Das sechste Gebot
Du sollst nicht ehebrechen 2. Mose 20,14 - Das sechste Gebot
Liebe und schütze Ehen
Und Gott baute aus der Rippe des Einen die Andere. Da sprach der Mensch:
Das ist ja Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch. Darum wird
jeder Mensch Vater und Mutter verlassen und an seinem Gefährten hängen
und werden die zwei ein neues Ganzes (1. Mose 2, 22. 24).
In einer Diskussion über die Ehe sagt Jesus: "Was Gott zusammengefügt
hat, das soll der Mensch nicht scheiden." Die Pharisäer halten Jesus
entgegen: "Und warum hat Mose einen Scheidebrief erlaubt?" Jesus antwortet:
"Wegen der Härte eurer Herzen; vom Ursprung her, vom Wesen der Liebe
her, ist es anders gedacht"( (Matthäus-Ev. 19,6-8).
Das Ehebruchs-Verbot stellte in Israel die Ehe des andern Mannes unter Schutz.
Einer sollte nicht den andern um seine Frau berauben. Du sollst ihn nicht
töten und nicht an sein Eigentum gehen- die nächsten Gebote
zählen das Eigentum nach der (damalige) Gewichtigkeit auf: Ehefrau,
Ehre, Haus, "und alles, was sein ist"; im zehnten Gebot taucht die Frau nochmal
auf mit und vor Knecht und Vieh.
Es ging im sechsten Gebot nicht um den Schutz der Liebe, auch nicht um den
Schutz der Frau. Die Frau ließ sich leicht wegschicken; ihr einen
Scheidebrief ausstellen, das ging jederzeit- man hat sie ja mal den Eltern
abgekauft. Eine neue Frau heiraten oder einige noch dazu sich beigesellen
durfte der Mann jener Zeit, wenn er wohlhabend genug war.
"Ehebruch war die Verletzung von Rechten des Ehemannes durch den Ehebrecher.
Untreue des Ehemannes war juristisch unerheblich" (Uwe Wesel). Als Schutzsatz
für des andern Ehebesitz ist das Gebot gänzlich abgetan. Keiner
gehört einem. Wir bleiben auch in der Ehe je eigene Personen, eigenes
Rechtssubjekt. Auch ließe dieses Gebot, wörtlich genommen, alle
Unverheirateten ohne Weisung.
Vielleicht heißt das sechste Gebot eigentlich: Du sollst lieben. Oder
als Zusage: Du, Gottes Mensch, liebst. Und wenn du einen derartig liebst
und von ihm so geliebt wirst, daß ihr eine Sache miteinander machen
wollt, bis daß der Tod euch scheide, dann ist das Ehe, aus der du dich
nicht brechen willst, die du nicht zerbrechen willst und auch keinen anderen
willst du aus seiner Ehe brechen. Aber Ehe muß der Liebe dienen.
Ja, der Traum vom Paar, das in ewiger Liebe einander anvertraut ist, dieses
Bild ist vom Ursprung her uns mitgegeben. Und die Katholische Kirche wagt
diesen Traum in der irdischen Ehe zu institutionalisieren; das Paar gibt
einander die Eucharistie, sie geben einander den Leib Christi, von dem sie
ein Teil sind als das ewig für einander zugeschnittene Menschenpaar;
darum ist Scheidung auch prinzipiell unmöglich. Evangelische Kirche
traut auch Geschiedene, sie macht auch die Ehe nicht zum Sakrament- zu riskant
ist für ein Sakrament diese Verknüpfung von Menschenwille- der
auch purer Eigensinn sein kann- und Gottes Wille. Für Luther ist Ehe
ein "weltlich Ding", das sicher Dank und Fürbitte haben soll- einen
Gottesdienst anläßlich der Eheschließung- aber kein Eid,
kein Gelübde soll gegeben werden, wohl eine Willenserklärung unter
Gebet, daß diese Beiden sich annehmen wollen aus Gottes Hand, bis daß
der Tod sie scheide- dazu Bitte um Segen; vor allem, daß die Liebe
bleibe.
Evangelische Kirche gibt keine Garantie, daß die beiden das Paar sind,
das vom Himmel bestimmt ist zur ewigen Liebe. Wohl ist in uns das Bild vom
Paar gelegt, doch dieses verkörpern in Gestalt der Ehe bürgerlichen
Rechtes ist ein anderes Ding. Und wenn die Zwei sich eins wissen, immer wieder
einig werden zu wollen, ist das ihr Wille; und sie dürfen ihn als Gottes
Willen glauben- und der Pastor/die Pastorin dürfen über ihnen sagen:
"Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden."
Doch den einen verwirklicht sich der Traum vom Paar in einer
lebenslänglichen Ehe, anderen mehr in Gestalt eines Reigen. Paulus riet
energisch zur Ehelosigkeit. Diese aber muß ja nicht geschlechtslos
gelebt werden; nachdem zuverlässige Empfängnisverhütung
möglich ist, ist der einzige Grund für "Keuschheit" als Tugend
dahin.-Eine persönliche Entscheidung zu zeitweisem oder dauerndem Verzicht
auf Liebe mit Leib und Seele kann erhellende Freiheit für andere
Intensität bedeuten. Aber das Sich-körperlich-vermeiden als ethische
Leistung, als "gutes Werk" ausgeben, ist Willkür.
