Traugott Giesen Kolumne 21.04.2001
aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Streit um das Erbe
Ich habe mich gefreut, als ich beim Tod meiner
Mutter - lange nach meinem Vater - an die zwanzigtausend Mark geerbt habe
wie die Geschwister. Es blieb einfach noch dies Sümmchen übrig,
nachdem Beerdigung und Friedhof und Kaffeetafel und Renovierung der Wohnung
bezahlt waren. Alle Kosten für Pflege im Alter hatte sie selbst begleichen
können. Wer ihr gut war, den honorierte sie prompt - sie legte Wert
auf diese Begabung, sich nichts schenken lassen zu müssen. Sie hatte
maßvoll gelebt, lieber Kakteenableger verschenkt als Scheine, so kam
sie über die Jahre ohne Not. Dass dann noch ein Sümmchen für
Kinder und so auch für Enkel überblieb, hat uns gefreut. Verdient
hatten wir es nicht.
Wer hat denn überhaupt Anspruch auf Erbe?
Klar ist das geordnet mit Regeln, die den Rechtsfrieden wahren helfen. Aber
was an Hass und Argwohn, an Neid und Verletzung in die Welt kommt, weil der
eine mehr und der andere weniger erbt, das ist monströs. Ob es um
Aktienpakete geht oder um die eine Goldkette, ob um das Haus oder die Tischdecken
- erbitterte Fehden folgen aus vermeintlicher Ungerechtigkeit.
Dabei kann man seine Seele in Sicherheit bringen
mit dem schlichten Gedanken: Ich erhebe keinen Anspruch auf Güter, die
ich nicht erworben habe; jeder hat das Recht, sein Eigentum zu verwenden,
wie er möchte und wie er es sich getraut zu verantworten - dazu gehört
grundsätzlich auch die Bestimmung über den Tod hinaus. Sollten
die Eltern so töricht gewesen sein, die Kinder ungleich zu bedenken,
so gleiche als Begünstigter die Delle aus. Denn du warst doch vorteilhafter
bedacht, weil du dich vorteilhafter bei den Eltern, beziehungsweise Verwandten
gegeben hast. Solltest du mehr Mühe aufgewandt haben, halt dir das ein
Stück zugute. Aber bist du klug und nicht raffig, dann hast du die
Nächstenliebe stellvertretend getan. Gestatte dir das Glück dieses
guten Denkens von dir: Und du bist in guter Gesellschaft. Ganz erstaunlich,
wie viele Geschwister und Verwandte mitfürsorglich sind für andere,
einfach so.
Wichtig ist, dass du Frieden hast. Du, bleib
nichts schuldig. Lieber, dass man dir was schuldig bleibt. Solange du dein
Auskommen hast, lass es gut sein. Lass die anderen mehr kriegen, wenn du
innerlich in Ruhe bist; zeig ihnen dein lächelndes Gesicht. Erheitere
dich bei dem Gedanken, wie du den Eltern zugestehst, nach ihrem Belieben
geschaltet zu haben. Und freu dich, dass du klar kommst mit Deinem. Den anderen
wünsche Glück mit dem ungerechten Mammon. Gerade, wenn sie mehr
behalten als Recht ist, ist es wahrscheinlich, dass sie sich Ärger
einhandeln, weil sie jetzt ein zu großes Rad drehen.
Manche brauchen einfach mehr, weil sei ihren
Wert am Besitz ablesen. Und wie erklärst du dir, dass du dir diesen
Schuh nicht anziehst? Du hast mit dir Glück, du bist geliebt, du kannst
in deinem Maß leben, du zersorgst dich nicht, hast einfach mehr Vertrauen,
in allem.