Traugott Giesen Kolumne 05.02.2000 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
125 Jahre Standesamt. Braucht�s zur Ehe mehr?
Bei uns geht man beim Staat vorbei, um zu heiraten. Anderswo klopft
tatsächlich ein Schmied die beiden zusammen oder ein Priester oder
der Friedensrichter des Dorfes oder der Häuptling, zur Not auch der
Kapitän. Bis 1875 führte der Pastor die Kirchenbücher und
fixierte und lizensierte die Stationen des Lebenslaufes. Am 6. Februar
1875 aber nahm der Staat die Registrierung seiner Bürger selbst in
die Hand. Seitdem gibt es im Rathaus die Eheschließung und danach
auf Wunsch die Trauung bei der Kirche.
Der Staat notiert den Ehewillen des Paares, klärt den Ausschluß
von Bigamie und den Familiennamen, erklärt auch Rechte und Pflichten
der Eheleute. Menschenfreundlich hält der Beamte, die Beamtin dem
Paar und den mitgebrachten Gästen eine Rede voll guter Wünsche.
Dann werden Urkunden unterschrieben und ausgehändigt, das Paar darf
auch die Ringe wechseln, ein Foto ist erlaubt, die staatlichen Notardienste
sind erfüllt.
Es war mal ein bitteres Ringen um die Emanzipation der Bürger
von der Kirche. Denn diese hatte ja harte Regeln, wer der Ehe würdig
sei. In Italien konnte man bis vor wenigen Jahren als Geschiedener keine
neue Ehe eingehen. Die Ehe als �weltlich Ding� ohne kirchliche Bevormundung
ist schon richtig.
Und doch finde ich es traurig, wenn Paare sich die Trauung vorenthalten.
Denn wir hoffen ja nicht, das Recht möge uns zusammenhalten. Liebende
müssen letztlich sich als füreinander geschaffen glauben. Und
zwar als die Liebenden, die unkündbar Freud und Leid miteinander teilen
und in einer gemeinsamen Geschichte miteinander alt werden wollen.
Ehe mit diesem weiten Horizont braucht wohl die Gewißheit, daß
die beiden einander anvertraut sind vom Schicksal, vom Geheimnis der Welt.
Der ewige Quellgrund aller Liebe sollte beim höchsten Fest der Liebe
genannt werden, ja gefeiert und bedankt sein. Braucht nicht eine Hochzeit
�Lobe den Herrn�, alle Strophen, aus vielen Kehlen? Dies Bündnis ist
doch wunderbar und hochriskant, es hat viele Gebete nötig und den
Zuspruch der Generationenkette, die sich nährt aus haltbaren Worten
der Bibel. �
Volles Einverständnis, daß eine Ehe auch ohne Trauschein
gilt � den Trauschein gibt�s bei der Kirche, die Urkunde zur Eheschließung
vom Staat. Das Recht, für das der Staat einsteht, ist wichtig � vor
allem wenn uns die Liebe verliert. Dann sichert der Staat ein Minimum an
Gerechtigkeit. Aber die Ehe braucht als Grundwissen, daß Gott sie
einander anvertraut und zumutet. Daraus kann der Liebe die Spannkraft für
ein Lebensgespräch erwachsen und der Mut und das Recht zu zeugen.
Gut, daß wir noch Kirche haben, die mit einiger Vollmacht dem Paar
zusagt: Ja und Amen, ihr seid euch anvertraut von langer Hand; ihr gehört
zueinander.