Enthaltsamkeit hat im biblischen Rahmen sowieso einen schlechten Stand. Im
zehnbändigen Wörterbuch zum Neuen Testament steht zu "enkrateia",
-Selbstbeherrschung, geschlechtliche Enthaltsamkeit: "Es ist auffällig,
welche äußerst geringe Rolle in der biblischen Religion die
Enthaltsamkeit spielt. Das Wort taucht in der Bibel nur an drei Stellen auf
(u.a. Galaterbrief 5,22) Abgeschnitten war durch den Schöpfungsglauben
der Weg in die Askese. Judentum und frühes Christentum erkannten in
der Welt mit ihren Gaben Gottes Schöpferhand." Auch Jesus als asexuelles
Wesen zu denken, ist verstiegen, wenn nicht doketistisch, also irrlehrend,
als habe Gott nur scheinbar Menschenverkleidung angenommen. Wenn in Jesus
"das Wort Fleisch wurde" (Johannes-Ev 1,14) und er "den Menschen gleich und
der Erscheinung nach als Mensch erkannt wurde" (Philipperbrief 2,7), dann
gehört Geschlechtlichkeit selbstverständlich zu Jesus- auch wenn
offen ist, wie er sie gelebt hat- Für jüdische Theologen ist ein
"Rabbi" selbstverständ lich verheiratet und Vater vieler Kinder- wäre
das bei Jesus nicht der Fall gewesen, hätte er nicht als "Rabbi" gegolten.
Maria-Magdalena war ihm gut und er ihr, von einem Jünger heißt
es, "daß er ihn besonders liebhatte" (Johannes-Ev 13,23)- die
Abendmahlsbilder mit Johannes innig an JesuSchulter bewahren sicher eine
liebevolle Wahrheit- wie auch immer, mein Jesus hat mit Leib und Seele geliebt
und ist auch umfassend geliebt worden.
Das sechste Gebot gebietet zu allererst mal Aufmerksamkeit für das weite
Feld der irdischen Liebe. Es ist Gottes schönste Erfindung und innigster
Vorgeschmack auf Himmel und Vollendung. Sie steht nicht nur der Ehe zu, Liebe
in Freundschaft und Ehe ist Thema des sechsten Gebotes.
Liebe war schon, als Ehe noch gar nicht war, und da wir alle Liebe brauchen,
suchen, geben, finden, auch vor oder nach Ehe, auch ohne Ehe und oft auch
neben der Ehe, ist erst zu reden über das Lieben und dann auch über
Ehe als eine Form, eine Liebe zu schützen und zu entfalten.
Unsere Anschauung von der Liebe ist unverlierbar geprägt durch die
Schöpfungsgeschichte, die einer mal "die wahre Sage" genannt hat. Gott
schafft den Menschen als Mann und Frau, sodaß einer beim Anblick des
andern jubelt: das ist ja meins, das ist ja Ich noch einmal, noch einmal
anders.
Das Paar ist auch die Entdeckung der schönste Gestalt , wie Zusammen-
gehören irdisch abzubilden sei: Die Zwei die beisammen sind nicht in
Unfreiheit, auch nicht in Freiheit (im Sinne von Gewährenlassen bis
zum Desinteresse) sondern in Verbundenheit (nach Martin Buber). Gott steckte
den Menschen mit Paarlust an; die fühlt schon bei Pflanzen und Tieren
hauchweise vor; man denke an die Blüten und die Schnecken.
Aber dann, in den Menschen kommt die Lust, sich zu verknüpfen zu
lichterloher Bewußtheit. Eins "erkennt" den andern- so das
alttestamentliche Wort für Miteinanderschlafen (z, B 1. Mose 4,1). Der
Mensch findet erst in Rücksicht auf des andern Sein zu seiner eigenen
Seele, zu seinem eigenen Leib. Eins hilft dem andern als Spiegel, sich zu
finden.
So ist die Liebesumarmung ein heiliges Geschehen, ein neuer Schöpfungstag
immer wieder, zwei Bruchstücke erleben sich als verwandt, sie reichen
sich einander als Brot und Wein der Communio (Novalis), sie schmecken sich
und können sich riechen, sie fühlen sich eine Strecke weit ausgebootet
aus der Pflichtzeit, Puzzles, die schon wenigstens an einer Seite zum Ganzen
gehören; Zwei verschmolzen für Augenblicke Ewigkeit. Da gelingt
das Wunder von Ganzsein, wo keiner mehr an sich denkt, sondern beide aufgehoben
sind zu einer Kugel in Gottes Händen. Es könnte dies ein Gleichnis
sein für das Wieder-zur-Einheit- Zurückfinden, das uns mit dem
Himmelreich ja bevorsteht. Weise Juden sagen: "Es sind drei Beweise für
die Existenz Gottes: "Die Sonne, der Sabbat, die Liebesumarmung." Und Marie
L. Kaschnitz: "Die Blüte irdischer Liebe gabst Du mir zum Pfand fürs
Reich des Geistes und der Güte."
