Traugott Giesen Kolumne 15.02.1997 Hamburger Morgenpost
Handkuß, kleine Kirche!
Endlich, endlich hat das Kirchenparlament die Segnung von gleichgeschlechtlich
Liebenden und von Paaren ohne Trauschein ein Stück weit freigegeben.
So viel Mühe und Ach und Drohreden auch - aber dann doch Gottvertrauen
inmitten der Frommen! Bekenntnis zu dem Gott der Geduld und des Trostes,
der Liebe und des Erbarmens! - Gratuliere Kirchlein, daß du Mut hast,
an den Heiligen Geist zu glauben. Denn sicher wirst du von einigen Mitmenschen
mißverstanden werden, als würdest du Ehe und Familie nicht mehr
hochhalten.
Dabei willst du doch nur Gottes Güte ehren, willst Gottes Beistand auch
denen zusichern, die darum bitten in besonderen Situationen ihres Lebens.
Wenn eine Gruppe Entwicklungshelfer nach Afrika aufbricht und sie bittet
Kirche, daß ein Seelsorgender sie segnet, oder wenn unsere Bundeswehr
zu einem humanitären Einsatz aufbricht, wird doch ein Gottesdienst gefeiert
mit viel Fürbitte und Segen. -
Segen ist nicht mehr und nicht weniger als intensive Fürbitte: "Der
Herr segne dich / euch / uns und behüte dich, der Herr lasse sein Angesicht
leuchten über euch und hülle euch in seinen Frieden." Und wenn
eine Großmutter kommt und sagt: Mit entheirateten Kindern, abgelegten
Schwiegerkindern, Enkeln und Freunden wollen wir eine große Familie
sein unter einem Dach und wollen uns Verantwortung versprechen: Kirche, segne
uns; dann wird doch Pastor, Pastorin jubeln. Und wenn eine Witwe und ein
Witwer nach viel Leben das Ende des Weges gemeinsam gehen wollen aber nicht
mehr heiraten wollen oder können, wird doch Kirche über beide die
Hand drüber halten. Und wenn zwei gleichgeschlechtlich sich Zugetane
Freunde fürs Leben sein wollen und dazu die Gemeinde bitten, inmitten
des Gottesdienstes für sie zu beten und ihnen die Hand aufzulegen als
Zeichen der Treue Gottes - wie sollte das nicht möglich sein. Und wenn
ein Paar sagt: Wir haben Angst, uns zu binden; wir wagen uns nicht zu
versprechen, uns aneinander auszuliefern auf Gedeih und Verderb - aber wir
glauben, daß Gott uns die Liebe zueinander jetzt gegeben hat - und
wir bitten Kirche, mit uns zu beten, daß die Liebe bei uns bleibe:
Jetzt darf das geschehen.
Die Worte "Trauung" und "Ehe" und "bis daß der Tod euch scheidet" werden
nicht fallen, ein Ringwechsel wird nicht sein, mit Kutsche werden sie nicht
kommen. - Die Kirche steht dafür ein, daß Trauung nur nach
standesamtlicher Eheschließung erfolgt.
Ich bin glücklich, daß die Nordelbische Synode mit allen drei
Bischöfen und einer die Übersicht bewahrenden Präsidentin
der Güte und Gerechtigkeit aufhalf. Die Unterschiede zwischen Menschen
sind Gottes gute Erfindung; eifern wir doch jeder nach seiner Art das Lieben
zu mehren, Freude zu teilen, ein Segen zu sein.