Keitumer Predigten
Traugott Giesen 14.01.2001
Die Macht des Glaubens
Das Gesetz ist durch Mose gegeben, die
Gnade und Wahrheit ist durch Christus geworden. Johannes 1, 17
Markus 16, 15ff: Und Jesus sprach: Gehet
hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur.
Wer da glaubt und getauft wird, der wird
selig werden.
Die Zeichen aber, die folgen werden denen,
die da glauben, sind diese: In meinem Namen werden sie böse Geister
austreiben, in neuen Zungen reden,
Schlangen mit den Händen hochheben,
und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird's ihnen nicht schaden;
auf Kranke werden sie die Hände legen, so wird's besser mit ihnen
werden.
Nachdem der Herr Jesus mit ihnen geredet
hatte, wurde er aufgehoben gen Himmel und setzte sich zur Rechten Gottes.
Sie aber zogen aus und predigten an allen
Orten. Und der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch
die mitfolgenden Zeichen.
Matthäus 20, 25ff: Aber Jesus rief
sie zu sich und sprach: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker
niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun.
So soll es nicht sein unter euch; sondern
wer unter euch gross sein will, der sei euer Diener;
und wer unter euch der Erste sein will,
der sei euer Knecht,
so wie der Menschensohn nicht gekommen
ist, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben
zu einer Erlösung für viele.
Der christliche Glaube und die Macht.
� Das ist eine lange Geschichte der Irrtümer und Wirrungen. Es fing
mit einer schlichten Geschichte des Jesus an. Der erzählte von einem
hohen Herrn, der ein Fest gab und viele dazu einlud. Aber es sagten eine
Reihe ab, entschuldigten sich, sie hätten gerade einen Acker gekauft,
und müssen ihn besehen, ein Joch Ochsen, und das müssen sie prüfen;
einer sagte, er habe geheiratet und könne nicht kommen. Da lud der
Herr die Leute von den Hecken und Zäunen ein, wollte dass jeder Platz
besetzt sei. Wenn die Erstgeladenen doch noch kämen, sollten sie umsonst
gekommen sein, darum drängte der Herr die Knechte: Holt wen ihr findet,
und �nötiget sie hereinzukommen�. Dieses �Nötiget sie herein�,
Lat.: �Cogite intrare� wurde später gelesen als Auftrag zu missionieren,
zur Not mit Gewalt � und die Inquisition wollte später die armen Seelen
retten, indem sie durchs Feuer gereinigt würden.
Glaube und Gewalt. � Die Christen meinten
lange, �wen Gott liebt, den züchtigt er� auch (Hebräer 12, 6).
Und sie boten sich gerne an als Richter und Handlanger, etwa für die
Todesstrafe � heue noch in Texas. Und die Ermordung von Millionen Menschen
jüdischen Glaubens war die furchtbarste Machtentfaltung der Christenheit.
Bis eben glauben ja auch die Christen
noch an einen strafenden Gott, dem 2. Gebot zufolge ein eifernder Gott,
der die Missetat der Eltern heimsucht an den Kindern bis ins dritte und
vierte Glied (2. Mose 20, 5). Die Fortsetzung �aber der Barmherzigkeit
erweist an vielen Tausenden, die mich lieben� � wird überhört
in der Straflust, zu der sich Menschen berufen wähnen.
Glaube und Macht. � Auch das Imponiergehabe
von riesigen Kirchen mit Gottesdiensten, inszeniert wie Opern, soll einem
ja Schneid abkaufen, soll auf die Knie zwingen.
Auch der Umgang mit Geld ist ja für
Christen immer noch ein heisses Eisen: dürfen wir uns Bequemlichkeit
kaufen oder einen Riesenanteil an der Ernährung oder an den Energien?
Wir müssen doch auf Privilegien aus Geldbesitz mehr verzichten. �
Wer Geld hat, kann sich bedienen lassen, kann durch Belohnen Geschehen
in seinem Sinne beeinflussen � heikel, das Thema.
Christen und Macht. � Der Jesus sagt:
Wer bei euch der Erste sein will, der sei Diener aller. Das ist überraschend.
Erster sein wollen wird als begehrenswertes Ziel herausgestellt, nur die
Methode ist anders. Erster, im Sinne von verantwortungsbereit, bleibt Auftrag.
Es gibt da Jesus Geschichte von den drei Verwaltern, denen der Herr 50,
10 und einen Zentner Silber gab; sie sollen damit gute Geschäfte machen,
bis der Herr heimkehre. Und wie verächtlich wurde vom Herrn der abgefertigt,
der das Startkapital vergraben hatte aus Angst. Gott will uns hart am Wind
haben, da, wo Schicksale entschieden werden, da wo Arbeit beschafft wird,
da wo Menschen angeleitet werden, ihre Gaben zu leben. Die Christen sind
klar an die Arbeit geschickt, sie sollen Umsatz machen; das heisst doch,
Menschen bringen, was sie begehren und brauchen, ihnen also helfen zu mehr
Glück, weniger Mangel. �
Damit sind wir bei der eigentlichen Macht
des Glaubens. Paulus sagt von ihr, es ist �die Kraft Gottes, die in den
Schwachen mächtig ist.� Diese Kraft räumt uns Menschenwürde
ein, und erhebt unser Selbstbewusstsein, was gerade heute wichtiger denn
je ist. Früher fand man Halt aus Zugehören zu Familie und Volk
oder aus Grundbesitz oder aus Wissen. Heute ist Flexibilität das Gebot
der Zeit. Ein zwanzigjähriger Amerikaner mit zwei Jahren Studium muss
damit rechnen, in vierzig Arbeitsjahren wenigstens elf mal die Stelle zu
wechseln und wenigstens dreimal seine Kenntnisbasis auszutauschen. Heue
gibt es immer weniger Lebensstellungen, sondern Projekte auf Zeit, weniger
Laufbahnen und mehr Arbeitsfelder. Dass heisst mehr Umzug, mehr neue Umgebung,
immer neue Verknüpfungen von Mitmenschen, weggerissen von Eltern,
von Verwandtschaft, viel gutnachbarschaftliches Verhalten, aber immer weniger
ist man auf längere Zeit Zeuge des Lebens seiner Nachbarn � so Richard
Sennett �Der flexible Mensch.� Das macht drei Sachverhalte ganz neu wichtig:
Die Ehe oder Ähnliches � ein Mensch, mit dem man ein Lebensganzes
bauen will, mit einem gemeinsamen Kalender; zweitens die eigene Kranken-
und Alterssicherung, weil die Zuständigkeit aus Verwandtschaft schwächer
wird; und vor allem, drittens, erhält ganz neues Gewicht mein, dein
christlicher Glaube.