Und noch inniger, eigentlich nicht zu sagen, nur gewahrzuwerden im Lieben:
"Gott schuf den Menschen zu seinem Bild als Mann und Frau" (1. Mose 1,27).
Gott, der Ganze hat in seine Menschen die Suche nach Ganzwerden eingesät,
hat uns als fiktive Hälften geschaffen, die ihre Ergänzung immer
suchen, sie immer auch für kurze Zeit genießen dürfen, wie
brüchig auch immer Doch auch diese Findezeiten sind erst und nur
Ouvertüren, begnadete Anfänge, Schlüssellochblicke in Richtung
Einganzeswerden mit Allem und Jedem.
Was von Leib zu Leib gelingt, ist gefährdet; Hilde Domin sagt es : "Du
und ich/ Von Warm nach Kalt/ wie schnell das geht/ Haut und Gänsehaut."
Schnell kann Argwohn das Paar zerspalten. Daß zwei sich lieben,
bestätigt: Gut daß du da bist, gut, daß es dich gibt; erst
mal ganz unabhängig, wie lange und wie oft sie sich gut sind, sie werden
von einander gehen, gestärkt in dem Wissen: Ich bin liebenswert, ich
bin liebesfähig. Auch wenn ein Lieben endet, nimmst du doch mit diese
wunderbare Gewißheit: du hast zum Glück mindestens dieses einen
Menschen beigetragen. Und der fand Liebenswertes an dir. Wenn ihr euch verliert,
dann bleibe euch mindestens als Essenz des Gemeinsamen: Geliebthaben,
Geliebtwordensein bleibt bei einem jeden von euch und wird die nächsten
Phasen der Liebe mit färben.
Das Lieben ist unsere Bestimmung.In diesem Sinne sagt Peter Handke: "Jeder
Kuß ein Segen." -Vielleicht werden wir dermaleinst Rechenschaft geben
müssen für die versäumte, ausgelassene, nicht gelebte Zartheit-
den Kindern, dem Ehegefährten und jedem Menschen, der unsere Nähe
gebraucht hätte; aber wir waren zu solistisch, zu angepaßt,
eifersüchtig, blind, dogmatisch, träge, phantasielos. -Sicher gibt
es auch voreilige Küsse, aufgezwungene, leere, heiße Luft eben,
und der andere hat es als Versprechen genommen. "Mit der Liebe spielt man
nicht", könnte auch meinen: "Du sollst nicht geliebt sein wollen, wo
du nicht liebst" (Friedrich D. Schleiermacher).
Wundersam, daß in der deutschen Sprache nur ein Wort da ist, wo die
Griechen viele haben: Eros, Agape, Filia, Epithymia- Erotik, Nächstenliebe,
Freundschaft, Leidenschaft; wir haben nur: "Liebe". Und wie wahr: Auch
Nächstenliebe ist doch eine Abteilung der Liebe; Liebe womöglich
die höchste Stufe und extremste Form von Nächstenliebe" (Peter
Nadas)? Die Wechselseitigkeit ist das Köstliche am Lieben, glückhafte
Liebe gibt beim Nehmen und nimmt beim Geben. Im Ideal anzuschauen beim Kind
an der Mutterbrust- wer stillt da wen?
Liebe als Quelle der Freude dürfen wir genießen in vielen Formen
und Farben; die umfassendste ist sicher die Ehe aber auch ein gelingendes
Gespräch, ein befreiendes Wort in peinlicher Situation, ein
versöhnliches Lachen, ein gemeinsames Tafeln, ein Beten, Freundlichkeit
aller Art ist vom Schatz der Liebe genommen. Deren köstlichste Perlen
aber schenken ein umfassendes Ja; zwei suchen eins im andern so was wie
Unterkunft ,wenn nicht gar Heimat.
Es gibt viele Bindekräfte; die Sexualität aber ist Kern des
Magnetfeldes, das uns zueinander hinzieht. Es ist wohl Gottes
menschenfreundlichste, aber auch hintergründigste Erfindung; "Wir sind
Engel mit nur einem Flügel. Wenn wir fliegen wollen, müssen wir
uns umarmen" sagt Bellavista.
Auch die vielen anderen Farben sind enorm kostbar und anziehend : Die intensive
Sympathie, mit dem anderen zu leiden, weil sein Leid als Stich ins eigene
Fleisch empfunden wird; mit dem anderen sich freuen, noch die
Fußballspieler mitbejubeln, oder die Baumhäuser der Kinder mitbauen.
Gemeinsames, das mehr Möglichkeiten eröffnet, und das Schöne
- Mozart, Picasso, das lächelnde Antlitz des Passanten- bestätigen
doch den Glauben an ein Gutsein des Ganzen.
Also nicht der Einzelne im Meer von Fremdheit, bis er seine Dublette gefunden
hat und die beiden dann in einem Zweipersonenböötchen auf einem
Meer des Grauens sich aneinander festklammern. Sondern Liebe entwickelt das
Bild vom polar getönten Kosmos, von einer auf Freundschaft gestimmten
Menschheit, die Jesus ausruft, eben auch, indem er nicht heiratet, nicht
Familie gründet.
