Traugott Giesen Kolumne 18.08.2001
aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg
ES kommt schon aufs Unterscheiden
an
"Brot, Kleider und Frieden" erbittet Erzvater
Jakob vom Herrn. Die Königin von Saba bringt dem Tempelerbauer Salomo
Gold, Kleider und Pferde. Auch Gott hat was an: "Licht ist dein Kleid" (Psalm
104). Also Kirche und Kleider stehen sich gut - wie man ja auch an den
prächtigen Papst- und Kardinalsgewändern sehen kann und an den
protestantischen Talaren, wenn sie ein wenig aufgebrezelt werden. Kleider
schmücken, auch mit Würde. Andererseits sind sie typisch für
Verfall, siehe Motten und Altkleidersammlung.
Die Verbindung von Mode und Kirche ist so abwegig
nicht. Früher zog man immer das beste Tuch zum Kirchgang an, und das
Abschätzen der Garderoben machte manche Predigt kurzweilig. Doch eine
Modenschau in der Kirche wäre neu. Immer mehr Kirchenvorstände
müssen auf die Jagd nach Finanzen gehen für ihre menschenfreundliche
Gemeindearbeit oder ihre kostbares Gotteshaus. Die einen drängen bei
Besichtigung auf eine Münze, was nur bei attraktiven Häusern geht.
Andere bieten Reklameflächen oder Kellergewölbe für festliche
Tafeleien.
Recht so, dass Kirche sich um zusätzliche
Einnahmen auf dem freien Markt müht. Wo aber sind die Grenzen?
Natürlich darf Kirche kein Geld ziehen aus anrüchigen Geschäften.
Sie darf nicht mal einen Friedhof betreiben zu Gunsten der Gemeinde. Und
eine Fete vorm Altar als besonders hippe Party angepriesen, kann zum Verspotten
von Heiligem verführen. Gefährlich ist die Vermischung von Religion
und Kommerz. Geld und Glaube sind heiße Medien; mit ihnen umzugehen,
ist immer ein Tanz auf dünnem Seil. Das zeigt schon die doppelte Bedeutung
der Worte "Messe" und "Dom". Geht man jetzt Ware begucken oder geht man in
sich? Geht man zur Kirmes oder zum Gebet? Sicher hängt alles zusammen.
Und Gott, Herz aller Dinge, ist nichts Menschliches fremd.
Aber wir müssen unserer Seele willen einiges
auseinander halten. Politik und Kirche waren mal nicht streng genug geschieden
("Waffen segnen"); Geschäft und Freundschaft kann unter Druck setzen
(von Kungelei bis Tupperparties). Und Verkauf, selbst für gute Zwecke,
verschleißt die Heiligkeit des Raumes. Wenn es die gibt. Mein Onkel
zündete sich nach dem Gottesdienst noch im Kirchenschiff eine Zigarre
an, genüsslich. Ich staunte nicht schlecht und fragte ihn, ob man in
der Kirche rauchen darf. "Och", sagte er, "bei uns Reformierten ist das hier
ein Saal, es sei denn, wir halten Kirche. Wenn Kirche aus ist, ist nichts
dagegen zu sagen."
Aber in irgendeinen Saal geht man auch nicht
zur stillen Andacht; und will dort auch keine Modenschau abhalten. Wohl aber
in Kirche, die nach Kirche aussieht, weil sie das Flair von Himmel und
Güte, von Glaube, Liebe, Hoffnung hat, was auch auf die vorgeführten
Dinge Glanz abstrahlen soll. Behütung und geheime Herausforderung gehen
vom Raum auf die Seele über.
Inmitten der Verlorenheit in der Welt ist das
Zuhausegefühl von Kirche zu kostbar, als dass es für
Geschäftemachen abgenutzt werden dürfte. Es kommt schon aufs
Unterscheiden an, mit Worten der heiligen Therese von Avila: "Wenn Buße,
dann Buße, wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn."