Keitumer Predigten Traugott Giesen
14.03.1999
Matthäus 25
Das Reich Gottes ist mitten unter uns im Anbruch. Und braucht wache
Menschen � Jesus zieht ein Gleichnis heran aus dem Leben: Es ist da eine
Sitte im Orient, daß Braut und Bräutigam geleitet werden von
Brautjungfern. Die Verhandlungen um Geschenke und Mitgift und Brautpreis
können sich lange hinziehen. � Ob dann, wenn das Fest endlich losgehen
kann, die Brautjungfern mit ihren Lampen da sind?
Zehn Frauen haben sich mit ihren Lampen auf den Weg gemacht, den Brautleuten
entgegen. Aber fünf von ihnen sind töricht, und fünf sind
klug.
Die törichten nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen keinen Vorrat
an Öl mit.
Die klugen aber nahmen Öl mit in ihren Gefäßen, samt
ihren Lampen.
Als nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig
und schliefen ein. Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe,
die Brautleute kommen. Geht hinaus, ihnen entgegen!
Da standen die Frauen alle auf und machten ihre Lampen fertig. Aber
fünfen war ihr Öl zur Neige gegangen und sie drängten die
andern: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen.
Da antworteten die klugen: Nein, es würde sonst für uns und
euch nicht genug sein. � Und der Bräutigam kam mit seiner Braut, und
die bereit waren gingen mit, die Hochzeit zu feiern.
Die alte Geschichte geht weiter: Und die Tür wurde verschlossen.
Die törichten versuchten anderwärts noch Öl zu bekommen.
Als sie dann später noch Einlaß wollten: Herr, Herr, tu uns
auf!
Da antwortete er: Ich kenne euch nicht. Und das ist die Lektion:
Wachet! Denn ihr wißt weder Tag noch Stunde, da der jüngste
Tag kommt.
Dieser Schluß ist überholt von Jesus selbst: Niemals würde
er vom Ewigen Leben Menschen ausschließen, die hier töricht
oder gar böse waren. Jesus hat diese Menschen als Verirrte bezeichnet,
die heimzuholen er gekommen ist. � Die Gerechten brauchen mich nicht, hat
er gesagt, die schaffen die Qualifikation von alleine. Aber die Sünder,
die Schuldigen, die Törichten, die auf Erden schon so viel Unrat angestellt
und so viel Unrast verbreitet haben, die so dringend Erlösung brauchen,
auch von sich selbst � wie sollte der Retter sagen: Ich kenne euch nicht.
Der Hirte kennt die verlorenen Schafe. Das ist ihre einzige Chance.
Wir brauchen die Geschichte von den klugen und törichten Brautjungfern
aus anderem Grund: Nicht zum Ansporn, daß uns Jesus am Jüngsten
Tag auf dem Posten sieht � weil wir sonst verstoßen werden. � Sondern:
Ja, die Wirklichkeit ist voller Chancen. Die größte Chance
ist, Christus zu treffen. � Das ist, wo Himmel und Erde Hochzeit feiern,
Geist und Materie heilige Communion zelebrieren, wo Mann und Frau, wo Menschen
sich lieben, verschiedene Interessen auf einen Nenner gebracht werden,
Christus treffen als Verknüpfer, als Friedensmacher, als Energie der
Versöhnung � in den alltäglichen Grauzonen. Und du hast genug
Öl und Beleuchtung mit, die Situation zu erhellen. Das wär�s.
Ja, die Geschichte drängt, das Fest des Christus mitzufeiern,
das Fest mit auszurichten. � Herrlich das Bild für deinen, meinen
Alltag: Da will Gott Hochzeit feiern, also in unsern Händen, Armen,
Köpfen verknüpft sich das Ewige, der Geist, Christus mit dem
Erdenstoff. Alltag ist anbrechendes Reich Gottes, und Braut, Bräutigam,
Hochzeit ist innigstes Bild für Verknüpfen, Verschmelzen, Einigwerden,
Einswerden. Gott ist dabei, was noch feindlich ist, zu entwaffnen und hinzubiegen
zum Gemeinsamen. Das Einander-angehören im Bild der Hochzeit, ist
die Christus-Energie, und wir sind geladen, das Einander-angehören
zu erhellen, es mit zu fördern.