Jesus ruft die Familie Gottes aus: die patriarchalischen Druckmittel
zerbröselt er: "Einer ist euer Meister, ihr aber seid alle Brüder
und Schwestern und wer der Größte unter euch sein will, sei Diener
aller" (Matthäus-Ev. 23, 8,11). Er drängt auch die matriarchalischen
Begehrlichkeiten zurück. Zu Maria sagt er einmal: "Frau, was gehts dich
an, was ich tue" (Johannes-Ev. 2, 4). Und "Bruder, Schwester, Mutter sind
mir die, die den Willen Gottes tun" (Matthäus-Ev. 12, 50). Der sterbende
Jesus bzw. der auferstandene Christus sagt zu Maria und Johannes, die unter
dem Kreuz stehen: "Frau, das ist dein Sohn; Johannes, das ist deine Mutter"
(Johannes 19, 26f). Sie werden zueinandergestellt, einander anvertraut; nicht
mehr Genetik oder Juristik verbindet sie sondern die Liebe, die das
Zuständigsein füreinander lebt. Liebe ergänzt das
Bedürftigsein auf eine sehr persönliche Art von Angesicht zu Angesicht.
Aber auch das Rote Kreuz oder der ADAC lieben: Helfen ist doch die Mutter
der Liebe.
Ehe ist Institutionalisierung des Wunders - Ehe will sich annehmen aus Gottes
Hand, sich lieben und ehren , in Freud und Leid nicht verlassen, bis daß
der Tod sie scheidet. Dabei ist Liebe nicht zu bannen. Aber muß es
so aufgeteilt sein: "Es gibt das sinnliche Verlangen, sich mit einem andern
Wesen zu vereinen, und das vernünftige Verlangen, einen
Lebensgefährten zu haben"- Albert Camus sagte das, aber er sagte auch:
"Ehe ist die einzige Liebe ohne Illusion, nämlich die Liebe mit der
Bereitschaft, gemeinsam alt zu werden." Generell läßt sich wohl
nur sagen: Ehe muß der Liebe dienen. Aber sie kann es auch. Ehe ist
Bleiben; was heute nicht gelingt, gelingt vielleicht morgen oder nächstes
Jahr- Ehe ist auf Dauer angelegt, will ein gemeinsames Haus aus Sprache und
Erinnerungen, Projekten, will gemeinsames Konto, Bestehen von Mühen
und Schrecknissen, Bereiten von Glanz und Festen. Gemeinsame Kinder, wenn
möglich; sie gemeinsam erziehen und irgendwann sie in ihre eigene Zukunft
laufenlassen.
Ehe ist Kenntnis vom Andern, inklusiv dem Verschwiegenen und Nichterfragten;
ist wissen was ihm gut tut und ihm weh tut- wissen wie weit man nicht zuweit
gehen darf- das Wissen, was im Konflikt Priorität hat, und daß
es den den gemeinsamen Gewißheitskern zu schützen gilt. Ehe sucht
zu vermeiden, was das Bleiben zerstörte.
Ehe ist zutiefst Freundschaft und gutes Verhältnis zur Zeit- die
Bedürfnisse wandeln sich; wohl den Beiden, wenn sie sich Geleit geben,
ohne alles an Ergänzung von dem einen zu verlangen. Ehe findet im Laufe
des Weges zu der ganz bestimmten, höchst individuellen Wahrheit- gerade
den Geliebtesten braucht man ja am meisten, ihn will man am wenigsten
enttäuschen, darum wird viel geschont- und geschönt eben auch.
"Man hat immer einen Zeugen"(Javier Marias). Das ist nicht jedes Menschen
Sache. Sich nah sein und doch sein Eigenes machen, will gelernt werden."Sag
einfach, wie es mit dir ist" (Ruth Cohn)- aber selektiv authentisch-alles
zur richtigen Zeit. Und viel Lachen auch über sich selbst, sich komisch
finden, langsam auch Verwandtschaft im Humor. Und eine Streitkultur finden,
die beiden Raum läßt und immer neu austariert, welche Nähe,
welche Distanz jetzt bekömmlich ist. Und viel Vergebung, besser noch,
nicht so viel schuldig machen durch Vergeben sondern den eigenen Anteil mit
übernehmen, und sagen, denken: "Nicht leicht du zu sein, ich zu sein;
zusammen gehts."
Großzügigkeit im Laufe der Zeit , durch die Finger gucken, nicht
verhören, nie Fallen stellen; nur fragen, was man muß und abwarten
können, bis er/sie selber sich regt. Aus der Mengenlehre gelernt haben:
Viel gemeinsame Schnittmenge, aber auch je eigene Teilmenge. Jedem auch sein
eigenes Stück Garten, das der andere nur eingeladenerweise betritt.
Und "Hauptsache: Du bist glücklich; das Zweitwichtigste: mit mir." Und
die Beute an Geld, Erfolg, Freude draußen mit nach Hause bringen,
umgemünzt. Und wachsende Gelassenheit, was Freundschaften hinzu angeht.
