Keitumer Predigten Traugott Giesen
01.01.2000
Neujahr
Die Jahreslosung 1999: Jesus Christus spricht: Siehe, ich bin bei euch
alle Tage bis an der Welt Ende. (Matthäus 28, 20)
Die Jahreslosung 2000: Gott Spricht: Wenn ihr mich von ganzem Herzen
suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen. (Jeremia 29, 13-14)
Wir sahen die Zeit ablaufen eines Jahres, eines Jahrhunderts, eines
Jahrtausends.
Und wenn wir schon innehalten bei einem ganz privaten Jubiläum,
40 werden oder 60, oder Ehe- oder Firmenjubiläum, dann erst recht
doch, wenn Milliarden Menschen ein neues Jahrtausend einläuten.
Die letzten Minuten des Jahres � wer das Glück hatte, sie in St.
Severin zu erleben, empfand das sicher tiefgreifend: Die Minuten zogen
sich, fünfmal kreiste der Sekundenzeiger, 5 mal 60mal schnellte das
Silicium in die Figurationen von 0 bis 9 � fünf Minuten Stille, Lauschen,
Warten, Hoffen, Erinnerungsfetzen, und Hinfühlen, ob es gut ist mit
dir.
Und nun steht ein Vielfaches für uns bereit. � Wir betreten das
Neue Jahr als weiten Raum, als Chancenland. Persönlich und in Gemeinschaft.
Insgesamt werden wir mehr fürs Gemeinwesen tun. Indem wir einander
die Begabungen fördern und ausbreiten helfen, einander dienen � ein
weites Feld, wie das in jedem einzelnen Fall zu entgelten ist, muß
man sehen. Aber wie veröffentlichen wir Bedürfnisse und Begabungen?
Wie tauschen wir � auch mit dem Wenigbemittelten, und das auch auf Länderebene.
� Elend, wen�s auch trifft, wird immer den Menschheitskörper treffen.
Das Bild von der einen Erde, mit der einen Menschenfamilie, der eine Körper
der Kreatur � wird uns in Fleisch und Blut übergehen. �
Und wir werden viel tun, um gemeinsames Glück zu schmecken, schon
die Feier rund um den Erdball in den verschiedenen Zeitzonen, Feier des
einen gemeinsamen Kalenders, Feier des Wunders, daß da nicht Abbruch
und Untergang war sondern � die Zeit weiter mit uns geht. Nie hat wohl
die Menschheit einen Termin, ein Ereignis so fröhlich gefeiert. Und
es war ja das Ereignis einer weltweiten Verabredung.
Ein Glaube trägt die Menschheit: Daß es weitergeht mit uns.
Wer ist das Es, das weitergeht mit uns? �
Das Es, das weitergeht mit uns, nenn es Zeit, Schicksal, Gott � wir
haben gute Gründe, dieses Es als persönlich gestaltetes Gegenüber
zu wissen.
Der einen Namen hat, sich rufen läßt, �Ich bin bei euch�
ist sein Name, hebräisch: Jahwe � mit andern Vokalen: Jehova � die
pure Lust, zu schaffen, zu lieben, zu überraschen; die pure Lust,
sich zu fühlen in den freudvollen Empfindungen; die Lust, den Mangel
und die Schmerzen zu lindern � und so sind wir seine Rezeptoren, seine
Nervenenden mit Spielraum, mit Freiheit zu ja und nein.
Es ist weiter mit uns gegangen. Er, Sie, Es, Gott, das Geheimherz der
Zeit ist weiter mit uns gegangen � und sagt: Ich will mich von euch finden
lassen.
Ein anrührendes Bild:
Kinder spielen Verstecken und einer hat sich so gut versteckt, daß
die Kameraden es aufgeben, ihn zu suchen � und dann haben wir uns bemerkbar
gemacht � und dies Erschrecken, Enttäuschtsein, keiner sucht mehr.
� So Gott auch. Was sind seine Verstecke?
Auch im naturwissenschaftlichen Wissen versteckt sich Gott: �Der erste
Schluck aus dem Becher der Wissenschaft macht atheistisch, aber auf dem
Grund des Bechers wartet Gott� so der wunderbare Satz von Max Planck.
Die besondere Form diese Verstecke zu öffnen, ist die Zärtlichkeit.
Daß Gott diese �Türöffnermethode� gefunden hat, ist doch
Gottesbeweis, allein dieser Gedanke, daß nicht mit Brachialgewalt
wir zu öffnen sind, sondern, ja, durch Wiedererkennen des einen im
andern. Zartheit � und auf der Haut die Seele, die schön wird. Und
die Bedürftigen, die warten auf den neuen Verband, ein frisch gemachtes
Bett, brauchen heute den Anruf, daß mit ihnen noch zu rechnen ist.
Chancenland � dein Gott dir mit im großen Zeitraum � dein Projekt
zu betreiben. Dein Projekt muß sein, daß du gern du bist, das
ist eine Blüte Gottes � dein Du, deine Seele, Blüte Gottes �
das denk. Und du weißt, was gut und böse ist. Und was dich vom
Ziel abbringt, und was dich näher bringt diesem Fühlen von Lob
und Dank und Gern-du-sein.
Es ist dir aufgegeben, dein Glück zu betreiben; Gott will sich
darin finden lassen, in deinem Aufatmen, deinem Spüren von Entflammtsein,
deinem Gelingen � und es wird immer auch was abwerfen für den Nächsten.
Das ist sowieso Gottes Kunstwerk, dies Verknüpfen, von einem und dem
andern.
Gott, Sinn. Das Ganze bleibt verborgen: Du hast es erlebt: Du bist
bewahrt und gefordert worden, beschenkt und beschwert, bist verantwortlich
und fahrlässig, wurdest schuldig und Rettendes gelang mit dir auch.
Wir haben auch gelitten und wurden getröstet, wir liebten und vergaßen,
wir wurden Zeugen neues Lebens und kommen dem Sterben näher. Wir waren
ganz da in der Zeit und verschliefen ein Drittel der uns genehmigten Frist.
Und so wird�s weiter gehen � wir sind getragen. Die Zeit trägt uns.
Wir werden danken, daß wir da sind. Ich bin, hier und jetzt.
Für diese wichtigste Zutat unseres Lebens können wir nichts.
Wir sind ins Sein gerufen, gerade jetzt, dürfen noch hiersein auf
dieser schönen Erde. Wir können noch den Problemen uns widmen.
Was hilft, ist findbar. Die Urheber von Furcht sind bekehrbar. Lebensangst
soll nicht sein.
Auch wenn ihm Gottes Adresse nicht klar wäre � die Richtung zeigt
auf Hoffen hin: Daß wir es richtig machen und in unserm Kopf es weiter
richtig tickt. Und daß wir freundschaftlicher werden, wir uns nicht
wegstoßen sondern durch Mehrarbeit mehr auf den gemeinsamen Tisch
bringen. Segen über das, was war und was kommt. In dem undurchsichtigen
Sack Zukunft steckt auch Entzücken.
Hoffnung ist der bessere Wegweiser als die Angst. Gott wird sich finden
lassen � Er trägt uns ja. Amen.