Traugott Giesen Kolumne 03.03.2001 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
Liebe und Ehe - ein weites Feld
Menschen zu verheiraten ist Kirche schnell
dabei. Sie verwaltet zwar nicht die Liebe, will sie aber gern in feste
Bahnen lenken. Auch das Urpaar Adam und Eva ist ja nicht als Liebespaar
gedacht, sondern als Mann und Frau mit Kindern - also Familie, also Ehepaar.
Erst seit kurzem, seit zuverlässiger Verhütung und Emanzipation,
ist die Liebe auch ohne Ehe gut zu haben.
"Es ist nicht gut, dass der Mensch allein
sei, ich will ihm einen Gehilfen machen" - dieses Glückswort des Schöpfers
hat die Kirche zum Grünungswort der Trauung gemacht mit dem anderen
ehernen Wort: "Gott schuf den Menschen sich zum Bilde, zum Bilde Gottes
schuf er ihn als Mann und Frau". In unserem Traumschatz fest verankert
ist das Paar, das von immer her füreinander gedacht ist, auf das auch
alle Entwicklung der beiden zuläuft. Dieses "Heilige Paar" speist
alle anderen auch noch so flüchtigen Bindungen. Selbst die bezahlte
Liebe muss den Augenblick lang sich erwählt meinen, um zu gelingen.
Alle Lust will Ewigkeit. Doch wir Irdischen
sind von Erde genommen, werden bald müde, hungrig, wollen wieder ans
Eigene und an die Arbeit. Mögen die Sehrverliebten die Ehen um deren
gemeinsame Lebensgestaltung beneiden - Ehen mangelt es dafür an schöner
Besessenheit. Doch für beides in eins ist der Mensch wohl zu klein.
Und darum, auch darum drängt es manche Verheiratete zur Liebe neben
der Ehe und die meisten Verliebten zielen doch auf Eheähnliches. Liebe
ist flüchtig, liquide, mehr Geist als Besitz. Auch Ehe kann die Liebe
nicht garantieren. Ausserdem kann mancher/manche zwei zugleich lieben,
jeden einzigartig, jeden anders, wohl wie man seine verschiedenen Kinder
liebt. Darum ist die Trauformel der Kirche auch so weise: "Willst du ihn/sie
aus Gottes Hand annehmen, sie/ihn lieben und ehren, in Freud und Leid nicht
verlassen, und die Ehe halten bis dass der Tod euch scheidet?" Willst du?
Wir können nur sagen, was wir jetzt wollen, welchen Horizont wir erhoffen
und erbitten. Der Glaube, wir sind einander anvertraut und zugemutet für
immer, muss immer frisch entstehen; das macht die Ehe gut. Geht dieser
Glaube, einander anvertraut zu sein von Gott, vom Leben, verloren, dann
kann Scheidung nötig sein, muss jedenfalls möglich sein.
"Was Gott zusammengefügt hat, das
soll der Mensch nicht scheiden" - dieses Wort des Jesus hat Wunschkraft,
ist aber kein Gesetz. Es ist ein Segen, ein Schutzbereich, das Paar darf
sich unter Gottes Augen wissen, mit allem was es beglückt und beschwert.
Und die Mitmenschen sind aufgefordert, der beiden Bund zu achten. Auch
das 6. Gebot: "Du sollst nicht ehebrechen" meint: "Liebe, und schütze
Ehen". Ein weites Feld ist die Liebe; die Ehe ist davon ein Acker. Fortsetzung:
"Soll die Kirche auch scheiden?" nächsten Samstag.