"Wir müssen uns frei machen von der Vorstellung, als mache sexuelle
Treue schon eine gute Ehe oder ohne diese sei eine gute Ehe unmöglich",
weiß Max Frisch. Wie Entbehrung und Mangel bestanden werden, auch die
verschiedenen Tempi und daß die Körperfreude möglicherweise
dem einen sehr wichtig, dem andern eher weniger wichtig ist- wie das "Einer
trage des anderen Last mit" (Galaterbrief 5,2) in dieser Ehe gelebt wird,
bleibt die Arbeit dieses Paares. "Liebe ist: nicht zuviel vom andern zu
erwarten"- wie die Beiden das umsetzen, wie die Gezeiten der Liebe in der
Ehe ausgehalten bleiben, das macht jede lebendige Ehe zu einem Wunder.
Es ist Frucht einer zweitausend Jahre alten Christentumsgeschichte, inklusiv
der von Kirche teils ungeliebten Aufklärung, daß die Würde
des Einzelnen unantastbar ist, auch in der Ehe. Dazu gehört, daß
jeder Mensch Zweck in sich selber ist und nicht zum Zweck gemacht werden
darf. Darum sind auch alle Ehekonzepte absurd geworden, die den Zweck der
Ehe in Kindern siehen oder/ und in der Kasernierung des Triebes. Ehe muß
der Liebe dienen, das ist Wiederfinden der Wahrheit des Ursprungs.
Die Schriftgelehrten gehen im Streit mit Jesus (Matthäus-Ev. 19) das
Thema ganz anders an: Ehe ist für sie eine juristische Körperschaft
wie Nation oder Firma mit Gesetzen und Klauseln. Und wer der Stärkere
ist, der hat von Klauseln und Kleingedrucktem immer mehr Nutzen als der andere.
Und ganz klar, die Schriftgelehrten von damals waren Männer, und die
Männer wollten ihre Herrschaft in der Ehe nutzbringend anwenden: Wohl
ist die Frau Herrin des Hauses, aber doch in des Herren Haus und doch von
des Mannes Gnaden, und wenn sie Zicken macht, muß es möglich sein,
sie loszuwerden ohne große Abfindung. Sie ist die Mutter seiner Kinder;
es bleiben seine Kinder. Sie ist ja abgekauft dem Schwiegervater, jetzt soll
sie sich bezahlt machen. Darum war auch selbstverständlich die Steinigung
als Strafe für die Ehebrecherin (Johannes-Ev.8) Jesus kann die Richter
(diesesmal ) bekehren zur Einsicht, daß sie selber gelüstende
Gedanken haben: "Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein."-Jesus
entzieht den Männern ihr Besitzdenken als Ehebasis- und lockt sie "heim"
in Richtung Liebe. Die Pharisäer hielten es für Männerrecht,
die Frauen austauschen zu können. Jesus sagt, wegen eurer Herzenssklerose
ist euch die Möglichkeit zur Scheidung von Mose eingeräumt. Ihr
denkt bei Ehe an Besitz . Aber Ehe beleiht doch den Traum vom Paar, Ehe hat
doch mit Liebe zu tun; die ist vom Wesen her ewig und überhaupt kein
Feld für Machtworte. Eheleute sollen sich nicht scheiden lassen. Der
Glaube, Gott habe sie zusammengefügt und gebe die tägliche Ration
Liebe, der soll sie gemeinsame Sache machen lassen, bis daß der Tod
sie scheide . Aber wenn dieser Glaube sie verläßt, sind sie schon
von der Liebe Verlassene, und dann muß nach langem Mühen ein
Auseinandergehen möglich sein.
Paulus sieht Ehe nur verkniffen, nur als Notinstitut gegen umtriebiges
Liebesleben- "Es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren.
Aber um Unzucht zu vermeiden, soll jeder seine eigene Frau haben und jede
frau ihren eigenen Mann... besser heiraten als sich in Begierde zu verzehren...
Aber jeder hat seine Gabe, der eine so, der andere so. Jeder soll so leben,
wie der Herr es ihm zugemessen, wie er einen jeden berufen hat" (1.
Korintherbrief 7,1.2.7.9.17) -Doch darum, Paulus, schade, daß du sagst
es sei gut, daß keiner den andern anrühre. Es hat doch jeder seine,
jede ihre Gabe , der/die eine so, der/die andere so. Dabei hast du tief geblickt:
"Die Frau verfügt nicht über ihren Leib, sondern der Mann und der
Mann verfügt nicht über seinen Leib, sondern die Frau" (v.4) und
empfiehlst , nach Symphonie zu streben (v.5) und nicht einander sich zu entziehen
und du hast mit 1. Korintherbrief 13. Kapitel das gewaltige Gedicht von der
Liebe( ...mit Menschen- und mit Engelszungen..) eingegeben bekommen. Warum
du so abwertend von der irdischen Liebe denkst, wer weiß, was du erlebt
hast, warst ja auch ein gehetzter Mensch, ein Missions-Workaholic; dachtest,
gleich ginge die Welt unter.
