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Traugott Giesen Kolumne 12.10.2002 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg

Die unermessliche Traurigkeit

Gestern trug man zu Grabe, was sterblich war an Jakob von Metzler. Elf Jahre durfte er werden. Dann hat ein Bekannter der Familie ihn umgebracht. Der war in dem Wahn, sich mit erpresstem Blutgeld ein sorgenfreies Leben beschaffen zu können.

Unermesslich traurig ist der wohl lautlose Schrei des Jakob gewesen, voll Bangigkeit, nicht mehr leben, lieben, lachen zu dürfen; dieses verzweifelte Wünschen, es müsse doch ein Wunder geschehen, dann das Gefühl, verloren zu gehen. Auch er schrie den Schrei aller, die von hier weggerissen werden: "Mein Gott, hast du mich verlassen?" Und doch, er soll gemerkt haben, wie der Menschheit ganzer Jammer von ihm abfiel und er aufgehoben wurde ins glückliche Anderland.

Unermesslich traurig sind die Eltern. Sie konnten nicht helfen, sie haben allein lassen müssen - wie zerreißt das, und bohrt in ihnen weiter. Warum hat man ihn nicht finden können, warum hat sich nicht genügend Skepsis vorher aufgetan? Diese unermessliche Traurigkeit, sein Liebstes nicht mehr bei sich zu haben, nicht mehr den Sohn geleiten zu können ins komplizierte Erwachsenenleben, ihn nicht mehr groß werden zu sehen, und darum leichten Herzens alt werden zu können. Seine Sachen, sein Zimmer, sein Platz am Familientisch - die Leere wird lange bleiben, bis die Zeit sie aus dem Mittelpunkt dreht.

Unermesslich traurig sind seine Kameraden. Mitten in ihr recht verlässliches Leben bricht die Hölle ein. Eben hat man noch gelacht, schöne Ferien sich gewünscht, dann darf einer von ihnen nicht mehr hier sein, nie mehr. Was ist das für eine Wahnsinnswelt der Erwachsenen? Was soll alles Lernen, wenn es den Menschen vor dem Menschen nicht sichern kann? Und warum traf es Jakob und vor kurzem Jennifer und nicht mich? Wie leicht zerbrochen werden kann Menschenleben; wie viel Angst ist in den Kindern entfacht, zu dem schon zu vielen Grauen hinzu.

Unermesslich traurig ist jeder Mitmensch, denn wir sind doch als Bürgen gedacht einander, dass das Leben gut ist. Wie konnte einer von uns morden, wie ein Menschenleben wegwerfen, wie so viel Lebensfreude, Tatkraft, Willen durchstreichen und kreuzigen. Wir müssen mehr lernen von unserer Psyche, es gibt viele Arten zu töten und keiner ist allein schuld. Wir müssen bei leisestem Anschein von Mordlust Fachleute heranziehen; wenn Zerstörwahn uns beschleicht, müssen wir um Hilfe rufen, dass man uns rette vor uns selbst. Wir müssen aufeinander mehr aufpassen und Gefährdete in Sicherheit bringen. Unermesslich traurig ist auch der Mensch, der mordete und der das Vertrauen beim Kind so schändlich missbrauchte. Das Unsägliche kann keiner verstehen, am wenigsten der Untäter. In seinem Gewissen brennt es, er weiß sich verdammt. Möge ihm einmal das Licht aufgehen für Reue, Buße, Besserung.

Und unermesslich traurig ist auch Gott, das Herz aller Dinge, die große Mutter von Kain und Abel, Magnus und Jakob, aber sie macht weiter mit uns Bösen und Guten. Doch, bitte.


 




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