Gegen all die Weltuntergangsszenarien, gegen all das Weltanschwärzen
in-Bausch-und-Bogen ist dies Bild von der Heiligen Hochzeit wunderbar:
Gott kommt, mit uns gemeinsame Sache zu machen, ein Leib zu werden, ein
Schicksal zu haben. � Dann ist doch Glück voraus, dann lohnen die
Mühen, dann geht�s zum Fest � jeder Seufzer soll zum Lied sich wenden.
�Du hast mir den Sack der Trauer ausgezogen und mich mit Freuden gegürtet�
� sieh dir deine eigene Verwandlung an, merk sie, laß sie dir gefallen.
Heute will Gott mit dir zum Tanz, die Realitäten geraten in andere
Umstände, heute dir Hochzeit, Ganzwerden mit dem Leben.
Und es gibt eben kluge und törichte Brautjungfern � oder Trauzeugen.
Die einen haben Energie mit und die andern nicht. Was könnte der Geistes-Stoff
sein, mit dem die einen gut versorgt sind und die andern nicht?
Was brauchen wir, den Alltag zu bestehen, wo so viele konfuse, gegenseitig
sich mattsetzende Parolen erklingen, und wir oft das Hilfreiche zerschwätzen?
Im Bild vom säumenden Bräutigam steckt ja die Forderung vor allem
nach Geduld: Mensch, wenn du klug bist, dann zwing nicht, laß den
Dingen ihren Lauf, dämme nur ein den Energieverbrauch, bis es so weit
ist.
Und bleib bescheiden: Du bist nicht der Heiland, aber sein Lichtträger.
Du sollst die Situation gut ausleuchten, nicht dich illuminieren. Du bist
Diener � im Sinne von ergänzen, � du hilfst, Stolpersteine zu erkennen.
Du schmückst die Harmonie, aber du bist nicht, der gefeiert wird.
Und habe genug Erleuchtung bei dir, Klugheit �
Und immer mußt du in deiner Person die Energie haben: Geduld,
Bescheidenheit, Klugheit � du kannst in der Not nicht eben mal ein Pfund
Klugheit leihen oder ein Paket Lebensmut oder Bescheidenheit. Wie soll
man sie leihen � Persönlichkeit, wie erwerben? Das ist doch Anwachs
über Jahre � im Ernstfall wird es sonnenklar, wer du bist, da steht
man ganz nackt da.
Das hat nichts zu tun damit, daß wir mit unserer Schuld nicht
allein dastehen, sondern Christus uns ja ergänzen will. Wir müssen
alle durch den Brennofen Realität und wir werden geschmiedet und geläutert
vom Leben, wir werden immer klarer wir selbst � und müssen für
unsere Ungeduld, unsern Hochmut, unsere Rotzigkeit geradestehen.
Warum ich auf die Geschichte von den klugen und törichten Trauzeugen
komme � ich suche einfach nach Bildern vom Bestehen und Scheitern, weil
mich Oskar Lafontaines Abgang sehr erschreckt.
Warum einer seine Ämter hinschmeißt? Doch, weil er zuwenig
Energie auf der Lampe hat � viel Machtlust, viel Herrschaftswillen � wichtige
Eigenschaften für die Politik, aber eben nicht genug Geduld, Demut,
Klugheit.
Er hatte viel vor. Die Wählenden haben ihn mit Verantwortung beladen.
Und die haben sich getäuscht, nicht so sehr er sie. Wir haben ihn
mit unserm Zutrauen aufgebaut und aufgebauscht. Jetzt zeigt er sich dem
Druck der Ämter nicht gewachsen, er konnte nicht zu den neuen Ufern
mitreißen, fühlte sich wohl mißverstanden, gemaßregelt,
alleingelassen. Der anfangs so Hochgemute sah sich im Wirrwarr untergehen.