Für Martin Luther ist die Ehe ein emanzipatorischer Akt, er beweist
sich und anderen den Bruch mit dem Papsttum; verneint einen Sonderweg für
Kleriker, bestreitet ihnen, auf eine weihevollere Ehe mit Kirche und Maria
versiegelt zu sein. Auch Luther sieht die Ehe nicht als Projekt der Liebe
sondern als Status des freien Christenmenschen und als Projekt für
anständigen Nachwuchs: "Gott ehrt den Ehestand, damit, daß er
ihn durch sein Gebot bestätigt und bewahrt... Denn es liegt ihm alle
Macht daran, daß man Leute heranziehe, die der Welt dienen."
Die Wahrheit ist: Die Ehe muß der Liebe dienen. Gott implantiert in
uns ein Stück seines Wesens. Sein Wesen ist Liebe, Zuneigung, Empfindung
für das Andere, Wille zur Gemeinschaft. Mit dem anderen, der anders
ist aber ähnlich, communio herstellen, das ist Gottes Anliegen. Und
so schafft Gott einen Kosmos, der auch wieder so gebaut ist, nämlich
polar, in Gegensätzen, die zueinander gehören. Mann und Frau ist
eines dieser Gegensatzpaare, in denen Gott sein "Im- anderen- sich- Wiederfinden"
nachbaut, nachstellt, nachfühlt. Gott setzt dem Menschen diese kleine
Flamme seiner eigenen Liebeskraft ein: seine Polarität.
Und so muß der Mensch auch wieder zum anderen hin, muß im anderen
sich finden, mit dem anderen gemeinsame Sache machen, sich sättigen
daran, daß er ihm seinen Hunger stillt, muß sich an seiner Freude
entzünden, an seiner Wärme sich erwärmen Und wenn einer die
Kälte des anderen auftaut, dann macht ihn dies Auftauen zum Frühling.
So sehnt sich jeder Mensch nach einem Du als Hilfe. Und sucht den Einen/die
Eine. Da ist die Angst, den geliebten Menschen nicht zu finden oder ihn zu
verpassen, ihn zu verschrecken, ihn zu enttäuschen, ihn nicht halten
zu können; da ist die Angst, ihn zu verlieren. Es ist die Angst vor
dem Vergleich, das Zittern, verlassen zu werden, oder daß die Liebe
überhaupt erkaltet, die Angst vor dem Tod der Liebe.
Die Ehe nun ist dazu da, die Liebe, eine Liebe, die wichtigste Liebe zu
schützen. Jesus sagt, was Gott zusammengefügt hat, das soll der
Mensch nicht scheiden. Wenn zwei von der Liebe zusammengefügt sind,
wissen sie, daß Gott sie für einander meint; die Liebe ist ja
Gottes Atem, Gottes Treibkraft, zuständig zu werden füreinander.
Ehe soll die liebste, die längste Liebe schützen, indem sie die
beiden kennzeichnet: Dieser Mensch, zu ihm will ich mich bekennen, seine
Einmischung erbitten, von ihm begleitet und behaftet sein- gemeinsames Schicksal,
gemeinsames Konto, Erbschaftsregelung eingeschlossen.
Sicher war früher die Fortexistenz der Sippe das Wichtigste, darum waren
Kinder und Mehrung des Besitzes nötig, darum Ehe selbstverständlich
für freie Bürger. Heute bezieht der Einzelne sein Personsein nicht
mehr davon, daß er Glied einer Kette ist. Jeder Mensch ist wunderbar,
hochwichtig. Nicht erst die Zugehörigkeit zu Ehe, Familie oder Staat
machen zum Menschen. Das haben wir begriffen.-Bald zweitausend Jahre brauchte
dieses Jesuanische Wissen, daß es Wurzelgrund einer Ethik der Achtung
werde.
Was das Rechtsinstitut Ehe im Gesamtpaket beschafft, kann heute auch ohne
Standesamt einzeln vor dem Notar geregelt werden. Und doch- jede Liebe will
dauern und gewinnt durch Dauer. Sie gewinnt durch Wiederholung, durch Riten
Institutionelles. Es ist doch nicht so, daß wir uns jeden Tag von Grund
auf neu entscheiden zu einer Liebe. Wenn sie die große Liebe ist,
hält die Liebe, bis daß der Tod sie scheidet. Wenn sie die große
Liebe ist, ist sie von Gott verfügt. Wenn sie verfügt ist, merken
es beide. Wenn es nur einer merkt, ist es nicht Gottes Wille, sondern Illusion
und Traurigkeit. Ist es aber die große Liebe beider, ist es Tragik,
wenn sie nicht gelebt werden kann.
Auch eine bestehende Ehe kann zerbrechen um der großen Liebe willen.
Es ist ja eben nicht so, daß durch eine rechtliche Eheschließung
oder durch eine kirchliche Trauung oder gar beides zusammen garantiert
würde, daß Gott sie zusammengefügt habe. Die Trauung ist
Hoffnung, aber keine Bescheinigung des Willen Gottes. Die Paare kommen zum
Pastor, zur Pastorin und sagen, sie wollen heiraten, wollen den Segen, wollen
mit Kirche heiraten, hoffend, daß Gott sie für einander meint.
Sie haben ein Recht auf die Trauung, wenn das Standesamtliche geregelt ist.
