Keitumer Predigten Traugott Giesen 23.04.2000
Ostersonntag
Christus spricht: ich lebe und ihr sollt auch leben.
Am ersten Tag der Woche, sehr früh, kamen die Frauen zum Grab und
brachten die wohlrie-chenden Öle, die sie zubereitet hatten. Schon
auf dem Weg fragten sie sich: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes
Tür? Sie fanden aber den Stein weggewälzt und gingen hinein,
aber fanden den Leib des Herrn nicht. Als sie darüber noch bekümmert
waren, erschienen ihnen zwei Wesen in strahlenden Kleidern. Die sprachen:
Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten? Er ist auferstanden. Er ist
euch vorausgegangen nach Galiläa � dort werdet ihr ihn treffen und
er wird euch senden (Lukas 24).
Warum gehen Frauen mehr zum Friedhof, pflegen treuer die Gräber?
Auch bei Jesus waren Frauen die ersten: Sie sind verknüpfter, sind
mehr mit Leben und dessen Bedrohung be-schäftigt, tragen Werden und
Vergehen inniger bei sich � sie helfen dem Leben zum Leben � können
sie darum besser, schlechter loslassen?
Jedenfalls suchen Frauen mehr Trost, auch beieinander, miteinander.
�Der Mensch ist ein trostsuchendes Wesen. Trost ist etwas anderes als Hilfe
� die sucht auch das Tier. Aber der Trost ist das merkwürdige Erlebnis,
das zwar das Leiden bestehen lässt, aber sozusagen das Leiden am Leiden
aufhebt. Dem Menschen ist im grossen und ganzen nicht zu helfen, aber der
Mensch ist zu trösten, kann sich trösten aus hunderterlei Gegebenheiten
der Welt� (nach Simmel). Etwa, die Salbung des Toten, oder die Zwiesprache
mit dem Toten am Grab, das Schönmachen des Grabes.
Die Freundinnen Jesu wussten, dass ihnen nichts anderes übrig
bleibe, als den Toten liebevoll zu betten, dann das Grab endgültig
zu verschliessen und ans eigene Leben zu gehen � um diese Liebe ärmer,
amputiert, verlassen, enttäuscht, gekränkt, bestohlen um diesen
ge-liebten Menschen. Und weil der Tod so herrisch uns kleinkriegt, und
dies Gefälle zum Nicht-sein schauerlich uns nah kommt.
�Doch was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten?� hören die Frauen
im gleissenden Ton; himmlische Wesen reissen in ein anderes Denken. Die
Auferstehung als Akt bleibt im Dunk-len, ist kein Wiederherstellen sondern
ein Bleiben auf neuem Niveau, keine Rückkehr in ei-nen verlassenen
Körper sondern Verwandlung: Aus der Raupe wird ein Schmetterling.
Die eben noch Rückwärtsgewandten, die ganz in Gedenken Eingehüllten,
wissen ihn auf neue Art bei sich, sie sehen sich vorwärts gesogen
in eine neue, bleibende Gemeinschaft.
Dieser wunderbare Mensch bleibt ihnen entnommen, aber sein Glaube,
sein Gottdurchflu-tetsein geht auf sie über, ist stärker noch
als vor dem Tod. So wie er die Welt sah, so wollten sie die jetzt auch
sehen. Er hat die Freunde zu einem Leib verknetet, das wollten sie jetzt
durch die Zeiten tragen. Und es ging ihnen die Erleuchtung an, wir sind
in Gott geborgen, mit Jesus, durch Jesus.
Sie blicken auch noch zurück. � Musste nicht alles so kommen?
Sein Liebesglaube musste doch sich zwängen durch die Enge, das Nadelöhr
Tod, wo all unsere Kräfte verlöschen und unsere Seele, unser
Ich geborgen wird von Gott � wenn denn Gott ist und Interesse an uns hat.
Das erkundet Jesus. Darin ist er Anfänger und Vollender unseres
Glaubens. Jesus erkundet das Innere Gottes, ob da der Tod auch drin ist.
