Keitumer Predigten Traugott
Giesen 05.01.2003
Der Mensch sieht, was vor Augen ist, aber
Gott sieht das Herz an.
Dieses gute Wort hat ein weises Gremium als
Jahreslosung für bewusste Christen ausgesucht.
Der Ursprung liegt bei 1. Samuel 16. Der Prophet
erhält den Auftrag, einen neuen König zu salben und geht nach Bethlehem
zu Isai, und heiligte den Isai und seine Söhne und lud sie zum
Opfer.
Als sie nun kamen, sah er den Eliab an und dachte:
Fürwahr, da steht vor dem HERRN sein Gesalbter.
Aber der HERR sprach zu Samuel: Sieh nicht an
sein Aussehen und seinen hohen Wuchs; ich habe ihn verworfen. Da rief Isai
den Abinadab und ließ ihn an Samuel vorübergehen. Und er sprach:
Auch diesen hat der HERR nicht erwählt.
9 Da ließ Isai vorübergehen Schamma.
Er aber sprach: Auch diesen hat der HERR nicht erwählt.
10 So ließ Isai seine sieben Söhne
an Samuel vorübergehen; aber Samuel sprach zu Isai: Der HERR hat keinen
von ihnen erwählt. Denn er sieht nicht auf das, worauf ein Mensch sieht.
Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der HERR aber sieht das Herz an.
Und Samuel sprach zu Isai: Sind das die Knaben
alle? Er aber sprach: Es ist noch übrig der jüngste; siehe, er
hütet die Schafe. Da sprach Samuel zu Isai: Sende hin und lass ihn holen;
denn wir werden uns nicht zum Mahl niedersetzen, bis er hierher kommt.
12 Da sandte er hin und ließ ihn holen.
Und der HERR sprach: Auf, salbe ihn, denn der ist's.
13 Da nahm Samuel sein Ölhorn und salbte
ihn mitten unter seinen Brüdern. Und der Geist des HERRN geriet über
David von dem Tag an und weiterhin.
Der Mensch sieht was vor Augen ist. Das müssen
wir ja auch, wir können in keinen Menschen hineinschauen, und rücken
von dem ab, der sagt: Ich durchschau dich, ich weiß, was hinter deiner
Stirn so läuft. Es gehört zur Freiheit des Menschen, sich für
jemand ausgeben zu können, sich von sich ein Bild zu machen, das anders
ist, als anderleuts Wahrnehmung; wir haben das informelle Selbstbestimmungsrecht
eingeräumt bekommen von unserm Schöpfer: Ein Bild dafür ist
das erste Menschenpaar im Paradies, und Gott fragt, ruft: "Adam, Mensch,
wo bist du, wer bist du" (1. Mose 3,9). Wir dürfen uns auch vestecken,
dürfen uns geben und zurückhalten, dürfen uns entwerfen,
dürfen an unserm Drehbuch mitschreiben.
Wir dürfen uns auch schmücken, auch
eine Predigt mit Zitaten anreichern, wir dürfen beim
Einstellungsgespräch uns von der vorteilhaftesten Seite zeigen, und
diese ruhig auffrischen; wir sagen doch, "was wir von uns gedacht haben wollen"
(M. Frisch). Natürlich sehen wir was vor Augen, hören, was vor
Ohren ist. Urteilen oberflächlich - auf unsere Interessen gepolt: Ist
der interessant, ist sie charmant, welche Freunde hat er, was redet sie so.
Natürlich schätzen wir einander ab, - ständig, die
Verhaltensbiologen behaupten, die Frauen halten Ausschau nach dem, der am
Besten die Brut schützen und ernähren kann. Der Mann schaue nach
der Gebärerin vieler schöner Kinder. Das ist ja alles so eingerichtet,
damit wir lebenstüchtig sind und klarkommen, einigermaßen, schnellen
Blickes, mit guter Chancenverwertung. Und vor allem: Wir sehen mit egoistischen
Augen: auf uns bezogen beurteilen wir, was habe ich davon, wie bringt mich
der, die vorwärts, Der Mensch sieht, was viel versprechend ist.
Aber Gott sieht das Herz an. Gott sieht auf
unseren Grund, sieht unseren Grund: er sieht auf unserm Grund seine Gravur:
Er sieht. "Kind Gottes, geliebt, gebraucht". Darum kann auch Gott mich besser
kennen. Ich bin ja sein Fleisch und Blut, nicht weil er durch die Haut gucken
kann, sondern weil er uns unter der Haut sitzt.
