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Traugott Giesen Kolumne 10.11.2001 aus "Die Welt" Ausgabe Hamburg

Genieße Gelingen

Warum sind uns Erfolge wichtig? Auch wenn keiner zuguckt? Und warum sollen wir es drei Mal überlegen, ehe wir die Hände in den Schoß legen? Das ist eine lange Geschichte. Es fing ja damit an, dass wir Menschen was abbekommen haben von der Leidenschaft Gottes, die voller Lust am Gelingen ist. Das erste Kapitel der Bibel schwärmt von der Erschaffung der Welt: Sechs Mal wird das Werk für gut befunden, dann heißt es: "Und Gott sah an alles, was er gemacht hat und siehe es, es war sehr gut." Sehr gut für weitere Entwicklung bis zur Vollendung. Der schaffende Weltengrund freut sich am Gelingen und ruft mit dem Menschen sich ein Wesen hervor, das ihm ähnlich fühlt. Sicher liegen wir maßstäblich im Nanobereich, vielleicht sind wir Gott so ähnlich wie uns der Hund. Aber in uns ist die Lust gepflanzt, Freude am Gelingen zu empfinden. Die Kehrseite davon ist: Wir sind wie vernichtet, wenn uns nichts gelingt. Und es kann uns anstiften, den zu erniedrigen, den wir Schuld halten an unserer Misere. Es gibt wirklich Pechvögel und Ausgebeutete und vom Leben Kurzgehaltene, manch einem möchte man ein Engelteam herabflehen.

Doch du, bist du ins Gelingen verliebt? Du kannst doch genießen, dass dir die Kakteen gedeihen oder der Schreibtisch leer wird oder du ein Rezept fein nachkochst oder du nach dem Unfall mit viel Reha-Maßnahmen wieder beikommst. Du kannst auch Einkünfte erzeugen, mit der Gruppe Deckungsbeiträge reinholen, Kindern das Lesen beibringen oder Zerstrittene im Verein langsam wieder zueinander kehren.

Du kannst etwas, das dir Freude macht. Und wenn es Kreuzworträtsellösen ist; wenn du für dich schon Spaß hast, ist das viel. Aber wenn zu mehreren was gelingt, ist das ja noch schöner. Weil des andern Freude ja die deine echot. Es ist wie ein Essen unter Freunden - man genießt das Behagen des anderen noch mal mit. Und im Stadion ist man ja fast Verlängerung der Mannschaft, man leidet und siegt wie die auf dem Feld. Überhaupt ist das ein herrlicher Lehrstoff: Mein Gedeihen hängt am Gedeihen des andern.

Manches Gelingen beraubt auch. Übertrumpfen, ausstechen, in den Schatten stellen, in die Knie zwingen, gnadenlos richten und in den Konkurs treiben - so mancher Erfolg besorgt anderen eine blutige Nase. Der ahnende Erfolgreiche weiß um diese dunkle Seite, weiß, dass es unter den Beraubten immer Bessere gibt als ihn selbst. Darum wird er von einigen Geschäften die Hände lassen. Auch die sich sonnen in der Gunst der Mitmenschen, werden die Pein nicht los zu wissen, dass sie Aufmerksamkeit wegnehmen und Schatten werfen. Vielleicht lernen sie noch die Freude eines andersartigen Gelingens: sich entbehrlich zu machen und so Nächste zu fördern.

Es ist wohl so: Wir leben vom Erleben des Gelingens, vom Geld können wir uns nur ernähren. Darum lass auch deine Begabung blühen, vergrab nicht deine Talente, lass Dank dir gefallen, erkenne dich an. Und bleib neugierig. Denn nichts ist von Dauer.


 




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