Dann stürzten wir in Heiles, wenn wir zu Tode kommen. Das Sterben
zerbröselt uns nicht zu Nichts, sondern füllt uns von einer Hand
Gottes in die andere. Das kundschaftet Jesus aus. Darum musste er den Tod
äusserster Verlassen-heit sterben, eigentlich um Gott auszuloten.
Dass wir ihm nachglauben können: Der Tod ist eine Tür. Wo wir
loslassen müssen, da werden sie empfangen. wo wir zurückbleiben,
kom-men sie heim. Sie bekommen ein neues Paar Flügel. Jesus der Erste
und wir ihm nach.
Gratulieren wir uns, wir glückliche Erben von Jesu Wissen und
Sein. Auferstehung ist das Siegel auf Jesu Leben: Ja, so sind wir dran
mit Gott und miteinander: Liebe ist das Herz aller Dinge.
Und Auferstehung kennzeichnet die Zeit als mit Drall nach vorn bestückt.
Immer fliegen wir mit Gott im Konvoi und auf ihn zu. Wir sind noch nicht
fertig, wir sind noch im Werden, wenn sogar der Tod unser Werden nicht
abstellt, kann es mit uns nie aus sein.
Und sag nicht: �So bin ich, und so bleib ich.� Was dich kränkt,
dem entzieh die Bedeutsam-keit. Was dich schmerzt, das lindere. Lass Aufersteh-Elan
in deine Abläufe, so was wie Früh-ling. Denk mehr, vergib mehr,
umgeh mehr, lass fahren, was dich böse macht.
Auf dem Markt der Ideen ist die Auferstehung die härteste Währung
(Biermann) � zu neuen Ufern fahren, Himmel, Paradies, neues Jerusalem,
eine neue Welt denken, ja, noch Utopie-Sehnen, das noch keinen Ort hat.
Aber der Tod ist durchlässig geworden. � Es geht weiter mit uns, Gott
schafft noch den Siebten Tag, die Fülle mit allem.
Du! Wen Gott liebt, der ist gewiss unsterblich, der bleibt im guten
Zusammenhang. Wir sind unendlich mehr als Materie. Wir sind Gottes Gefährten,
ewig gültig. Darum, weil Gott keinen für ungültig erklärt,
ist Jesus auferstanden. Und zieht uns alle nach.
Aber jetzt fängt�s an, heute, der Tag unter Auferstehungslicht:
Sieh dich mit Verwandelkraft. �Es kann ein Mensch viele von seinen Gliedern
verlieren, deswegen bleibt er doch, und kann sagen: Ich bin� (Musil). Erstarr
nicht in deinem Verlust sondern schau, was dir bleibt und wie daraus Freude
blüht.
Sieh dich befreit zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. � Du entscheidest,
was dir wichtig ist. Du wägst die Argumente. Du hast viel Spielraum
mitbekommen, was dir als gut und was als böse gelten soll. Paulus
sagt: Es soll aufbauen � und nicht gefangennehmen. Alles andere tu in der
Liebe. Welch weites Feld dürfen wir bestellen.
Und ein Bild von Gott hast du in deiner Seele, von ihm bist du doch
ins Fleisch geschickt. Nimm dir Jesus als Ansicht Gottes � dieser leuchtende
Liebende � das Leid, das getragen werden muss, nahm er auf sich und wälzte
nicht ab. So auch du: dass es eine Lust zu leben ist, durch dich, mit dir
, für dich, das wünsch dir.
Die Jünger traf er im Alltag, Galiläa, das ist Arbeit, miteinander
auszukommen, einander nüt-zen, Freude sein, einander gefallen � da,
wenn der Seelen-Gilb, das Überheblichkeitssyn-drom, die Mäkelei
über dich kommt � lass dich senden von Christus. Wenn er sein Kreuz
trug, dann packen wir das unsere auch. Leid muss getragen werden, auf dass
wieder Freude wird. Ostern das ist: Der Durchblick, der Sonnenblick: Vor
uns, welche Mühe auch durchfahren werden muss, Freude. Vor uns Immer
wieder Gott, der uns Grund zum Entzücktsein gibt. Amen.