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Predigt 25. Januar 2004

Keitumer Predigten Traugott Giesen 25.01.2004

Die Heilung des besessenen Geraseners

Markus 5, 1-20

"Und Jesus kam mit seinen Jüngern ans andre Ufer des Sees in die Gegend der Gerasener. Und als er aus dem Boot trat, lief ihm alsbald von den Gräbern her ein Mensch entgegen mit einem unreinen Geist, der hatte seine Wohnung in den Grabhöhlen. Und niemand konnte ihn mehr binden, auch nicht mit Ketten; denn er war oft mit Fesseln und Ketten gebunden gewesen und hatte die Ketten zerrissen und die Fesseln zerrieben; und niemand konnte ihn bändigen. Und er war allezeit, Tag und Nacht, in den Grabhöhlen und auf den Bergen, schrie und schlug sich mit Steinen. Als er aber Jesus sah von ferne, lief er hinzu und fiel vor ihm nieder und schrie laut: Was willst du von mir, Jesus, du Sohn Gottes, des Allerhöchsten? Ich beschwöre dich bei Gott: Quäle mich nicht. Denn er hatte zu ihm gesagt: Fahre aus, du unreiner Geist, von dem Menschen! Dann fragte er ihn: Wie heißt du? Und er sprach: Legion heiße ich; denn wir sind viele. Und er bat Jesus sehr, dass er sie nicht aus der Gegend vertreibe. Es war aber dort an den Bergen eine große Herde Säue auf der Weide. Und die unreinen Geister baten ihn und sprachen: Lass uns in die Säue fahren! Und er erlaubte es ihnen. Da fuhren die unreinen Geister aus und fuhren in die Säue, und die Herde stürmte den Abhang hinunter in den See, etwa zweitausend, und sie ersoffen im See. Und die Sauhirten flohen und verkündeten das in der Stadt und auf dem Lande. Und die Leute gingen hinaus, um zu sehen, was geschehen war, und kamen zu Jesus und sahen den Besessenen, wie er dasaß, bekleidet und vernünftig; er, der die Legion unreiner Geister gehabt hatte; und sie fürchteten sich. Und die es gesehen hatten, erzählten ihnen, was mit dem Besessenen geschehen war und das von den Säuen. Und sie fingen an und baten Jesus, aus ihrem Gebiet fortzugehen. Und als er in das Boot trat, bat ihn der Besessene, dass er bei ihm bleiben dürfe. Aber er ließ es ihm nicht zu, sondern sprach zu ihm: Geh hin in dein Haus zu den Deinen und verkünde ihnen, welch große Wohltat dir der Herr getan und wie er sich deiner erbarmt hat. Und er ging hin und fing an, in der Gegendauszurufen, welch große Wohltat ihm Jesus getan hatte; und jedermann verwunderte sich."

Ein Bild - so was von einem Bild eines großen Heilers. Eine unmöglich große Schweineherde war nötig, um den bösen Geist des einen Besessenen aufzunehmen, - was für eine Rettung, - was für ein Heiland! Der Evangelist Markus erzählt diese riesige Geschichte zu dem einen Zweck: Wir sollen wissen, mit welchem Retter wir im Bunde sind. Und kein Wahn ist größer als die Kraft Gottes, wie sie in dem Jesus geerdet war. Keinem Wahn sind wir hilflos ausgeliefert mit dem Glauben, dem Lebensmut, der Götzenaustreibekraft des Christus.

Sicher gibt es medizinische Krankheitsbilder, objektive Verformungen im Gehirn, denen nur mit Operation oder Elektroschock oder Kastration oder chemischer Ruhigstellung zu begegnen ist. Diese Krankheiten treffen einzelne, schlimm genug. Aber die Glaubensdefekte eines Hitlers und seiner Helfer verheeren die Menschheit, ein Größenwahn Stalins schickt Millionen in den Gulag und die Taliban oder die Al Kaida und der einzelne Familienvater, der die Familie umbringt, weil er entscheidet, was lebenswert sei - sie alle hätten eine Teufelsaustreibung in diesem Format gebraucht. Teufel austreiben, das konnte Jesus. Uns ist das auch zugetraut, wenn unser Glaube groß genug ist. Nicht unsere Gewalt.

