grübeln über das Unverständnis von Mitmenschen, die durch Brutgebiete latschen und ihre Hunde freilaufen lassen in der Heide. Vom Überfischen der Weltmeere, der Auslöschung des Tropenwaldes und der schrumpfenden Artenvielfalt gar nicht zu reden. � Ihr seht auch die Tiere leiden und fragt euch, ob es so richtig war, daß Gott dem Menschen Gewalt und Auftrag gab: �Macht euch die Erde untertan�. �
Gegen die Tiere hat sich der Mensch im Ganzen nur herrisch benommen und selbstherrlich � auch manches Protzen mit 12- und 14- und Werweißwievielen-Endern ist ziemlich zum Lächeln � früher bei Pfeil und Bogen, Fallgrube und Spieß da mag ja eine Freude übers Siegen noch redlich gewesen sein, da lebte man auch von der Jagd. Die steinzeitlichen Gemälde von Lasceaux und Altamira belegen das Wissen der Ebenbürtigkeit von Mensch und Tier. Und die Jäger setzten ihr Leben aufs Spiel aber brauchten zum Überleben das erlegte Tier und baten Gott und das Tier um Vergebung, daß man Leben nahm um sein eigenes zu retten. Da war dann Geweih und Fell echte Trophäe, eine Auszeichnung für Mut bis zur Todesbereitschaft. Heute zeugen die Trophäen mehr von Sitzfleisch und Zahlungsfähigkeit. � Und der Männerspaß am Beutemachen ist beim Jagen immer noch dabei und Stoff für viel Jägerlatein bei gutem Getränk.
�Ganze Weltalter voll Liebe werden notwendig sein, um den Tieren ihre Dienste und Verdienste an uns Menschen zu vergelten� sagte Christian Morgenstern.
Vom Ursprung her hat Gott Mensch und Säugetier an einem Tag, in einem Schöpfungsabschnitt geschaffen und uns an den gleichen Tisch der Gaben Gottes gewiesen. Noch in der Sintflut werden die Tiere paarweise mit der Menschenfamilie gerettet. Und das Ruhen am Sabbat gilt auch für die Tiere. Aber mehr und mehr werden die Tiere zum Besitz und der Befehl: �Macht euch die Erde untertan� (1. Mose 1, 28) wurde mißverstanden als Freibrief, sich der Natur rücksichtslos zu bedienen, was die Tiere zu Rohstoff oder �Biomasse� herabstufte.
Einsamer Rufer blieb im Christentum der Heilige Franziskus, der zur Verwandtschaft mit Sonne und Mond fand, die Waldtauben zähmte durch seine Worte und mit seinen milden Augen auch den wilden Wolf von Gubbio ohne Angst ansprach und den Fischen predigte. � Albert Schweitzer, der Urwaldarzt von Lambarene, später Friedensnobelpreisträger, entwickelte aus dem Zusammenleben mit den Tieren das Gesetz, das uns allen einleuchten müßte: �Du bist Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.�
Doch wir sind noch weit von diesem Respekt entfernt. Gedankenlosigkeit und Profitgier sind uns nah: Die Haustiere, die nach Weihnachten abgegeben werden oder in der Urlaubszeit einfach auf dem Rastplatz ausgesetzt werden; die Höllenfahrten der subventionierten Schlachtviehtransporte in den Nahen Osten; für Haifischflossensuppe schneiden Fischer den Haien bei lebendigem Leibe die Flossen ab, die bewegungsunfähigen Tiere sinken auf den Meeresgrund und verenden erbärmlich; und Nashörner, und die vietnamesischen Kragenbären, und der BSE-Wahn, und die Tierquälerei an Rennpferden.
Dabei, was verdanken wir den Tieren nicht alles? Als wir Kinder waren, hat das Meerschweinchen, das Häschen uns doch wunderbare Gefühle gemacht; das erste Lebendige, das uns anvertraut war. Und die Gespräche zwischen Herrchen bzw. Frauchen und Hund: Wie sie ihre Stirn in Falten legen, uns zum Durchhalten ermutigen; wie sie von Träumen geschüttelt scheinen, und wie sie seufzen und vor Behagen grunzen; wie sie so herrlich geregelte Verdauung haben und einfach so sind, wie sie sind, auch so hocherfreut, wenn man zurückkommt und so wachsam knurrend gegen den gemeinsam Nichterwünschten. �Wer warst du ehe du Hund wurdest?� könnte man fragen und schon Anhaltspunkte finden für Seelenwanderung. �Jeder Hund ist besser als kein Hund� sagt Konrad Lorenz.
Oder die Katze: �Mißtrauen, Wollust, Egoismus, ich möchte sagen, das konzentrierteste Tier. Und die Selbstachtung der Katze ist außerordentlich� sagt Christian Morgenstern; und Fernando Pessoa: �Ich habe Katzen den Mond anschauen sehen, und ich weiß nicht, ob sie ihn nicht für sich haben wollten.� Mit Tieren werden wir älter und bleiben gesünder und zufriedener.
Auch Jesus hält uns die Natur als Lehrstück vor: Schauet die Vögel, sehet die Lilien (Matthäus-Ev. 6, 26, 29), lernt von ihnen, sie sind im Zusammenhang, aber ihr seid nicht mittig, ihr seid verrückt. Dies Unrundsein des Menschen aus Grübeln und Zersorgen könnten wir ablegen beim ruhigen Beobachten der Tiere, können von den Tieren lernen � etwas die wunderbare Fähigkeit, jetzt hier zu sein, im Augenblick ganz da � und das �leben und leben lassen�. Vielleicht haben ja Jäger wirklich einen Hauch mehr Lebensweisheit.
Dankbar gedacht sein soll an die endlose Arbeit der Kaffernbüffel, Pferde, Esel, Elefanten, Kamele. Und Schuldwissen muß uns ankommen angesichts der Legebatterien, der Lachskäfige und Schweinefleischfabriken, der Testformationen. Wir müssen wieder die Mitgeschöpflichkeit lernen, wieder mal Vieh auf der Weide anschauen, uns vertiefen in die Augen einer Kuh � dann werden wir sehen, wie das Tier eine Seele und ein Schicksal hat.
Der Satz irgendeines alten Theologen: �Deus est anima brutorum � Gott ist die Seele der Tiere� (Fernando Pessoa). Animal, auf lateinisch: das Tier, überhaupt das Lebewesen; und anima heißt ja die Seele � die Verknüpfung birgt was Geheimnisvolles. In der Bibel heißt es: Gott ist das Lebendige in allem Fleisch (4. Mose 16, 22).
Jedenfalls bleiben Tiere und Menschen verwickelt in eine gemeinsame Zukunft: Paulus sagt: �Auch das ängstliche Seufzen der Kreatur wartet auf die herrliche Freiheit der Kinder Gottes� (Römer 8, 18).
Gott segne Wald und Feld und lehre uns die Ehrfurcht. Amen.
 


 




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