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Traugott Giesen: Über die Freude

Freuet euch in dem Herrn alle Wege! Und abermals sage ich: Freuet euch! Eure Freundlichkeit teilt mit allen Menschen. Der Herr ist nahe! Zersorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasset euer Bitten, Flehen, Danken vor Gott kundwerden (Phil. 4, 4 - 6).

Gefragt, was der Sinn des Lebens sei, warum wagen wir es nicht zu sagen: Freude. Du, ich,- wir dazu da, Freude zu erleben, Freude zu machen, Freude zu teilen.

Sofort fallen uns die Widersprüche ein: Die zur Freude unfähig Gemachten, die am Verlust eines geliebten Menschen Erstarrten, die von Angst Gebannten, von Sucht Zerstörten, die Gemarterten, die an Bewußtlosigkeit Zerschellten.

Und doch sehnen sie sich nach Freude, oder wir ersehnen ihnen Freude. Alles Leid der Erde ist ein Aufschrei nach Erlösung. Wie dürres Land dürstet nach Wasser, so ist Freudlosigkeit Hilfeschrei, doch noch verwandelt zu werden. Und alle Toten dieser Erde, wenn sie nur Ruinen vergangener mangelhafter Freude wären,- wie wagten wir, Kinder zu zeugen,- wie wagten wir, das Leben zu empfehlen? Erstrangiges Hoffnungszeichen ist, daß wir die Toten in die Freude entlassen. Vor uns Gott, das heißt: vor uns Freude. Wie sagt es Paulus: Wenn wir allein in diesem Leben auf Christus hoffen, sind wir die elendesten unter allen Menschen (1 Ko 15, 19). Vor uns Freude die Fülle oder das Grauen.

Denn mittels des Lebens bringt uns ja Gott den Geschmack an Freude bei. Er bringt uns auf den Geschmack. Und wenn wir´s kapiert haben, sind wir zu alt. Wenn wir es verstanden haben, einigermaßen zwischen den tausend Ersatzstoffen zu unterscheiden und endlich nicht mehr den heillosen Zerstreuungen auf den Leim gehen, den Vergnügungen, die nur süchtig machen nach einem Stoff, sei es Sex oder seien es Machtmittel oder Ruhm, dann müssen wir sterben. Dieser Quälgott, der uns in tödlicher Ermattung hungrig verenden läßt, der ist nicht.

Wir dürfen dem Jesus den Gott der Freude nachglauben. Der bahnt uns durch Freude und Leid hier den Weg zur unerschöpflichen Freude.

Nietzsche: Erlöster müßten mir seine Jünger aussehen, wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte. Wohl war! Wieviel Verhuschtes, Verhärmtes, Verzichtendes und Beargwöhnendes im Christentum als Gift mitfließt, ist unbeschreiblich. Wieviele seelisch erkrankten an der zur Bandage und zu Folterwerkzeugen verdorbenen frohen Botschaft, ist unsäglich.

Kernpunkt ist immer das Mißtrauen der Christenheit gegen die kreatürliche Lebensfreude. Dabei ist die Gewißheit doch festgeschrieben: Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut. Nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird (1 Tim. 4, 4). Selbst der Wein und die Fähigkeit, miteinander zu tauschen, also Geld, und die geschlechtliche Verfassung des Menschen und der Erkenntnistrieb sind gut!

Aber was uns gegeben ist zur Freude, das können wir als Waffe mißbrauchen. Wir können uns und andere zerstören, z. B. mit Alkohol. Darum Respekt vor allen Abstinenzlern, die ihre Freiheit gebrauchen, die Freiheit zu Alkohol nicht zu gebrauchen, konsequent und eisern. Respekt auch vor selbstgewählter Armut, und Respekt auch vor dem Verzicht, geschlechtlich mit sich und andern umzugehen, weil sie sich oder andere bedroht sehen durch ihr möglicherweise verantwortungsungerechtes Umgehen. Geschlechtsleben ist noch kein Leben. Respekt vor dem, der für sich verzichtet, weil er meint, es täte ihm gut und erspare ihm Verwicklungen.

Aber Christen meinten Gottgefälliges zu tun, wenn sie auf einige Quellen von Freuden verzichten und anderen den Verzicht auferlegen. Und diese Gesetzlichkeit, sie vernagelt den Gott der Freude. Paulus pocht darauf: Zur Freiheit hat uns Christus befreit. So besteht nun in der Freiheit und laßt euch nicht wieder in ein knechtendes Joch zwingen (Galater 5, 1).