Diese Art von Kehraus, wo ein Böses mit anderem Bösen erstickt wird, ist nicht Jesus Art. "Mein Reich ist nicht von dieser Welt" ( Johannes 18,36) meint wohl: ja, mein Reich in dieser Welt, aber die Methoden, die Mittel sind liebevoll, sind nicht von dieser Welt genommen. Wird nur platt gemacht, dann wachsen der Hydra der Gewalt immer neue Köpfe nach. Irgendeiner rächt immer. Das ist die Methode der Herren dieser Welt: Ja, sagt Jesus: "Die Herrscher halten ihre Völker nieder, und die Mächtigen tun ihnen Gewalt an, aber so soll es bei euch nicht sein. Denn wer unter euch erster sein will, der sei Diener aller." (Matthäus 20, 21f).

Eigenartig, verstörend sogar: Zunächst kommandiert Jesus auch. Auch Jesus befiehlt. Wendet sich direkt an die fremde Besatzung, "Du unreiner Geist" - herrscht Jesus etwas an, an ihm vorbei. Aber das hilft nicht. Die angebrüllte Macht duckt sich vielleicht weg, sie weicht nur dem Stärkeren aus, bleibt aber irgendwo mächtig.

Mir fällt da was ein: Gott sagte: "Es werde Licht. Und es ward Licht." (1. Mose 1,4) Gott setzt dem Dunkel was entgegen, dass das Dunkle zurückweicht. Mit dem Dunkel und dem Bösen ist kein Verhandeln möglich, das sind eherne Kräfte, das Dunkel weicht, weil das Helle da ist. Das Böse weicht, wo das Gute den Raum einnimmt. Der größte christliche Philosoph Augustin sagte ja: Das Böse ist das Nichts, ist die Leere von Sinn. Aber leben wir Sinnfülle, ist das Böse an den Rand gedrängt. Doch es hat einen ungeheuren Expansionsdrang, - schon unsere Trägheit und unsere Angst, ein Quentchen Wohlleben zu verlieren, lässt uns wegschauen. Wir setzen dann dem Bösen kein Gutes entgegen.

Wir könnten aber dem Guten im Anderen Platz einräumen, wenn wir ihn ansprechen: "Du schlägst den jetzt nicht weiter", und dabei ihm fest in die Augen schauen. Das kann helfen, kann dem Schläger helfen, auf einmal zu erschrecken vor seinem Tun, Auge in Auge mit einem, der an sein besseres Ich glaubt. Du traust mir zu, ich muss gar nicht schlagen? Dann bin ich mehr als nur ein Schläger, bin ein Mensch, der sich selbst wiederfindet im Spiegel der Augen des Andern. Und er lässt seine Fäuste sinken, Fäuste werden zu Händen, zu leeren Händen.

Jesus kommandiert erst an dem Menschen vorbei mit so was wie bösen Geistern. Vielleicht muss diese Prozedur auch mal sein. Da setzt sich gute Gewalt gegen böse Gewalt, aber gibt es das? Es bleiben herrische Kämpfe. Es sieht von außen wirklich aus, als würde Jesus den Teufel deckeln mit sich als oberstem Herrn, mit "Beelzebub" - so nannte man früher den Obersten des Bösen. Und was tun wir anderes, mit der Methode "law and order" auf eine Gewalt anderthalbe setzen; ich weiß, manchmal können wir nicht anders aus Angst, aus Kaftlosigkeit. So gibt z. B. Kalifornien mehr für Gefängnisse aus als für Schulen. Aber wir Christen können doch tiefer sehen, Mitgefühl ist doch Jesus Offenbarung, das Mitgefühl Gottes und von unsereins.

In einem zweiten Anlauf sieht Jesus den Besessenen als bedürftig an, er sieht ihn an, lässt ihn an sich ran. Wenige Sätze der Erzählung skizzieren ein ganzes Menschenleben. Ein Mensch verbringt sich in den Ruinen der Gräber - umdüsterter zeigt sich das Heimatlos sein kaum. Und die andern Menschen flieht er, um sie aus der Ferne doch anzubrüllen, als wollte er doch ihre Nähe, gleichzeitig vertreibt er sie. Er erlebt wohl nur Menschen, die ihn in Fesseln schlagen wollen, die ihn nicht fernhalten wollen. Und er hält sich selbst nicht aus, meint, sich bestrafen zu müssen, steinigt sich fast selbst, "in einem unablässigen Bußritual" (E. Drewermann). Vielleicht hat er einen unmäßigen Freiheitsdrang, hat sich in eine Wildheit verstiegen (E. Drewermann), die wieder nur Angst macht, und so überall ihn Feinde wittern lässt. Darum meidet er Menschennähe und Zivilisation, er erlebt "Außen" als Feindesland.