Aber ob es die durchtragende Liebe ist, das wird sich erweisen. Und nur,
wenn es die große, die langwährende Liebe wird, die "alles
erträgt, alles glaubt, alles hofft, alles duldet dem Nächsten zugut"
(1. Korintherbrief 13,7) hat Gott sie füreinander für so lange
gemeint. Jedenfalls hat sie Gott nicht für die Qual gemeint. Und darum
ist es gut, daß Scheidung möglich ist.
Oft bleibt ja Zuneigung; und Befreundung kann wieder wachsen, wenn man sich,
fürsorglich ausgerüstet, in die eigene Biographie entläßt.
Wenn sie sich nicht mehr verstehen, befruchten, befeuern, nicht mehr einander
die Schwächen tragen helfen sondern einander ihre Fehler verdoppeln;
wenn sie häßlich werden und von einander gelangweilt- dann hatte
die Liebe ihre Zeit.. Die Beiden sollen eine Durststrecke aushalten, das
sind sie ihrer Geschichte schuldig und der Liebe, die ein großer Brunnen
war-ist- war, das wird sich zeigen; wenn sie sie erst mal auseinander
rücken.
Aber wenn der Vorrat von lebendigem Wasser erschöpft ist, wenn nichts
mehr den andern schön macht- dann, wenn die Ehe der Liebe nicht mehr
dient, nicht mehr die Liebe behaust, diese aufgezehrt ist und die Ehe nur
noch kaltes Gehäuse, wird; Gefängnis wird, wo (nach Martin Walser)
die beiden wie Chirurgen aneinander rumschneiden und immer besser wissen,
was weh tut- dann müssen sie von einander lassen, bei aller auch weiterhin
gebotenen Fürsorge.
Die Ehe kann der Liebe helfen, aber die Ehe kann die Liebe nicht garantieren,
wie ja der Eid auch nicht die Wahrheit garantieren kann und Jesus typischerweise
den Eid verbietet.
Ehe ist die besondere Kennzeichnung einer Liebe; die eine umfassende
Lebensgemeinschaft gestaltet. Und sind Kinder gewährt, dann trägt
man erst recht mit das Gewicht der Welt- wer da Ehe zerbricht, macht die
Liebe nicht groß. Die Liebe macht die Ehe groß, soll sie groß
machen. Das Bild von dem Paar, das altgeworden auf der Bank sitzt und alle
Stürme miteinander bestanden hat, ist wohl das Urbild von Glück
in unserer Seele.
Aber auch das Paar, das sich gefunden hat, nachdem beide ihren Lebensweg
fast schon hinter sich gebracht haben, und die jetzt völlig ohne soziale
Verpflichtung in reiner gegenwärtiger Liebe im Altenheim gut sind
füreinander auch dieses Paar bietet ein starkes Bild. -
Alle von der Liebe zueinander Verfügten soll der Mensch nicht scheiden.
Es ist großer Schmerz dabei, wenn der weite Horizont "bis daß
der Tod uns scheidet" einstürzt. Es ist Wehmut und Schuld und Wut dabei,
aber keiner will nur Treue, jeder will ja Liebe. Und die ist Wunder, ist
nicht zu versprechen. Darum sagen sie bei der Trauung auch: Ich will dich
lieben und ehren", nicht: Ich werde..." Was wir tun werden morgen, wissen
wir erst im Laufe des morgigen Tages. Es kann sein, daß man auch seinen
Ehegefährten lassen muß, wenn einer meint, daß er seine
große Liebe woanders blühe.
Manche Brautpaare fragen, ob man "bis daß der Tod euch scheide" durch
eine flexiblere Formel ersetzen könne, weil ja die Dauer unabsehbar
ist. Aber gerade dieser weite Horizont der Ehe schützt die Liebe- soweit
wünschen wir uns einander; bis an den Horizont: Tod wollen wir uns
begleiten. Und wir brauchen die Zeit, um Liebende Menschen zu werden, mindestens
bis ans Grab, wenn nicht darüber hinaus. Ob es gewährt sein wird-
man muß es leben, um es zu sehen.
Die Liebe, die nicht aufhört (1. Korintherbrief 13,13), ist Gottes
Zusammenseinfreude, seine Zusammenhaltelust; ja, die Liebe, die nicht
aufhört, ist Gott selbst. Unser Lieben ist begrenzt, ist endlich; schon
wenn wir eingeschlafen sind, träumen wir abenteuerlich.
Unser Lieben hat viele Gestalten, hat Phasen und Farben, hat Höhen und
Tiefen, hat Sehnsucht nach dem/der Einzigen und auch nach dem/der Unbekannten-
Homer erzählt von Odysseus, als er nach langer Irrfahrt zurückgekehrt
war zu seiner ersehnten treuen Ehefrau Penelope: In der Fremde hatte er Heimweh
nach Zuhause und hier hat er auch "Heimweh nach der Heimatlosigkeit".
In keiner Verbindung werden wir rund und ganz, immer ist das Ganze mehr als
die Teile unseres Liebens. Unsere Bruchstücke Liebe aber sind Gestalt
von Segen.
Auch homosexuelle Liebe ist Gabe Gottes und muß endlich von Argwohn
und Verachtung freigehalten werden. Nicht jeder ist von eindeutigem Geschlecht.
