Wochenspruch mit kurzer Auslegung (T.G.)
24.01.1999 Letzter Sonntag nach Epiphanias
Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über
dir. Jesaja 60, 2
Laß dir das gefallen. � Wie eine Blume sich nach der Sonne richtet,
wirst du bestimmt davon, daß Gott über dir aufgeht. Du mußt
nichts entscheiden, mußt nur nicht dagegen sein, daß dir die
Welt erleuchtet ist von der Liebe. Du wirst dann Gewalt als Mangel verstehen
und Trauer als Sehnsucht � du wirst mit den Augen des Herzens sehen. �
Du wirst Freude abstrahlen. Wohin du kommst, bringst du einen Schimmer
von Gott mit.
Keitumer Predigten Traugott Giesen
24.01.1999
Manchmal den Himmel offen sehen
Aus der Bibel:
Gott, der spricht: �Es werde Licht�, der ist als heller Schein in unsern
Herzen aufgegangen, damit durch uns Erleuchtung entstehe (2. Korinther
4, 6).
Wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt mit unserm Predigen.
Machtvoll ist uns die Wiederkunft und das Bleiben unseres Jesus Christus.
Wir sagen euch das an als Erfahrene. Wir haben selber seine Herrlichkeit
erlebt, uns ist er der erstgeborene liebe Sohn, an dem Gott Wohlgefallen
hat. Wir berührten mit ihm das Heilige, waren mit ihm auf dem heiligen
Berg, sind mit ihm auf dem Weg. Achtet auf Christus, das Licht, Erkenntnis
tage uns, der Morgenstern gehe auf in unsern Herzen. (nach 2. Petrus 1,
16 - 19)
Und Jesus nahm mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, und führte
sie mit sich auf einen hohen Berg.
Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete
wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.
Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm.
Petrus aber fing an und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst
du, so wollen wir hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und
Elia eine.
Und es überschattete sie eine lichte Wolke. Und eine Stimme aus
der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe;
den sollt ihr hören! Als das die Jünger hörten, fielen sie
auf ihr Angesicht und erschraken sehr.
Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf
und fürchtet euch nicht! Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie
niemand als Jesus allein. Und sie sollten es nicht erzählen.
Und sie gingen wieder hinab vom Berge zu den andern. (Matthäus
17, 1 - 9)
Diese Szene brauche ich nicht als Beleg für Jesu Gottesbewußtsein;
nicht als Beweis, daß er sich als der Sohn Gottes wußte. Ob
sich das so in Jesu Lebenslauf ereignet hat und wo genau, etwa auf dem
Berg Tabor, � ist mir nicht so wichtig. Ich brauche die Szene für
was ganz anderes. Ich lasse mir und euch die Szene gefallen als Einladung,
dem Jesus nach selber auf den Berg der Wirklichkeit zu steigen, mal den
Niederungen des Alltags zu entfliehen, die Sorgen zu lassen. Und mach dich
auf den Weg dahin, wo Himmel und Erde sich berühren, wo Gott auf unserm
Gesicht erscheint und es wird leuchten wie die Sonne.
So eine Art Erscheinung, wünsch sie dir. Mein/dein Leben braucht
diesen Höhenflug. Anhand von Jesus lerne fliegen. Er hörte: Du
bist Gottes Sohn � ihm nach sollst du auch dies Wissen bekommen.
Meist halten wir uns für zu normal. Mit Brecht: �Steht der Prolet
vor Moral und Religion wie vor Fata Morganen, spiegelnd ihm, ferne und
unerreichbar, Paradiese in Wüsten� Wir denken, wir seien Realisten,
wir wären verwurzelt am Boden, uns ständen solche Flausen nicht
zu. Die Erscheinungen der Bernadette von Lourdes oder der Hirtenkinder
von Fatima sagen uns nichts und Maharischi Jogis Elevationen sind uns Spinnkram
� der ja meint, der Geist könne den Körper über dem Boden
schweben lassen, wenn du nur willst �
Aber es geht bei Jesu Glücksbild nicht um magische Kräfte,
nicht um Willenskraft oder Heiligkeit. �
Es geht um Glücksreisen von Körper und Geist � ähnlich
einer Traumszene, aus Ingmar Bergmanns Filmen: Du siehst dich mit deiner
Mutter oder deinem Mann oder deinem Opa oder deinem Geliebten Menschen
aus der Stadt gehen � in eine wunderschöne Landschaft, auf einen Berg,
umgeben von Blumen, und die Sonne strahlt, und du siehst deinen Geliebten
in diesem Licht, du siehst ihn lodern vor Leuchten � du hörst eine
Musik des Glücks. � Wie in �Jenseits von Afrika� � Robert Redford
und Meryl Streep fliegen über das afrikanische Land, das in überirdischen
Farben daliegt, und ihre Liebe steht in Flammen, und das Adagio des Klarinettenkonzertes
A-Dur von Mozart erklingt.
