Traugott Giesen Kolumne vom 19.07.1997 aus Hamburger
Morgenpost
Kirche � kleines Schiff auf großer Fahrt
Das Schiff als Bild für Kirche ist uralt. Auf dem stürmischen
See Genezareth schlief einst Jesus im Boot, selig. Die Jünger aber
in ihrer Angst weckten ihn auf: Wie kannst du ratzen, während wir
bald von Bord geschleudert werden? Jesus sagt sinngemäß: Fürchtet
euch nicht! Ihr seid auch im Sturm in Gottes Hand. Segel und Steuer, daß
ihr den Hafen gewinnt, sind Euer. Also schuftet und betet dabei. Ja, betet,
aber fahret fort, ans andere Ufer zu rudern.
So ist das Schiff ein gutes Label für Kirche als die Nußschale,
die auf den Wellen der Zeiten in Gottes Hand tanzt. Und ist auch ein sinniges
Geburtstagsgeschenk. 45 Tage befährt ein stattlicher Dreimastsegler
die Meere und Flüsse unseres Kirchengebietes. Welche Kirche hat denn
sonst noch zwei Meere bei sich und Kanal und Elbe, Eider, Schlei. Es war
wirklich ein Wunder, daß vor 20 Jahren die vier zwischen den Meeren
liegenden evangelischen Landeskirchen sich einten zur Nordelbischen Kirche.
Mit weißem Kreuz auf violettem Fallsegel geht die �Swaedenborgh�
vor Anker in 25 Häfen und erinnert an diese liebenswerte Vereinigung.
Es gibt jeweils Kirchentypisches an Bord und drumrum.
Das Schiff kann einen zum Grübeln bringen, was denn abgesehen von
steinernem Haus mit Turm die Kirche sonst ist. Sie ist Mut, Freundschaft,
Heimat, Beten, Singen, Schützen, Unterstützen in Not. Sie entgiftet
durch Erleuchtung, sie treibt Götzen aus durch Aufklärung, sie
stiftet zur Freude an und zur Freundschaft unter Ungleichen. Mir fällt
bei Schiff die �Mannschaft� ein, das Team aus Gleichwertigen, wenn auch
mit verschiedenen Aufgaben.
Und ein Schiff schafft es mit guter Crew auch, viele Passagiere mitzunehmen,
die nur ein Stück Weg mitwollen, die von einem Lebenspunkt zum nächsten
sich ein Stück unterstellen wollen; und es geht einfach weiter mit
ihnen im Schutz dieses Schiffes, und dann steigen sie wieder aus, gehen
ihre eigenen Wege, bis sie wieder die Fähre benutzen. Jedenfalls wünschen
dem Kirchenschiff Gute Fahrt auch die, die Kirche gerade nicht brauchen.
Hauptsache, Kirche ist in Krisen da. Auch bei dir, um die Ecke, in der
Nähe, ist eine Rettungsstation. Hoffentlich ist sie mit kompetenten
Leuten besetzt. Sonst schlag Alarm. Ist kein Pastor, keine Pastorin zu
erreichen, ist das unterlassene Hilfeleistung. So mancher Schaukasten ist
nur abstoßend, Anrufbeantworter verekeln allermeist. Manche Predigt
ruft danach, daß der Herr eintrete mit Axt und durch zwei wohlgesetzte
Hiebe die Kanzel zusammenstauche. Auch drei Bischöfe sind wie drei
Kapitäne für ein Schiff zuviel � diese Altlast aus der Vereinigung
sollte durch natürlichen Abgang zu Ende gehen. Das durch einige kirchenamtliche
Herren viel zu hoch gereizte Bußtagsbegehren muß wohl jetzt
mit blamablem Ergebnis ausgelöffelt werden. Aber das sind kleine Fische.
Das Schiffchen Kirche hat so manche Jüngerschaft ausgehalten, es liegt
gut im Wind dank seines Eigners.