Wir sollten aufhören, Angst zu haben vor Andersartigem. Die Meinung,
nur Heterosexualität wäre gottgewollt, stammt aus der Zeit, da
Fortpflanzung als Sinn der Sexualität galt, da schwächten
gleichgeschlecht- lich Liebende nur das Vaterland. Wir leben aber in anderen
Zeiten und sind im christlichen Glauben auch freigesprochen zu unserm eigenen
Gewissen in sexuellen Angelegenheiten.
Auch geht die sexuelle Orientierung des Nächsten mich gar nichts an,
es sei denn, wir gehen uns sehr an. Geschlechtsleben unter Erwachsenen hat
jedem öffentlichen Interesse entzogen zu sein. Wer dies Privateste zweier
Menschen auf den Markt zerrt, der begeht ein Sakrileg, "der schmeißt
Perlen vor die Säue" (Matthäus-Ev 7,6). Das gilt für Vorgesetzte
und Kollegen, Nachbarn, Freunde und Freundinnen, auch für Zeitungen
und Lesende. Es gilt zu bedenken: "Die größten Schwierigkeiten
hat man nicht mit den Menschen, denen man Unrecht tut, sondern mit den Zeugen
der Angelegenheit, die sich freiwillig zum Richter aufwerfen" (Honore' de
Balzac). Aber auch Dank an alle, die Diskretion walten lassen.
Früher war Sexualität fürs Kinderkriegen da, die Freude gab's
hinzu als Spesen für die Mühe der Aufzucht. Durch zuverlässige
Empfängnisverhüt- ung ist uns ein anderer Umgang mit der irdischen
Liebe eingeräumt und geboten. Das schöne Zusammenschwingen von
Körper und Seele ist uns von Gott geschenkt zum Feiern der Liebe, zum
Fühlen der Güte des Lebens. Wer abwertend von "Trieb" redet,
lästert den Schöpfer. Das Zärtlichsein, das die Liebenden
erfreut, ist gute Gabe des Lebens. Gut, wenn zwei sich Zugetane die
"Komplizenschaft im Verlangen" (Albert Camus) dankbar annehmen als eine ihnen
zugestandene und auch zugemutete Gestalt der Liebe. Eine Freundschaft hat
ihr Recht und ihr Glück in sich, wenn sie Dritten nichts wegnimmt, nicht
sich an einander versklavt, sich stärkt für Alltag und Nötiges.-
Zwei bilden ein Paar in den Bedingungen und Grenzen; sie empfinden miteinander
Frieden und Dank. Sichern wir unser Selbstbestimmungsrecht, indem wir das
der anderen verteidigen. Haben wir doch Mut, zueinander zu finden und die
Welt stehen zu lassen. Wer liebt und geliebt wird, der liebt auch Gott und
die Welt, liebt und ehrt einfach alles wieder mehr, findet auch das Eigene
erneuert und farbenreich und geht gestärkt wieder an sein normales Gute.
Die Liebe, die bleibt, ist Gott selbst. Unser Lieben sind Fasern,
Verkörperungen Gottes in der Zeit, gegossen in Leib und Willen und
Vorstellung von uns Menschen, mit kurzen und langen Phasen. Segen sucht Gestalt,
wie kurz oder lange unser Zugehören auch währt. Es gibt die Liebe
eines Augenblickes, es gibt die Liebe einer Nacht, die sein mußte wegen
dieses in dieser heiligen Stunde ins Existieren gerufenen Kindleins; es gibt
Drei-Tage-Lieben, die nach langer Verschlossenheit jetzt die Welt umrundet,
es gibt Drei-Jahres-Lieben, die beide hinreichend verwandelt hat, sodaß
sie von einander lassen können ; es gibt lange eigentümliche
Parallelgeschichten, und Lieben, die erst nach langen Ehen und Scheidungen
jetzt gelebt werden können. Es gibt Ehen ohne Liebe, viel zu viele;
und Lieben ohne Ehe, zum Glück auch viele, es gibt die Liebe neben der
Liebe. Und es gibt gelingende Ehen, das Bündnis, mit diesem Menschen
für immer alles, fast alles, zu teilen. Und es werden auch Diamantene
Hochzeiten gefeiert mit den frischen Generationen; und wenn einer am Krankenbett
des andern sitzt, Hand in Hand, und einer betet still, Gott möge dem
Zurückbleibenden beistehen, dann lieben sie sich inniger denn je.
Also schütze Ehen, deine, andere, überhaupt, und lebe dein Lieben,
such dein Dich-Verflechten, wie es dir selber gefällt.
Und Gott schützt die Liebenden. In je ihrer Form liebevollen Beieinanders
gehe ihnen auf, wie ihr Gemeinsames - auch auf kleiner Flamme - etwas hat
von der Energie, die die Gestirne bewegt. Da wir stets uns selbst zum Trotz
geliebt werden wollen, das aber nur Gott in Gänze geben kann, erleben
wir liebend, geliebt, ja Atemzüge (Inspiration = Beatmung) von seinem
Wesen. Und können in Hochzeiten sagen: "Ja, lege mich wie ein Siegel
auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der
Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich. Ihre Glut ist feurig
und ist eine Flamme des Herrn" (Hld 8,6).