So ähnlich oder anders erscheint dir dein geliebter Mensch in
überirdischem Kleid. � Und du hörst es sagen über diesem
Menschen: Das ist ein Kind Gottes, du wunderbar, die schönste Schöpfung.
Und siehst dich in diesem Traumbild mit eingesogen in die Glücksszene
� hörst dich fragen: Können wir hier nicht bleiben, nie mehr
fortgehen, können wir nicht Hütten bauen hier � und die Heilsten,
die wir kennen, dazuholen: Jesus, Bach, Bonhoeffer, wer will Lady Di, deinen
Lieblingshund und deinen geliebten Toten und ihr redet. � Mit Jesus unter
Rosengärten ewig reden � war Kierkegaards Traum vom Himmel. � Kennst
du dies Träumen, du weggeweht, erhoben, gerettet, schon in sowas wie
Himmel � vor Gottes Angesicht. Und du bist nicht mehr fragwürdig und
bedroht, nicht mehr schuldig und manchmal auch böse � nicht mehr Abschied
und Trennung schweben über dir; das Sorgen ist in eine Ruhe eingeströmt
� du bist heil � eine Traumsequenz lang mit dem All verschmolzen.
Geht das schon hier? Daß wir Augenblicke von höchstem Glück
erfahren � von guten Mächten wunderbar geborgen sind, vielleicht in
den Armen eines geliebten Menschen oder an/in ein Projekt vertieft; hier
Jesus treffen, und unsere Toten sehen wir mit versöhnten Augen ihr
Eigenes tun, und du siehst dich leuchten, gelobt, gestärkt, geliebt
überirdisch losgelöst. �
Sicher, wir können nicht bleiben in der Verzückung, wir fallen
wieder aus allen Wolken, wieder auf die Füße, gehen wieder an
die Arbeit, sprechen wohl mit keinem davon. Aber es wird in Zukunft eine
Heiterkeit bei uns bleiben, unsere Jammer werden noch wenigstens eine Sonnenblume
dabeihaben, wir werden ein Polster aus Himmelswissen bei uns halten. Vielleicht
nie mehr werden wir steingleich am Boden krebsen. �
Es wird ein Sonnenstrahl bei dir bleiben und Wellen des Gesundbrunnens,
den du erlebt hast. Du wirst eine Feder behalten aus dem Engelflügel,
der dich streifte. Du wirst ein Gebet verwahren, und ein Gebet wird dich
verwahren: dies Kind soll unverletzet sein; du wirst ein Bild behalten
von dir leuchtendem Menschen, als du einen leuchten machtest, und du darin
erhoben warst. Bei dir bleiben wird das Eingeständnis, daß du
�Gott� so deutlich gefühlt hast wie einen Mann, der hinter dir stünde
und dir gerade einen Mantel um die Schulter legte (nach R. Musil).
Wir brauchen Träume von Paradies, versonnen, entrückt, wie
auf Wolken zurück in der Kindheit oder voraus unter Sternen. Wir brauchen
Bilder des Heils. Denn Vernichtung und Verneinung rollt über das Leben.
Kälte, Durst, Hunger, alleingelassen sein, gefangen, gequält
sein, zerrissen werden in berstenden Autos, aufgefressen werden von Krebs,
verachtet werden durch Hochmut � Leben ist gespickt mit Jammer und Verrat.
Und dagegen erhebt sich Jesus und preist selig, die dürsten nach Gerechtigkeit;
die Leid tragen, die werden das Getröstetsein schmecken. �Die lieben,
die bleiben in Gott und Gott in ihnen� (1. Joh. 4, 16), sie sehen den Himmel
offen.
Und wenn sie wieder vom Alltag eingeholt werden und die Sorgen das
Lieben einschränken, werden wir doch sein wie die Träumenden
und den Mund voll Lachens behalten (Psalm 126) � und wir werden uns bemerken
als beschützt von der Liebe.
Der Natur sind wir völlig gleichgültig. Für den Stoffwechsel
ist Ach und Weh egal, Menschenleid ist für den Wald ohne Bedeutung;
die Sonne legt keinen Wert auf uns; auch der Mond, obwohl in günstiger
Stellung er uns was zu erzählen scheint, ist Stunden später nur
eine kalte Scheibe. Lange wandern am Meer längs � wie neugierig, tröstlich
der Mensch am Horizont � wir beschäftigen uns mit ihm, mit der nächsten
Welle nie. � Aber der Mensch � der Nächste � eine Rettung ist der
Mensch! Denn mit ihm können wir gemeinsam wünschen und tun, wenn
es sich trifft. Wir können mit ihm ein Paar bilden, kurz oder lang
� wir könnten der Kälte, dem Alleinsein entkommen. Wir könnten
den Himmel offen sehen, Gott sehen. Und wären nicht gleichgültig
sondern gekrönt, ließen nicht verkommen sondern machten schön.
