Predigt 30. November 2003
Keitumer Predigten Traugott Giesen 30.11.2003
1. Advent
Bleibt keinem Liebe schuldig. Wer den andern liebt, der erfüllt den
Willen Gottes. Du sollst deinen Nächsten lieben, faßt
alle Gebote zusammen.
Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses, sondern Gutes.
Gutes tut umso mehr, weil ihr die Zeit erkennt: Es ist Zeit aufzustehen vom
Schlafe. Denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir
gläubig wurden.
Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen. So lasst
uns ablegen die Werke der Finsternis und Erleuchtetes tun. (Römerbrief
13, 8-12)
Endlich Advent! Der Totensonntag ist vorbei, Lichter leuchten auf dem Weg
nach Weihnachten. Noch vier Wochen lang werden die Tage kürzer und dunkler,
dann das Christfest, auf den Punkt gesetzt, wenn die Tage wieder länger
werden. Also nehmen wir im Geiste Anlauf: Die Zeit drängt. Es ist was
im Kommen. Alles außer der Liebe ist dann überholt. Ein Sog zieht
die Zeit in die Zukunft: Heil gemacht, schöngemacht werden wir alle,
Gott wird uns verwandeln. Nicht nur dermaleinst. Paulus meint, in den paar
Jahren seit seiner Bekehrung, sei das Reich Gottes spürbar näher
gekommen. Paulus scheint erlebt zu haben, dass es besser wurde mit ihm, und
er meint, besser müsse es allen gehen, die gläubig geworden sind.
Sind wir auch sicher, dass uns der Glaube gut tut? Gerade 1. Advent können
wir dem wieder nachspüren.
Gläubig sein, heißt Verwandlung, Besserung erleben. Das Dunkel
ist im Schwinden, der Tag der Tage rückt näher, Gottes Jüngster
Tag, wo er uns alle nach getaner Erdenarbeit in die große Brandung
seiner Liebe einhüllt. Und jetzt fängt diese Verwandlung schon
an.
Klar, jetzt ist noch Druckzeit, Mühezeit, Kampfzeit, es ist ein Ringen,
zurechtzukommen und zurechtzuhelfen. Das bringt uns oft in Konflikt: Komme
ich zurecht oder helfe ich zurecht? Drängele ich oder fördere
gemeinsamen Fluss? Setz ich mich in Szene oder stelle andere ins Licht? Spare
ich oder bringe andere in Arbeit? Halte ich fest oder verschenke ich? Halte
ich Maß oder lebe ich auf Pump bei der nächsten Generation? Verschaffe
ich mir Gehör oder helfe ich anderen zu Wort zu kommen? Bringe ich mich
in Sicherheit oder besorge Sicherheit für alle? Noch ist Konfliktzeit:
Ich oder du. Überfluss gegen Hunger, Reich gegen Arm, Nord gegen Süd,
Bildung gegen Sprach- und Wissensschwäche, Junge gegen Alte, Moderne
gegen Fundamentalisten. Ist es ewig, dies EntwederOder? Wenn das Reich
Gottes auf dem Weg zu uns ist, muss schon hier ein Zusammenfinden anfangen.
Paulus sagt, das Heil kommt näher. Von Generation zu Generation kann
man Anfang von Versöhnung mit Händen greifen. Der Himmel reicht
schon auf die Erde, Reich Gottes tut sich auf, langsam aber sicher.
Ich bin nicht sicher, was die Weltlage angeht. Aber in einem Menschen war
Gott schon hier. Sehet, das ist "Gottes Sohn" gewesen, sagt der Hauptmann
unterm Kreuz. Er hatte geheilt und gestärkt, getröstet und zueinander
gewiesen. Und hat gezeigt, dass wir gen Himmel fahren, wenn wir sterben.
Jedes Jahr feiern wir die Geburt des Leuchtfeuermenschen Jesus, dem nach
jedes Kind Gottes Angesicht trägt.
Und jeden ersten Advent beginnen wir die Geburt Christi zu wiederholen, wollen
uns zu hier hinzuholen, wollen nochmal lernen: Es ist Ankunftzeit. Nicht
geht alles den Bach runter, sondern es kommt ein Schiff geladen. Nicht mehr
Hauen und Stechen, sondern die Liebe wird mehr. Der Morgenstern geht auf
in unseren Herzen. Ihr, die ihr seine Stimme hört, verstockt euer Herz
nicht; ihr, die ihr zur Nacht geweinet, ihr stimmet froh mit ein, Gott kommt.
