Traugott Giesen Kolumne 15.03.1997 Hamburger Morgenpost
Geld - hartgewordener Menschenfleiß
Täglich fassen wir es an, geben es aus, suchen danach, besorgen uns
was, verstecken es, vermehren es oder erbitten es - Geld ist Tauschgut,
Zahlungsmittel. Aber woher kommt es?
Der Staat bedruckt raffiniert Papiere und nennt sie Banknoten und aus Metallen
stanzt er Münzen. Beides leiht der Staat an Banken und Sparkassen aus,
die leihen es uns Bürgern aus, wir geben es weiter an andere Bürger,
an Bäcker, Autohändler, Bauunternehmer. Die geben es weiter an
Arbeitende, die Brote verkaufen oder Autos bauen oder Häuser mauern.
Die bringen einen Teil wieder zur Bank, leihen es ihr und die Bank kann ihre
Schulden beim Staat zurückzahlen und vom Überschuß weiteres
Geld verleihen. Bei jedem Zwischenschritt werden Zinsen fällig und Steuern.
Und wir haben alle was von diesem Kreislauf.
Die ganze Wirtschaft beruht auf der Annahme, der andere werde gepumptes Geld
zurückzahlen. - Aber das Rentensystem gerät gerade daran ins
Straucheln: Es wird immer unwahrscheinlicher, daß den heutigen Zahlern
mal später ihr Ruhegeld auch gezahlt werde. Und noch explosiver wird
die Basis für's Wirtschaften, wenn wir den Geldscheinen nicht mehr trauen,
wenn wir also die neue Eurowährung nicht wollten, und am liebsten wieder
Tauschgeschäfte machten, ohne daß Geld und Steuern fließen:
Du reparierst mir mein Auto, ich dir die Heizung; oder du vom Land machst
bei mir in der Stadt Urlaub und umgekehrt.
Verstrickt und verbandelt sind wir alle. Wir haben uns Geld geliehen für
eine Sache und müssen zurückzahlen, wir haben Hunger und müssen
also Geld bei anderen verdienen. Wohl dem, der was Attraktives zu bieten
hat. Bitter ist's, wenn meine Begabung nicht mehr gefragt ist. Dann ist schnell
das Guthaben aufgezehrt, Kredite können nicht bedient werden, das Auto
oder das noch tief verschuldete Haus werde ich los, Lebensträume brechen
zusammen. Vielleicht müssen wir neu lernen, wie Nehmen und Geben
zusammengehören. Ernten brauchen vorheriges Ackern und Säen. Dank
denen, die viel gearbeitet und den Gewinn gut eingeteilt haben: Zum Leben,
zum Vorsorgen, zum Feiern, zum Verschenken und Mittragen der gemeinsamen
Lasten (Steuern).
Dank auch denen, die ihr Geld unter die Leute bringen, daß diese bezahlte
Arbeit leisten können und so in der Lage sind, ihr Auskommen zu haben
und ihre Schulden zu bezahlen. Schon wahr: Profit muß sein, sonst geschieht
gar nichts in der Welt (M. Frisch).
Geld ist "hartgewordener Menschenfleiß" (G. Frenssen), ist auch Gewalt.
Dem Geld sieht man's nicht an, wer dafür sich geschunden hat und wem
es vorm Munde weggeschnappt ist. Gerade die, die gut sich Geld verschaffen
können, sollten auf den Geschmack kommen: Es ist ein schöner Profit,
echt Darbenden Geld zu geben und eine heiße, aufrichtige Sorge würde
es weniger geben in der Welt.