Freiheit zur Freude ist uns gewährt und geradezu geboten! Wie aber ist Freude abzugrenzen gegen eine selbstverliebte Lust, die an sich rafft, was Spaß macht und von sich stößt, was Verdruß bereitet? Nichts gegen Lust, nichts gegen Spaß! Lebenslust, Lebensfreude ist die natürliche Mitgift Gottes an jede Kreatur (Paul Tillich)- von spielenden Hunden bis zur Ode "Freude schöner Götterfunken". Aber, es gibt Lust ohne Freude, Spaß, vor allem Späße ohne Freude, eine "zum Schallgespenst verflüchtigte Belustigung" ohne Heiterkeit (Botho Strauß). Da ist der alte, verwitwete Gebirgsbauer, der angezeigt wurde, daß er mit seinen erwachsenen Töchtern in Blutschande lebe. Er sagte dem Richter, bei Adolf Muschg steht es, "es war nicht Freude, nur ein bißchen Trost." Wie an Spielautomaten die Gambler sich berauschen am Schnurren der Trickkiste,- sie übertönen die innere Leere mit dieser Kurzzeitextase, solange die Walzen rollen. Freude dagegen ist ein Empfinden von Vollständigkeit: ich fühle mich im Ganzen, ich fühle mich gut aufgehoben, ich fühle mich leicht und getragen und zugehörig; mir geht ein Zusammenhang auf, der mich umfängt. Bei der Freude des Wiedersehens, des Wiedererkennens ist diese Vollständigkeit so zu greifen, Erinnerungen, Heimatgefühl. Behütete Kindheit anhand der Weihnachtslieder, ein Duft, ein Kleid, ein Gedicht, eine Erkenntnis.

Freude ist der Geschmack am Gutsein. Ich bin dann gerne ich, weil ich nehmen und geben kann, weil ich ernten kann, ohne zu zerstören, ohne zu bestehlen. Freude am Werk des Lebens haben, das ich mittun darf, empfangend und spendend. Freude am Freude-Machen. Daß wir Freude machen können, ist doch Berufung, mitschöpferisch sein zu dürfen, Gottes Gaben mit anrühren, verwandeln, servieren, ernähren. Ein Kind stillen können: Mutter Gott spielen dürfen, ja sein dürfen ein kleines Stück weit. Die Freude, den hilfreichen Impfstoff entdeckt zu haben, oder das Pflaster für´s Kinderknie rechtzeitig zur Hand zu haben. Kennzeichen von Freude ist, daß mit mir Gutes gelingt, daß mir Wahrnehmung von Gutem widerfährt. Mir oder mit mir scheint das Gutsein der Welt glaubwürdig, ein bißchen anfaßbar. Es duftet nach Gutwerden des Ganzen.

Darum sind auch große und kleine Feste so wichtig, daß ich den Freudengrund des Daseins wahrnehme. Oliver Sachs: Der Tag, an dem mein Bein fortging, beschreibt, wie er nach einer komplizierten Beinoperation und nach langem quälenden Trainieren zum ersten Mal die Klinik auf eigenen Füßen zum nahegelegenen Restaurant verlassen kann und dann: Ich bestellte fast alles, was auf der Karte stand, vom Krabbentoast bis zu Rumkugeln und Baisers, und alles war herrlich, das reinste Liebesmahl. Es war orale Musik. Es war nicht nur herrlich, sondern heilig - ich empfand das Mahl als ein Sakrament, mein erstes Teilhaben an der Welt. Die Substanz, die Sinnlichkeit war auch etwas Geistiges. Das Essen und die Getränke waren gesegnet. Es war mir ein heiliges Fest.

Freude läßt unser Inneres aufgehen. Wir erfüllen aneinander, was wir sind, sind einander Gehilfen der Freude. Freude entfremdet uns nicht vom innersten Wesen der Welt, von Gott, sondern macht dankbar. Ja, Dankbarkeit ist der Goldgrund jeder Freude, wenn sie eine ist.

Freude ist auch immer Vorfreude. Sie kennt kein endgültiges Abgeschnittensein, kann es nicht denken für nichts und niemanden. Sie ist kein Teich, sondern ein Strom, auch wenn es nur ein Rinnsal ist. Auch ein Bächlein hat die Weite des Ozeans in sich, den Duft vom Meer. Und so hat die Freude an einer Blume, der Hundeblume im Gefängnishof (W. Borchert), die Weite von Blütengärten bei sich. Freude an der einen Blume läßt nicht endendes Paradies vorscheinen, für jede Kreatur. Wer sich freut, ist nicht eigensüchtig, er sehnt sich letztlich nach Versöhnung aller Kreatur.

Und Freude ist ein Stück gelebte Freiheit, frei von Schicksalsfurcht, Weltangst, Melancholie, frei von Größenwahn und Verdrossenheit, wenigstens ein Stück weit, das Stück der Freude weit. Lachen, Humor, Selbstironie, Heiterkeit sind so hilfreich. Das befreiende Entschärfen einer Situation durch ein fröhliches Lachen, es ist ein Wink des Himmels.

Und Freude hat auch Spuren von Seligkeit bei sich, die Geduld, auch Leid zu tragen, und beharrlich sich zu bemühen gegen Freudevernichtung.

Zum eigenen Vergnügen kann ich andere benutzen und mißbrauchen. Dagegen Freude, dieser Lebenszunder, den kann man nur teilen. Und dann lächelt es in uns. Ein sicheres Zeichen: Der Herr ist nahe!


 




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