Und kein Leid wird mehr sein. Der Himmel geht über allen auf.
Adventszeit-Verwandelzeit. Wir werden angesprochen als Menschen, die den
Drall der Zeit erkennen. Wozu ist es Zeit? Jedenfalls nicht, dass wir den
Karren noch tiefer in den Dreck fahren mit unserem Eigenliebesog. Es ist
Zeit, aufzustehen vom Schlaf und der Menschen Bestes zu suchen.
Das fängt beim Fürsichsorgen an, für dich und deine eigene
Brut, falls vorhanden. Aber wir müssen weiter denken,die andern müssen
auch zu essen haben und Bildung und Gesundheit und Pflege, sonst hast du
nur Neider und Feinde. Auch die anderen müssen es erträglich haben,
auch mittels deiner, dann wollen sie auch dein Glück. "Du sollst deinen
Nächsten lieben" faßt alle Gebote eineins. Es ist schlicht das
Lebenswissen: Einander mögen und Freude daran haben, den andern zu
fördern, - also Gottes Gehilfe sein, - was kann man mehr sein?
Ob wirklich das Heil schon näher ist als früher?
Grübel doch nicht über den Lauf der Welt, - das lähmt nur;
zeig dein gutes Gesicht; sieh es ganz schlicht: bei dir und durch dich
fängt die Heilung der Welt an, bei dir stoppt der Hass, du hilfst ihm
zur Sprache, dann kann Unrecht gesagt werden und Trauer kann gehalten werden
und Buße getan und Vergebung gefunden werden. Du, gib ein Stück
Zeit, Gespräch, einen Schein, eine Blume, eine Kerze. Damit machst du
die Sterne aufgehen. Wer einen Menschen rettet, rettet die Welt.
Ja, Liebe hat viele Gesichter. Welche ist die passende, die ihm nötige,
die ihm freudenreiche, die ihn entfaltende Liebe? Klar, du kannst nicht 6
Milliarden Menschen lieben, aber dem du Nächster wirst durch Neigung,
Nähe, Fügung, durch Hilfsbereitschaft und Kompetenz, durch Notruf
oder Liebeszeichen - dem sei du Gottes Wort. Es steckt wirklich Verwandelkraft
in uns. Den Nächsten nehmen, wie er ist, und das freundlich, das macht
ihn geneigt, eine bessere Meinung von sich zu haben. Und so klarst du einen
Menschen auf.
Das Dunkle in der Welt rührt davon, dass wir schlecht über uns,
den andern, Gott denken. Kain argwöhnte, Gott ziehe seinen Bruder vor,
beschuldigte Abel, er habe getrickst. Und dachte von sich mies: Was
soll ich meines Bruders Hüter sein. Unser verdunkeltes Meinen
auch über uns macht uns düster. Dagegen hilft nur dir Liebe. Durchs
Lieben machst du schön, der andere hält wieder mehr von sich, damit
setzt du Leuchten in die Welt, das sich fortpflanzt.
Lieben ist Teilhaben am Erschaffen: Aufblühen machen, dass er sich mehr
zutraue, wieder Lust findet am Gelingen. Geliebte Menschen zerstören
nicht, sondern geben Befreundung weiter. Mit der Erschaffung der Welt setzte
Gott eine Kettenreaktion der Liebe frei. Du bist ein Kind der Liebe, und
wie die Blumen von der Sonne so erblühen wir vom Lieben und Geliebtwerden.
Da sind auch Schwierigkeiten zu bestehen. Die Gene sind durchwachsen,
früher sagte man dazu Erbsünde. Wir tragen auch an den Verstrickungen
unserer Vorfahren. Welche Art von Zuwendung da hilft, muss erprobt werden.
Jedenfalls lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und Erleuchtetes
tun. sagt Paulus. Das klärt: wir sind nicht Opfer ewiger Wiederkehr,
nicht ein Karma hängt über uns, sondern Du, Mensch, wirst bei deiner
Verantwortung gepackt. Du, eine fiese Sache lass endlich, ein Leuchtendes
tu. Komm zu dir im Advent.
Täglich setz dich vor eine Kerze hin, schau in die Flamme - dann weichen
Hetze und Druck, es kann dir das Bild aufgehen, dass der Christus in deine
Gedanken einzieht, Verwandlung geschieht dir, heilige Ruhe wächst dir
zu, ein Lächeln zieht über dein Gesicht, und du wirst richtig.
Du bist gern du, im Advent, was Anfang von Himmel ist.