Traugott Giesen Kolumne 28.04.2001
aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Das Erlebnis der Arbeit
"Ich bügle drei Hemden, untersuche sie
auf Kniffe, und hängte sie auf. Als ich das Bügeleisen ausgeschaltet
und zusammen mit dem Bügelbrett wieder in den Flurschrank geräumt
hatte, sah es in mir schon bedeutend ordentlicher aus." Haruki Murakami notiert
diese normale Empfindung gelungener Arbeit. Aber die intensivste Mitteilung
von Glück aus Arbeit steht im Schöpfungsbericht: Gott stellt sechsmal
fest, dass sein Werk gut war, und einmal sogar: "Siehe, es war sehr gut."
(Was nicht "perfekt" meint sondern "gut für Weiteres.") Das Gegenteil
von Glück aus Arbeit ist die Maloche. Milliarden Menschen brechen verdorrte
Äcker mit dem Steinpflug auf, schleppen die Körbe Erde zur
Terrassierung der Reispflanzung, karren kilometerweit Wasser, Kinder brennen
Ziegel, nur um nicht zu verhungern.
Und wir hier dürfen arbeiten um Zufriedenheit
zu erleben. Natürlich springt auch Geld raus für Essen, Wohnen,
Kleiden; Kinder großziehen, Krankenkasse, Rente, und hoffentlich für
viele schöne Dinge. Aber glücklich dran ist der, der gern zur Arbeit
geht. Und der dem Himmel dankt, dass andere diese Arbeit gut belohnen.
Glücklich, wer glatt dieselbe Arbeit auch gern täte, wenn er nur
zweidrittel dafür erlöst, oder gar nichts. Ich kenn einen pensionierten
Pastor, der einfach weiterarbeitet "just for fun". Und so machen doch Altbauern
weiter, und Seniorchefinnen in den Familienbetrieben, und die Dichter sowieso
und viele Künstler. Und Großmütter erziehen Enkel und werfen
den Haushalt für die Kinder. Ganz viel Arbeit geschieht, einfach weil
sie getan werden muß und welche hören den Ruf und sagen ja und
sind die Rettung. Ganz viel Dank ihnen.
Arbeit muß Spaß machen, sonst kann
sie auf Dauer nicht gut bleiben. Natürlich hat jeder Beruf seine Routine,
seine Durststrecken, seine Qualen. Aber verhasste Arbeit ist unbezahlbar.
Lehrer, die zittern vor dem neuen Schultag, Pfarrer, die nur unter
Schweißausbrüchen predigen, Ärzte, die nur mit Weckaminen
durchkommen, Taxifahrer, die zu oft rot sehen, müssen sich doch andere
Arbeit suchen. Wenn sie eine gute Pizza backen und am Straßeneck sich
ihre Gemeinde aufbauen, einfach weil's da lecker duftet und ein guter Schnack
zu haben ist, dann dienen sie der Menschheit mehr und sind auch in sich selbst
vergnügt. Wie kann ich mich in meiner Arbeit verwirklichen, ist die
Frage. Sonst verblödet man, wird zum Maschinenersatz. Jeder Mensch hat
etwas, womit er Freude machen, jedenfalls nützen kann: er kann schön
machen oder einen Zug steuern, er kann servieren mit freundlichem Gesicht,
oder kann einrichten oder beraten. Jeder hat eine Gabe. Und manche können
andererleuts Gaben entdecken, fördern, einbinden. Feiern wir doch, am
1. Mai, dass wir uns gut sein können. Und die unter
Beschäftigungsmangel leiden, sollen's bald besser haben.