Traugott Giesen Kolumne vom 26.07.1997 aus Hamburger Morgenpost
Nachlaß für Steffi?
Steffi soll 15 Millionen Steuern nachzahlen und die daran hängenden
Kirchensteuern natürlich auch. Sie soll verhandelt haben mit ihrer
(katholischen) Kirche. Statt wohl einer Million wollte sie nur ein Drittel
bezahlen. Die Kirche aber blieb hart � nun soll sie ausgetreten sein.
Hätte die Kirche mit sich reden lassen sollen? Jetzt ist sie ein
weiteres prominentes Mitglied los; andere nehmen das als Anlaß: Was
Steffi kann, können wir auch. Kirche hätte einen Deal machen
sollen, die 300.000 DM sind doch besser als nichts � sagen manche.
Aber was ist gerecht? Sicher nicht gerecht ist die Forderung, die erst
hinterzogenen Steuern jetzt nach der Verurteilung reduziert haben zu wollen.
Und von Notlage ist nichts bekannt. Der Kern ist: Wer von 4000 DM Monatsgeld
Steuern treu abdrückt, dem fehlt ein Stück direkte Lebensqualität,
der muß wegen der Steuer auf den Urlaub oder das neue Fahrrad für
die Kinder verzichten. Und wegen der Kirchensteuer fehlen ihm harte 30
Mark, fehlt ihm das Geld für die tägliche Zeitung. Wer aber von
40.000 oder 400.000 DM Monatseinkommen die Kirchensteuer spart, was hat
der denn an Freiheit gewonnen, was kann der sich Wichtiges endlich gönnen?
Eigentlich vermehrt er nur noch mehr sein Erbe � und ist das ihm wirklich
erstrebenswert?
Doch besser als all dies Argumentieren ist: Ich tu doch auch mir was
Gutes, wenn ich helfe, daß Kirche einen guten Job macht. Ich habe
die Welt mit Kirche kennengelernt, ich will helfen, daß meine Kinder
und Enkel auch noch Kirche vorfinden � und nicht nur Profit-Center. Ich
brauche nicht Pastor, nicht Bischöfin oder Organist zu werden, aber
daß diese Personen für die sakralen Verabredungen des Lebens
vorhanden sind, dafür will ich mit sorgen.
Natürlich kann ich auch beten ohne Kirche � mindestens dreißig
mal am Tag hat jeder normale Mensch einen transzendenten Gedanken: Staunen
über die Sonne, Danken für heile Heimkehr, Lust an leckerem Essen,
Wundern über ein schönes Gesicht, Mitleid, eine Umarmung, Begeistertsein
von einem Film, Aufatmen nach dem Arztbesuch und Stöhnen, Klagen,
Fragen, warum gerade ich. All die Gefühle des Dankes und der Wehmut
rühren an das Innere der Welt. Und Kirche kümmert sich um die
gute Verbindung zum Herz aller Dinge. � Was an Vertrauen, Beratung und
Trost, Erbauung und Geisteskraft, an Nächstenliebe und Gewissensbildung
mittels der Kirchen in unsere Gesellschaft gepumpt wird, kann man gar nicht
hoch genug einschätzen.
Vielleicht kann man als Normalverdiener zwei-, dreimal fein Essen gehen
für die Jahreskirchensteuer, vielleicht kann man als Millionär
ein paar große Abende geben für seine Freunde � aber es ist
nicht fair, der Kirche zu kündigen, wenn man sie weiter will. Und
Steffi? Sie hat so viel Glück gehabt, so viel Energie ist ihr doch
als Begabung geschenkt worden, so viel Freude hat sie geben dürfen,
so viel Ärger bestanden � Gott segne sie weiterhin.