Traugott Giesen Kolumne 07.02.1997 Hamburger Morgenpost
Ehe bleibt das Größte
Zur Nordelbischen Synode in Rendsburg
Da hatten die Bischöfe (nicht die Bischöfin) das Abendland schon
wanken gesehen. Sie hielten's für Treuebruch gegen den christlichen
Glauben, wenn Kirche auch nichteheliche Lebensgemeinschaften anerkennt und
auch gleichgeschlechtlichen Partnerschaften eine Segnung gewährt.
Nun tagt die Synode wieder und wird das Bischofsveto überstimmen. Mir
wäre am liebsten, sie würde gleich ganz den alten Zopf abschneiden,
daß Bischöfe das gesetzgebende Organ der Kirche so herrisch aushebeln
können mit ihrem Zweidrittel-Einspruch - als wüßten sie mehr
von Kirche, wären gar gläubiger. Ich hielt es nicht für
möglich, daß Hirten heute noch Gebrauch machen von dieser
Gutsherrenart, Kirche zu regieren!
Kirche soll ja schafsgeduldig das große Einvernehmen suchen. Aber wenn,
wie geschehen, zwölf von 150 Mitgliedern unter Protest den Saal verlassen,
weil sie sich nicht durchsetzen können - und wieder werden weitere
Abschwächungen eingearbeitet, nur um auch den letzten Halsstarrigen
zu gewinnen - und dann sagen die Bischöfe njet - aus Sorge, die Ehe
würde zweitklassig - es war nur ein Jammer.
Diese Synode wird ein Wort zu den modernen Lebensformen finden, das so
nichtssagend ist, daß es keinem weh tut und keinem hilft. Statt der
Gesellschaft in Sachen Lebensformen ein Licht zu sein, trägt Kirche
die rote Laterne.
Natürlich gab und gibt es neben der Ehe viele andere Formen der Gesellung.
Bis ins vorige Jahrhundert durften nur genügend Vermögende in den
Stand der Ehe treten. Alle anderen mußten sehen, wie sie zurecht kamen.
Aber nie konnte und wollte Kirche die Freuden der Liebesumarmung nur als
Prämie für die Kinderaufzucht gelten lassen. Geliebt wurde und
wird immer, mit und ohne Trauschein, in vielen Lebensmustern und Konstellationen.
Neben der klassischen Familie entwickeln sich "Patchworkfamilien". Diese
elastischen Elternschaften mit Kindern aus mehreren Lieben haben oft enorme
Kraft des Zusammenhalts und viel Lebensgeschick. Heute können Paare
leben ohne Siegel und Trauung. - Sie lieben sich jetzt und hoffen, morgen
auch noch - aber sie zögern, sich in anderm Schicksal zu verankern,
wollen noch nicht sich endgültig zumuten und ausliefern. Gerade wer
in einer langdauernden Ehe lebt, wird sie verstehen, denn er weiß,
daß nur Gnade und Wunder seine Ehe trägt.
Da der Gottesauftrag "Seid fruchtbar und mehret euch" wegen
Überfüllung der Erde nicht mehr pauschal gilt, haben nun auch
gleichgeschlechtlich Liebende die Chance, daß ihr Bündnis gesegnet
wird. Alle Liebe ist ein Schimmer aus dem Paradies. Selbst die Umarmung nur
einer Nacht will dauern, bis daß der Tod sie scheidet. Keine Angst,
Kirche, bei aller Freiheit bleibt Ehe das ewige Muster.