Auch Jesus kommt wieder runter auf den Boden der Tatsache � aber mit
welchem Elan, mit welcher Energie stürzt er an gegen böse Mächte,
kettet Besessene los, richtet Beschämte auf. Jesus schickt sich und
seine Jünger in den Kampf gegen die Vernichter der Freude. Aber was
hat er auch für Kampfgefährten an der Seite: Mose, der in die
Freiheit führte, aber viel Fremde, viel Unverstandensein und Unversorgtheit
mußte er dulden. � Jesus hörte Mose mit sich reden. � Und: Elias,
der Gott nicht bei Macht und Ruhm und Glanz fand sondern in einem �verwebenden
Schweigen� (1. Könige 19, 12), nicht äußerlich grandios,
sondern als Sprache des Herzens. � Jesus hörte Elia mit sich reden.
� Die Zeugen der Freiheit und des inneren Dialoges mit Gott � die redeten
mit Jesus. �
Wahrlich gute Ratgeber � wen wünschen wir uns zur Seite, wenn
es um unser wahres Selbst geht? Wer spricht uns frei von den irdischen
Autoritäten, wer spricht uns das Recht zu auf eigene Gott- und Sinn-
und Freudenerfahrung? Mit Jesus als Wegbereiter finden wir Gottes Angesicht
jenseits der Angstfratzen. Und das macht dich, mich leuchten. � Die abschätzenden
Blicke, die uns nach Zahlungsfähigkeit oder Jugendlichkeit taxieren,
prallen an uns ab, und wir lernen auch, dieses abschätzige Blicken
zu lassen.
Jesus als Vorbild � sagt dir auch die Gotteszugehörigkeit zu:
Auch du Sohn, Tochter Gottes � diese Religion ist die Substanz der Kultur.
� Kultur ist Form und Ausdruck von Religion (P. Tillich). � Das wäre
eine nächste Predigt wert. �
Daß auch du da bist zum Friedenstiften, da, um Menschen zu befreien
zu sich selbst � eine Ahnung davon gehört doch zum Menschsein. Und
passiert doch. Was allein in Freundesgesprächen, in froher Runde oder
beim Friseur an Frieden gestiftet wird, aber eben auch gehetzt, verurteilt
und mit Worten geschändet. � Doch eben auch freigesprochen, getröstet,
vergeben, neuer Mut gemacht. � Ob Niedertracht oder Uninteressiertheit
von uns vermehrt wird oder wir einander den Himmel öffnen, ob wir
mit Jesus auf dem Weg sind, steht dahin. � Ach: Es ist viel Sehnsucht doch
unter uns hingestreut, wir können zwar keine Hütten bauen im
Glück. Aber schon Rast und Schutz können wir einander sein. Unsere
Traumreisen sind kurz. � Der Alltag braucht uns, aber dann gehen wir gestärkt
in der Sehnsucht ewig gültig zu sein und lassen nicht zu, �daß
gewisse Fragen den Menschen aus dem Herzen genommen werden� (R. Musil).
Amen.
Wochensprüche mit kurzer Auslegung (T.G.)
31.01.1999 Septuagesimae
Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit,
sondern auf deine große Barmherzigkeit. Daniel 9, 18
Nein, liegen im Sinne von Unterwürfigkeit � das willst du von
uns nicht haben, wir sind ja deine freien Söhne und Töchter.
Du suchst mit uns das Gespräch, du willst dich in uns ausdrücken.
Und wir brauchen die Fühlung zu dir, wie die Luft zum Atmen. Es ist
deine Zuneigung, uns so zu schätzen; nicht unsere Leistung macht uns
dir wichtig. Deine Lust an uns macht uns gut.
07.02.1999 Sexagesimae
Heute, so ihr seine Stimme hören werdet, so verstocket eure Herzen
nicht. Hebräer 3, 15
Heute werden wir seine Stimme hören, im Lachen, im Weinen, im
Bitten, im Locken der Mitmenschen. Auch in der verwundeten und prachtvollen
Natur - ruft Gott uns, will uns da treffen vor Ort der Freude und der Mühen.
Nicht verstockt sondern aufgeräumten Sinnes wollen wir sein, wach,
empfindsam, zugewandt: Gott braucht uns nicht als Klotzköpfe sondern
als Engel, als Hebammen, als Wasserträger, als Gehilfen der Freude.