Kolumne 04. September 2004 - Der Hass in dieser Welt macht alle Menschen
krank
Traugott Giesen Kolumne 04.09.2004 aus "Die Welt" Ausgabe
Hamburg
Der Hass in dieser Welt macht alle Menschen krank
Man mag die Nachrichten nicht mehr anstellen, jedes Mal ist zu fürchten,
dass wieder ein Attentat Menschen niedermäht, wieder Bomben Leiber zerfetzen
und Häuser ineinander stürzen lassen. Schon fürchterlich sind
die Natur-Katastrophen, sie scheinen sich zu häufen, sie rücken
näher, dazu der baldige Öl-Kollaps. Und die fürchterlichen
Verkehrsunfälle, die Busse und die LKW, die in Stauenden rasen; und
die Gewaltverbrechen, vor allem gegen Kinder. Schon all das sind zu viele
Schreckensmeldungen. Aber die Attentate schlagen noch eine tiefere Wunde
in unser aller Zusammenleben.
Heute wird Krieg geführt nicht mit Panzer und Armeen, nicht Völker
rufen zum großen Krieg gegen ein anderes Volk auf. Sondern Gruppen
und Zellen führen Krieg, selbst ernannte Heilande rufen ihre
Vernichtungszüge aus, sie greifen ideologischen Sprengstoff aus uralten
Tragödien; sie meinen, der Zweck heilige die Mittel: Lang genug seien
im Guten Verhandlungen angeboten worden, aber die Herrschenden hätten
nicht mit sich reden lassen. Jetzt müssten die Waffen sprechen.
Zu lange wäre der Besitz des Volkes von bestochenen Herrschern ins Ausland
verkauft worden. Zu lange habe man der Religion nicht gehorcht und jetzt
werde die Ordnung des Propheten wieder hergestellt oder das Land der
Verheißung wieder in Besitz genommen. Oder die Freiheit vom Großen
Bruder werde nun erzwungen, indem man ihm sein Haus zur Hölle macht.
Oder die Zentren der Waren- und Geldströme werden gesprengt von Menschen,
die die Armen der Erde zu rächen meinen.
Die Täter wähnen sich auf der Seite des Guten, schon weil sie ihr
Leben hingeben. Dabei ist es doch auch nur Bestechung, das hiesige Leben
als Preis einzusetzen für einen glücklichen Himmel. Was müsste
das für ein Monster sein, das so belohnt? Und immer sind es zufällig
gerade am falschen Ort sich befindende Menschen, die zum Mittel des Schreckens
herabgewürdigt werden.
Die Selbstmörder konnten noch entscheiden, aber ihre Opfer haben keine
Wahl, sie werden zur Verhandlungsmasse, zur Angstmasse entstellt. So werden
die Attentäter noch schlimmer als ihre Gegner, die sie bekehren wollen.
Terror sät Terror, es ist nur zum Heulen.
Was bleibt? Wir müssen beten für die Geiseln und für die
Gewalttäter und für die, die politisch das Sagen haben. Heiliger
Geist muss über sie kommen, dass erste Schritte zum Frieden getan werden.
Das Leben der Gekidnappten retten durch Anbieten von Verhandlungen und erste
Entlassung von Gefangenen. Aber woher nehmen den großen Mut, zum Anfang
von Entfeindung die Hand hinzustrecken? Wenn man jetzt nachgibt, sind all
die Opfer vorher umsonst gewesen, dies Argument wiegt so schwer. Aber wer
A sagte, muss nicht B sagen, er kann auch erkennen, dass schon A zu sagen
falsch war. Wir Menschen brauchen viel Heiligen Geist. Der lehrt uns, auf
Privilegien zu verzichten - oder den Hass zu mehren.