Er reagierte schnell, kam seiner Niederlage zuvor. Das ist besser als hinhaltendes
Aussitzen bis zur Aushöhlung.
Aber Politik ist doch �das Bohren dicker Bretter mit Geduld und Augenma�
(M. Weber). Hatte er gedacht, der Erfolg der Beifall, die heile Welt würden
sich so schnell einstellen? Vielleicht hielt er sich selbst für den
Bräutigam, den Heiland, konnte auch nicht Zweiter sein. Hätte
er im Dorf der Erste bleiben sollen, statt im Staat der Zweite? Er scheint
nur zu taugen, wo er die Richtlinien bestimmen kann � und sah, daß
er isolierter wurde und verhaßt. Seine Flucht ins Eigenheim, sein
Verstecken, sein Sich-zeigen mit Söhnchen, sein Stummbleiben ohne
eine Erklärung � ich sehe die törichten Brautjungfern, wie sie
einfach versagen, sie vertändeln, sie sind derangiert, von der Rolle.
�
Wir dürfen versagen. Wir sind ja aus brüchigem Material,
sind begrenzt, sind endlich in den Kräften. Wir dürfen enttäuschen,
wir dürfen sagen: Macht�s gut, macht�s besser, ich kann nicht mehr.
Ich habe mich verschätzt, es tut mir leid, so zu enttäuschen;
ich hätte es gern besser gemacht. Gott behüte uns alle. � Aber
so wortlos, trostlos � fürchterlich.
Dabei haben wir alle die Einladung, an der Hochzeit Gottes mit der
Welt teilzuhaben. Wir spüren doch, Bescheidenheit, Demut, Klugheit
empfehlen sich. Was reitet uns für ein Ungeist, wenn wir so daneben
liegen? In einem alten Hymnus (Philipper 2) auf Jesus heißt es: Er,
obwohl von göttlicher Qualität, beutete das Gottgleichsein nicht
aus. Er verzichtete auf Privilegien, wurde normal, einer von uns, Knecht
der Realität. Er trumpfte nicht auf sondern blieb gebückt unter
die Mühen, prangte nicht in Scheinwerfern sondern zog andere aus dem
Dunkel. Er zeugte für die Liebe, war der Liebe gehorsam bis zum Tod
am Kreuz. Darum hat Gott ihn erhöht, hat ihn zum Bild Gottes erklärt.
Alle sollen an ihm Maß nehmen. � Ob wir klug werden, bescheiden,
geduldig? � Ergänzen wir einander solange es Zeit ist. Amen.
Schlußgebet
Wochenlosungen mit kurzer Auslegung (T. G.)
14.03.1999 Laetare
Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt
es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. Johannes 12, 24
Das ist überhaupt das Lebensgeheimnis des Jesus: Sich ausgeben
macht, sich einzukriegen; in die Beziehungen sich verschenken, das macht
komplett; sterben ist zu Ende geboren werden. Wer aber �Ich, Ich� denkt,
wer dauernd für sich rechnet, den bestraft das Leben. Sich vertiefen
in das Wirkliche, das Nötige tun, die Freude, die jetzt gegönnte,
erfassen � und du bringst viel Frucht. Dir blüht das Glück, weil
du es nicht ansteuerst. Es läuft hinter dem her, der förderlich
ist und der mit einer Hand Gutes tut, ohne daß die andere es verbucht.
21.03.1999 Judica
Der Menschensohn ist nicht gekommen, daß er sich dienen lasse,
sondern daß er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für
viele. Matthäus 20, 28
Dann ist es auch Gottes Metier, daß er dient � also dem Leben
zum Gelingen verhilft � also auch dir beisteht. Jesus als Angesicht des
Weltsinns � das klärt doch auch meinen Sinn: daß auch ich da
bin, zu dienen � mich also einspannen lasse in das Gottesprojekt Erlösung.
Also Ende mit aller kniefälligen Belobigung, suchen wir �Gottesdienst
jenseits des Weihrauchs� und lassen auch eigene Prestigesucht fahren. Dienen
wir einander mit Freuden; damit ist Gott viel gedient. Und wir sind erlöst
vom Verlorensein.