Nicht, dass wir ihm nichts vormachen können
- so klang das ja: Der liebe Gott sieht alles - so verlängerten die
Eltern ihre Amtsautorität. Und machten Angst, den Katholiken bis in
den Beichtstuhl, - schon lange her; das Wort meint nicht, Gott guckt tiefer,
und durchschaut uns darum, sondern Gott sitzt uns im Herzen, - besser: wir
sind in seinem Herzen, unser Herz, unser Ich ist Teil von ihm, einen jeden
ergänzt Gott. Ein jeder hat mit Gott ein Herz, - wir sind seine Menschen,
darum kennt er uns, dich mich,
Und weiß was für ein Gemächte
wir sind, weiß, dass "wir vom Staub genommen sind" (Psalm 103), aber
"er hat nichts geschaffen, dagegen er Hass gehabt hätte" (Weisheit 11,28).
Es ist wohl das Wissen der Mütter, das
uns Gott so verstehen lässt. Die Mutter steht zu ihrem Kind, da kann
es geradezu machen was es will, es ist ein Stück von ihr, aus ihr gekommen,
immer wird sie die Schuld bei sich suchen, wird das Kind verteidigen,
vorzüglich den Sohn. Väter sind den Töchtern gütiger
- aus 1001 Grund. Es muss auch an eine Mutter gerichtet gewesen sein, dieses
Gebet: "Liebe mich, wenn ich es am wenigsten verdient habe, denn dann brauche
ich es am meisten."
Und das ist es, was Gott sieht, wenn er unser
Herz ansieht: Auf dem Grund unserer selbst sind wir bedürftig und
sehnsüchtig nach Liebe. Und je böser wir uns geben, desto
erlösungsbedürftiger sind wir; je distanzierter, desto nähe
durstiger, das steht uns natürlich nicht vor Augen, das schreiben wir
nicht auf unsere Stirn. Wir geben uns cool. Auch, weil wir ja wissen, wie
begrenzt die Quellen der Liebe sind. Und wie schnell verhöhnt ist man,
wenn wir den Panzer nicht an haben aus richtigen Klamotten oder gutem Konto
oder gutem Ruf oder Geschick oder gefragter Leistungsfähigkeit.
Ach, würden wir uns darauf einlassen: Gott
sieht das Herz an, Gott kennt mich, nur das ist wichtig.- Wie könnten
wir fröhlich ins Jahr gehen:
1"Lass die Heiden toben", habe ich schon öfter
in Keitum gehört und das meint wohl: Wenn du Gott auf deiner Seite
weißt, kannst du leicht einen Packen Verachtung ertragen, kannst leicht
dein freundliches Gesicht wahren auch bei übler Nachrede, kannst gelassen
Gutes reden und alles zum Besten kehren. Es ist oberflächlich, wie sie
dich beurteilen, aber du bist auch nicht besser, du weißt es doch,
ich, du, wir machen uns doch auch ein schnelles Bild vom Anderen. Wie wir
uns oberflächlich bemerken, umrißhaft oft nur, nur vom
Hörensagen, es ist nicht die Wahrheit, das müssen wir wissen. Es
reicht, um sich zurechtzufinden, reicht bis zur nächsten Korrektur.
2 Gott kennt dich, er hat dich ja erfunden,
gutbös, bösgut. Leben hat keinen heilen Urspung, den nur die
Bösen beschädigen, von denen man sich zwanghaft trennen
müßte, damit man gereinigt sei. So wieder in den Fantasy- und
Mystery-Filmen, Der "Herr der Ringe", die "zwei Türme" und "Harry Potter
und die Kammer des Schreckens" -gerade angelaufen: Wieder läuft es auf
die Scheidung der Reiches des Bösen und des Guten hinaus, wieder weiß
man, wer die Guten sind und wer die Totzuschlagenden. Dabei zweideutig
verkörpert sich Wirklichkeit, wir müssen der Entmischung widerstehen.
Unkraut und Weizen soll zusammenbleiben bis zur Ernte. Also prüfe nochmal,
wovon du dich fernhältst. Liebe verbindet statt zu trennen. Wen hast
du in deiner Nähe schon aufgegeben? Geh noch mal ins andere Lager. Was
wir von Gott wissen, ist, er geht ins andere Lager - er verknüpft und
schließt Frieden.
3 Nähern wir uns etwas der Sicht Gottes
an. Messen wir den Mitmenschen weniger an dem, was er hat, sondern an dem,
was er braucht. Das meint doch: man sieht nur mit dem Herzen gut. Im Grunde
sind wir bedürftig der Liebe und der Vergebung, alle. Was soll der Hochmut,
mit dem wir ausgrenzen und verachten, Anerkennen wir die jeweils andere
Erinnerung; wir können niemanden tadeln für das, was in seiner
Geschichte stattgefunden hat.
4 Und gib mehr Freude aus, erlöse aus dem
Jammertal, als würde alles schlechter - zeig dein freundliches Gesicht
und entbinde damit seins.- Der David ließ sich sagen: Gott liebt dich
und braucht dich: Dann tat er soviel Gutes, wie ihm möglich, und soviel
Böses, wie ihm nötig. Und Gott stärkte ihn und dich auch wieder
ein neues Jahr.