Traugott Giesen: Gottvertrauen und
Weltverantwortung
Gottvertrauen war in unseren Breiten oft verquickt
mit Gehorsam gegen die Obrigkeit. Kein Wunder, dass Könige, wenn sie
auch die oberste Kirchenleitung hatten, Ruhe als erste Bürger- und
Christenpflicht ausgaben. Hinzu tritt die Scheu, sich hervorzutun, das
übliche Gruppenverhalten. "Nimm dich nicht so wichtig!" Das Lied: "Was
Gott tut, das ist wohlgetan" hat viel dazu beigetragen, Mißstände
als gottgewollt hinzunehmen. Und mit moralischer Empörung wurde den
Menschen die Wut, die Entrüstung, der Schmerz, der Zorn abgekauft, als
wären Gefühle, vor allem die agressiven, eben nur böse und
verachtenswert.
Dabei legt der verborgene Betreiber des Lebens
seine Energien in uns. "Schaffet, dass ihr selig werdet mit Furcht und Zittern.
Denn Gott ist es, der in euch beides wirkt, das Wollen und Vollbringen, nach
seinem Wohlgefallen" (Philipperbrief 2,12). Gottvertrauen ohne Weltverantwortung
- das ist doch der Baum, von dem Jesus sagt, dass er ohne Früchte ins
Feuer geworfen wird (Matthäus 7,19). Du vertraust Gott, dass sein Reich
kommt; also bist du verantwortlich, dass die Fundamente schon gelegt werden.
Du vertraust Gott, dass er Gerechtigkeit herbeiführt; also bist du
verantwortlich, dass Unrecht weniger wird. Du vertraust Gott, dass seine
Wahrheit die Welt erhellt; also bist du verantwortlich, dass nicht Lüge
sich für Wahrheit ausgibt. Du vertraust Gott, dass die Liebe mehr wird;
darum linderst du Lieblosigkeit, Einsamkeit, Hunger. Gottvertrauen und
Verantwortung gehören zusammen wie Baum und Frucht. Verantwortungslosigkeit,
selbstzufriedenes Gottvertrauen ist wie ein hohler Baum, ist Ausbeutung und
Illusion. "Immer habe ich Gott vertraut, aber meine Kräfte habe ich
für mein Zurechtkommen gebraucht. Dass diese mit zum Kräftehaushalt
Gottes gehören, habe ich nicht bedacht." - Das ist ein
Sündenbekenntnis, welches auch ich über mich bringen
muß.
Aber Gott sei Dank, dass der Grund der Welt
noch unsere verqueren Taten zum Guten münzt. Wir sind fürs
Nächstliegende so scharfsichtig, aber fürs Ganze so blind (R. Musil).
Dass dennoch aus unserm Klein-klein Bruchstücke eines Ganzen werden,
ist sein Geheimnis. Unter Jesu Anleitung könntest du schon Lust bekommen,
dich eingespannt zu sehen in größere Verantwortung.
Es ist ja so: Mitgegeben ist uns Vernunft, die
vernimmt, was gut ist, was mehr wert ist, und Verstand, der die Mittel besorgt,
zweckmäßig und kräfteschonend. Wir lernten, unsere Hände
zu verlängern in Werkzeugen, unsere Füße zu verlängern
in Fahrzeugen, unsere Gehirnfähigkeit zu vergrößern durch
Denkzeug: Schrift, Bücher, Computer, Datenbank, Prozeßrechner,
in denen wir tausend Möglichkeiten durchspielen können.
Uns ist geradezu geboten, dass wir selig werden,
glücklich, heil, und Glück und Auskommen der anderen mit im Blick
zu haben. "Schaffet, dass ihr selig werdet" ist keine Einladung, für
dermaleinst einen Schatz guter Werke und Gedanken zu sammeln. Ich verstehe
es für heute. Und zwar so: Schaffet mehr wertes Zusammenleben,
erschließt sanfte Energiequellen, baut Häuser mit
familiengünstigen Grundrissen, erwirtschaftet solidarisch, entwickelt
fehlerfreundliche Techniken, vor allem fehlerfreundliche Gesellschaftsformen,
in denen Macht nicht gewalttätig benutzt wird und Versäumen
korrigierbar ist. Schafft das mit Furcht und Zittern, mit letztem Ernst,
denn der Verborgene, der Gute richtet das Seine in uns aus. Nicht zu fassen,
wie wichtig unser Tun und Lassen ist.
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von Lebensmut