Kein Vertrauen trägt ihn mehr, das ist schon dämonisch oder höllisch. Die normalen Menschen meiden ihn - aus Angst vor Gewalt, auch vor Beschimpfung, Angespucktwerden. Aber Jesus geht in seine Richtung. Und der Mensch läuft auf ihn zu. Aber nicht um niederzufallen und um Hilfe zu bitten, sondern: "Geh weg", schreit er. Er will in Ruhe gelassen werden, seine Stimmen in ihm rumoren höllisch. Hier ist Krieg angesagt zwischen Dämonen und dem Sohn Gottes, und das Menschlein muss das ausbaden. Dann lieber die alten, die bekannten Qualen, sagt er sich, mit denen weiß er umzugehen. Lieber das vertraute Übel, als das unvertraute Gute. Eine Art Lehrsatz warum in Therapien mancher Behandlungswiderstand unauflösbar ist und warum auch wir so schwer uns eines Bessere belehren lassen.

Der Evangelist Markus erzählt, dass Jesus erst den Dämon direkt anging, ihn mit Gewalt aushebeln wollte, aber da tanzte die Hölle. Gegen ihr Diktat das Diktat der Normalität, von außen setzt Jesus erst mal an, aber die Besatzung legt noch eins drauf.

Dann nimmt Jesus den Menschen nicht als Fall sondern persönlich: "Was ist dein Name? Wer bist du?“"Jesus spricht ihn an, an den Stimmen vorbei; zeigt ihm damit: Er ist noch wer. "Erinnere dich, wer, außer den Besatzern bist du?" Jesus spricht ihn an als Sohn Gottes, der von dunklen Möchten umgarnt ist, aber doch Kind Gottes bleibt. Und das ist der Wurzelgrund aller Therapie, aller seelenheilenden Gespräche: Mit dem Menschen nach seinem Wesen zu fahnden, seinen letzten Grund ihn wieder finden lassen, Zu wissen, wer und wessen er ist.

Schlimm die Antwort: "Legion ist mein Name, Viele sind wir." Legion - eine römische Heereseinheit, also ein Kollektiv, eine Masse bin ich, mich gibt es nicht, du findest kein Ich, mit ihm zu reden.- Also muss Jesus die Stimmen reden lassen, dass sie dann zur Rede gestellt werden können, und in einem Kompromiss biete er ihnen ein Entweichen an, sie sollen auch existieren, bis Gott uns erlöst von dem Bösen, - am Rande, so dass die Besessenheit abfließen kann und das Ich wieder auftaucht.

In die Schweine sollen, wollen die Aggressionen fahren, wohl ein altes Bild der Christenheit, für die nicht zugelassenen Triebregungen. Daß die sich dann zu Tode stürzen ist spätere Ausmalung der Phantasie: müssen das monströse Triebwünsche gewesen sein, dass eine ganze Schweineherde daran verrückt wurde.

Wichtig nur: Dann saß der Mensch ruhig da, vernünftig.

Und was machen wir Mitmenschen, wir feiern kein Fest, sondern denken an unseren Schaden - dies ein kleiner Seitenhieb auf unsere Besitzlust. Sie bitten Jesus, doch von weitern kostspieligen Heilungen in ihrer Gegend Abstand zu nehmen, loben ihn weg. Und der eben noch Besessene findet sein Ich wieder, aber will es sofort wieder loswerden, - das ist es, was Jesus befürchtet. Darum schlägt er ihm seine Bitte ab, ihn begleiten zu dürfen. Er muß sich finden und bewahren in den normalen Bindungen, die soll er wieder aufnehmen. Und darin Gott loben, dass er gerne er selbst ist im Alltag der Welt. Und andern hilft, dass sie gern sie selber sind, nicht Legion, nicht viele, sondern ich, erste Person Einzahl, (und jetzt sag dir deinen Namen dazu) Kind Gottes, geliebt, gebraucht.


 




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