Er beschafft dir Stabilität aus Zugottgehören
� wo du auch bist; und was andere auch von dir halten � es kann dich letztlich
Menschenmeinung nicht entwürdigen. Du weisst dich unter Gottes Einfluss.
Aus Glauben wächst dir auch die Macht
der Liebe zu: Luther nennt Gott mal �einen glühenden Backofen voll
Liebe� � und du bist auch eine Feuerstelle, auf der Gott das Zusammengehören
köchelt.
Die Macht des Glaubens ist der Glaube
an die Macht der Liebe � die kocht die harten Herzen weich, die beugt zum
Bedürftigen, die macht auch den Nächsten schön. Liebe in
Gestalt von Achtung beschafft Zukunft. Dass auch die Kinder meiner Feinde
Essen, Medizin, Ausbildung, Chancen haben sollen, entfeindet, verwandelt
eben. � Woher nehmen, diesen Glauben an die Macht der gewaltlosen Verwandlung?
Albert Schweitzer, Mahatma Gandhi, Henri Dunant, sie glaubten den Jesus
Christus als Zeugen. Sie wussten alle nicht, ob die Verfeindung der Menschen
zu lichten sei. Sie setzten im Namen des Christus die Hoffnung auf die
Liebe. Weil Gott ist, und Gott Liebe ist, wird alles zum Lieben hergerichtet.
Und was jetzt nicht der Liebe Geltung verschafft, das verdunkelt, verzögert,
schwächt, verwirrt.
Lieben ist Teilnehmen an der Allmacht
Gottes schon jetzt, allerdings auch teilnehmen am Leiden, denn die Liebe
muss leiden, sie kann nicht zum Mittel der Gewalt greifen � darum durfte
Jesus nicht die Engel herbeifordern am Kreuz. Er musste ertragen die Liebelosigkeit
der Machthaber, doch die reisst nicht aus Gottes Hand, das erprobt Jesus
und ist zum Kronzeugen geworden der Macht der Liebe, der Macht des Glaubens.
Der Glaube ermächtigt, an Gottes
Werk teilzunehmen, ermächtigt zur Liebe, ermächtigt zu Gottvertrauen,
wie tief du auch hinausgeschleudert wirst ins Ungewisse. Und ermächtigt
zur Vergebung.
Um Vergebung bitten und Vergebung einräumen,
also bitten und mitbesorgen, dass das Getane nicht die Zukunft vermint,
sondern die Zukunft neuer Acker sein darf � wohl geht der Schmerz mit,
die Enttäuschung, doch ein Neues ist im Werden; das glauben: ich kann
ein anderer werden, ich weiss doch, der schaffende Gott hat mich immer
noch in Arbeit, meisselt mich aus dem Stein. Und ich will auch den, der
mich verletzte, nicht festnageln an die schlechte Erfahrung, wo doch Gott
ihn auch noch verwandelt.
Letztlich ist die Macht des Glaubens das
Wissen: Gott liebt dich und braucht dich. Das beschafft eine unantastbare
Menschenwürde. Und ein kraftvolles Selbstbewusstsein. Eins, das sich
nicht nährt aus der Schwächung anderer, nicht herstellt aus der
eigenen Leistung, die doch stündlich gefährdet ist, abzubrechen
und in Fehlern zu versinken. Nein, Würde und Selbstbewusstsein kommt
aus dem Glauben, geliebt zu sein. Und so darfst du nach Glück streben,
darfst und sollst gerne du sein, darfst auch Einfluss haben und sollst
wirken.
Was die ersten Christen dem Glauben zutrauten,
fassten sie in wunderbare Symbole Die Zeichen aber, die den Glaubenden
folgen werden, sind: Sie werden in Gottes Namen böse Geister austreiben:
also Hassausbrüche gegen sich und andere entkräften; zum Besten
kehren; neuen, gewissen Geist einhauchen; in neuen Zungen reden; eine Sprache
finden, die Brücke ist von der Seele zur Seele, Hand zu Hand.
Und auf Kranke werden sie die Hände
legen, so wird's besser mit ihnen werden. � Die Macht des Glaubens ist
letztlich das Wissen: Was geschieht, ist in Gottes Haushalt, also auf dem
Weg zur Heilung � und �muss ich durch die Höll, ist Christus mein
Gesell.� �
Tu, was du tust, so persönlich wie
möglich und verknüpf dich � du aus Gottes Willen kraftvoller
Mensch. Amen.