Keitumer Predigten Traugott
Giesen Totensonntag 25.11.2001
Vor uns das Leben
Johannes-Evangelium 14, 1-3. 19
Christus spricht: Euer Herz erschrecke nicht!
Glaubt an Gott und glaubt an mich! In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen.
Wenn's nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin,
euch die Stätte zu bereiten? Und wenn ich hingehe, euch die Stätte
zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid,
wo ich bin. Denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.
Warum das alles so wichtig ist mit dem Glauben,
hat Goethe auf den Punkt gebracht: "Der Glaube ist ein häuslich, heimlich
Kapital, wie es öffentliche Spar- und Hilfskassen gibt, woraus man in
Tagen der Not Einzelnen das Brot reicht; nimmt hier der Gläubige sich
seine Zinsen im Stillen selbst." Also der Glaube eine innere Bank, die mir
Lebenswillen zuführt, Geisteskraft, Zuversicht, Selbstachtung. Der Glaube,
jedenfalls der dem Jesus nachgeht, ist eine Quelle, die mich mit Strömen
heilsamen Wissens tränkt: ein Schatz, der sich im Schlaf erneuert, auch
durch Gehen im Wind an der Flutkante längs, oder beim Getragenwerden
von großer Musik; Glaube, auch ausgeteilt, im Einverständnis der
Körper und der Seelen. Glaube aus dem Hören auf die Muttersprache
der Religion, wie sie von Jesus gesagt ist. Davon verebbt das Summen und
Brummen der Meinungen, die Fliehkraft von mir weg wird aufgehoben, die
unaufhörliche Drehung des Erlebens kommt eine Spanne weit zur Ruhe.
Du wirst mehr du selbst durch das, was du als dein Zentrum glaubst und aus
diesem Zentrum tust. An deinem Glauben erstarkt dein Inneres. Es gleicht
einem Magneten, der durch das, was er anzieht, immer weiter
vergrößert wird (nach R. Musil).
Es gibt Glaubenssorten, die ziehen uns von uns
ab, stellen uns in den Dienst anderer Mächte, es heißt du seist
Nichts - das Volk ist alles. Oder Du ein nichts, Gott oder Allah sei alles,
so raunt es in vielen runterziehenden Weltanschauungen: du zählst nicht,
deine Leistung ist alles, und dein Gehorsam. Am 11. September wurden tausende
Leben ausgelöscht von ein paar Menschen, die sich für auserwählt
hielten, Gericht zu halten, zu verachten, zu verneinen. Wenn der Tod in Dienst
gestellt wird, maßen wir uns Gottsein an. Das Gebot: "Du sollst nicht
töten" muss unverbrüchlich gelten, wie sonst hätten ich, du
ein Recht auf Leben?
Aber der Christenglaube hat eine Leuchtkraft,
die durch den Tod trägt. Der Tod löscht uns nicht aus, entwertet
unser Ich nicht. Ja, im Augenblick unseres Sterbens sinkt alle unsere Macht
dahin. Unsere zärtlichen und gierigen Hände müssen ablassen.
Unser Besitz geht an andere, unser Körper wird wieder zu Erde. Unser
Geliebthaben und Geliebtwordensein, aber auch unser Versagen prägt das
weitergehende Leben, weit über unsere Lebenszeit hinaus.
Doch wir selbst, - wo sind wir hin, Ich mein
Ich, wer hebt mich auf? Wem bin ich noch wer, nicht nur der Gewesene? Bei
aller Liebe zu den Gestorbenen - sie bleiben die von da, von vorher. Aber
jetzt ist nachher. Jetzt ist nicht mehr ihre Zeit. Sie werden nicht mit uns
alt. Gut an ihre Gräber zu gehen, obwohl wir wissen, sie sind nicht
da,- aber unser Erinnern kann da stärker sein, wir können
uns was Gutes tun, indem wir sie und ihr Grab in Ehren halten. Und immer
versöhnter mit ihnen zu werden. Doch wir müssen die uns Gestorbenen
nicht am Leben halten. Wir sind nicht in Ägypten von vor 4000 Jahren,
wo die Lebenden den Toten Pyramiden bauten, um sie frisch zu halten. Wir
haben einen Glauben, besser: uns trägt ein Glaube, der weiß: Die
uns starben, leben in Gott. Die aus unserer Gemeinschaft gehen, finden Heim
und Bleibe am Herz der Liebe. Aus dem einfachen Grund: Gott ist kein Gott
der Toten, sondern der Lebendigen. Darum, mögen sie uns tot sein, für
Gott sind sie da, ganz da, mehr da, denn je. Mit wem Gott je gesprochen hat,
sagt Luther, der ist unsterblich. Jesus sagt es ganz einfach, sagt es im
Namen Gottes: "Ich lebe und ihr sollt auch leben."
Darum, Exitus ist nicht Finish, sondern wirklich
Exitus: lateinisch: Ausgang. Das Ich, die Person, die so gewordene und gewachsene
Seele kommt mit der Beute an Erfahrung zu Gott. Und Gott liebt sie und macht
sie schön und macht sie heil. Die uns starben sind uns voraus, sind
uns vorausgegangen dahin, wo Fried' und Freude lacht. Mehr brauchen wir hier
nicht zu wissen. Was die uns Gestorbenen angeht, - es geht ihnen gut sie
kommen zurecht, sie sind mit Gott beschäftigt. Sie mussten ins Dunkel
eintreten, um ihn schon schauen zu können. Sie sind erkannt, wie sie
von immer her gemeint waren, - aber zu Erdenzeiten, wie in beschlagenen Spiegeln
nur umrisshaft wahrgenommen waren. Wichtig, dass wir schon leben. Und nicht
erst sterben müssen, um zu uns selbst zu finden. Helfen wir uns, zu
merken. Merken wir mehr die Mühe, die Menschen sich machen, loben wir
mehr, geben wir einander mehr gute Worte, aufrichtende Blicke. Deine Gaben,
lebe sie. Deinen Schönheitssinn, deinen Gerechtigkeitssinn, deine
Fürsorglichkeit, deinen Wagemut, deine Schaffensfreude gib sie aus,
gib dich aus, gib dich dran ins schöne schwere Hier und Jetzt. Und du
wirst mehr du selbst schon hier, beteiligt an der Schöpfung, die Reich
Gottes wird.
Unser Glauben dem Jesus nach, sei uns eine sichere
Bank der Zuversicht, dass wir nicht vom Leben abfallen. Amen.
Schlussgebet